Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Nachforderung eines höheren Unterhalts. Altersvorsorgeunterhalt und angemessener Lebensbedarf
Leitsatz (amtlich)
a) Hat der Unterhaltsberechtigte seinen Unterhaltsanspruch bereits beziffert, nachdem er zunächst von dem Unterhaltspflichtigen Auskunft gem. § 1613 Abs. 1 BGB begehrt hat, so kann er nicht rückwirkend einen höheren Unterhalt verlangen, wenn der Unterhaltspflichtige bei der erstmals erfolgten Bezifferung nicht mit einer Erhöhung zu rechnen brauchte.
b) Zum angemessenen Lebensbedarf i.S.d. § 1578b Abs. 1 Satz 1 BGB gehört auch der Altersvorsorgeunterhalt.
c) Gemäß § 120 Abs. 1 FamFG findet auf Familienstreitsachen die Vorschrift des § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO entsprechende Anwendung. Wird ein Antrag nach § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. § 120 Abs. 1 FamFG in der Rechtsbeschwerdeinstanz gestellt, so ist er regelmäßig zurückzuverweisen, weil er auf neuem oder ungeklärtem Sachverhalt beruht (im Anschluss an BGH, Urt. v. 17.5.1994 - XI ZR 117/93, NJW 1994, 2095).
Normenkette
BGB §§ 1577, 1578 Abs. 3, §§ 1578b, 1585b Abs. 2, § 1606 Abs. 3 S. 1, § 1613 Abs. 1 S. 1; FamFG § 120; ZPO § 717 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 13. Senats für Familiensachen des OLG Hamm vom 21.4.2011 aufgehoben, soweit zum Nachteil des Antragsgegners entschieden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und über die Inzidentanträge des Antragsgegners, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
A.
Rz. 1
Die Antragstellerin begehrt vom Antragsgegner Zahlung nachehelichen Unterhalts für die Zeit ab August 2009.
Rz. 2
Die Beteiligten heirateten 1991. Die Scheidung der Ehe ist seit 1.5.2009 rechtskräftig. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, die am 7.11.1993 und am 30.1.1995 geboren sind. Bis Mai 2010 bewohnte die Antragstellerin gemeinsam mit den beiden Kindern das als Ehewohnung dienende Haus. Nach dem Auszug der Antragstellerin zog der Antragsgegner, der das Haus im Rahmen einer Teilungsversteigerung zu Alleineigentum erworben hatte, dort ein und übernahm die Betreuung der beiden Kinder.
Rz. 3
Die Antragstellerin absolvierte eine Ausbildung bei der Deutschen Bank. Seit Januar 2009 arbeitet sie vollschichtig bei der Immobilienabteilung der Stadtsparkasse. Der Antragsgegner ist Sparkassenbetriebswirt und stellvertretender Geschäftsstellenleiter bei der Stadtsparkasse.
Rz. 4
Nachdem die Antragstellerin im August 2009 vom Antragsgegner Auskunft zur Geltendmachung nachehelichen Unterhalts verlangt hatte, hat sie ihren Unterhaltsanspruch zunächst auf 310,50 EUR beziffert und im November 2009 einen entsprechenden Zahlungsantrag bei Gericht gestellt, den sie später rückwirkend erhöht hat.
Rz. 5
Das AG hat den Antrag auf nachehelichen Unterhalt abgewiesen. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das Beschwerdegericht den Antragsgegner für die Zeit ab August 2009 zu Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt in unterschiedlicher Höhe verpflichtet, zuletzt für die Zeit ab Juli 2012 monatlich i.H.v. 804 EUR Elementarunterhalt und 182 EUR Altersvorsorgeunterhalt. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit der vom OLG zugelassenen Rechtsbeschwerde. Zudem begehrt er die Rückzahlung derjenigen Beträge, die er im Hinblick auf die drohende Vollstreckung aus dem Beschwerdebeschluss an die Antragstellerin geleistet hat.
B.
Rz. 6
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
I.
Rz. 7
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insb. ist sie gem. § 70 Abs. 1 FamFG uneingeschränkt statthaft.
Rz. 8
Zwar hat das OLG in der Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum einen die Frage der Behandlung nachträglicher Erhöhungsverlangen sei, wenn der Unterhaltsberechtigte nach einem Auskunftsverlangen gem. § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB zunächst auf der Basis der erteilten Auskunft einen bezifferten Unterhaltsanspruch geltend mache, diesen dann aber später rückwirkend erhöhe; ferner sei Anlass für die Zulassung die Bemessung der ehebedingten Nachteile i.S.d. § 1578b Abs. 1 Satz 2 BGB unter Einbeziehung eines Altersvorsorgeunterhalts. Diese Erwägungen führen indes nicht dazu, dass die Rechtsbeschwerde lediglich beschränkt zugelassen worden wäre.
