Entscheidungsstichwort (Thema)
Wesentlichkeitsgrenze des § 10a VAHRG. Bewertung der Versorgung durch die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Überprüfung der Einhaltung der Wesentlichkeitsgrenze des § 10a VAHRG sind Versorgungsanrechte aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder nach der Neufassung der Satzung zum 01.01.2002 als im Leistungsstadium dynamisch zu bewerten. Der Ehezeitanteil einer bereits laufenden Versorgung ist deshalb ungekürzt in den Versorgungsausgleich einzubeziehen.
Normenkette
VAHRG § 10a
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin werden der Beschluß des 4. Zivilsenats – zugleich Familiensenat – des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg, vom 21. April 2004 aufgehoben und die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Landsberg am Lech vom 28. Oktober 2003 mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Ausgleichsbetrag zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der VBL nicht 37,80 EUR, sondern 64,78 EUR beträgt.
Die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Beschwerdewert: 575 EUR (204,68 - 156,76 = 47,92 × 12)
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin und die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL; weitere Beteiligte zu 1) streiten im Rahmen eines Abänderungsverfahrens nach § 10 a VAHRG über die Bewertung der für den Antragsgegner bei der VBL bereits laufenden Versorgung.
Die am 29. März 1963 geschlossene Ehe der Parteien wurde durch Verbundurteil des Amtsgerichts – Familiengericht – vom 10. Oktober 1979 geschieden (insoweit rechtskräftig). Dabei wurde der Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der Landesversicherungsanstalt Oberbayern (LVA; weitere Beteiligte zu 3) eine Rentenanwartschaft von monatlich 296,20 DM, bezogen auf den 30. April 1979, auf ein für die Antragstellerin zu errichtendes Konto bei der LVA übertragen wurde. Daneben wurde der Antragsgegner verpflichtet, zur Begründung einer Rentenanwartschaft von monatlich 10,39 DM, bezogen auf den 30. April 1979, zu Gunsten der Antragstellerin auf ein für sie zu errichtendes Konto bei der LVA einen Betrag von 1.771,34 DM zu zahlen. Diesen Betrag hat der Antragsgegner nicht bezahlt.
Die Antragstellerin (geboren am 15. März 1942) bezieht seit 1. Dezember 1998 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, während der Antragsgegner (geboren am 25. November 1936) seit 1. Dezember 2001 eine Vollrente wegen Alters und bereits seit 1. April 1993 eine Versorgungsrente der VBL erhält, die ab 1. Januar 2002 als Besitzstandsrente gezahlt wird und wie die übrigen Versorgungen bei der VBL jeweils zum 1. Juli jeden Jahres um 1 % erhöht wird.
Mit Schriftsatz vom 4. April 2002, beim Familiengericht eingegangen am 5. April 2002, hat die Antragstellerin, die zunächst die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs beantragt hatte, Abänderungsantrag nach § 10 a VAHRG gestellt. Das Amtsgericht – Familiengericht – hat daraufhin das Verbundurteil vom 10. Oktober 1979 hinsichtlich des Versorgungsausgleichs dahin abgeändert, daß es im Wege des Rentensplittings nach § 1587 b Abs. 1 BGB vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der LVA auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA; weitere Beteiligte zu 2) Rentenanwartschaften von monatlich 139,90 EUR, bezogen auf den 30. April 1979, übertragen hat. Darüber hinaus hat es im Wege des analogen Quasisplittings nach § 1 Abs. 3 VAHRG zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der VBL auf dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der BfA Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 37,80 EUR, bezogen auf den 30. April 1979, begründet. Es hat angeordnet, daß die Abänderung auf den 1. Mai 2002 zurückwirkt.
