Leitsatz (amtlich)
a) Für die Beschwerdebefugnis eines berufsständischen Versorgungsträgers ist sein rechtliches Interesse an einer dem Gesetz entsprechenden Regelung des Versorgungsausgleichs maßgeblich; nicht entscheidend ist, ob die im Streit stehende Anwartschaft vom Gericht zu hoch oder zu gering bemessen worden ist (im Anschluss an BGH v. 12.11.1980 - IVb ZB 712/80, FamRZ 1981, 132).
b) Bei der Kürzung des Versorgungsanrechts des Ausgleichspflichtigen wegen eines von ihm nach Ende der Ehezeit in Anspruch genommenen, vorzeitigen Altersruhegeldes handelt es sich nicht um eine auf die Ehezeit zurückwirkende und damit zu berücksichtigende Veränderung i.S.v. § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG.
Normenkette
VersAusglG § 5 Abs. 2, §§ 39, 43, 48 Abs. 2 Nr. 2; BGB a.F. § 1587a Abs. 2 Nr. 2; SGB VI § 109 Abs. 6
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten wird der Beschluss des 17. Familiensenats des OLG Stuttgart vom 21.10.2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das OLG zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 1.410 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die im Juni 1991 geschlossene Ehe der Parteien wurde aufgrund des im September 2009 zugestellten Scheidungsantrags am 11.2.2010 geschieden. Der Antragsteller bezieht seit 1.1.2010 bei der weiteren Beteiligten, der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte (im Folgenden: Beteiligte) ein vorgezogenes Altersruhegeld. Unter Berücksichtigung des für die Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes anfallenden Abschlags beläuft sich der für die Ehezeit maßgebliche Ausgleichswert nach den Auskünften der Beteiligten auf 492,80 EUR. Ohne diesen Abschlag beträgt der zugunsten der Antragsgegnerin zu übertragende Wert 536,23 EUR.
Rz. 2
Das AG hat den Versorgungsausgleich bezogen auf die Altersversorgung des Antragstellers bei der Beteiligten auf der Grundlage der den Abschlag für das vorgezogene Altersruhegeld berücksichtigenden Auskunft durchgeführt und somit der Antragsgegnerin im Wege der internen Teilung ein Anrecht i.H.v. 492,80 EUR monatlich, bezogen auf den 31.8.2009, übertragen. Die von der Beteiligten eingelegte Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 3
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
Rz. 4
Gemäß § 48 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG ist das ab 1.9.2009 geltende materielle Recht und Verfahrensrecht, also das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17.12.2008 (BGBl. I, 2586 - FamFG) sowie das Gesetz über den Versorgungsausgleich vom 3.4.2009 (BGBl. I, 700 - Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG), anwendbar, weil das Versorgungsausgleichsverfahren nach dem 1.9.2009 abgetrennt worden ist.
Rz. 5
1. Die bezogen auf das bei der Beteiligten bestehende Versorgungsanrecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist statthaft; die Beteiligte ist zudem beschwerdebefugt.
Rz. 6
a) Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergibt sich aus § 70 Abs. 1 FamFG; das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Auch wenn dies im Tenor nicht deutlich wird, hat das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde allerdings nur hinsichtlich der Bewertung des bei der Beteiligten bestehenden Anrechtes zugelassen. Das folgt aus der Begründung der Entscheidung, wonach das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde lediglich insoweit zugelassen hat, als es aufgrund der Neuregelung des § 5 Abs. 2 VersAusglG abweichend von der zur alten Rechtslage ergangenen Rechtsprechung des Senats entschieden hat. Damit ist allein die Frage angesprochen, ob der Umstand, dass der Antragsteller ein vorgezogenes Altersruhegeld bezieht und deshalb einen Abschlag auf sein Anrecht hinzunehmen hat, bei der Bewertung seines Versorgungsanrechtes zu Lasten der Antragsgegnerin zu berücksichtigen ist. Die Zulassung beschränkt sich somit auf die bei der Beteiligten bestehende Versorgung. Eine solche Beschränkung der Zulassung ist zulässig, weil mit der Neuregelung des Versorgungsausgleichs zum 1.9.2009 die früher notwendige Verrechnung verschiedener Versorgungsanrechte aufgehoben wurde und einzelne Versorgungsanrechte nunmehr isoliert ausgeglichen werden (BGH v. 5.10.2011 - XII ZB 555/10, FamRZ 2011, 1931 Rz. 8; v. 7.9.2011 - XII ZB 546/10, FamRZ 2011, 1785 Rz. 6).