Rz. 9
1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass sich auch bei - wie hier - uneingeschränkter Zulassung des Rechtsmittels im Tenor eine wirksame Beschränkung aus den Entscheidungsgründen ergeben kann (zur Rechtsbeschwerde vgl. etwa BGH v. 14.5.2008 - XII ZB 78/07, FamRZ 2008, 1339 Rz. 15). Unzulässig ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken (so zur Revision zuletzt BGH, Urt. v. 19.9.2012 - XII ZR 136/10 - juris Rz. 8). Die Zulassung der Revision bzw. Rechtsbeschwerde kann auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Streitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils bzw. Teilbeschlusses sein könnte oder auf den der Rechtsmittelführer selbst sein Rechtsmittel beschränken könnte (vgl. BGH, Urt. v. 19.9.2012 - XII ZR 136/10 - juris Rz. 8 m.w.N.).
Rz. 10
Das bedeutet allerdings nicht, dass stets allein aus der Begründung der Zulassung eine Beschränkung auf den Bereich der mitgeteilten Gründe entnommen werden kann. Eine Zulassungsbeschränkung kann in solchen Fällen vielmehr nur angenommen werden, wenn aus den Gründen mit ausreichender Klarheit hervorgeht, dass das Berufungs- bzw. Beschwerdegericht die Möglichkeit einer Nachprüfung im Rechtsmittelverfahren nur wegen eines abtrennbaren Teils seiner Entscheidung eröffnen wollte (BGH v. 14.5.2008 - XII ZB 78/07, FamRZ 2008, 1339 Rz. 16).
Rz. 11
2. Gemessen an diesen Anforderungen fehlt es hier an einer wirksamen Beschränkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde im Tenor uneingeschränkt zugelassen. Auch aus der Begründung lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass das Beschwerdegericht die Zulassung der Rechtsbeschwerde auf einen tatsächlich oder rechtlich selbständigen Teil des Streitstoffes beschränken wollte.
Rz. 12
Zwar ließen sich die von dem Beschwerdegericht aufgeworfene Zulassungsfragen jeweils einem konkreten Zeitraum innerhalb des gesamten in Streit stehenden Unterhaltszeitraum zuordnen. Soweit es das Auskunftsverlangen nach § 1613 BGB anbelangt, ist der Zeitraum betroffen, für den die Antragstellerin nachträglich einen höheren Unterhalt begehrt (August 2009 bis August 2010). Soweit es die Frage ehebedingter Nachteile anbelangt, ließe sich dieser Bereich dem Zeitraum ab Juli 2012 zuordnen, dem Zeitpunkt also, ab dem das Beschwerdegericht den Unterhalt auf den angemessenen Lebensbedarf herabgesetzt hat; für den davor liegenden Zeitraum ist das Beschwerdegericht von dem eheangemessenen Bedarf nach § 1578 BGB ausgegangen, so dass es auf die Bestimmung eines ehebedingten Nachteils hierfür nicht ankam.
Rz. 13
Gleichwohl geht aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht mit ausreichender Klarheit hervor, dass die Zulassung beschränkt werden sollte. Vielmehr lassen sich die Ausführungen des Beschwerdegerichts dahin verstehen, dass es hiermit lediglich seine Beweggründe (den "Anlass") erläutern wollte, warum es die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, nicht aber, dass es die Rechtsbeschwerde nur auf einen abgrenzbaren Teil beschränken wollte.
II.
Rz. 14
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
Rz. 15
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Steuererstattung, die der Antragsgegner im Jahr 2010 für 2009 erhalten habe, sei unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen, weil sie u.a. auf der Berücksichtigung von Kosten des Scheidungsverfahrens als außergewöhnliche Belastung beruhe. Diese könnten weder einkommensmindernd berücksichtigt werden, noch könne eine hierauf beruhende Einkommenserstattung einkommenserhöhend in die Unterhaltsberechnung eingestellt werden. Ab Juni 2010 sei der von der Antragstellerin gezahlte Kindesunterhalt zu berücksichtigen.
Rz. 16
Einkommenserhöhend müsse sich die Antragstellerin nach der Teilungsversteigerung Erträge aus dem Erlös des Miteigentumsanteils an der Ehe-immobilie anrechnen lassen. Die Antragstellerin müsse grundsätzlich die gesamte erhaltene Summe von insgesamt 86.591,17 EUR anlegen. Ein unterhaltsrechtlich beachtlicher Verbrauch des Kapitals komme allein für die Zahlung der Gerichts- und Anwaltskosten i.H.v. 11.000 EUR in Betracht.
Rz. 17
Die Antragstellerin sei nicht durch die Vorschrift des § 1613 BGB daran gehindert, teilweise höheren Unterhalt geltend zu machen, als sie ihn vorgerichtlich verlangt und in erster Instanz geltend gemacht habe. Aufgrund ihres Auskunftsverlangens von August 2009 könne sie von da an Unterhalt verlangen und gegenüber zunächst bezifferten Beträgen auch höhere geltend machen. Denn die einmal verlangte Auskunft wirke insoweit nach dem Wortlaut des § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB fort. Entsprechendes gelte auch für die erst in zweiter Instanz geltend gemachte Aufteilung in Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt.
