Leitsatz (amtlich)
a) Zur Behandlung geringfügiger Anrechte beim Tod eines Ehegatten vor Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich (im Anschluss an BGH v. 22.3.2017 - XII ZB 385/15 - juris).
b) Werden geringfügige Anrechte als Rechnungsposten in die Gesamtsaldierung eingestellt, bleiben (fiktive) Teilungskosten unberücksichtigt, wenn diese Anrechte selbst nicht zum Ausgleich herangezogen werden sollen.
Normenkette
VersAusglG §§ 18, 31
Verfahrensgang
OLG Dresden (Beschluss vom 16.05.2013; Aktenzeichen 22 UF 210/12) |
AG Chemnitz (Entscheidung vom 10.01.2012; Aktenzeichen 4 F 749/11) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 22. Familiensenats des OLG Dresden vom 16.5.2013 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 3.240 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die Beteiligten streiten um den Versorgungsausgleich nach dem Tod eines Ehegatten.
Rz. 2
Die am 30.4.1975 geschlossene Ehe der Antragstellerin mit Rolf M. wurde auf einen am 20.9.2001 zugestellten Scheidungsantrag durch Urteil des AG vom 3.11.2003 rechtskräftig geschieden. Die Folgesache Versorgungsausgleich wurde abgetrennt und ausgesetzt. Rolf M. ist am 9.7.2008 verstorben und von dem Antragsgegner beerbt worden. Im Jahr 2011 hat das AG das - nunmehr gegen den Antragsgegner geführte - Verfahren zum Versorgungsausgleich aufgenommen und Auskünfte über die von den früheren Eheleuten in der gesetzlichen Ehezeit vom 1.4.1975 bis zum 31.8.2001 erworbenen Versorgungsanrechte eingeholt.
Rz. 3
Beide Eheleute haben mehrere Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Die Antragstellerin hat bei der DRV Knappschaft-Bahn-See (Beteiligte zu 2) ein angleichungsdynamisches Anrecht mit einem Ausgleichswert von 10,3380 Entgeltpunkten (Ost) und einem korrespondierenden Kapitalwert von 46.249,16 EUR sowie ein weiteres angleichungsdynamisches Anrecht mit einem Ausgleichswert von 0,8366 knappschaftlichen Entgeltpunkten (Ost) und einem korrespondierenden Kapitalwert von 4.977,21 EUR erlangt. Rolf M. hat bei der DRV Bund (Beteiligte zu 4) ein regeldynamisches Anrecht mit einem Ausgleichswert von 0,0015 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 8,01 EUR sowie ein angleichungsdynamisches Anrecht mit einem Ausgleichswert von 17,2872 Entgeltpunkten (Ost) und einem korrespondierenden Kapitalwert von 77.337,83 EUR erworben.
Rz. 4
Darüber hinaus hat die Antragstellerin ein Anrecht der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bei der ZVK des Kommunalen Versorgungsverbandes Sachsen (Beteiligte zu 3) mit einem Ausgleichswert von 5,45 Versorgungspunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 2.251,46 EUR sowie ein Anrecht aus einem privaten Rentenversicherungsvertrag bei der A. Lebensversicherungs-AG (Beteiligte zu 1) mit einem Ausgleichswert von 4.136,78 EUR erlangt.
Rz. 5
Das AG hat den Versorgungsausgleich geregelt. Es hat die Ansicht vertreten, dass nur die von den früheren Eheleuten in der allgemeinen Rentenversicherung (Ost) erworbenen Entgeltpunkte (Ost) in den Versorgungsausgleich einzubeziehen und die Differenz der jeweiligen Ausgleichswerte zugunsten der Antragstellerin auszugleichen sei. Es hat den Versorgungsausgleich dementsprechend dahingehend geregelt, dass im Wege interner Teilung zu Lasten des Anrechts von Rolf M. ein auf das Ende der Ehezeit am 31.8.2001 bezogenes Anrecht i.H.v. 6,9492 Entgeltpunkten (Ost) auf das Versicherungskonto der Antragstellerin übertragen wird. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde der DRV Knappschaft-Bahn-See hat das OLG die Entscheidung abgeändert und angeordnet, dass im Wege interner Teilung zu Lasten des Anrechts von Rolf M. ein auf das Ende der Ehezeit am 31.8.2001 bezogenes Anrecht i.H.v. 2,2550 Entgeltpunkten (Ost) auf das Versicherungskonto der Antragstellerin übertragen wird. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.
