Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung einer Steuerberater- und Rechtsanwaltssozietät Prozessführungskosten bezüglich Honorareinziehungen möglichst gering zu halten. Erledigung durch nur ein Sozietätsmitglied ohne Erhöhungsgebühr § 6 Abs. 1 BRAGO
Leitsatz (amtlich)
Bei Aktivprozessen einer Sozietät von Steuerberatern und Rechtsanwälten hat insbesondere bei der Einziehung von Honorarforderungen die Sozietät Vorsorge dafür zu treffen, dass diese Aufgabe durch ein anwaltliches Sozietätsmitglied allein erledigt wird; eine Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO fällt daher nicht an.
Normenkette
BRAGO § 6 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 24.07.2002) |
AG Berlin-Charlottenburg (Beschluss vom 24.04.2002) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde wird der Beschluss des LG Berlin v. 24.7.2002i. H. v. 226,32 Euro (Erhöhungsgebühr für die Berufungsinstanz) aufgehoben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des AG Charlottenburg v. 24.4.2002 dahingehend geändert, dass die von der Beklagten an die Kläger zu erstattenden Kosten 1.829,71 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15.3.2002 betragen.
Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde i. H. v. 646,07 Euro als unzulässig verworfen.
Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - die lediglich für den verworfenen Teil des Verfahrens anfallen - trägt die Beklagte.
Die außergerichtlichen Kosten tragen zu 3/4 die Beklagte und zu 1/4 die Kläger.
Der Gegenstandswert wird auf 872,39 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger, die in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine Wirtschaftsprüfer-, Steuerberater- und Rechtsanwaltssozietät betreiben, haben die Beklagte auf Zahlung von Gebühren für steuerberatende Tätigkeiten in Anspruch genommen. Das AG Charlottenburg hat mit Urt. v. 14.3.2001 der Klage stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Die Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt und zusätzlich mit einer hilfsweisen erhobenen Widerklage die Kläger sowie die aus den Klägern und weiteren Rechtsanwälten bestehende "L. und Kollegen GbR" gesamtschuldnerisch auf Zahlung in Anspruch genommen. Mit Urt. v. 4.3.2002 hat das LG die Berufung zurückgewiesen und die Widerklage abgewiesen. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss v. 24.4.2002 ist dem Antrag der Kläger auf Festsetzung einer Erhöhungsgebühr gem. § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO i. H. v. 872,39 Euro stattgegeben worden.
Die sofortige Beschwerde der Beklagten, die sich gegen die für die Berufung festgesetzte Erhöhungsgebühr i. H. v. 226,32 Euro, nicht aber gegen den auf die Widerklage entfallenden Erhöhungsbetrag i. H. v. 646,07 Euro richtete, hat das LG mit Beschl. v. 24.7.2002 zurückgewiesen. Mit der vom LG zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich die Beklagte nunmehr gegen die gesamte für die Berufungsinstanz festgesetzte Erhöhungsgebühr i. H. v. 872,39 Euro.
II. Die Rechtsbeschwerde hat zum Teil Erfolg.
1. Hinsichtlich der in der Berufungsinstanz für die Widerklage gem. § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO festgesetzten Erhöhungsgebühr i. H. v. 646,07 Euro ist die Rechtsbeschwerde unzulässig, weil diese Festsetzung mangels Anfechtung durch die Beklagte nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem LG war und deshalb auch nicht mit der Rechtsbeschwerde angegriffen werden kann.
2. In Höhe von 226,32 Euro ist die Rechtsbeschwerde zulässig (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 u. Abs. 3 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 10 EGZPO) und in der Sache begründet.
a) Zu Unrecht geht das LG davon aus, dass auch in der Berufungsinstanz die Erhöhungsgebühr gem. § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO angefallen ist. Nach dieser Vorschrift erhöhen sich die Geschäftsgebühr und die Prozessgebühr in den Fällen, in denen ein Rechtsanwalt für mehrere Auftraggeber in derselben Angelegenheit tätig wird.
