Leitsatz (amtlich)

Der Wortmarke "Pippi Langstrumpf" fehlt für die Dienstleistungen der Klasse 42 "Beherbergung von Gästen" nicht jegliche Unterscheidungskraft. Etwaige inhaltliche Zuschreibungen, die der Verkehr von der Romanfigur auf unter ihrem Namen angebotene Beherbergungsdienstleistungen übertragen mag, begründen allenfalls einen beschreibenden Anklang der angegriffenen Marke, beseitigen jedoch nicht ihre Eignung, als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betroffenen Dienstleistung zu wirken.

 

Normenkette

MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1, § 50 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BPatG (Beschluss vom 17.10.2016; Aktenzeichen 27 W(pat) 59/13)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin wird der am 17.10.2016 an Verkündungs Statt zugestellte Beschluss des 27. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des BPatG aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das BPatG zurückverwiesen.

 

Gründe

Rz. 1

I. Für die Markeninhaberin ist seit dem 12.4.2002 die am 19.11.2001 angemeldete Wortmarke Nr. 301 62 491

Pippi Langstrumpf

für die Dienstleistungen der Klasse 42 "Beherbergung von Gästen" eingetragen.

Rz. 2

Der Antragsteller hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung der Marke beantragt. Ihr fehle jegliche Unterscheidungskraft und es bestehe ein Freihaltebedürfnis.

Rz. 3

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat den Löschungsantrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Antragstellers hat das BPatG den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts aufgehoben und die Löschung der Marke angeordnet (BPatG, MarkenR 2016, 619). Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin mit der vom BPatG zugelassenen Rechtsbeschwerde. Der Antragsteller beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Rz. 4

II. Das BPatG hat angenommen, die Marke sei nicht unterscheidungskräftig i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Dazu hat es ausgeführt:

Rz. 5

Die mit dem Dienstleistungsangebot der Beherbergung von Gästen angesprochenen Verkehrskreise verstünden "Pippi Langstrumpf" als Namen der fiktiven Person aus den weltbekannten Kinderbüchern. Eigennamen wie fiktive Personennamen oder Phantasietitel könnten zwar grundsätzlich einen Herkunftshinweis vermitteln. Für die Beherbergung von Gästen enthalte "Pippi Langstrumpf" aber die beschreibende Aussage, es handele sich um ein speziell auf die Bedürfnisse von Kindern ausgerichtetes Beherbergungsangebot, das etwa Betreuungsangebote, spezielle Spielzeuge oder Gerätschaften für Kinder umfasse. Weiter sei denkbar, dass der angesprochene Verkehr annehme, ein mit "Pippi Langstrumpf" bezeichneter Beherbergungsbetrieb sei nach Art der "Villa Kunterbunt" der Romanfigur Pippi Langstrumpf gestaltet. Nicht entscheidend sei, dass undeutlich bleibe, wie genau das jeweilige Angebot dem Bedarf von Kindern gerecht werde, weil ein hinreichend enger beschreibender Bezug zu Beherbergungsdienstleistungen bestehe.

Rz. 6

III. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Die Annahme des BPatG, die angegriffene Marke sei mit Blick auf die Dienstleistungen "Beherbergung von Gästen" mangels hinreichender Unterscheidungskraft zu löschen, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Rz. 7

1. Die ohne Beschränkung auf einen abgrenzbaren Teil zugelassene Rechtsbeschwerde eröffnet dem Rechtsbeschwerdegericht die volle rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses, ohne dass es auf die Entscheidung der als Zulassungsgrund angeführten Rechtsfrage beschränkt ist (vgl. BGH, Beschl. v. 9.11.2016 - I ZB 43/15, GRUR 2017, 186 Rz. 9 = WRP 2017, 183 - Stadtwerke Bremen, m.w.N.).

Rz. 8

2. Die Voraussetzungen der Löschung gem. § 50 Abs. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sind entgegen der Auffassung des BPatG nicht gegeben.

Rz. 9

a) Im Falle eines gegen eine deutsche Marke gerichteten Nichtigkeitsverfahrens (§ 50 Abs. 1 MarkenG) ist für die Prüfung, ob einem Zeichen für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt oder gefehlt hat und es daher von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ausgeschlossen oder entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen worden ist, auf das Verkehrsverständnis im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens abzustellen (BGH, Beschl. v. 6.4.2017 - I ZB 39/16, GRUR 2017, 1262 Rz. 13 = WRP 2017, 1478 - Schokoladenstäbchen III, m.w.N.). Eine Löschung der Marke darf gem. § 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG aber nur erfolgen, wenn die Marke auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag keine hinreichende Unterscheidungskraft aufweist.