II.
Rz. 6
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 7
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung das Folgende ausgeführt:
Rz. 8
Der Wertausgleich habe gem. § 31 VersAusglG auf der Grundlage einer Gesamtsaldierung der Anrechte der Antragstellerin einerseits und des verstorbenen Rolf M. andererseits zu erfolgen. Dabei sei auf der Grundlage der korrespondierenden Kapitalwerte der jeweiligen Anrechte eine Wertbilanz aufzustellen und die Wertdifferenz zu ermitteln. Auch die an sich geringfügigen Anrechte seien dabei zu berücksichtigen. Zwar hätte § 18 Abs. 2 VersAusglG Anwendung gefunden, wenn der Versorgungsausgleich noch zu Lebzeiten des verstorbenen Rolf M. durchgeführt worden wäre. § 18 VersAusglG verfolge aber den Zweck, dem Versorgungsträger den unverhältnismäßigen Aufwand zu ersparen, für wertmäßig geringe Anrechte den Versorgungsausgleich umzusetzen und die dadurch entstehenden Kleinstrenten begründen und verwalten zu müssen. Ein solcher Aufwand entstehe hier nicht, weil die Anrechte lediglich Rechnungspositionen im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtsaldierung seien.
Rz. 9
Die Gesamtsaldierung führe im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die Anrechte von Rolf M. mit Kapitalausgleichswerten von 77.345,84 EUR auszugleichen gewesen wären und die Anrechte der Antragstellerin mit Kapitalausgleichswerten von 57.614,61 EUR. Die Wertdifferenz der korrespondierenden Kapitalwerte i.H.v. 19.731,23 EUR sei noch zugunsten der Antragstellerin auszugleichen, wobei es zweckmäßig erscheine, den Ausgleich innerhalb der allgemeinen Rentenversicherung (Ost) vorzunehmen. Es seien somit 2,2550 Entgeltpunkte (Ost) vom Versicherungskonto des Rolf M. bei der DRV Bund auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der DRV Knappschaft-Bahn-See zu übertragen.
Rz. 10
2. Diese Ausführungen lassen keine Rechtsfehler zum Nachteil der Antragstellerin erkennen.
Rz. 11
a) Stirbt ein Ehegatte - wie hier - nach Rechtskraft der Ehescheidung, aber vor rechtskräftiger Entscheidung über den Wertausgleich nach den §§ 9 bis 19 VersAusglG, so ist das Recht des überlebenden Ehegatten auf Wertausgleich gegen die Erben geltend zu machen. Die Erben haben ihrerseits kein Recht auf Wertausgleich. Der überlebende Ehegatte darf indessen durch den Wertausgleich nicht bessergestellt werden, als wenn der Versorgungsausgleich durchgeführt worden wäre (§ 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG). Um dies zu gewährleisten, ist auf der Grundlage ihrer (korrespondierenden) Kapitalwerte eine Gesamtbilanz aller auszugleichenden Anrechte beider Ehegatten zu erstellen und der Ausgleich zugunsten des überlebenden Ehegatten in Höhe des sich aus der Wertdifferenz ergebenden Ausgleichswerts durchzuführen. Sind mehrere Anrechte auszugleichen, ist gem. § 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG nach billigem Ermessen zu entscheiden, welche Anrechte zum Ausgleich herangezogen werden. Dies zieht auch die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel.
