Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung des Versorgungsausgleichs im Beamtenrecht
Leitsatz (amtlich)
a) Nachdem die Absenkung des Ruhegehalts nach § 14 BeamtVG durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 zum 1.1.2003 in Kraft getreten ist, ist für die Berechnung des Versorgungsausgleichs neben dem verminderten Höchstruhegehaltssatz von 71,75 % auch der Bemessungsfaktor von 1,79375 % der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit maßgeblich (Fortführung des BGH, Beschl. v. 26.11.2003 - XII ZB 30/03, MDR 2004, 335 = BGHReport 2004, 379 = FamRZ 2004, 259).
b) Für die Berechnung der jährlichen Sonderzuwendung ist der zur Zeit der Entscheidung geltende Bemessungsfaktor heranzuziehen (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 4.9.2002 - XII ZB 130/98, BGHReport 2003, 69 = FamRZ 2003, 437).
c) Zur Berechnung des Ehezeitanteils eines Anrechts der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes (VBL) in dem bis zum 31.12.2001 geltenden Gesamtversorgungssystem (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 6.7.2005 - XII ZB 226/01, BGHReport 2005, 1447 = FamRZ 2005, 1458).
Normenkette
BGB § 1587b Abs. 2; BeamtVG § 14 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
OLG Celle (Beschluss vom 31.10.2001; Aktenzeichen 10 UF 72/01) |
AG Hannover (Beschluss vom 21.03.2001) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des 10. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des OLG Celle v. 31.10.2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das OLG zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 511 EUR
Gründe
I.
Die Parteien haben am 1.8.1980 geheiratet. Der Scheidungsantrag der Ehefrau (Antragstellerin; geboren am 9.8.1952) ist dem Ehemann (Antragsgegner; geboren am 26.6.1953) am 8.7.1999 zugestellt worden. Das AG - FamG - hat die Ehe der Parteien geschieden (insoweit rechtskräftig) und die Folgesache Versorgungsausgleich abgetrennt. Mit Beschluss v. 21.3.2001 hat es den Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass es im Wege des Splittings vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund; weitere Beteiligte zu 2)) Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 723,81 DM, bezogen auf den 30.6.1999, auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der BfA übertragen hat.
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der BfA hat das OLG die Entscheidung dahingehend abgeändert, dass es im Wege des Quasi-Splittings nach § 1587b Abs. 2 BGB zu Lasten der Versorgungsanwartschaften des Antragsgegners bei dem Niedersächsischen Landesamt für Bezüge und Versorgung (NLBV; weiterer Beteiligter zu 1)) auf dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der BfA Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. monatlich 632,92 DM, bezogen auf den 30.6.1999 als Ende der Ehezeit, begründet hat.
Dabei ist das OLG von ehezeitlichen (1.8.1980 bis 30.6.1999; § 1587 Abs. 2 BGB) Anwartschaften des Antragsgegners bei der BfA i.H.v. monatlich 176,11 DM ausgegangen (Auskunft der BfA v. 24.9.1999). Die von dem weiteren Beteiligten zu 1) in seiner Auskunft v. 18.10.1999 errechneten ehezeitlichen Anwartschaften des Antragsgegners auf Beamtenversorgung hat das OLG auf der Grundlage des für das Jahr 2001 maßgebenden Bemessungsfaktors der jährlichen Sonderzuwendung von 89,79 % in eine Anwartschaft i.H.v. 1.975,10 DM umgerechnet. Auf Seiten der Antragstellerin ist das OLG von einem ehezeitlichen Anteil ihrer Invaliditätsrente bei der BfA von monatlich 751,43 DM ausgegangen (Auskunft der BfA v. 2.7.2001). Weiter hat das OLG den Ehezeitanteil der volldynamischen Rente der Antragstellerin im Rahmen ihrer Gesamtversorgung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL; weitere Beteiligte zu 3)) berücksichtigt, den es nach der sog. VBL-Methode mit 133,95 DM bemessen hat. Diesen Wert der schon laufenden Rente hat es als volldynamisch seiner Entscheidung zu Grunde gelegt.
Die zugelassene weitere Beschwerde des NLBV wendet sich gegen die Berücksichtigung des im Jahr 2001 aktuellen Bemessungsfaktors der jährlichen Sonderzuwendung. Stattdessen sei der in ihrer Auskunft berücksichtigte Wert zum Zeitpunkt des Ehezeitendes zu Grunde zu legen. Die Parteien, die BfA und die VBL haben sich im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht geäußert.
II.
Die nach §§ 629a Abs. 2 S. 1, 621 Abs. 1 Nr. 6, 621e Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 546 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und S. 3 ZPO a.F. zulässige weitere Beschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.
1. Die Entscheidung kann schon deswegen keinen Bestand haben, weil das Beschwerdegericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht die inzwischen eingetretenen Änderungen bei der Bemessung der Beamtenversorgung durch die Neufassung des § 14 Abs. 1 S. 1 BeamtVG berücksichtigen konnte.