Rz. 18
Der so errechnete Unterhaltsanspruch der Antragstellerin sei gem. § 1578b Abs. 1 BGB für die Zeit ab 1.7.2012 auf monatlich 804 EUR Elementarunterhalt und 182 EUR Altersvorsorgeunterhalt herabzusetzen. Dieser Unterhalt sei zum Ausgleich der ehebedingten Nachteile der Antragstellerin erforderlich. Ohne die Ehe und die Kindererziehung würde sie anstelle des derzeitigen durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens von 1.470,61 EUR ein solches von 2.274,19 EUR erzielen. Die Antragstellerin arbeite zwar in der Immobilienabteilung einer Sparkasse und damit in einem Bereich, der ihrem erlernten und bis zum Mutterschutz ausgeübten Beruf zumindest nahestehe. Sie verdiene dort aber deutlich weniger, als sie bei einer durchgehenden Vollerwerbstätigkeit als Bankkauffrau heute verdienen würde. Weil der Antragsgegner für die anspruchsmindernden bzw. anspruchsausschließenden Voraussetzungen des § 1578b BGB die volle Darlegungs- und Beweislast trage, müsse davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin in jedem Fall den Arbeitsplatz bei der Deutschen Bank behalten hätte und dieser Tätigkeit auch heute noch nachgehen würde, wenn sie nicht geheiratet und Kinder bekommen hätte. In diesem Fall würde sie bei Einstufung in der Bankentarifgruppe 6 angesichts der Dauer ihrer beruflichen Erfahrung ein monatliches Bruttogehalt von 3.319 EUR verdienen. Bei 14 Monatsgehältern, Steuerklasse I und mit einem Kinderfreibetrag entspreche dies einem durchschnittlichen Nettomonatseinkommen von 2.274,19 EUR. Die Antragstellerin verdiene tatsächlich netto 803,58 EUR weniger.
Rz. 19
Bei der Bemessung des ehebedingten Nachteils müsse zusätzlich berücksichtigt werden, dass wegen der Einkommensdifferenz auch die Altersvorsorge auf niedrigerer Bemessungsgrundlage erfolge. Zum Ausgleich des ehebedingten Nachteils sei daher zusätzlich ein auf der Basis des Differenzeinkommens zu bemessender Altersvorsorgeunterhalt erforderlich. Dieser sei mit Hilfe der Bremer Tabelle zu ermitteln und belaufe sich auf 182,30 EUR.
Rz. 20
Der ehebedingte Nachteil der Antragstellerin sei entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht deswegen niedriger zu bemessen, weil die Antragstellerin heute bei zureichenden Erwerbsbemühungen eine deutlich besser vergütete Stelle ausüben könnte. Es sei zwar zutreffend, dass sich die Antragstellerin nach dem Wiedereinstieg in das Berufsleben nicht erneut um eine entsprechende Stelle als Bankkauffrau bemüht habe. Dies rechtfertige es aber nicht, für die Antragstellerin heute ein fiktives Einkommen aus einer Tätigkeit als Bankkauffrau anzusetzen. Die unterbliebenen Bemühungen nach der Trennung und nach Ablauf des Trennungsjahres könnten der Antragstellerin unterhaltsrechtlich nicht angelastet werden. Denn sie wäre auch bei umfangreichen Bewerbungsbemühungen nach der Trennung der Beteiligten nicht wieder als Bankkauffrau angestellt worden. Die Banken und Sparkassen hätten bereits in den Jahren zuvor ihren Personalbedarf erheblich vermindert. Im Herbst 2008 und im Jahr 2009 sei zudem die Wirtschafts- und Finanzkrise im Bankenbereich auf dem Höhepunkt gewesen. Es sei unstreitig, dass die Antragstellerin ihre jetzige Stelle nur durch Vermittlung des Antragsgegners in dessen Eigenschaft als Personalchef der Sparkasse erhalten habe.
Rz. 21
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Antragstellerin sich nicht auf die Stelle als Vorstandssekretärin bei der Sparkasse beworben habe, auf deren Ausschreibung sie der Antragsgegner unstreitig hingewiesen habe. Denn es müsse davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin diese Stelle auch dann nicht erhalten hätte, wenn sie sich beworben hätte. Es sei insoweit nochmals auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des § 1578b BGB hinzuweisen. Der Antragsgegner trage keinen Gesichtspunkt vor, warum die Antragstellerin sich angesichts des ansonsten von ihm gezeichneten Bildes allenfalls mittelmäßiger Qualifikation und mittelmäßiger Einsatzbereitschaft mit Aussichten auf Erfolg auf diese Stelle hätte bewerben können.