Dabei ist das Amtsgericht nach den Auskünften der weiteren Beteiligten zu 1 bis 3 von ehezeitlichen (1. März 1963 bis 30. April 1979; § 1587 Abs. 2 BGB) Anwartschaften der Antragstellerin bei der BfA in Höhe von 15,50 EUR und des Antragsgegners bei der LVA in Höhe von 295,31 EUR, jeweils monatlich und bezogen auf das Ende der Ehezeit, ausgegangen. Die für den Antragsgegner bei der VBL bestehende, bereits laufende Versorgung in Höhe von (253,40 DM =) 129,56 EUR hat das Amtsgericht als im Leistungsstadium statisch bewertet und nach entsprechender Dynamisierung für den Antragsgegner monatlich 75,60 EUR dem Versorgungsausgleich zugrunde gelegt.
Auf die Beschwerde der VBL hat das Oberlandesgericht die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin monatlich im Voraus vom 26. September 2001 bis 30. Juni 2002 9,98 EUR, vom 1. Juli 2002 bis 30. Juni 2003 10,19 EUR und ab 1. Juli 2003 10,30 EUR zu zahlen.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die Antragstellerin Rentenanwartschaften in Höhe von 266,61 EUR übertragen bzw. begründet erhalten. Der Antragsgegner und die weiteren Beteiligten haben sich im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
Die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsstellerin ist begründet.
1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, die Voraussetzungen einer Abänderung nach § 10 a VAHRG lägen nicht vor, da die Abänderung die Wesentlichkeitsgrenze nach § 10 a Abs. 2 VAHRG nicht übersteige. Dabei könne dahinstehen, ob die Zusatzversorgung bei der VBL in der Leistungsphase als statisch oder dynamisch zu beurteilen sei. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts wird die Wesentlichkeitsgrenze des § 10 a Abs. 2 VAHRG überstiegen. Wie der Senat zwischenzeitlich entschieden hat, sind Versorgungsanrechte aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bei der VBL nach der Neufassung der Satzung zum 1. Januar 2002 als im Leistungsstadium dynamisch zu bewerten (vgl. Senatsbeschluß vom 7. Juli 2004 – XII ZB 277/03 – FamRZ 2004, 1474). Der Ehezeitanteil der für den Antragsgegner bei der VBL bereits laufenden Versorgung ist deshalb ungekürzt mit 129,56 EUR in den Versorgungsausgleich einzubeziehen.
2. Damit ergibt sich folgende Berechnung:
Der in der Ehezeit erworbenen Versorgung der Antragsstellerin in Höhe von 15,50 EUR stehen Versorgungen des Antragsgegners in Höhe von insgesamt 295,31 EUR + 129,56 EUR = 424,87 EUR gegenüber, so daß sich eine Ausgleichspflicht des Antragsgegners in Höhe von 204,68 EUR errechnet (424,87 EUR ./. 15,50 EUR = 409,37 EUR; 409,37 EUR: 2 = 204,68 EUR).
Nach §§ 1587 b Abs. 1 BGB, 1 Abs. 3 VAHRG hat der Versorgungsausgleich durch Rentensplitting in Höhe von (295,31 EUR - 15,50 EUR): 2 = 139,90 EUR und analoges Quasisplitting in Höhe von 129,56 EUR: 2 = 64,78 EUR zu erfolgen.
Dies stimmt hinsichtlich des Rentensplittings mit der Entscheidung des Amtsgerichts überein, die Abweichung beim analogen Quasisplitting ergibt sich daraus, daß das Amtsgericht die laufende Versorgung bei der VBL als im Leistungsstadium statisch bewertet und daher konsequenterweise dynamisiert hatte.
3. Soweit die Antragstellerin geltend macht, ihr stünde ein Ausgleichsbetrag von 266,61 EUR zu, und sie sich dafür auf die entsprechende Berechnung des Sachverständigen berufen möchte, übersieht sie, daß der Sachverständige dabei die Versorgung des Antragsgegners bei der VBL, deren Ehezeitanteil nach Auskunft der VBL 253,40 DM beträgt, versehentlich mit 253,40 EUR angesetzt hat.
Unterschriften
Hahne, Sprick, Weber-Monecke, Wagenitz, Dose
Fundstellen
Haufe-Index 1746609 |
FamRZ 2005, 601 |
JWO-FamR 2004, 377 |
NJOZ 2005, 3584 |