Entscheidungsstichwort (Thema)
Elektronischer Rechtsverkehr: Erfordernis der Wiedergabe des Namens am Ende des Schriftsatzes bei einer einfachen Signatur
Leitsatz (amtlich)
Die einfache Signatur im Sinne des § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, beispielsweise bestehend aus einem maschinenschriftlichen Namenszug unter dem Schriftsatz oder einer eingescannten Unterschrift. Nicht genügend ist das Wort „Rechtsanwalt“ ohne Namensangabe (im Anschluss an BAG, Beschluss vom 14. September 2020 - 5 AZB 23/20, BAGE 172, 186 = NJW 2020, 3476 und BSG, Beschluss vom 16. Februar 2022 - B 5 R 198/21 B, NJW 2022, 1334).
Normenkette
ZPO § 130a Abs. 3 S. 1 Alt. 2, Abs. 4
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Entscheidung vom 29.04.2022; Aktenzeichen II-1 UF 192/21) |
AG Düsseldorf (Entscheidung vom 11.11.2021; Aktenzeichen 267 F 67/21) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 29. April 2022 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.
Wert: bis 6.000 €
Gründe
I.
Rz. 1
Das Familiengericht hat den Antragsgegner mit einem ihm am 12. November 2021 zugestellten Beschluss verpflichtet, an die Antragsteller rückständigen und laufenden Kindesunterhalt zu zahlen.
Rz. 2
Gegen diese Entscheidung hat der Antragsgegner am 13. Dezember 2021 - einem Montag - durch einen unter dem Briefkopf der Anwaltskanzlei verfassten, durch seine Rechtsanwältin persönlich auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) eingereichten und bei Gericht über das Elektronische Gerichtspostfach (EGVP) empfangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Auf gerichtlichen Hinweis, dass der Schriftsatz nicht wie erforderlich zumindest einfach signiert sei, da an dessen Ende nur das Wort „Rechtsanwältin“ aufgeführt, aber kein Name angegeben und deshalb die eingereichte Beschwerde unzulässig sei, hat der Antragsgegner vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Beschwerdeeinlegung am 10. Januar 2022 durch einen mit der maschinenschriftlichen Namenswiedergabe der Rechtsanwältin abschließenden Schriftsatz nachgeholt.
Rz. 3
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Beschwerde verworfen. Die Beschwerdeeinlegung sei innerhalb der Beschwerdefrist nicht formgerecht erfolgt, da das elektronische Dokument entgegen § 130 a Abs. 3 ZPO weder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur noch mit der - bei Einreichung auf einem sicheren Übertragungsweg erforderlichen - einfachen Signatur versehen gewesen sei. Die einfache Signatur erfordere eine Wiedergabe des Namens am Ende des Schriftsatzes, beispielsweise in Form eines maschinenschriftlichen Namenszugs, woran es hier fehle. Das Fehlen der einfachen Signatur sei auch nicht aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise unschädlich. Ein Wiedereinsetzungsgrund sei nicht gegeben, da die Frist nicht ohne Verschulden versäumt worden sei. Soweit die Rechtsanwältin irrtümlich davon ausgegangen sei, das übermittelte Dokument sei mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen gewesen, hätte sie sich darüber vor Absendung des Dokuments vergewissern müssen. Zumindest bei sorgfältiger Überprüfung des Prüfprotokolls hätte ihr auffallen müssen, dass dort unter „Zusammenfassung und Struktur“ vermerkt gewesen sei: „keine Signatur gefunden“. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 4
Die nach §§ 112 Nr. 3, 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt. Der Antragsgegner vermag auch nicht aufzuzeigen, dass eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre. Das Oberlandesgericht hält sich mit seiner Entscheidung im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Rz. 5
1. Das Oberlandesgericht ist zutreffend zu der Auffassung gelangt, dass der Antragsgegner seine Beschwerde nicht innerhalb der am 13. Dezember 2021 abgelaufenen einmonatigen Beschwerdefrist formgerecht eingelegt hat.
Rz. 6
a) Nach § 63 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde binnen einer Frist von einem Monat einzulegen. Als bestimmender Schriftsatz musste sie vor dem Inkrafttreten des § 130 d ZPO am 1. Januar 2022 gemäß §§ 64 Abs. 2 Satz 4, 114 Abs. 1 FamFG grundsätzlich durch einen postulationsfähigen Verfahrensbevollmächtigten unterzeichnet sein (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 222, 105 = NJW 2019, 2230 Rn. 10 mwN).