Rz. 22
Es sei nicht gerechtfertigt, den Unterhaltsanspruch der Antragstellerin gem. § 1578b Abs. 2 BGB zeitlich zu befristen. Die Antragstellerin habe mit einer Einkommensdifferenz von mehr als 800 EUR monatlich einen sehr erheblichen ehebedingten Nachteil erlitten. Sie müsse mit dem völligen Wegfall des Unterhaltsanspruchs Einbußen in einem Maße hinnehmen, das angesichts der guten Einkommensverhältnisse des Antragsgegners und des in siebzehnjähriger Ehe gemeinsam erwirtschafteten Lebensstandards nicht angemessen sei. Für den gut verdienenden Antragsgegner bedeute demgegenüber eine monatliche Unterhaltsbelastung von insgesamt 986 EUR eine zwar spürbare, aber zu verkraftende Belastung. Die Interessen der Beteiligten ließen es als unbillig erscheinen, wenn der Antragstellerin der Ausgleich der ehebedingten Nachteile nur für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung stünde.
Rz. 23
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
Rz. 24
a) Allerdings hat das Beschwerdegericht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde zu Recht davon abgesehen, vom Einkommen des Antragsgegners im Hinblick auf die von ihm seit Juni 2010 neben seiner Erwerbstätigkeit aufgenommene Kinderbetreuung Abzüge in Form eines monetarisierten Betreuungsunterhalts oder eines Betreuungsbonus vorzunehmen.
Rz. 25
aa) Eine Monetarisierung des dem Kind geschuldeten Betreuungsunterhalts hat der Senat für die Fälle zugelassen, in denen ein Elternteil nach dem Tod des anderen Elternteils seinem auswärts untergebrachten minderjährigen Kind neben dem Barunterhalt auch Betreuungsunterhalt schuldet (BGH, Urt. v. 30.8.2006 - XII ZR 138/04, FamRZ 2006, 1597). Demgegenüber findet in Fällen wie dem vorliegenden, in dem beide Eltern noch leben und einer von ihnen mit befreiender Wirkung Betreuungsunterhalt an das gemeinschaftliche Kind leistet, keine Monetarisierung des Betreuungsunterhalts statt (BGH, Urt. v. 30.8.2006 - XII ZR 138/04, FamRZ 2006, 1597, 1599).
Rz. 26
bb) Ebenso wenig kommt hier der Abzug eines Betreuungsbonus in Betracht.
Rz. 27
(1) Für den gem. § 1570 BGB Unterhaltsberechtigten hat der Senat entschieden, dass der Abzug eines pauschalen Betreuungsbonus nicht in Betracht kommt. Nach der Senatsrechtsprechung ist stets auf die besonderen Umstände des Einzelfalls abzustellen, die im Falle des Betreuungsunterhalts dadurch geprägt sind, in welchem Maße der Unterhaltsberechtigte wegen der Kindesbetreuung nach § 1570 BGB von seiner Erwerbsobliegenheit befreit ist. Davon hängt wiederum ab, inwieweit ein neben der Kindesbetreuung erzieltes Einkommen nach § 1577 Abs. 2 BGB bei der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen ist (BGH, Urt. v. 15.9.2010 - XII ZR 20/09, FamRZ 2010, 1880 Rz. 38; v. 21.4.2010 - XII ZR 134/08, FamRZ 2010, 1050 Rz. 37).
Rz. 28
(2) Allerdings hat der Senat für den Unterhaltspflichtigen ausgeführt, dass der Abzug eines bestimmten Betreuungsbonus von dessen Einkommen in Betracht kommen kann, wenn sich die Betreuung zwar ohne konkreten Kostenaufwand, jedoch nur unter besonderen Erschwernissen bewerkstelligen lässt (BGH, Urt. v. 7.11.1990 - XII ZR 123/89, FamRZ 1991, 182, 184 zum Kindesunterhalt; BGH, Urt. v. 30.8.2006 - XII ZR 138/04, FamRZ 2006, 1597 [1599]; v. 13.4.2005 - XII ZR 273/02, FamRZ 2005, 1154, 1156 zum Ehegattenunterhalt).
Rz. 29
Ob an dieser Rechtsprechung für den Schuldner des Ehegattenunterhalts festzuhalten ist oder ob die Kindesbetreuung lediglich die Erwerbsverpflichtung des Unterhaltspflichtigen zu reduzieren vermag, kann hier dahingestellt bleiben. Denn die Kinder waren im Juni 2010, als der Antragsgegner die Betreuung übernommen hatte, bereits 15 und 16 Jahre alt. Dass die Betreuung der Kinder in diesem Alter eine besondere Erschwernis darstellt, ist weder vom OLG festgestellt noch sonst ersichtlich.
Rz. 30
b) Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass das OLG hinsichtlich der an die Antragstellerin geflossenen Zahlung aus der Teilungsversteigerung von rund 86.000 EUR lediglich 75.000 EUR als Basis für die von ihr zu erzielenden Zinseinkünfte berücksichtigt und der Antragstellerin damit zugestanden hat, einen Teil ihres Vermögens i.H.v. 11.000 EUR für Prozesskosten verbraucht zu haben.