Rz. 7
b) Die Beteiligte ist auch beschwerdebefugt. Der Beschwerdebefugnis steht nicht entgegen, dass die Beschwerdeführerin (erst) bei antragsgemäßer Entscheidung ihren Angaben zufolge "versicherungsmathematisch belastet wird".
Rz. 8
Der Senat hat bereits entschieden, dass es für die Beschwer eines Sozialversicherungsträgers nicht entscheidend ist, ob die übertragenen oder zu begründenden Anwartschaften vom Gericht zu hoch oder zu gering bemessen worden sind. Die gegenteilige Auffassung stelle allein auf die finanziellen Auswirkungen des Versorgungsausgleichs ab und lasse das rechtliche Interesse der zu beteiligenden Sozialversicherungsträger an einer dem Gesetz entsprechenden Regelung des Versorgungsausgleichs außer Betracht (BGH v. 12.11.1980 - IVb ZB 712/80, FamRZ 1981, 132, 133; s. auch BGH v. 11.4.1984 - IVb ZB 87/83, FamRZ 1984, 671; v. 18.2.2009 - XII ZB 221/06, FamRZ 2009, 853 Rz. 12; OLG Karlsruhe FamRZ 1989, 984, 985).
Rz. 9
Zwar handelt es sich bei der Rechtsbeschwerdeführerin nicht um einen Sozialversicherungsträger und auch nicht um den Träger einer beamtenrechtlichen Versorgung (s. dazu BGH v. 18.2.2009 - XII ZB 221/06, FamRZ 2009, 853), sondern um eine berufsständische Versorgungsanstalt des öffentlichen Rechts. Diese nimmt für die Altersversorgung der bei ihr Versicherten jedoch eine vergleichbare Stellung wie die vorgenannten Versorgungsträger ein. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI sind die Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung grundsätzlich von der Rentenversicherungspflicht befreit. Ferner zählt der Gesetzgeber sie zu den Regelsicherungssystemen i.S.d. § 32 VersAusglG, auf die er die Anpassungen nach Rechtskraft (§ 32 ff. VersAusglG, bislang §§ 4 bis 10 VAHRG) und Abänderungen des Wertausgleichs bei der Scheidung (§§ 225, 226 FamFG; bislang § 10a VAHRG) beschränkt hat (BT-Drucks. 16/10144, 42 und 72).
Rz. 10
Im Übrigen lässt sich wegen der Ungewissheit des zukünftigen "Versicherungsverlaufs" regelmäßig nicht feststellen, wie sich die angegriffene Entscheidung im konkreten Fall tatsächlich für den Versorgungsträgers auswirken wird (vgl. BGH v. 18.2.2009 - XII ZB 221/06, FamRZ 2009, 853 Rz. 12).
Rz. 11
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
Rz. 12
a) Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Hinsichtlich der bis zum 31.8.2009 geltenden Rechtslage sei im Fall vorzeitigen Rentenbeginns § 1587a Abs. 2 Nr. 2 BGB so auszulegen, dass die Veränderung des Zugangsfaktors bei der Berechnung des Ehezeitanteils außer Betracht bleibe, wenn die Zeit vorzeitigen Rentenbezugs so wie hier außerhalb der Ehezeit liege. Dieser differenzierten Betrachtungsweise zum alten Recht stehe nun der Wortlaut des § 5 Abs. 2 VersAusglG entgegen. Danach seien rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ehezeitanteil zurückwirkten, zu berücksichtigen. Bei dem Absenken der Versorgung durch vorgezogenen Altersruhegeldbezug handele es sich um eine tatsächliche Veränderung, die die Ausgleichsberechtigte auch im Falle einer intakten und fortgeführten Ehe bei einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand mitzutragen hätte. Sie müsse daher auch bei Durchführung des Versorgungsausgleichs mitgetragen werden, da andernfalls der Grundsatz der Halbteilung verletzt würde. Dies könnte lediglich in Extremfällen mit Schädigungsabsicht anders zu beurteilen sein, wofür hier keinerlei Anhaltspunkte vorlägen.
