Leitsatz (amtlich)
Wird beim Telefax-Verkehr mit den Gerichten die Telefax-Nr. des Adressaten von der Computeranlage im Büro des Rechtsanwaltes automatisch aus einem Stammdatenblatt übernommen, dann hat der Rechtsanwalt durch organisatorische Vorkehrungen dafür zu sorgen, daß die Eintragung der Telefax-Nr. in das Stammdatenblatt kontrolliert wird oder aber daß jede einzelne Sendung z.B. anhand des Sendeberichts auf die Richtigkeit des Adressaten und der Telefax-Nr. überprüft wird.
Normenkette
ZPO § 233
Verfahrensgang
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluß des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 31. Mai 1999 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 77.000,– DM
Gründe
I. Der Beklagte hat rechtzeitig und formgerecht am 1. März 1999 bei dem Hanseatischen Oberlandesgericht Berufung eingelegt. Den an den Berufungszivilsenat adressierten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist hat sein Prozeßbevollmächtigter am 1. April 1999 per Telefax versandt, dabei ist nicht die Telefax-Nummer des Oberlandesgerichts, sondern diejenige der 5. Zivilkammer des Landgerichts, gegen deren Urteil sich die Berufung richtete, verwendet worden. Grund dafür war, daß die zuständige Mitarbeiterin des Prozeßbevollmächtigten das sog. Stammdatenblatt, das u.a. die Telefax-Nummer des Gerichts enthält, bei dem die Sache anhängig ist, im Zuge der Einlegung der Berufung geändert hat und dabei die Nummer des Anschlusses der 5. Zivilkammer des Landgerichts übernommen hat. Aus dem Stammdatenblatt übernimmt die Computeranlage des Prozeßbevollmächtigten automatisch die Telefax-Nummer des Gerichts, wenn ein Schriftsatz per Fax versandt werden soll. Bei der gemeinsamen Briefannahmestelle der Justizbehörden in Hamburg ist der Verlängerungsantrag erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, nämlich am 6. April 1999 eingegangen. Der Senatsvorsitzende hat gleichwohl die Berufungsbegründungsfrist verlängert und ist in gleicher Weise auch hinsichtlich eines weiteren – ebenfalls mit der unrichtigen Telefax-Nummer versandten – Fristverlängerungsantrages verfahren.
Nachdem das Berufungsgericht Zweifel an der Rechtzeitigkeit der Berufungsbegründung geäußert hat, hat der Beklagte einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und durch eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten M. glaubhaft gemacht, daß diese bei der Änderung des Stammdatenblattes versehentlich die falsche Telefax-Nummer eingetragen hat.
Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die formell einwandfreie sofortige Beschwerde des Beklagten.
II. Das Rechtsmittel ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat dem Beklagten mit Recht die nachgesuchte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verweigert, weil es an der gesetzlichen Voraussetzung (§ 233 ZPO) fehlt, daß er ohne Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Sein Prozeßbevollmächtigter, dessen Verschulden er sich anrechnen lassen muß (§ 85 Abs. 2 ZPO), hat nicht alle erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen getroffen, um den fristgerechten Eingang des Verlängerungsantrages bei dem Berufungsgericht sicherzustellen.
Es entspricht anerkannter höchstrichterlicher Rechtsprechung, daß ein Rechtsanwalt, der sich zulässigerweise bei der Anbringung fristgebundener Schriftsätze des Telefax-Verkehrs bedient, gehalten ist, durch organisatorische Anweisungen sicherzustellen, daß die notierten gerichtlichen Telefax-Nummern überprüft und ggfs. korrigiert werden (BGH, Beschl. v. 3. November 1998 – VI ZB 29/98, LM Nr. 62 zu § 511 ZPO m.w.N.). Diese Überprüfung, die Teil der gebotenen Ausgangskontrolle ist (vgl. BGH, Beschl. v. 18. Oktober 1995 – XII ZB 123/95, VersR 1996, 778), darf er zwar seinem als zuverlässig erkannten Büropersonal überlassen (BGH, Beschl. v. 23. März 1995 – VII ZB 19/94, NJW 1995, 2105 f.; Beschl. v. 18. Oktober 1995 – XII ZB 123/95, VersR 1996, 778; BAG, Urt. v. 30. März 1995 – 2 AZR 1020/94, NJW 1995, 2742). Diesen organisatorischen Anforderungen ist der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten indessen nicht gerecht geworden.