Rz. 12
b) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht ferner entschieden, dass auch die - nach seinen Feststellungen - i.S.v. § 18 Abs. 2 und Abs. 3 VersAusglG geringfügigen Einzelanrechte, nämlich das Anrecht der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes auf Seiten der Antragstellerin und das regeldynamische Anrecht der gesetzlichen Rentenversicherung auf Seiten des verstorbenen Ehemanns, als Rechnungsposten in die Gesamtbilanz einzustellen sind.
Rz. 13
Welche auszugleichenden Anrechte in die Bilanz einzustellen sind, richtet sich - ebenso wie die Berechnung des Ehezeitanteils und des Ausgleichswerts der einzelnen Anrechte - auch im Fall eines nach § 31 VersAusglG geltend zu machenden Anspruchs grundsätzlich nach den §§ 2 ff. VersAusglG. Nach § 18 Abs. 1 VersAusglG soll ein Wertausgleich bei einer geringfügigen Differenz der Ausgleichswerte von Anrechten gleicher Art nicht stattfinden; gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG soll das FamG einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert nicht ausgleichen. Die Auswirkungen des § 18 VersAusglG auf die Berechnung des Wertausgleichs in den Fällen des § 31 VersAusglG ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
Rz. 14
aa) Zum Teil wird die Ansicht vertreten, dass geringfügige Anrechte i.S.v. § 18 Abs. 2 VersAusglG und gleichartige Anrechte mit geringer Ausgleichsdifferenz i.S.v. § 18 Abs. 1 VersAusglG bei der Saldierung im Rahmen des § 31 VersAusglG generell außer Betracht bleiben müssten. Das Besserstellungsverbot des § 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG erfordere eine Alternativberechnung, bei der zu prüfen sei, wie ein Hin-und-Her-Ausgleich bei Anwendung der §§ 9 bis 19 VersAusglG durchzuführen gewesen wäre und zu welchem Ergebnis dies geführt hätte. In die Ausgleichsbilanz seien daher lediglich diejenigen Anrechte einzustellen, die auch im Falle einer fiktiven Durchführung des Versorgungsausgleichs ohne den Tod des einen Ehegatten unter Berücksichtigung der gesetzlichen Ausschlusstatbestände im Rahmen des Wertausgleichs bei der Scheidung auszugleichen gewesen wären (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2015, 507, 510; OLG Naumburg FamRZ 2013, 1046; Ruland Versorgungsausgleich 4. Aufl. Rz. 557; Götsche FamRB 2012, 56, 59).
Rz. 15
bb) Nach anderer Auffassung sind im Rahmen des § 31 VersAusglG auch gleichartige Anrechte mit geringer Wertdifferenz i.S.v. § 18 Abs. 1 VersAusglG und einzelne geringwertige Anrechte i.S.v. § 18 Abs. 2 VersAusglG zu bilanzieren. In den Fällen des § 31 VersAusglG seien die einzelnen Anrechte bloße Rechnungsposten und ein Hin-und-Her-Ausgleich ausgeschlossen, so dass ein besonderer Verwaltungsaufwand bei der Teilung nicht entstehen könne und eine Zersplitterung von Versorgungsanrechten nicht zu besorgen sei. Daher gebe es insoweit für die Anwendung des § 18 VersAusglG keine Rechtfertigung (vgl. OLG Oldenburg FamRZ 2017, 517, 518 f.; OLG Celle FamRZ 2013, 382, 385; OLG Koblenz FamRZ 2012, 1807; OLG Brandenburg FamRZ 2011, 1299; OLG Hamm NJW-RR 2011, 1376; OLG Dresden Beschl. v. 3.11.2010 - 23 UF 500/10 - juris Rz. 19; Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht 6. Aufl., § 31 VersAusglG Rz. 6; Wick Der Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rz. 547; Gräper in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 31 VersAusglG Rz. 5; Erman/Norpoth BGB, 14. Aufl., § 31 VersAusglG Rz. 4a; BeckOGK/Schüßler VersAusglG [Stand: Juni 2016] § 18 Rz. 17.2; Borth Versorgungsausgleich 7. Aufl. Rz. 767; Bergner NZFam 2014, 539, 545).