Rz. 10

b) Auf der Grundlage der vom BPatG getroffenen Feststellungen kann das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft nicht bejaht werden.

Rz. 11

aa) Unterscheidungskraft i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und die Waren oder Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden. Dabei ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen (BGH, Beschl. v. 17.10.2013 - I ZB 11/13, GRUR 2014, 376 Rz. 11 = WRP 2014, 449 - grill meister; Beschl. v. 19.2.2014 - I ZB 3/13, GRUR 2014, 569 Rz. 10 = WRP 2014, 573 - HOT; Beschl. v. 10.7.2014 - I ZB 81/13, GRUR 2015, 173 Rz. 15 = WRP 2015, 195 - for you; BGH GRUR 2017, 186 Rz. 29 - Stadtwerke Bremen, jeweils m.w.N.).

Rz. 12

Personennamen sind wegen ihrer Eignung, den Namensträger individuell zu bezeichnen und damit von anderen Personen zu unterscheiden, ein klassisches Kennzeichnungsmittel (vgl. zu § 5 MarkenG BGH, Urt. v. 30.1.2008 - I ZR 134/05, GRUR 2008, 801 Rz. 13 = WRP 2008, 1189 - Hansen-Bau). Ob ein Personenname eine auf die Herkunft von Waren oder Dienstleistungen hinweisende Funktion hat, ist allerdings nach den für sämtliche Marken geltenden Grundsätzen zu beurteilen (vgl. EuGH, Urt. v. 16.9.2004 - Rs. C-404/02, Slg. 2004, I-8499 = GRUR 2004, 946 Rz. 25 ff. - Nichols plc/Registrar of Trade Marks). Versteht der Verkehr eine Personenbezeichnung lediglich als eine Waren oder Dienstleistungen beschreibende Sachangabe, so fehlt es an der für die Unterscheidungskraft erforderlichen Funktion, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. BGH, Beschl. v. 5.12.2002 - I ZB 19/00, GRUR 2003, 342, 343 = WRP 2003, 519 - Winnetou; Beschl. v. 24.4.2008 - I ZB 21/06, GRUR 2008, 1093 Rz. 15 = WRP 2008, 1428 - Marlene-Dietrich-Bildnis I; BPatG, Beschl. v. 4.4.2007 - 28 W (pat) 103/05; BPatG, MarkenR 2008, 33, 36; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rz. 248).

Rz. 13

Die der Prüfung der Unterscheidungskraft zugrunde liegende Feststellung des Verkehrsverständnisses liegt im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet. Sie kann daher im Rechtsbeschwerdeverfahren nur darauf überprüft werden, ob der Tatrichter einen zutreffenden Rechtsbegriff zugrunde gelegt und entsprechend den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung geurteilt hat und das gewonnene Ergebnis von den getroffenen Feststellungen getragen wird (vgl. BGH, Beschl. v. 21.7.2016 - I ZB 52/15, GRUR 2016, 1167 Rz. 19 = WRP 2016, 1364 - Sparkassen-Rot).

Rz. 14

bb) Danach hält die Beurteilung des BPatG der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil es bei seiner Prüfung einen falschen rechtlichen Maßstab angewendet und zu hohe Anforderungen an das Vorliegen von Unterscheidungskraft i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gestellt hat. Seine Annahme, der Verkehr entnehme der angegriffenen Marke eine beschreibende Aussage über ein speziell auf die Bedürfnisse von Kindern ausgerichtetes Beherbergungsangebot, rechtfertigt es nicht, der Marke jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen.