Es reichte dazu nicht aus, daß im Büro des Rechtsanwalts die zutreffende Telefax-Nummer des Berufungsgerichts bekannt und außerdem die Kopie einer Mitteilung des Hamburger Anwaltvereins mit den Telefax-Nummern ausgehängt war. Hierdurch wurde die unerläßliche Ausgangskontrolle nicht gewährleistet. Da die Zielnummer für den Telefax-Verkehr bei dem Prozeßbevollmächtigten des Beklagten automatisch aus dem Stammdatenblatt aufgerufen und dem Telefax-Gerät für die jeweilige Sendung zugewiesen wird, war es geboten, in geeigneter Weise die Eintragung der jeweiligen Nummern in die Stammdatenblätter zu kontrollieren oder aber sicherzustellen, daß ein Sendebericht ausgedruckt und auf die Korrektheit des Adressaten überprüft wurde. Schon ein Vergleich der ausgedruckten Telefax-Nummer mit der nach der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin des Anwalts wohlbekannten Nummer des Oberlandesgerichts hätte den Fehler offenbart, ganz abgesehen davon, daß die Sendeberichte moderner Geräte den Adressaten üblicherweise nicht nur mit der Telefax-Nummer, sondern zusätzlich mit einer individuellen Bezeichnung ausweisen.
Gegenüber diesem Fehlen einer funktionsfähigen Ausgangskontrolle in der Büroorganisation des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten spielt es keine Rolle, daß der Vorsitzende des Berufungszivilsenats die Verfristung der verschiedenen Verlängerungsanträge nicht bemerkt und den Anträgen entsprochen hat. Wird der Fristverlängerungsantrag verspätet bei Gericht eingereicht, ist die Entscheidung rechtskräftig; eine gleichwohl gewährte Fristverlängerung des Gerichts kann daran nichts ändern. Insofern ist die Lage entgegen der Meinung des Beklagten anders, als wenn fristgerecht ein prozessual unwirksamer Antrag angebracht und diesem durch den Vorsitzenden entsprochen wird (BGH, Beschl. v. 8. Oktober 1998 – VII ZB 21/98, LM Nr. 139 zu § 519 ZPO m.w.N.).
Zutreffend hat das Berufungsgericht schließlich entschieden, daß der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten nicht hat erwarten können, er werde am 1. April 1999 in den wenigen noch verbliebenen Bürostunden vom Landgericht darauf aufmerksam gemacht, daß er seinen Antrag nicht an das allein zuständige Oberlandesgericht gesandt hatte. Im Gegenteil ergibt sich schon aus der von ihm selbst vorgelegten Mitteilung des Hamburger Anwaltvereins, daß jeder Anwalt selbst das Risiko trägt, daß seine fristgebundenen Schriftsätze an das zuständige Gericht oder an die hierfür eingerichtete gemeinsame Postannahmestelle gesandt werden müssen.
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Goette, Kurzwelly, Kraemer
Fundstellen
BB 2000, 432 |
DB 2000, 972 |
HFR 2001, 294 |
NJW 2000, 1043 |
NWB 2000, 1158 |
EBE/BGH 2000, 50 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2000, 402 |
ZIP 2000, 335 |
NJW-CoR 2000, 367 |
RDV 2000, 116 |
SGb 2000, 263 |
Consultant 2000, 70 |
MittRKKöln 2000, 56 |
BRAK-Mitt. 2000, 76 |