Rz. 7
Auch schon vor der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2022 konnte die Beschwerdeschrift nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 130 a ZPO als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden. Ein solches elektronisches Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen (§ 130 a Abs. 2 ZPO). Diese sind geregelt in der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach vom 24. November 2017 (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV, BGBl. I S. 3803; geändert durch Verordnung vom 9. Februar 2018, BGBl. I S. 200), die nach § 10 Abs. 1 ERVV zum 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist.
Rz. 8
Das elektronische Dokument muss zudem mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 130 a Abs. 3 und 4 ZPO). Ein mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenes Dokument darf außer auf einem sicheren Übermittlungsweg auch an das EGVP übermittelt werden (§ 4 Abs. 1 ERVV).
Rz. 9
b) Da bei der Übermittlung der Beschwerdeschrift keine qualifizierte Signatur verwendet worden ist, wäre der Vorschrift des § 130 a Abs. 3 und 4 ZPO nur genügt, wenn der Schriftsatz einfach signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden wäre.
Rz. 10
Eine solche einfache elektronische Signatur besteht gemäß Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (eIDAS-VO) aus Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verbunden werden und die der Unterzeichner zum Unterzeichnen verwendet. Bei der durch bzw. mit einem Textverarbeitungsprogramm zum Abschluss des Schriftsatzes angebrachten Namenswiedergabe des Verfassers handelt es sich um solche Daten. Die einfache Signatur meint mithin die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes. Dies kann beispielsweise der maschinenschriftliche Namenszug unter dem Schriftsatz oder eine eingescannte Unterschrift sein (BAGE 172, 186 = NJW 2020, 3476 Rn. 14 f. mwN).
Rz. 11
Die einfache Signatur soll - ebenso wie die eigene Unterschrift oder die qualifizierte elektronische Signatur - die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (BAGE 172, 186 = NJW 2020, 3476 Rn. 19 mwN; BSG NJW 2022, 1334 Rn. 10). Dazu muss die Namenswiedergabe so entzifferbar sein, dass sie von den Empfängern des Dokuments ohne Sonderwissen oder Beweisaufnahme einer bestimmten Person als Verantwortlicher zugeordnet werden kann (BSG NJW 2022, 1334 Rn. 9). Fehlt es hieran, ist das Dokument nicht ordnungsgemäß eingereicht. Die einfache Signatur soll gerade sicherstellen, dass die von dem Übermittlungsweg beA ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, welche mit der wiedergegebenen Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt (BAGE 172, 186 = NJW 2020, 3476 Rn. 16 mwN; BSG NJW 2022, 1334 Rn. 9).
Rz. 12
c) Diesen rechtlichen Vorgaben wird die am 13. Dezember 2021 eingegangene Beschwerdeschrift des Antragsgegners nicht gerecht, weil das Dokument auch nicht mit einer einfachen Signatur versehen war. Die Beschwerdeschrift endet nur mit der Bezeichnung „Rechtsanwältin“ ohne weitere Namensangabe. Allein mit dieser Bezeichnung lässt sich der Schriftsatz keiner bestimmten Person zuordnen, die Verantwortung für seinen Inhalt übernommen hat. Eine eindeutige Zuordnung wird auch nicht dadurch hergestellt, dass im Briefkopf der Kanzlei nur eine einzige Rechtsanwältin neben anderen männlichen Rechtsanwälten aufgeführt ist. Denn dies schließt nicht aus, dass eine im Briefkopf nicht aufgeführte Rechtsanwältin die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen hat (vgl. BAGE 172, 186 = NJW 2020, 3476 Rn. 17 ff.).
Rz. 13
2. Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Oberlandesgericht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Beschwerdefrist abgelehnt.