Rz. 16
Teilweise wird diese Auffassung allerdings auch mit der Modifikation vertreten, dass § 18 VersAusglG ausnahmsweise dann entsprechend anzuwenden sei, wenn die Gesamtausgleichsdifferenz als solche die Geringfügigkeitsgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG nicht überschreite (OLG Oldenburg FamRZ 2017, 517, 518 f.; OLG Celle FamRZ 2013, 382, 385; Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht 6. Aufl., § 31 VersAusglG Rz. 6; Gräper in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 31 VersAusglG Rz. 5; Erman/Norpoth BGB, 14. Aufl., § 31 VersAusglG Rz. 4a; BeckOGK/Schüßler VersAusglG [Stand: Juni 2016] § 18 Rz. 17.2; Wick Der Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rz. 547; Borth Versorgungsausgleich 7. Aufl. Rz. 767).
Rz. 17
cc) Der Senat hat zwischenzeitlich entschieden, dass die letztgenannte Ansicht im Wesentlichen zutreffend ist (vgl. BGH v. 22.3.2017 - XII ZB 385/15 - juris Rz. 17 ff.).
Rz. 18
(1) Das Gesetz schließt die Anwendung des § 18 VersAusglG im Rahmen des § 31 VersAusglG zwar nicht generell aus. Allerdings ist von der Ermessensvorschrift auch in diesen Fällen in einer dem Zweck des Gesetzes entsprechenden Weise Gebrauch zu machen.
Rz. 19
Wie der Senat bereits mehrfach ausgeführt hat, steht § 18 VersAusglG in einem Spannungsverhältnis zu dem im Versorgungsausgleich geltenden Halbteilungsgrundsatz. Mit der hälftigen Teilung der erworbenen Anrechte soll grundsätzlich die gleichwertige Teilhabe der Ehegatten an dem in der Ehe erwirtschafteten Versorgungsvermögen gewährleistet werden. Auch wenn der Halbteilungsgrundsatz durch das Gesetz nicht ausnahmslos eingehalten wird, ist er gleichwohl der Maßstab des Versorgungsausgleichsrechts und bei der Auslegung einzelner Vorschriften und bei Ermessensentscheidungen vorrangig zu berücksichtigen (vgl. BGH v. 18.1.2012 - XII ZB 501/11, FamRZ 2012, 513 Rz. 21; v. 7.8.2013 - XII ZB 211/13, FamRZ 2013, 1636 Rz. 32).
Rz. 20
Der Ausschluss des Ausgleichs von Anrechten in Anwendung von § 18 VersAusglG findet seine Grenze daher stets in einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des Halbteilungsgrundsatzes (vgl. zu § 18 Abs. 1 VersAusglG: BGH v. 23.11.2016 - XII ZB 323/15, FamRZ 2017, 195 Rz. 11; v. 28.9.2016 - XII ZB 325/16, FamRZ 2016, 2081 Rz. 10; vgl. zu § 18 Abs. 2 VersAusglG: BGH v. 22.6.2016 - XII ZB 490/15, FamRZ 2016, 1658 Rz. 8; v. 2.9.2015 - XII ZB 33/13, FamRZ 2015, 2125 Rz. 25). Eine solche Beeinträchtigung liegt immer dann vor, wenn ein Anrecht mit geringem Ausgleichswert oder gleichartige Anrechte mit einer geringen Wertdifferenz unter Anwendung von § 18 VersAusglG nicht ausgeglichen werden, obwohl die mit der Vorschrift verfolgten Zwecke nicht oder nur in Ansätzen erreicht werden. Zweck des § 18 VersAusglG ist vornehmlich die Vermeidung eines unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands für den Versorgungsträger, der mit der Teilung eines Anrechts und der Aufnahme eines Anwärters in das Versorgungssystem verbunden sein kann. Es sind aus diesem Grunde in erster Linie die Belange der Verwaltungseffizienz auf Seiten der Versorgungsträger gegen das Interesse des ausgleichsberechtigten Ehegatten an der Erlangung auch geringfügiger Anrechte abzuwägen. Hinzu kommt, dass § 18 VersAusglG neben der Reduzierung des Verwaltungsaufwands den weiteren Zweck verfolgt, sog. Splitterversorgungen zu vermeiden (vgl. BGH v. 2.9.2015 - XII ZB 33/13, FamRZ 2015, 2125 Rz. 24; v. 18.1.2012 - XII ZB 501/11, FamRZ 2012, 513 Rz. 23).