Rz. 15

(1) Einem Zeichen fehlt jegliche Unterscheidungskraft, wenn seine Wortbestandteile einen beschreibenden Begriffsinhalt enthalten, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die Ware oder die Dienstleistung selbst nicht unmittelbar betreffen, fehlt die Unterscheidungskraft, wenn durch die Angabe ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sieht (BGH, Beschl. v. 22.1.2009 - I ZB 52/08, GRUR 2009, 952 Rz. 10 = WRP 2009, 960 - DeutschlandCard; Beschl. v. 4.4.2012 - I ZB 22/11, GRUR 2012, 1143 Rz. 9 = WRP 2012, 1396 - Starsat; BGH GRUR 2014, 569 Rz. 14 - HOT). Weil der Verkehr die Marke so wahrnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen, kann ein Bedeutungsgehalt, der erst in mehreren gedanklichen Schritten ermittelt wird, die Annahme einer fehlenden Unterscheidungskraft nicht tragen (vgl. BGH, Beschl. v. 21.12.2011 - I ZB 56/09, GRUR 2012, 270 Rz. 12 = WRP 2012, 337 - Link economy; BGH GRUR 2012, 1143 Rz. 10 - Starsat; BGH, Beschl. v. 6.11.2013 - I ZB 59/12, GRUR 2014, 565 Rz. 24 = WRP 2014, 576 smartbook; Beschl. v. 10.7.2014 - I ZB 18/13, GRUR 2014, 872 Rz. 50 = WRP 2014, 1062 - Gute Laune Drops; Beschl. v. 31.5.2016 - I ZB 39/15, GRUR 2016, 934 Rz. 18 = WRP 2016, 1109 - OUI).

Rz. 16

(2) Dem Zeichen "Pippi Langstrumpf" fehlt als Name einer fiktiven Romanfigur ein enger beschreibender Bezug zu den Dienstleistungen "Beherbergung von Gästen".

Rz. 17

Das BPatG ist davon ausgegangen, die Figur der "Pippi Langstrumpf" rufe zahlreiche Assoziationen hervor, die vordergründig und naheliegend mit den Verhaltensweisen dieser Romanfigur in Beziehung stünden. Es hat hingegen nicht festgestellt, dass der Inhalt der Pippi-Langstrumpf-Romane oder die Verhaltensweisen der Romanfigur einen inhaltlichen Bezug zum Beherbergungsgewerbe aufweisen. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Annahmen des BPatG zutreffen, der Verkehr werde bei einer unter dem Zeichen "Pippi Langstrumpf" angebotenen Beherbergungsdienstleistung annehmen, sie sei speziell auf die Bedürfnisse von Kindern ausgerichtet und es würden spezielle Spielzeuge oder Gerätschaften für Kinder vorgehalten.

Rz. 18

Fehlt ein inhaltlicher Bezug zwischen der namensgebenden Romanfigur und den geschützten Dienstleistungen, hat die Marke als solche keinen beschreibenden Charakter. Die inhaltlichen Zuschreibungen, die der Verkehr nach Auffassung des BPatG von der Romanfigur auf unter ihrem Namen angebotene Beherbergungsdienstleistungen überträgt, begründen allenfalls einen beschreibenden Anklang der angegriffenen Marke. Der Umstand, dass eine Marke als sprechendes Zeichen einen Hinweis nicht nur auf die betriebliche Herkunft, sondern auch auf die gekennzeichnete Ware oder Dienstleistung gibt, steht der Annahme der Unterscheidungskraft jedoch nicht entgegen (BGH, Beschl. v. 18.3.1999 - I ZB 27/96, GRUR 1999, 988, 990 = WRP 1999, 1038 - House of Blues). Hier verhält es sich nicht anders als in Fällen, in denen nicht beschreibende Zeichen als Werbemittel etwa in Form von Werbeslogans, Qualitätshinweisen oder Aufforderungen zum Kauf der Waren oder Dienstleistungen verwendet werden, auf die sich die Marke bezieht. Wenn die Verkehrskreise das Zeichen (auch) als Herkunftshinweis für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrnehmen, kann die Unterscheidungskraft nicht deshalb verneint werden, weil es gleichzeitig oder sogar in erster Linie als Werbemittel aufgefasst wird (vgl. EuGH, Urt. v. 21.1.2010 - Rs. C-398/08, Slg. 2010, I-535 = GRUR 2010, 228 Tz. 45 - Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH, Beschl. v. 31.3.2010 - I ZB 62/09, BGHZ 185, 152 Rz. 15 - Marlene-Dietrich-Bildnis II).

Rz. 19

IV. Die Entscheidung des BPatG kann danach nicht aufrechterhalten werden. Sie ist aufzuheben und die Sache an das BPatG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 11530523

BB 2018, 385

BlPMZ 2018, 135

GRUR 2018, 301

JZ 2018, 248

WRP 2018, 459

GRUR-Prax 2018, 124

K&R 2018, 176

IP kompakt 2018, 9

IPRB 2018, 173

MarkenR 2018, 176

Mitt. 2018, 218

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