Rz. 31
aa) Gemäß § 1577 Abs. 1 BGB kann der Ehegatte den Unterhalt nicht verlangen, solange und soweit er sich aus seinen Einkünften und aus seinem Vermögen selbst unterhalten kann. Zu den Einkünften gehören auch Zinsen, die aus dem vorhandenen Vermögen erzielt werden bzw. erzielt werden könnten. Wurde vorhandenes Kapital verbraucht, können fiktive Zinseinkünfte zugerechnet werden. Es handelt sich insoweit um einen Fall selbst herbeigeführter Bedürftigkeit i.S.v. § 1579 Nr. 4 BGB, so dass eine fiktive Zurechnung beim Unterhaltsberechtigten ein mutwilliges Verhalten voraussetzt (vgl. NK-BGB/Schürmann 2. Aufl., § 1577 Rz. 29). Diese Vorschrift sieht eine Sanktion für den Fall vor, dass der Unterhaltsberechtigte seine Bedürftigkeit ganz oder teilweise selbst herbeigeführt hat. Andererseits schützt die Bestimmung ihn insoweit, als sein Verhalten keine Auswirkung auf den Unterhaltsanspruch haben soll, wenn ihm Mutwilligkeit nicht vorgeworfen werden kann (BGH v. 5.3.1986 - IVb ZR 12/85, FamRZ 1986, 560, 562; s. auch BGH, Urt. v. 4.11.1987 - IVb ZR 75/86, NJW 1988, 2371, 2372 zu § 1611 BGB). Mutwillig i.S.d. § 1579 BGB ist jedoch nicht der Verbrauch des Vermögens für trennungsbedingte Ausgaben wie etwa Anwalts- und Gerichtskosten, solange er sich in einem nach den Lebensverhältnissen angemessenen Rahmen hält (NK-BGB/Schürmann 2. Aufl., § 1577 Rz. 29).
Rz. 32
bb) Das Beschwerdegericht hat in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die Antragstellerin die hier maßgeblichen 11.000 EUR für die Zahlung der Gerichts- und Anwaltskosten verbraucht hat. Von daher brauchte sich die Antragstellerin für diesen Betrag keine fiktiven Zinseinkünfte anrechnen zu lassen.
Rz. 33
Der Einwand der Rechtsbeschwerde, das OLG behandle die Beteiligten insoweit ungleich, verfängt nicht. Zwar ist ihr einzuräumen, dass die Aufwendungen für die Kosten des Scheidungsverfahrens nach der Auffassung des OLG zugunsten des Antragsgegners beim nachehelichen Unterhalt nicht einkommensmindernd berücksichtigt werden können. Dass der Antragsgegner diese Kosten von seinem Einkommen in Abzug bringen wollte, mithin Entsprechendes dargelegt hat, ist jedoch weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Das Beschwerdegericht hat mit seinen Ausführungen vielmehr allein begründen wollen, warum sich der Antragsgegner die Steuererstattung, die er im Jahr 2010 für das Jahr 2009 erhalten hat, unterhaltsrechtlich nicht zurechnen lassen muss.
Rz. 34
c) Zu Recht beanstandet die Rechtsbeschwerde zudem, dass das Beschwerdegericht die Frage der Bedürftigkeit der Antragstellerin erst im Rahmen des § 1578b BGB und damit nicht rechtsfehlerfrei geprüft hat.
Rz. 35
aa) Das vom Unterhaltsberechtigten aufgrund der aktuellen Gegebenheiten erzielbare Einkommen ist bereits im Rahmen der Bedürftigkeit zu überprüfen, welche vom Unterhaltsberechtigten darzulegen und zu beweisen ist (BGH BGHZ 185, 1 = FamRZ 2010, 875 Rz. 25; v. 27.1.2010 - XII ZR 100/08, FamRZ 2010, 538 Rz. 42; v. 27.5.2009 - XII ZR 78/08, FamRZ 2009, 1300 Rz. 62). Hierfür gelten dieselben Kriterien wie für die Obliegenheit zur Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit nach § 1574 BGB. Wer die Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit unterlässt, muss sich das daraus erzielbare Einkommen im Rahmen der Prüfung der Bedürftigkeit nach § 1577 Abs. 1 BGB fiktiv zurechnen lassen (Hoppenz FamRZ 2010, 541).
Rz. 36
bb) Diese Anforderung hat das Beschwerdegericht verkannt. Es hat die Frage, ob die Antragstellerin bei zureichenden Erwerbsbemühungen eine andere, besser vergütete Stelle ausüben könnte, erst im Rahmen des § 1578b BGB geprüft. Dabei ist es ersichtlich davon ausgegangen, dass der Antragsgegner auch hierfür die Darlegungs- und Beweislast trägt. Aus seiner Sicht folgerichtig hat das OLG sodann den Vortrag des Antragsgegners an den entsprechenden Anforderungen gemessen und als unzureichend erachtet.