Rz. 21
(2) Stellen Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert lediglich Rechnungsposten in der Gesamtbilanz dar, ohne dass sie selbst zum Ausgleich herangezogen werden sollen, sprechen keine hinreichend gewichtigen Gründe dafür, sie abweichend vom Halbteilungsgrundsatz nicht zu berücksichtigen. Denn durch die Nichtberücksichtigung in der Gesamtbilanz würden weder Splitterversorgungen vermieden noch würde ein Verwaltungsaufwand bei den betreffenden Versorgungsträgern erspart.
Rz. 22
Erst wenn es in Rede steht, diese geringfügigen Anrechte selbst zum Ausgleich heranzuziehen - weil etwa ausschließlich der verstorbene Ehegatte ehezeitliche Versorgungsanrechte erworben hat oder überhaupt nur Anrechte mit geringem Ausgleichswert für den Gesamtausgleich zu Verfügung stehen - ist nach § 18 Abs. 2 VersAusglG das Absehen von der Einbeziehung des Anrechts nach den sonst üblichen Kriterien für die Ermessensausübung zu erwägen (BGH, Beschl. v. 22.3.2017 - XII ZB 385/15 - juris Rz. 21 f.). Dasselbe gilt in - einer ggf. entsprechenden - Anwendung von § 18 VersAusglG, wenn ein zwar an sich höherwertiges Anrecht zum Ausgleich herangezogen werden soll, jedoch nach durchgeführter Gesamtsaldierung aller wechselseitigen - nicht notwendig gleichartigen - Anrechte nur eine geringe Wertdifferenz zum konkreten Ausgleich verbleibt, welche die Bagatellgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG nicht überschreitet. Hierin kann keine unzulässige Ausdehnung des Anwendungsbereichs von § 18 Abs. 1 VersAusglG auf nicht gleichartige Anrechte gesehen werden (a.A. OLG Stuttgart FamRZ 2015, 507, 510; jurisPK/BGB/Breuers [Stand: September 2016] § 31 VersAusglG Rz. 25.2). Denn die nach Sinn und Zweck des § 18 VersAusglG maßgebliche Frage, ob die Durchführung des Ausgleichs für den Versorgungsträger mit einem unnötigen Verwaltungsaufwand verbunden wäre oder das Entstehen unerwünschter Splitterversorgungen begünstigt, stellt sich in solchen Fällen auch bei einem im Rahmen des § 31 VersAusglG vorzunehmenden Einmalausgleich (vgl. BGH v. 22.3.2017 - XII ZB 385/15 - juris Rz. 23).
Rz. 23
(3) Der Berücksichtigung geringfügiger Anrechte als Rechnungsposten in der aufzustellenden Gesamtbilanz steht es schließlich auch nicht entgegen, dass dies bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu einem anderen Ausgleichsergebnis führen kann, als wären diese Anrechte bei einem unter Lebenden durchgeführten Hin-und-Her-Ausgleich nach § 18 VersAusglG unberücksichtigt geblieben.