Rz. 13
b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Rz. 14
aa) Gemäß § 1 Abs. 1 VersAusglG sind die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten (Ehezeitanteile) jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen. Dabei überträgt das FamG grundsätzlich nach § 10 Abs. 1 VersAusglG für die ausgleichsberechtigte Person zu Lasten des Anrechts der ausgleichspflichtigen Person ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts bei dem Versorgungsträger, bei dem das Anrecht der ausgleichspflichtigen Person besteht (interne Teilung). Befindet sich ein Anrecht in der Anwartschaftsphase und richtet sich sein Wert nach einer Bezugsgröße, die unmittelbar bestimmten Zeitabschnitten zugeordnet werden kann, so entspricht der Wert des Ehezeitanteils gem. § 39 Abs. 1 VersAusglG dem Umfang der auf die Ehezeit entfallenden Bezugsgröße. Diese unmittelbare Bewertung ist nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG insb. bei Anrechten anzuwenden, bei denen für die Höhe der laufenden Versorgung die Summe der Entgeltpunkte oder vergleichbarer Rechengrößen wie Versorgungspunkte oder Leistungszahlen bestimmend ist.
Rz. 15
Schließlich ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung das Ende der Ehezeit, § 5 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG. Rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ehezeitanteil zurückwirken, sind gem. § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG zu berücksichtigen.
Rz. 16
bb) Danach kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Maßgeblich für den Versorgungsausgleich ist das in der Ehezeit tatsächlich erworbene Anrecht des Antragstellers. Der Abschlag, der dadurch entstanden ist, dass der Antragsteller nach Ende der Ehezeit vorzeitig Altersruhegeld in Anspruch genommen hat, bleibt dagegen unberücksichtigt.
Rz. 17
(1) Die Ermittlung der im Streit stehenden, berufsständischen Anwartschaft des Antragstellers unterliegt - wie die Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 43 Abs. 1 VersAusglG - der unmittelbaren Bewertung nach § 39 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG.
Rz. 18
Während sich die Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach persönlichen Entgeltpunkten und aktuellem Rentenwert richten (§§ 63, 66, 68 SGB VI), bemessen sich die bei der Beteiligten bestehenden Anrechte nach Leistungszahlen und Punktewerten (§ 28 der Satzung der Beteiligten). Der Senat hat bereits im Jahr 2005 (also noch zum alten Recht) entschieden, dass wegen dieser strukturellen Gemeinsamkeiten zwischen den jeweiligen Systemen die bei der Beteiligten erworbenen Versorgungsanrechte nach den Grundsätzen der gesetzlichen Rentenversicherung zu bemessen sind (BGH v. 22.6.2005 - XII ZB 117/03, FamRZ 2005, 1455).
Rz. 19
Danach ist im vorliegenden Fall für die Bewertung der Anwartschaft die in der Ehezeit vom Versorgungsausgleichsverpflichteten erworbene Summe der Jahresleistungszahlen von 1.334,58 % maßgeblich, was ausweislich der Versorgungsauskunft der Beteiligten vom 8.4.2010 unter Berücksichtigung des zum Ehezeitende geltenden "Punktwertes" von 80,36 EUR einer Anwartschaft während der Ehezeit von 1.072,47 EUR, und damit einem Ausgleichswert von 536,23 EUR entspricht.
Rz. 20
(2) Die Berücksichtigung eines Abschlags für das nach der Ehezeit in Anspruch genommene vorzeitige Altersruhegeld kommt nicht in Betracht.
Rz. 21
(a) Unter Berücksichtigung dieses Abschlags beliefe sich der für die Ehezeit maßgebliche Ausgleichswert nach der Versorgungsauskunft der Beteiligten auf den - von den Instanzgerichten ihrer Entscheidung zugrunde gelegten - Betrag von 492,80 EUR. Die Höhe des Abschlags beruht darauf, dass der Antragsteller 27 Monate vor der regulären Altersgrenze in Ruhestand gegangen ist, weshalb für jeden dieser Monate gem. § 29 Abs. 5 der Satzung ein Abschlag von 0,3 %, insgesamt also 8,10 % vorzunehmen war.
