Entscheidungsstichwort (Thema)
Glaubhaftmachung von Steuerforderungen im Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
Eine Ausnahme von den Mindestanforderungen an die Glaubhaftmachung von Steuerforderungen für einen zulässigen Antrag der Finanzverwaltung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist möglich, wenn der Betrag nach Steuerart, Zeitraum und Datum der Bescheide aufgeschlüsselt ist und die Schuldnerin sich lediglich auf Erlassanträge und Gegenansprüche berufen hat, über die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung weder die Finanzbehörden noch das Finanzgericht mit Bestandskraft entschieden haben. Unstreitige Tatsachen - hier: die Steuerfestsetzungen in den aufgeführten Steuerbescheiden - brauchen nicht glaubhaft gemacht zu werden. Besteht Streit über die von der Schuldnerin erhobenen Einwände, kann das Insolvenzgericht deren Berechtigung unabhängig davon nicht prüfen, ob die Bescheide vorgelegt werden oder nicht.
Normenkette
InsO §§ 13-14; ZPO § 294
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 25. März 2009 wird auf Kosten der Schuldnerin als unzulässig verworfen.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 367.378,32 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Am 28. September 2006 beantragte der beteiligte Gläubiger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Schuldnerin wegen Steuerschulden in Höhe von 46.870,45 EUR, die vollstreckbar seien. Dem Antrag war ein Ausdruck beigefügt, welcher diesen Betrag nach Steuerart, Zeitraum und Datum der Bescheide aufschlüsselt. Die Schuldnerin stellte am 22. Februar 2007 ihrerseits Insolvenzantrag, nahm diesen Antrag aber am 21. Januar 2008 wieder zurück. Mit Beschluss vom 13. Oktober 2008 hat das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen diesen Beschluss ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde will die Schuldnerin weiterhin die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses und die Zurückweisung des Eröffnungsantrags erreichen.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 2
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 34 Abs. 2, § 6 Abs. 1, § 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
Rz. 3
1. Das Beschwerdegericht hat keinen allgemeinen Rechtssatz aufgestellt, der von der Senatsrechtsprechung zu den an die Glaubhaftmachung der Forderung des antragstellenden Gläubigers (§ 14 InsO) zu erhebende Anforderungen abweicht. Es hat insbesondere den Grundsatz des Beschlusses vom 13. Juni 2006 (IX ZB 214/05, NZI 2006, 590, 591 Rn. 9) zitiert, dass als Mindestanforderung an die Glaubhaftmachung die Vorlage der Steuerbescheide und gegebenenfalls etwaiger Steueranmeldungen zu verlangen sei, aber gemeint, im vorliegenden Fall eine Ausnahme machen zu können, weil das Finanzamt die ausstehenden Steuern genau beschrieben und die Schuldnerin sich lediglich auf Erlassanträge und Gegenansprüche berufen habe, über die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung weder die Finanzbehörden noch das Finanzgericht mit Bestandskraft entschieden hätten. Das ist grundsätzlich möglich. Unstreitige Tatsachen – hier: die Steuerfestsetzungen in den aufgeführten Steuerbescheiden – brauchen nicht glaubhaft gemacht zu werden (§ 294 ZPO). Streit besteht über die von der Schuldnerin erhobenen Einwände. Deren Berechtigung kann das Insolvenzgericht unabhängig davon nicht prüfen, ob die Bescheide vorgelegt werden oder nicht.
Rz. 4
2. Eine die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründende Divergenz liegt auch nicht im Hinblick auf die Begründetheit des Gläubigerantrags vor. Die Forderung des antragstellenden Gläubigers muss (nur) dann zur vollen Überzeugung des Insolvenzgerichts feststehen, wenn sie zugleich den Insolvenzgrund bildet (BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005 – IX ZB 207/04, ZIP 2006, 247 mit weiteren Nachweisen). Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den von der Rechtsbeschwerde zitierten Entscheidungen vom 19. Dezember 1991 (III ZR 9/91, ZIP 1992, 947) und vom 11. November 2004 (IX ZB 258/03, ZIP 2005, 91, 92). Im vorliegenden Fall hängt der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit nicht davon ab, ob und in welcher Höhe Steuerforderungen des Landes Nordrhein-Westfalen bestehen. Das Beschwerdegericht hat – wie schon das Insolvenzgericht – weitere gegen die Schuldnerin gerichtete fällige Forderungen in Höhe von insgesamt 1.020.000 EUR (V. … bank …) und 599.360,55 EUR (S. …) festgestellt, welche die Schuldnerin nicht innerhalb von drei Wochen begleichen kann.
Rz. 5
3. Das Beschwerdegericht hat schließlich auch keinen entscheidungserheblichen Sachvortrag der Schuldnerin übergangen und dadurch deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Die Schuldnerin hat vorgetragen, sie habe gegen die Steuerfestsetzungen, die Grundlage des Insolvenzantrags seien, durchweg Einspruch eingelegt. Teilweise seien diese bereits Gegenstand einer vor dem Finanzgericht Düsseldorf anhängigen Klage. Soweit Steuerforderungen nicht angefochten worden seien, seien sie beglichen worden. Dass das Beschwerdegericht diesen Vortrag als nicht hinreichend bestimmt angesehen hat, begründet nicht die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde. Gleiches gilt hinsichtlich des Vorbringens der Schuldnerin im Beschwerdeverfahren, die Steuerforderungen seien bereits durch Verrechnung mit Steuererstattungen bzw. durch geänderte Bescheide erledigt worden. Die Rechtsbeschwerde meint demgegenüber, eine Ergänzung ihres Vorbringens sei der Schuldnerin ohne die konkrete Bezeichnung und Vorlage der Bescheide nicht möglich gewesen. Dies trifft jedoch nicht zu. Die Aufstellung, welche das zuständige Finanzamt als Anlage zum Insolvenzantrag eingereicht hat, weist neben Steuerart und Zeitraum auch die Daten der Bescheide aus. Die Schuldnerin hat nicht bestritten, dass diese Bescheide erlassen worden und ihr zugegangen sind. Sie hätte im Einzelnen vortragen können, gegen welche Bescheide sie Einspruch eingelegt und Klage erhoben hat, welche Zahlungen sie geleistet und welche Verrechnungen sie erklärt hat und welche Bescheide geändert worden sind.
III.
Rz. 6
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 Satz 1 ZPO).
Unterschriften
Kayser, Raebel, Vill, Lohmann, Pape
Fundstellen
Haufe-Index 2209650 |
BFH/NV 2009, 1951 |
HFR 2010, 187 |