Rz. 24
Zwar darf der überlebende Ehegatte nach § 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG durch den Wertausgleich grundsätzlich nicht besser gestellt werden, als wenn der Versorgungsausgleich unter Lebenden durchgeführt worden wäre. Mit dieser Regelung soll allerdings nur ausgedrückt werden, dass der überlebende Ehegatte nicht unter Beibehaltung seiner eigenen Anrechte den vollen Ausgleich der Anrechte des Verstorbenen verlangen kann, sondern der Ausgleich auf eine zugunsten des überlebenden Ehegatten bestehende Wertdifferenz der beiderseits erworbenen Anrechte beschränkt bleibt. In der Regelung dieses Grundsatzes erschöpft sich die Bedeutung von § 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG. Die Vorschrift verfolgt demgegenüber nicht den Zweck, solche Besserstellungen des ausgleichsberechtigten Ehegatten auszuschließen oder zu beschränken, die sich aus der Systematik des Versorgungsausgleichs selbst ergeben. Daher schließt es das Besserstellungsverbot des § 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG insb. nicht aus, Ermessenserwägungen nach § 18 VersAusglG unter anderen Gesichtspunkten und mit anderen Ergebnissen vorzunehmen, als dies bei einem Wertausgleich unter Lebenden der Fall gewesen wäre (BGH, Beschl. v. 22.3.2017 - XII ZB 385/15 - juris Rz. 25 f.). Aus diesem Grunde kann aus § 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG folgerichtig auch nicht - umgekehrt - das von der Rechtsbeschwerde reklamierte "Schlechterstellungsverbot" in Bezug auf die Anwendung von § 18 VersAusglG hergeleitet werden.
Rz. 25
c) Nicht frei von rechtlichen Bedenken sind allerdings die Feststellungen des Beschwerdegerichts zum Ausgleichswert und zum korrespondierenden Kapitalwert (2.251,46 EUR) des von der Antragstellerin erworbenen Anrechts bei der ZVK des Kommunalen Versorgungsverbands Sachsen. Die insoweit zu erhebenden Beanstandungen betreffen aber keine Rechtsfehler zum Nachteil der Antragstellerin.
Rz. 26
aa) Das Beschwerdegericht hat das von der Antragstellerin erworbene Anrecht der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes mit seinem um die hälftigen Teilungskosten (105,90 EUR) bereinigten Ausgleichswert als Kapitalwert in die Gesamtsaldierung eingestellt. Dies ist fehlerhaft, weil das betroffene Anrecht der Zusatzversorgung als bloßer Rechnungsposten in die Gesamtsaldierung eingeht und tatsächlich nicht geteilt wird. Es besteht deshalb auch keine Veranlassung, den Ausgleichswert um die Kosten einer fiktiven Teilung des Anrechts zu vermindern (OLG Oldenburg FamRZ 2017, 517, 519; vgl. BGH v. 22.3.2017 - XII ZB 385/15 - juris Rz. 26, 29). Durch die entgegenstehende Verfahrensweise des Beschwerdegerichts wird die Antragstellerin indessen lediglich begünstigt, weil die an sich gebotene Berücksichtigung des um Teilungskosten nicht bereinigten Ausgleichswerts die Wertdifferenz in der Gesamtausgleichsbilanz und damit ihren Ausgleichsanspruch vermindert hätte.
Rz. 27
bb) Im Übrigen steht einer Verwertung der von der ZVK erteilten Versorgungsauskunft unter den hier obwaltenden Umständen weder die Entscheidung des BGH vom 9.3.2016 zur (erneuten) Unwirksamkeit der Startgutschriftenregelungen für rentenferne Versicherte (BGHZ 209, 201 = VersR 2016, 583) noch die Rechtsprechung des Senats zur Verfassungswidrigkeit der Verwendung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren durch die Träger der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes (grundlegend BGH v. 8.3.2017 - XII ZB 697/13 - juris Rz. 26 ff. zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) entgegen.
