Leitsatz (amtlich)
a) Das FamG hat den Termin in einer Scheidungssache so zu bestimmen, dass es den beteiligten Ehegatten nach Zugang der Ladung möglich ist, unter Einhaltung der Zweiwochenfrist nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG eine Folgesache anhängig zu machen. Zur Vorbereitung eines Antrags muss den Ehegatten zusätzlich eine Woche zur Verfügung stehen (im Anschluss an BGH v. 21.3.2012 - XII ZB 447/10, FamRZ 2012, 863).
b) Zur Fristberechnung bei sog. rückwärts laufenden Wochenfristen.
Normenkette
BGB §§ 187-188; FamFG § 137 Abs. 2 S. 1; ZPO § 217
Verfahrensgang
Thüringer OLG (Beschluss vom 25.07.2011; Aktenzeichen 2 UF 157/11) |
AG Erfurt (Beschluss vom 18.02.2011; Aktenzeichen 36 F 916/10) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 2. Familiensenats des OLG Jena vom 25.7.2011 aufgehoben.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - FamG - Erfurt vom 18.2.2011 zu Nr. I und II des Entscheidungsausspruchs aufgehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das AG zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
A.
Rz. 1
Die Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) hat die Scheidung ihrer 2005 geschlossenen Ehe mit dem Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann) beantragt.
Rz. 2
Mit Verfügung vom 20.12.2010 hat das AG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 20.1.2011 bestimmt. Die Ladung ist der Ehefrau am 31.12.2010 zugegangen. In der mündlichen Verhandlung hat der Rechtsanwalt der Ehefrau einen (Stufen-)Antrag auf Auskunft und Zahlung von Zugewinnausgleich überreicht, der vom Rechtsanwalt des Ehemanns als zugestellt entgegengenommen worden ist. Das AG hat mit seinem am 18.2.2011 verkündeten Beschluss den Stufenantrag auf Zugewinnausgleich als unzulässig zurückgewiesen, die Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt.
Rz. 3
Die Ehefrau hat gegen den Beschluss - mit Ausnahme des Versorgungsausgleichs - Beschwerde eingelegt. Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Ehefrau, mit welcher sie die Aufhebung der Entscheidung zum Zugewinnausgleich und des Scheidungsbeschlusses sowie die Zurückverweisung an das AG erstrebt.
B.
Rz. 4
Die nach § 70 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.
I.
Rz. 5
Nach Auffassung des OLG ist ein entgegen § 137 Abs. 2 FamFG verspätet eingereichter Antrag in einer Folgesache als unzulässig zurückzuweisen. Ob das AG durch die Zurückweisung des Antrags die Folgesache Zugewinn lediglich nach § 140 FamFG abgetrennt oder darauf hingewiesen habe, dass der Antrag als selbständiges Verfahren geführt werde, sei nicht eindeutig. Die Frage könne aber im Ergebnis dahinstehen, da nach § 140 Abs. 6 FamFG ein Rechtsmittel gegen eine Abtrennung nicht stattfinde und nur im Rahmen eines Rechtsmittels gegen den Scheidungsbeschluss zu prüfen sei, ob die Abtrennung zu Recht erfolgt sei.
Rz. 6
Es fehle an einer nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG rechtzeitig anhängig gemachten Folgesache. Der zwischen der Zustellung der Terminsladung und dem Termin liegende Zeitraum habe dreiundzwanzig Tage (29.12.2010 bis 20.1.2011) betragen, mithin mehr als zwei Wochen. Die Ehefrau habe also die Zweiwochenfrist einhalten können.
Rz. 7
Wie das FamG auf eine verspätet anhängig gemachte Folgesache zu reagieren habe, sei umstritten. In verfassungskonformer Auslegung des § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG seien verspätete Folgesachenanträge als unzulässig zurückzuweisen. Der Ehefrau entstehe durch die selbständige Weiterführung des Zugewinnverfahrens kein Nachteil, ein solcher werde auch von ihr nicht geltend gemacht.
II.
Rz. 8
Das hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Rz. 9
1. Der in der güterrechtlichen Folgesache eingereichte Stufenantrag durfte weder abgetrennt noch zurückgewiesen werden. Denn er ist nach den Maßstäben der - nach Erlass des angefochtenen Beschlusses ergangenen - Rechtsprechung des Senats rechtzeitig eingereicht worden.
Rz. 10
Danach hat das FamG den Termin in einer Scheidungssache so zu bestimmen, dass es den beteiligten Ehegatten nach Zugang der Ladung möglich ist, unter Einhaltung der Zweiwochenfrist nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG eine Folgesache anhängig zu machen. Zur Vorbereitung eines Antrags muss den Ehegatten zusätzlich eine Woche zur Verfügung stehen (BGH v. 21.3.2012 - XII ZB 447/10, FamRZ 2012, 863 Rz. 24).