Rz. 14
Die Fristversäumung war nicht unverschuldet im Sinne von § 117 Abs. 5 FamFG i.V.m. § 233 ZPO, weil der Antragsgegner sich das Verschulden seiner Verfahrensbevollmächtigten gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
Rz. 15
a) Nach gefestigter Rechtsprechung muss der Verfahrensbevollmächtigte eines Beteiligten alles ihm Zumutbare tun und veranlassen, damit die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels gewahrt wird (Senatsbeschluss vom 21. August 2019 - XII ZB 93/19 - FamRZ 2019, 1880 Rn. 5 mwN). In seiner eigenen Verantwortung liegt es, das Dokument gemäß den gesetzlichen Anforderungen entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen oder die Einreichung des einfach signierten elektronischen Dokuments auf einem sicheren Übermittlungsweg persönlich vorzunehmen, damit die Echtheit und die Integrität des Dokuments wie bei einer persönlichen Unterschrift gewährleistet sind (vgl. § 130 a Abs. 3 ZPO).
Rz. 16
Ein Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts über die gesetzlichen Erfordernisse ist regelmäßig nicht unverschuldet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen. Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts kann als Entschuldigungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn der Verfahrensbevollmächtigte die volle, von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen, denn der Beteiligte, der dem Anwalt die Verfahrensführung überträgt, darf darauf vertrauen, dass er dieser als Fachmann gewachsen ist. Selbst wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss der bevollmächtigte Anwalt den sicheren Weg wählen. Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert. Dazu besteht umso mehr Veranlassung, wenn es sich um eine vor kurzem geänderte Gesetzeslage handelt, die ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verlangt. Ein Rechtsirrtum ist nur ausnahmsweise als entschuldigt anzusehen, wenn er auch unter Anwendung der erforderlichen Sorgfaltsanforderungen nicht vermeidbar war (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 222, 105 = NJW 2019, 2230 Rn. 25 mwN).
Rz. 17
Ein etwa vorliegender Irrtum war nicht unvermeidbar in diesem Sinne. Die Bundesrechtsanwaltskammer hatte bereits in einem Newsletter zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach (Ausgabe 48/2017 vom 30. November 2017) folgenden Hinweis erteilt: „Die „einfache elektronische Signatur“ (oder einfach: Signatur) besteht einfach darin, einen Namen unter das Dokument zu setzen, gleich ob man ihn tippt oder eine gescannte Unterschrift einfügt.“ Hierüber konnte sich die Bevollmächtigte des Antragsgegners nicht ohne Verletzung ihrer anwaltlichen Sorgfaltspflichten hinwegsetzen. Zudem war im Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerdeschrift bereits Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts veröffentlicht, wonach das Wort „Rechtsanwalt“ als Abschluss des Schriftsatzes nicht genügt (BAGE 172, 186 = NJW 2020, 3476).
Rz. 18
b) Hat der Verfahrensbevollmächtigte das Dokument entgegen den gesetzlichen Erfordernissen nicht mit einer einfachen Signatur versehen, entlastet es ihn auch nicht, wenn im Prüfprotokoll der Übermittlung an das EGVP zwar unter „Zusammenfassung und Struktur“ vermerkt ist: „Sämtliche durchgeführten Prüfungen lieferten ein positives Ergebnis“, gleichzeitig jedoch angegeben ist: „keine Signatur gefunden“. Zwar darf der Rechtsanwalt in einem solchen Fall davon ausgehen, dass die Übersendung an das Gericht als solche erfolgreich war (vgl. BGH Beschluss vom 11. Mai 2021 - VIII ZB 9/20 - NJW 2021, 2201 Rn. 21 f.). Die Bestätigung der ordnungsgemäßen Übertragung besagt aber nichts darüber, ob das eingereichte Dokument für sich genommen den gesetzlichen Erfordernissen hinsichtlich Echtheits- und Integritätsnachweisen entspricht, ebenso wie ein erfolgreiches Telefaxübertragungsprotokoll keine Bestätigung darüber bietet, dass das per Telefax versendete Schriftstück eine rechtsgültige Unterschrift trägt. Angesichts der Angabe „keine Signatur gefunden“ war für die Verfahrensbevollmächtigte offenkundig, dass das Dokument - entgegen ihrer Annahme - nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen war. Somit konnte es allenfalls aufgrund einer enthaltenen einfachen Signatur Rechtswirksamkeit entfalten. Ob eine solche vorhanden war, oblag der Prüfungsverantwortung der Rechtsanwältin.
Dose |
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Klinkhammer |
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Nedden-Boeger |
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Botur |
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Guhling |
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Fundstellen
Haufe-Index 15399851 |
BB 2022, 2369 |
BB 2022, 2640 |
DStR 2022, 14 |