Rz. 37
Soweit es die - vom Beschwerdegericht festgestellten - unterbliebenen Bewerbungsbemühungen der Antragstellerin nach der Trennung der Beteiligten anbelangt, kann dahin stehen, ob die Ausführungen des OLG zum Fehlen einer entsprechenden realen Beschäftigungsmöglichkeit hinreichend sind. Denn jedenfalls hätte das Beschwerdegericht auf der Grundlage entsprechenden Vortrages der Antragstellerin und der sie treffenden Darlegungs- und Beweislast Feststellungen dazu treffen müssen, dass sie auch bei einer Bewerbung auf die vom Antragsgegner unterbreiteten Stellenausschreibung erfolglos geblieben wäre. Dabei sind vor allem deshalb besondere Anforderungen an die Darlegungslast der Antragstellerin zu stellen, weil sie auch ihre jetzige Stelle nach den getroffenen Feststellungen bereits unter Vermittlung des Antragsgegners in seiner Funktion als Personalchef der Sparkasse erhalten hatte.
Rz. 38
d) Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht zudem die Antragstellerin als befugt angesehen, den bereits bezifferten Unterhalt rückwirkend zu erhöhen bzw. um den Altersvorsorgeunterhalt zu erweitern.
Rz. 39
aa) Gemäß § 1585b Abs. 2 i.V.m. § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Berechtigte für die Vergangenheit Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur von dem Zeitpunkt an fordern, zu welchem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, zu welchem der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist.
Rz. 40
Ob der Unterhaltsberechtigte, der vom Unterhaltspflichtigen zunächst Auskunft begehrt und später seinen Anspruch beziffert hat, im Nachhinein die ursprüngliche Bezifferung rückwirkend erhöhen kann, ist streitig (dafür Frerix FamRZ 2000, 1046; Johannsen/Henrich/Graba Familienrecht 5. Aufl., § 1613 BGB Rz. 3; a.A. OLG Düsseldorf Urt. v. 27.2.2011 - 7 UF 99/10 - juris Rz. 14; AG Wesel FamRZ 2000, 1045; Keuter FamRZ 2009, 1024 m.w.N. zum Meinungsstand).
Rz. 41
§ 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB erlaubt es grundsätzlich nicht, einen nach dem ursprünglichen Auskunftsbegehren bezifferten Unterhaltsanspruch nachträglich betragsmäßig zu erhöhen.
Rz. 42
Zwar berechtigt § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB den Unterhaltsgläubiger für die Vergangenheit von dem Zeitpunkt an Unterhalt zu fordern, zu welchem der Verpflichtete zur entsprechenden Auskunftserteilung aufgefordert worden ist. Nach dem Wortlaut der Norm steht eine zwischenzeitlich erfolgte Bezifferung des Unterhalts einer rückwirkenden Erhöhung nicht entgegen. Allerdings bedarf die Norm einer einschränkenden Auslegung. Der Unterhaltspflichtige wird ab Zugang des Auskunftsbegehrens vom Gesetzgeber nicht mehr als schutzwürdig angesehen, da er von nun an konkret damit rechnen muss, auf Unterhalt in Anspruch genommen zu werden und hierzu ggf. Rückstellungen bilden kann (vgl. BT-Drucks. 13/7338, 31; BGH, Urt. v. 22.11.2006 - XII ZR 24/04, FamRZ 2007, 193, 195 f.). Soweit der Unterhaltsberechtigte aber seinen Unterhaltsanspruch nach Auskunftserteilung beziffert hat, ohne sich zugleich vorzubehalten, den Anspruch ggf. im Hinblick auf noch nicht erfolgte Auskünfte zu erhöhen, braucht der Unterhaltspflichtige nur noch mit einer Inanspruchnahme in der bezifferten Höhe zu rechnen. Ließe man es dagegen zu, dass der Gläubiger Monate später noch Forderungen für die Vergangenheit wirksam geltend machen kann, die möglicherweise weit über die ursprünglichen Forderungen hinausgehen, würde man dem Schuldner genau das Risiko unkalkulierbar angewachsener Rückstände aufbürden, vor welchem § 1613 BGB ihn schützen will (Keuter FamRZ 2009, 1024, 1026). Außerdem erscheint es nicht gerechtfertigt, dem Unterhaltsberechtigten, der seine Forderung nach vorangegangener Auskunft beziffert hat, besser zu stellen als den Unterhaltsberechtigten, der seine Unterhaltsforderung sogleich beziffert hat. Für Letzteren begründet § 1613 Abs. 1 BGB nur in Höhe des bezifferten Betrages Verzug, so dass eine nachträgliche Erhöhung des Anspruchs rückwirkend nicht möglich ist (BGH, Urt. v. 15.11.1989 - IVb ZR 3/89, FamRZ 1990, 283, 285).
Rz. 43
bb) Diesen Grundsätzen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht.
Rz. 44
Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht die Möglichkeit einer rückwirkenden Erhöhung bejaht. Dies gilt sowohl für den Zeitraum von August 2009 bis Juli 2010, für den die Antragstellerin rückwirkend zusätzlich zu dem zunächst bezifferten Unterhalt von 310,50 EUR monatlich Altersvorsorgeunterhalt begehrt, als auch für August 2010 für den die Antragstellerin einen Elementarunterhalt von 1.254,71 EUR zzgl. Altersvorsorgeunterhalt i.H.v. 366 EUR begehrt statt der ursprünglich bezifferten 310,50 EUR.