Der Senat hat zwischenzeitlich entschieden, dass für die Berechnung des Versorgungsausgleichs bei beamtenrechtlichen Versorgungsanrechten im Hinblick auf den Halbteilungsgrundsatz seit dem 1.1.2003 uneingeschränkt der Höchstruhegehaltsatz von 71,75 % gem. § 14 Abs. 1 S. 1 BeamtVG i.d.F. des Art. 1 Nr. 11 des Versorgungsänderungsgesetzes 2001v. 20.12.2001 (BGBl. I, 3926) maßgeblich ist, da diese Fassung nach Art. 20 Abs. 2 Nr. 1 des Versorgungsänderungsgesetzes zum 1.1.2003 in Kraft getreten ist. Dabei kommt es weder darauf an, ob das Ehezeitende vor oder in der Übergangsphase nach § 69e BeamtVG liegt, noch ob der Versorgungsfall in oder erst nach der Übergangsphase eintreten wird (BGH, Beschl. v. 26.11.2003 - XII ZB 75/02, MDR 2004, 335 = BGHReport 2004, 378 = FamRZ 2004, 256 ff.; Beschl. v. 26.11.2003 - XII ZB 30/02, MDR 2004, 635 = BGHReport 2004, 521 = FamRZ 2004, 259 ff.). Wie der Senat weiter ausgeführt hat, fällt - wenn der Versorgungsfall während der Übergangsphase nach § 69e BeamtVG eintritt - der degressive Versorgungsbestandteil nach § 69e BeamtVG (sog. Abflachungsbetrag) nicht unter den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich. Ob der Abflachungsbetrag ggf. später im schuldrechtlichen Versorgungsausgleich auszugleichen sein wird, bleibt einer weiteren Prüfung vorbehalten, sofern die Voraussetzungen für einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gegeben sein sollten (BGH, Beschl. v. 26.11.2003 - XII ZB 30/03, MDR 2004, 335 = BGHReport 2004, 379 = FamRZ, 2004, 261).
Zwar geht die dem Versorgungsausgleich zu Grunde gelegte Versorgungsanwartschaft des Antragsgegners von einem individuellen Ruhegehaltssatz i.H.v. 63,55 % aus, der somit auch unter dem Höchstruhegehaltssatz liegt, der der gegenwärtigen Fassung des § 14 Abs. 1 S. 1 BeamtVG (71,75 %) entspricht. Allerdings hat sich mit der Neuregelung des § 14 Abs. 1 S. 1 BeamtVG auch der Bemessungsfaktor für den individuellen Ruhegehaltssatz verändert, was ebenfalls zu berücksichtigen ist. Während die Auskunft der NLBV und die Entscheidung des Beschwerdegerichts noch von einem Ruhegehalt ausging, das für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit 1,875 % der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge betrug, bemisst sich der Ruhegehaltssatz nach der aktuellen Fassung des § 14 Abs. 1 S. 1 BeamtVG mit 1,79375 % der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeiten. Der maßgebliche individuelle Ruhegehaltssatz des Antragsgegners beträgt deswegen nicht - wie vom Beschwerdegericht zu Grunde gelegt - 63,55 %, sondern nur 60,79 % (33,89 Jahre ruhegehaltfähige Dienstzeit x 1,79375). Das wird das Beschwerdegericht bei seiner Feststellung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge und des sich daraus ergebenden Ehezeitanteils zu berücksichtigen haben.
2. Allerdings ist es entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden, dass das OLG bei der Berechnung der jährlichen Sonderzuwendung den zur Zeit seiner Entscheidung geltenden Bemessungsfaktor herangezogen hat. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass insoweit jeweils der zur Zeit der Entscheidung geltende Bemessungsfaktor anzuwenden ist (BGH, Beschl. v. 4.9.2002 - XII ZB 130/98, BGHReport 2003, 69 = FamRZ 2003, 437 ff., m.w.N.). Allerdings wird das Berufungsgericht in seiner neuen Entscheidung zu berücksichtigen haben, dass die jährliche Sonderzuwendung in Niedersachsen inzwischen vollständig entfallen ist.
3. Die angefochtene Entscheidung kann daher nicht bestehen bleiben. Der Senat kann auf der Grundlage der vorliegenden Auskünfte nicht selbst entscheiden, denn die Auskünfte der VBL beruhen noch auf dem alten Gesamtversorgungssystem, welches als Folge der Satzungsänderung zum 1.1.2002 durch ein sog. Punktemodell ersetzt wurde. In den Fällen, in denen der Versicherte - wie hier die Antragstellerin - als Rentner am 31.12.2001 bereits eine Gesamtversorgung bezog, wirkt sich die Satzungsänderung in der Weise aus, dass die im Rahmen der Gesamtversorgung gezahlte Versorgungsrente zum 31.12.2001 festgestellt und als - von der gesetzlichen Rentenversicherung abgekoppelte - Besitzstandsrente weiter gezahlt wird (§ 75 Abs. 2 VBLS). Der Ehezeitanteil dieser Versorgung errechnet sich im Zeit-Zeit-Verhältnis der in der Ehezeit zurückgelegten zur gesamten gesamtversorgungsfähigen Zeit i.S.d. § 42 VBLS a.F. (BGH, Beschl. v. 20.7.2005 - XII ZB 211/00, FamRZ 2005, 1664 [1666], m.w.N.).
4. Die Zurückverweisung gibt dem OLG zugleich Gelegenheit zur Einholung neuer Rentenauskünfte bei der BfA, da die bisherigen Auskünfte naturgemäß die zwischenzeitlichen Änderungen der Rechtslage durch das Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG v. 21.3.2001, BGBl. 2001, I 403) nicht berücksichtigen.
Fundstellen