Rz. 22
(b) Schon nach altem Recht schloss § 1587a Abs. 2 Nr. 2 BGB für die gesetzliche Rentenversicherung eine Berücksichtigung des Abschlags aus. Danach war bei Renten oder Rentenanwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Betrag zugrunde zu legen, der sich am Ende der Ehezeit aus den auf die Ehezeit entfallenden Entgeltpunkten ohne Berücksichtigung des Zugangsfaktors als Vollrente wegen Alters ergäbe. Der Zugangsfaktor sah gem. § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a SGB VI bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente in der gesetzlichen Rentenversicherung für jeden Kalendermonat einen Abschlag von "0,003 niedriger als 1,0" vor. Die Regelung des § 1587a Abs. 2 Nr. 2 BGB, die nunmehr von § 109 Abs. 6 SGB XI fortgeschrieben wird, hat der Senat im Wesentlichen bestätigt (BGH v. 22.6.2005 - XII ZB 117/03, FamRZ 2005, 1455, 1457). Nur für die Fälle, in denen der Ausgleichspflichtige bereits während der Ehezeit vorzeitiges Altersruhegeld bezogen hat, hat der Senat hiervon Ausnahmen zugelassen (BGH v. 22.6.2005 - XII ZB 117/03, FamRZ 2005, 1455, 1457).
Rz. 23
Ferner hat der Senat entschieden, dass § 1587a Abs. 2 Nr. 2 BGB, wonach das gesetzliche Rentenanrecht aus der ungekürzten Altersrente zu bewerten sei, Ausdruck eines allgemeinen Bewertungsprinzips sei, das ebenso für die Bewertung anderer Versorgungsanrechte gelte (BGH v. 14.12.2011 - XII ZB 23/08 - zur Veröffentlichung bestimmt; v. 18.5.2011 - XII ZB 127/08, FamRZ 2011, 1214 Rz. 14; s. auch BGH v. 22.6.2005 - XII ZB 117/03, FamRZ 2005, 1455, 1458). Die erst nach dem Ehezeitende getroffene Entscheidung des Ausgleichspflichtigen, die vorgezogene Altersrente unter Inkaufnahme eines Versorgungsabschlags in Anspruch zu nehmen, habe zur Ehezeit keinen unmittelbaren Bezug mehr und müsse daher bei der Bewertung des Rentenanrechts außer Betracht bleiben (BGH v. 14.12.2011 - XII ZB 23/08 - zur Veröffentlichung bestimmt; v. 18.5.2011 - XII ZB 127/08, FamRZ 2011, 1214 Rz. 15).
Rz. 24
(c) Diese Maßstäbe gelten entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts auch für das neue Recht.
Rz. 25
(aa) Dies ergibt sich bereits aus § 109 Abs. 3 SGB VI, der nach dem oben Gesagten auf die von der Beteiligten gewährten Versorgungsanrechte entsprechend anzuwenden ist. Danach errechnen sich die gem. § 39 VersAusglG zu ermittelnden Entgeltpunkte aus der Berechnung einer Vollrente wegen Erreichens der Regelaltersgrenze (s. auch MünchKomm/BGB/Weber 5. Aufl., § 43 VersAusglG Rz. 23 f.; Hauß/Eulering Versorgungsausgleich und Verfahren in der Praxis Rz. 484 und Norpoth in Erman BGB, 13. Aufl., § 5 VersAusglG Rz. 10).
Rz. 26
(bb) Dem steht § 5 Abs. 2 VersAusglG nicht entgegen. Dessen Satz 1 besagt, maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung ist das Ende der Ehezeit. Nach Satz 2 sind rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ehezeitanteil zurückwirken, zu berücksichtigen.