Rz. 45
(1) Zwar hat der Senat entschieden, dass Altersvorsorgeunterhalt für die Vergangenheit nicht erst von dem Zeitpunkt an verlangt werden kann, in dem er ausdrücklich geltend gemacht worden ist. Es reicht mit Rücksicht darauf, dass Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt nicht Gegenstand eigenständiger Ansprüche sind, sondern lediglich Teile des einheitlichen, den gesamten Lebensbedarf umfassenden Unterhaltsanspruchs, für die Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen vielmehr aus, dass von diesem Auskunft mit dem Ziel der Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs begehrt worden ist; eines gesonderten Hinweises, es werde auch Altersvorsorgeunterhalt verlangt, bedarf es nicht (BGH, Urt. v. 22.11.2006 - XII ZR 24/04, FamRZ 2007, 193, 196).
Rz. 46
Diese Ausführungen beziehen sich indessen allein auf das Auskunftsersuchen als solches, nicht auf die Bezifferung. Sofern der Unterhaltsberechtigte seinen Unterhaltsanspruch beziffert hat, ohne damit einen Altersvorsorgeunterhalt geltend zu machen, scheidet ein rückwirkend verlangter, über den bezifferten Betrag hinausgehender Unterhalt aus. Denn Unterhalt wird regelmäßig in voller Höhe geltend gemacht, so dass die Vermutung gegen eine Teilforderung spricht. Beziffert der Unterhaltsberechtigte seinen Unterhaltsanspruch, ohne zugleich Altersvorsorgeunterhalt geltend zu machen, fehlt es an einem erkennbaren Vorbehalt hinsichtlich einer etwaigen Nachforderung von Vorsorgeunterhalt. Auch in den Fällen, in denen sich der Unterhaltsgläubiger nicht bewusst war, Vorsorgeunterhalt verlangen zu können, kann von einem solchen Vorbehalt nicht ausgegangen werden. Aus der Sicht des Unterhaltsberechtigten ist nämlich der gesamte Unterhalt geltend gemacht worden, während die Annahme eines Vorbehalts voraussetzt, dass sich der Unterhaltsberechtigte des Bestehens einer weiteren Forderung bewusst war (vgl. zur Teilklage BGH, Urt. v. 3.4.1985 - IVb ZR 19/84, FamRZ 1985, 690).
Rz. 47
(2) Entsprechendes gilt für die Unterhaltsforderung für August 2010, wobei dort zudem der Elementarunterhalt rückwirkend erhöht worden ist.
Rz. 48
3. Gemäß § 74 Abs. 5 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Da noch weitere Feststellungen zu treffen sind, ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif. Deshalb ist sie gem. § 74 Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 FamFG zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
Rz. 49
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Rz. 50
a) Die Einbeziehung eines Altersvorsorgeunterhalts bezogen auf den nach dem ehebedingten Nachteil bemessenen Unterhalt ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Rz. 51
Dem Unterhaltsberechtigten können Nachteile dadurch entstehen, dass er nach Zustellung des Scheidungsantrags und damit in einer nicht mehr vom Versorgungsausgleich umfassten Zeit ehebedingt ein geringeres Erwerbseinkommen erzielt und demgemäß auch geringere Rentenanwartschaften erwirbt. Sofern dem Unterhaltsberechtigten lediglich die ehebedingte Einkommensdifferenz als Unterhalt zugesprochen wird, setzt sich der ehebedingte Nachteil mit Renteneintritt in Form der geringeren Rentenanwartschaften fort. Durch die Bewilligung von Altersvorsorgeunterhalt i.S.v. § 1578 Abs. 3 BGB bezogen auf die ehebedingte Einkommensdifferenz kann dieser Nachteil ausgeglichen werden (vgl. auch BGH, Urt. v. 7.3.2012 - XII ZR 145/09 - FamRZ 2012, 951 Rz. 29 ff.).
Rz. 52
b) Allerdings bedarf die Unterhaltsberechnung im Hinblick auf den vom Einkommen der Antragstellerin abzuziehenden Kindesunterhalt für den Zeitraum ab November 2011 einer Korrektur. Das älteste Kind ist am 7.11.2011 volljährig geworden. Daher muss gem. §§ 1606 Abs. 3 Satz 1, 1612a Abs. 3 BGB bereits für November 2011 eine neue Unterhaltsberechnung unter Berücksichtigung der nunmehr gebotenen anteiligen Haftung beider Eltern für den Volljährigenunterhalt durchgeführt werden (vgl. BGH BGHZ 188, 50 = FamRZ 2011, 454 Rz. 34).