Für Aktivprozesse einer Anwaltssozietät, insbesondere bei Honorarklagen, fällt nach der ganz überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung und h. M. in der Literatur eine Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO für den die Anwaltssozietät vertretenden Rechtsanwalt nicht an (OLG Düsseldorf v. 6.4.2000 - 10 W 30/00, MDR 2000, 851 [852]; v. 19.7.2001 - 20 W 67/00, NJW-RR 2002, 645 [646]; OLG Nürnberg v. 17.3.1997 - 8 W 509/97, MDR 1997, 689 [690]; OLG Koblenz JurBüro 2002, 256; JurBüro 1998, 302 ff. sowie JurBüro 1994, 729; OLG Hamburg v. 21.10.1998 - 8 W 251/98, MDR 1999, 256; im Ergebnis OLG Köln JurBüro 1994, 94; von Eicken in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl. 2002, § 6 Rz. 15, m. w. N.; Frauenholz in Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl. 2000, § 6 Rz. 13; a. A. KG v. 12.1.1999 - 1 W 576/97, MDR 1999, 1023, m.w. Hinweisen auf die Gegenansicht). Dieser Ansicht schließt sich der Senat an. Eine Anwaltssozietät kann ohne weiteres dafür Vorsorge treffen, dass eine so häufig vorkommende Aufgabe wie die Einziehung einer Honorarforderung durch ein Sozietätsmitglied allein erledigt wird und dadurch die Prozessführungskosten im Interesse des vertretenen Mandanten möglichst gering gehalten werden. Dahinstehen kann, ob demgegenüber bei einer nur aus Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern bestehenden Sozietät bei Aktivprozessen § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO zur Anwendung kommt (bejahend OLG Braunschweig v. 10.5.1995 - II W 72/95, OLGReport Braunschweig 1995, 179; OLG Schleswig JurBüro 1994, 731). Die Anwendbarkeit von § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO scheidet jedenfalls aber dann aus, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Sozietät neben Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern auch aus Rechtsanwälten besteht. Nicht entscheidend ist, ob eine solche Sozietät Honoraransprüche für rechtsanwaltliche oder für steuerberatende Tätigkeiten geltend macht. Auch in den letztgenannten Fällen besteht für eine Sozietät die Verpflichtung, den für den Mandanten kostengünstigsten Weg zu beschreiten.
b) Ohnedies ist nach der grundlegenden Entscheidung des Senats zur Parteifähigkeit der BGB-Gesellschaft v. 29.1.2001 (BGH v. 29.1.2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = MDR 2001, 459 = BGHReport 2001, 237 = AG 2001, 307) - nach Ablauf einer gewissen Übergangszeit (BGH, Beschl. v. 18.6.2002 - VIII ZB 6/02, BGHReport 2002, 959 = MDR 2002, 1216 = NJW 2002, 2958; Beschl. v. 26.2.2003 - VIII ZB 69/02, BRAGOReport 2003, 89) - für die Anwendbarkeit von § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO jedenfalls beim Aktivprozess einer BGB-Gesellschaft kein Raum mehr.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1117345 |
DStR 2004, 875 |
NWB 2004, 1161 |
BGHR 2004, 635 |
EBE/BGH 2004, 3 |
FamRZ 2004, 623 |
NJW-RR 2004, 489 |
JurBüro 2004, 375 |
WM 2004, 2025 |
ZAP 2004, 700 |
AnwBl 2004, 251 |
MDR 2004, 600 |
Rpfleger 2004, 316 |
AGS 2004, 143 |
RENOpraxis 2004, 112 |
RVG-B 2004, 17 |
RVGreport 2004, 189 |
BBV 2004, 35 |
Mitt. 2004, 235 |
RVG-Letter 2004, 32 |
www.judicialis.de 2004 |