Rz. 27
Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts handelt es sich bei dem nach Ende der Ehezeit aufgenommenen Bezug eines vorzeitigen Altersruhegeldes und der damit einhergehenden Reduzierung der ursprünglichen Rentenanwartschaft weder um eine rechtliche noch um eine tatsächliche Veränderung i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG.
Rz. 28
Die Norm eröffnet die Möglichkeit, nachehezeitliche Veränderungen auch bereits bis zur letzten Tatsachenentscheidung im Erstverfahren zu berücksichtigen (BGH v. 18.1.2012 - XII ZB 696/10 - juris Rz. 23). Nicht zu berücksichtigen sind danach jedoch nachehezeitliche Veränderungen, die keinen Bezug zur Ehezeit haben (BT-Drucks. 16/10144, 49). Eine Berücksichtigung solcher individueller, nachehelicher Umstände würde nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, die sich der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs ausdrücklich zu Eigen gemacht hat (BT-Drucks. 16/10144, 49), gegen das Stichtagsprinzip des § 5 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG verstoßen (BGH v. 18.1.2012 - XII ZB 696/10 - juris Rz. 28). Demgemäß ist in der Gesetzesbegründung zum Gesetz über den Versorgungsausgleich ausdrücklich ausgeführt, dass bei einer nach Ehezeit getroffenen Entscheidung für den vorzeitigen Ruhestand die Abschläge schon deshalb außer Betracht bleiben müssten, weil insoweit der Bezug zur Ehezeit fehle (BT-Drucks. 16/10144, 80 zu § 41 VersAusglG).
Rz. 29
Soweit das Beschwerdegericht meint, bei dem Abschlag handele es sich um eine tatsächliche Veränderung, die die Ausgleichsberechtigte auch im Falle einer intakten und fortgeführten Ehe bei einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand des Antragstellers mitzutragen gehabt hätte, verkennt es, dass sie in diesem Fall auch an der Rentenzahlung partizipiert hätte (vgl. BGH v. 18.5.2011 - XII ZB 127/08, FamRZ 2011, 1214 Rz. 15).
Rz. 30
Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts erfordert es auch der Halbteilungsgrundsatz nicht, den auf einer individuellen nachehezeitlichen Entscheidung des Antragstellers beruhenden Versorgungsabschlag zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluss v. 14.12.2011 - XII ZB 23/08 - zur Veröffentlichung bestimmt). Der Umstand, dass dem Antragsteller nach durchgeführtem Versorgungsausgleich bezogen auf den Ehezeitanteil weniger verbleibt als der ausgleichsberechtigten Antragsgegnerin, beruht auf seinem Entschluss, bereits im Alter von 62 Jahren vorgezogenes Altersruhegeld in Anspruch zu nehmen und damit in den Genuss eines verlängerten Rentenbezugs zu kommen.
Rz. 31
3. Gemäß § 74 Abs. 5 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Die Sache ist gem. § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, weil der Senat in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden kann. Zwar ergibt sich aus der Versorgungsauskunft der Beteiligten vom 8.4.2010, die das AG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, neben der von den Instanzgerichten in Bezug genommen Berechnung des ehezeitanteiligen vorgezogenen Altersruhegeldes nach § 29 Abs. 5 der Satzung auch die Berechnung des Ausgleichswertes aufgrund der ungekürzten Versorgung. Jedoch ist weder festgestellt noch aus der Akte ersichtlich, welche Fassung der Satzung die Instanzgerichte ihrer Entscheidung zugrunde gelegt haben. Wie der Senat nach Erlass der Beschwerdeentscheidung entschieden hat (Beschl. v. 26.1.2011 - XII ZB 504/10, FamRZ 2011, 547 Rz. 22 ff.), ist es bei der internen Teilung nach § 10 VersAusglG jedoch geboten, im Tenor der gerichtlichen Entscheidung die Fassung oder das Datum der Versorgungsregelung zu benennen, die dieser Entscheidung zugrunde liegt.
Fundstellen
Haufe-Index 2953445 |
FamRZ 2012, 851 |
FuR 2012, 4 |
NJW-RR 2012, 577 |
FPR 2012, 7 |
MDR 2012, 650 |
FamFR 2012, 230 |
FamRB 2012, 176 |
FK 2012, 206 |