Rz. 11
Dem entspricht das Verfahren vor dem AG nicht. Die Zweiwochenfrist gem. § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG ist gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG nach den Allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung, mithin gem. § 222 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB zu berechnen. Diese Regelungen sind auf rückwärts zu rechnende Fristen entsprechend anzuwenden (Staudinger/Repgen BGB [2009] § 187 Rz. 7). Der Termin zur mündlichen Verhandlung führt zu einem rückwärtsgerichteten Beginn der Frist gem. § 187 Abs. 1 BGB und endet daher um 0.00 Uhr des seiner Benennung entsprechenden Wochentages. Vom Terminstag (Donnerstag, 20.1.2011) zurück gerechnet, hätte der Schriftsatz in der Folgesache Güterrecht somit zur Wahrung der Frist vor dem 6.1.2011 (0.00 Uhr), mithin noch am Mittwoch, dem 5.1.2011 beim FamG eingehen müssen (vgl. Krause NJW 1999, 1448, 1449; Staudinger/Repgen BGB [2009] § 187 Rz. 7; OLG Braunschweig FamRZ 2012, 892, 893; OLG Brandenburg FamRZ 2012, 892).
Rz. 12
Die den beteiligten Ehegatten zum Zweck der Vorbereitung zusätzlich einzuräumende Frist von einer Woche entspricht der Ladungsfrist gem. §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 217 ZPO (BGH v. 21.3.2012 - XII ZB 447/10, FamRZ 2012, 863 Rz. 23 f.). Sie ist auch entsprechend zu berechnen. Nach § 217 ZPO muss eine Frist von einer Woche zwischen der Zustellung der Ladung und dem Terminstag liegen. Dabei wird der Tag des die Frist auslösenden Ereignisses (§§ 222 ZPO, 187 Abs. 1 BGB) ebenso wie der Terminstag selbst nicht eingerechnet (Gehrlein in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 217 Rz. 5; Musielak/Stadler ZPO, 10. Aufl., § 217 Rz. 5; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO, 34. Aufl., § 217 Rz. 3).
Rz. 13
Demnach hätte im vorliegenden Fall die Ladung zum Termin den nach der Senatsrechtsprechung zu stellenden Anforderungen nur dann entsprochen, wenn sie der Ehefrau spätestens am 29.12.2010 zugestellt worden wäre. Das ist indessen nicht der Fall. Das im angefochtenen Beschluss genannte Zustellungsdatum vom 29.12.2010 betrifft allein die Zustellung an den Ehemann. Der Ehefrau ist die Ladung hingegen nach den Feststellungen des angefochtenen Beschlusses erst am 31.12.2010 zugestellt worden. Da die Einhaltung der Frist für jeden Beteiligten gesondert zu beurteilen ist, kommt es im vorliegenden Fall allein auf die Zustellung der Terminsladung an die Ehefrau an. Diese wahrt die den Beteiligten zur Einhaltung der Zweiwochenfrist nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG zu gewährende Vorbereitung nicht.
Rz. 14
2. Rechtsfolge eines Verstoßes ist nach der genannten Rechtsprechung des Senats ein Anspruch auf Terminsverlegung. Einer Terminsverlegung bedarf es allerdings nicht, wenn die Ehegatten die Folgesachen noch in dem Termin anhängig machen. Die Folgesachen werden dann Bestandteil des Scheidungsverbunds (BGH v. 21.3.2012 - XII ZB 447/10, FamRZ 2012, 863 Rz. 25).
Rz. 15
Das OLG hat offen gelassen, ob das AG über die Folgesache Güterrecht bereits abschließend entschieden hat oder ob die Zurückweisung des Antrags lediglich die Wirkung einer Abtrennung aus dem Scheidungsverbund haben sollte. Darauf kommt es in beiden Rechtsmittelzügen nicht an, weil der Scheidungsausspruch in beiden Fällen gleichermaßen verfahrensfehlerhaft ist. Wenn es sich nämlich der Sache nach um eine Abtrennung handeln sollte, wäre diese nicht zulässig gewesen, dann hätte das AG einen unzulässigen Teilbeschluss über die Scheidung (und den Versorgungsausgleich) erlassen (vgl. BGH, Urt. v. 1.10.2008 - XII ZR 172/06, FamRZ 2008, 2268 Rz. 20 m.w.N.; Keidel/Weber FamFG 17. Aufl., § 140 Rz. 21). Wenn das AG den Antrag hingegen in der Folgesache abschließend zurückgewiesen hätte, wäre dies ebenfalls verfahrensfehlerhaft, weil die Anträge zum Zugewinnausgleich nach § 137 FamFG in zulässiger Weise anhängig gemacht worden und somit als Folgesache zu behandeln sind, über die im Rahmen der Verbundentscheidung in der Sache hätte entschieden werden müssen. Eine solche Entscheidung kommt in der Sache einem unzulässigen Teilbeschluss über die Scheidung gleich.
Rz. 16
3. Der angefochtene Beschluss ist demnach gem. § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben. Auf die Beschwerde der Ehefrau ist der Beschluss des AG entsprechend dem Antrag der Rechtsbeschwerde mit seinen Aussprüchen zur Folgesache Güterrecht (I) und zur Scheidung (II) aufzuheben (§§ 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG, 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO). Die Entscheidung zum Versorgungsausgleich ist nicht angefochten worden (vgl. §§ 142 Abs. 2 Satz 1, 148 FamFG). Das Verfahren ist an das AG zurückzuverweisen, das die Folgesache Güterrecht im Scheidungsverbund fortzuführen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 4755009 |
NJW 2013, 2199 |
NJW 2013, 6 |
EBE/BGH 2013, 236 |
FamRZ 2013, 1300 |
FuR 2013, 538 |
MDR 2013, 925 |
FF 2013, 333 |
FF 2013, 398 |
FamFR 2013, 352 |
FamRB 2013, 320 |
FK 2014, 47 |