Rz. 53
c) Im Umfang der Aufhebung wird sich das Beschwerdegericht erneut die Frage vorzulegen haben, ab wann und in welchem Umfang der Unterhalt herabzusetzen ist. Dabei dürfte die von ihm im Rahmen der Billigkeitsabwägung als maßgeblich erachtete "deutliche Differenz" zwischen dem - gem. § 1578 BGB - errechneten Unterhaltsanspruch und dem ehebedingten Nachteil kein tauglicher Gesichtspunkt für eine frühzeitige Herabsetzung sein. Denn der ehebedingte Nachteil wirkt sich ausschließlich unterhalb des angemessenen Lebensbedarfs aus (vgl. BGH, Urt. v. 20.10.2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rz. 23), hat also regelmäßig keinen Einfluss auf die Bestimmung des darüber liegenden Bedarfs.
III.
Rz. 54
Soweit der Antragsgegner nach § 717 ZPO von der Antragstellerin die Rückzahlung derjenigen Beträge begehrt, die er im Hinblick auf die drohende Vollstreckung aus dem Beschwerdebeschluss geleistet hat, ist die Sache ebenfalls an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
Rz. 55
1. Die Anträge sind zulässig.
Rz. 56
Zwar hat der Antragsgegner nicht dargelegt, auf welchen Tatbestand des § 717 ZPO er seine Anträge stützen will. Seinen Anträgen liegt jedoch die drohende Vollstreckung aus dem Titel des Beschwerdegerichts zugrunde. Dieser entspricht im ZPO-Verfahren einem Berufungsurteil in vermögensrechtlichen Streitigkeiten i.S.d. § 708 Nr. 10 ZPO. Deshalb ist sein Begehren als Antrag gem. § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO auszulegen.
Rz. 57
Danach ist - soweit ein Berufungsurteil aufgehoben oder abgeändert wird - der Kläger auf Antrag des Beklagten zur Erstattung des von diesem aufgrund des Urteils Gezahlten oder Geleisteten zu verurteilen. Die Erstattungspflicht des Klägers bestimmt sich nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, § 717 Abs. 3 Satz 3 ZPO.
Rz. 58
a) Die Anträge sind nach § 120 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 717 ZPO statthaft.
Rz. 59
Da es sich vorliegend um eine Unterhaltssache nach § 231 Abs. 1 Nr. 2 FamFG und damit um eine Familienstreitsache i.S.v. § 112 Nr. 1 FamFG handelt, findet § 120 FamFG Anwendung, der die Vollstreckung regelt. Gemäß § 120 Abs. 1 FamFG erfolgt die Vollstreckung in Familienstreitsachen entsprechend den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Zwangsvollstreckung. Hierunter fällt auch die Anwendung von § 717 ZPO. Zwar heißt es in der Gesetzesbegründung zu § 120 FamFG, dass die §§ 714 bis 720a ZPO nur eingeschränkt anwendbar seien (BT-Drucks. 16/6308, 226). In der hierzu von der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen Kommentarliteratur (Germelmann Arbeitsgerichtsgesetz 7. Aufl., § 62 ArbGG Rz. 3) ist von einer nur eingeschränkten Anwendbarkeit des § 717 ZPO indes nicht die Rede (s. auch MünchKomm/ZPO/Fischer 3. Aufl., § 120 FamFG Rz. 8).
Rz. 60
b) Der Antrag nach § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO kann auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz gestellt werden (vgl. zum Revisionsverfahren BGH, Urt. v. 17.5.1994 - XI ZR 117/93, NJW 1994, 2095, 2096; Krüger in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 717 Rz. 23 und 31).
Rz. 61
2. Die Anträge sind jedoch nicht zur Endentscheidung reif.
Rz. 62
§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG bestimmt in entsprechender Anwendung von § 559 ZPO, welche Tatsachengrundlage für die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts maßgebend ist; nämlich nur dasjenige Beteiligtenvorbringen, das aus der Beschwerdeentscheidung und dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Damit ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz eine Nachprüfung tatsächlicher Verhältnisse grundsätzlich ausgeschlossen (Keidel/Meyer-Holz FamFG 17. Aufl., § 74 Rz. 29).
Rz. 63
Wird ein Antrag nach § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. § 120 Abs. 1 FamFG in der Rechtsbeschwerdeinstanz gestellt, so kann er nur auf neuem oder ungeklärtem Sachverhalt beruhen (vgl. auch BGH, Urt. v. 17.5.1994 - XI ZR 117/93, NJW 1994, 2095 [2. LS]; s. auch Krüger in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 717 Rz. 31), weshalb er - jedenfalls bei einer ohnehin erforderlichen Zurückverweisung in der Hauptsache (vgl. BGH, Urt. v. 21.11.2001 - XII ZR 162/99, FamRZ 2002, 318) - regelmäßig zurückzuverweisen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 3515228 |
NJW 2012, 6 |
NJW 2013, 161 |
EBE/BGH 2012 |
FamRZ 2013, 109 |
ZAP 2013, 67 |
FPR 2013, 169 |
JZ 2013, 36 |
JZ 2013, 39 |
MDR 2013, 37 |
FF 2013, 40 |
FF 2013, 44 |
FamFR 2013, 7 |
FamRB 2013, 37 |
FamRB 2013, 5 |
FK 2013, 41 |
JAmt 2013, 51 |