Leitsatz (amtlich)
Zu den inhaltlichen Anforderungen an eine Beschwerdebegründung in Ehesachen und Familienstreitsachen.
Normenkette
FamFG § 117 Abs. 1 S. 1; ZPO § 520 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 6. Zivilsenats - Familiensenat - des Pfälzischen OLG Zweibrücken vom 15.8.2018 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das OLG zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 6.868 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die Beteiligten streiten um Volljährigenunterhalt.
Rz. 2
Die Antragstellerin hat ihren Vater, den Antragsgegner, u.a. auf Zahlung eines rückständigen Ausbildungsunterhalts i.H.v. 6.868 EUR für den Zeitraum von November 2014 bis April 2017 in Anspruch genommen. Das AG hat den Antragsgegner antragsgemäß verpflichtet. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat das OLG verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, der eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und eine Zurückverweisung der Sache an das OLG erreichen möchte.
II.
Rz. 3
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft.
Rz. 4
Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die angefochtene Entscheidung den Antragsgegner in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt und eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts daher zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 ZPO).
Rz. 5
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Beschwerde sei als unzulässig zu verwerfen, weil sie innerhalb der gesetzlichen Frist nicht ordnungsgemäß begründet worden sei. Die Beschwerdebegründung beschränke sich auf die Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragsgegners, ohne dass dieser Vortrag in das Ergebnis der ersten Instanz eingeordnet worden sei. Es genüge nicht die formelhafte Wendung, die Unterhaltsberechnung des FamG werde den Verhältnissen des Antragsgegners selbst dann nicht gerecht, wenn man dessen Zahlen zugrunde lege. Auch wenn sich die Beschwerde auf neue Tatsachen habe stützen wollen, wäre eine Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung erforderlich gewesen.
Rz. 6
2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Beschwerdegericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Begründung der von dem Antragsgegner eingelegten Beschwerde den formalen Anforderungen des § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht genüge und seine Beschwerde daher unzulässig sei.
Rz. 7
a) Nach § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat der Beschwerdeführer in Ehesachen und Familienstreitsachen zur Begründung seiner Beschwerde einen bestimmten Sachantrag zu stellen und diesen zu begründen. Da § 117 FamFG keine speziellen Regelungen zum Inhalt der Beschwerdebegründung beinhaltet, beurteilt es sich nach den allgemeinen Grundsätzen, ob ein Beschwerdeantrag hinreichend bestimmt und ausreichend begründet ist. Deshalb können für den notwendigen Inhalt der Beschwerdebegründung im Wesentlichen die Anforderungen herangezogen werden, die für eine Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO gelten (vgl. BGH v. 29.11.2017 - XII ZB 414/17, FamRZ 2018, 283 Rz. 8 m.w.N.; v. 23.5.2012 - XII ZB 375/11, FamRZ 2012, 1205 Rz. 13).
Rz. 8
Zweck des § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist es, den Beschwerdeführer im Interesse der Beschleunigung des Beschwerdeverfahrens dazu anzuhalten, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und das Beschwerdegericht und den Verfahrensgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild zu setzen. Es genügt, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Beschwerdeführers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig erkennen lassen, in welchem Umfang und mit welchem Ziel die erstinstanzliche Entscheidung angefochten werden soll (BGH v. 15.3.2017 - XII ZB 109/16, FamRZ 2017, 884 Rz. 25 m.w.N.; v. 29.4.2015 - XII ZB 590/13, FamRZ 2015, 1277 Rz. 17). Nicht erforderlich ist es in diesem Zusammenhang, dass die diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers in sich schlüssig, hinreichend substantiiert oder rechtlich vertretbar sind (vgl. BGH v. 29.11.2017 - XII ZB 414/17, FamRZ 2018, 283 Rz. 9 m.w.N.; v. 23.5.2012 - XII ZB 375/11, FamRZ 2012, 1205 Rz. 15; vgl. auch BGH Beschl. v. 7.6.2018 - I ZB 57/17, NJW 2018, 2894 Rz. 5 m.w.N. zu § 520 Abs. 3 ZPO). Wird die mit der Beschwerde erstrebte Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung ausschließlich mit neuen Angriffs- oder Verteidigungsmitteln begründet, bedarf es insb. keiner Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung (vgl. BGH Beschl. v. 27.3.2007 - VIII ZB 123/06, NJW-RR 2007, 934 Rz. 8 m.w.N. zu § 520 Abs. 3 ZPO). In einem solchen Fall gehören - anders als im Berufungsverfahren nach der Zivilprozessordnung - Darlegungen nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO nicht zum notwendigen Inhalt der Beschwerdebegründung (vgl. Haußleiter/Eickelmann FamFG 2. Aufl., § 117 Rz. 13), weil § 117 Abs. 2 FamFG nicht auf die strenge und ermessensunabhängige Präklusionsvorschrift des § 531 Abs. 2 ZPO verweist.
Rz. 9
b) Gemessen daran genügt die Beschwerdebegründung des Antragsgegners den formellen Anforderungen des § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG.
Rz. 10
Der Antragsgegner hat der Unterhaltsberechnung in der angefochtenen Entscheidung des AG eine eigenständige und davon abweichende Unterhaltsberechnung für die verschiedenen Unterhaltszeiträume gegenübergestellt. Auf der Grundlage dieser Unterhaltsberechnung lässt sich insb. hinreichend deutlich erkennen, dass der Antragsgegner sein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen um zusätzliche Abzugspositionen bereinigt wissen will, die das AG - offensichtlich mangels entsprechenden Sachvortrags des Antragsgegners in der ersten Instanz - entweder überhaupt nicht (Darlehen der S-Bank i.H.v. monatlich 118,90 EUR; weiteres Darlehen der Bank D.K. i.H.v. monatlich 211,20 EUR) oder nur in geringerer Höhe (Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung i.H.v. 150 EUR statt i.H.v. monatlich 175 EUR bzw. 200 EUR) berücksichtigt hat. Soweit das Beschwerdegericht im Anschluss an seine eigene Rechtsprechung (vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 2018, 939, 940) für die Zulässigkeit einer auf neues Vorbringen gestützten Beschwerde nachvollziehbare Darlegungen in der Beschwerdebegründung dazu verlangt, inwiefern der erstmals in der Beschwerdeinstanz gehaltene Vortrag die begehrte Abänderung der angefochtenen Entscheidung rechtfertigen soll, würden im Übrigen auch diese Voraussetzungen vorliegen. Denn aus der Unterhaltsberechnung des Antragsgegners ergibt sich hinreichend deutlich sein Petitum, dass er jedenfalls bei zusätzlicher Berücksichtigung der von ihm für abzugsfähig gehaltenen Verbindlichkeiten während des gesamten verfahrensgegenständlichen Unterhaltszeitraums seinen angemessenen Selbstbehalt gegenüber der Antragstellerin nicht verteidigen könne und die dem Unterhaltsantrag stattgebende Entscheidung des AG aus diesem Grunde unrichtig sei.
Rz. 11
3. Die angefochtene Entscheidung des Beschwerdegerichts kann daher keinen Bestand haben. Die Sache ist zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 12641179 |
FamRZ 2019, 378 |
FuR 2019, 222 |
NJW-RR 2019, 196 |
MDR 2019, 241 |
FF 2019, 112 |
FamRB 2019, 270 |
NZFam 2019, 231 |