Rz. 28
(1) Allerdings beruht das von der 1953 geborenen Antragstellerin ehezeitlich erworbene Anrecht der Zusatzversorgung (ausschließlich) auf einer Startgutschrift für rentenferne Versicherte. Auch im Verfahren über den Versorgungsausgleich darf ein vom Träger der Zusatzversorgung mitgeteilter und anhand verfassungswidriger Satzungsbestimmungen ermittelter Wert einer Startgutschrift grundsätzlich nicht die Grundlage für eine gerichtliche Regelung sein (vgl. BGH v. 22.3.2017 - XII ZB 626/15 - juris Rz. 17 m.w.N.). Unter den besonderen Voraussetzungen des vorliegenden Falls bedarf es indessen keiner neuen Feststellungen zum Ehezeitanteil des von der Antragstellerin erworbenen Anrechts. Die von den Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes neu zu regelnden Übergangsvorschriften zu den Startgutschriften für rentenferne Versicherte werden für die Antragstellerin voraussichtlich - wenn überhaupt - zu einer Erhöhung dieser Startgutschriften führen. Soweit dadurch auch der korrespondierende Kapitalwert ihres in die Gesamtsaldierung eingestellten ZVK-Anrechts steigen sollte, wäre dies für die Antragstellerin als Rechtsbeschwerdeführerin ungünstig.
Rz. 29
(2) Soweit die vom Beschwerdegericht für seine Feststellungen herangezogene Versorgungsauskunft der ZVK vom 4.7.2011 möglicherweise auf geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Sterbetafeln und daraus abgeleiteten Barwertfaktoren beruht, bestehen gegen die Verwertung dieser Auskunft im vorliegenden Fall schon deshalb keine durchgreifenden Bedenken, weil sie vor dem 1.1.2013 erteilt worden ist (vgl. dazu BGH v. 8.3.2017 - XII ZB 697/13 - juris Rz. 48 zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
Rz. 30
d) Bei der Berechnung des Gesamtausgleichs ist der vom Beschwerdegericht gewählte Ansatz, im Rahmen der Ausgleichsbilanz eine Saldierung von Kapitalwerten und korrespondierenden Kapitalwerten der auszugleichenden Anrechte vorzunehmen, grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. BGH v. 22.3.2017 - XII ZB 385/15 - juris Rz. 28; v. 5.6.2013 - XII ZB 635/12, FamRZ 2013, 1287 Rz. 30).
Rz. 31
aa) Allerdings ist es in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten, ob ein Wertvergleich gesetzlicher Rentenanrechte ohne Weiteres anhand der - auf das Ehezeitende bezogenen - korrespondierenden Kapitalwerte durchgeführt werden kann, wenn in die Gesamtbilanz sowohl regeldynamische als auch angleichungsdynamische Anrechte einzustellen sind.
Rz. 32
Eine Auffassung verweist darauf, dass gem. § 47 Abs. 6 VersAusglG bei einem Wertvergleich nicht nur die Kapitalwerte und korrespondierenden Kapitalwerte zu berücksichtigen seien, sondern auch die weiteren wertbildenden Faktoren der Anrechte, zu denen insb. die Dynamik gehöre. Bei einer nur auf das Ehezeitende bezogenen Kapitalwertbetrachtung bliebe die unterschiedliche Dynamik regeldynamischer und angleichungsdynamischer Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung außer Betracht. Aufgrund der unterschiedlichen Dynamik könnten Stichtagswerte, die am Ende der Ehezeit annähernd gleich hoch seien, zu nicht mehr vergleichbaren Versorgungsleistungen führen. Ein Vergleich von regeldynamischen und angleichungsdynamischen Anrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung müsse mit Blick auf die Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes auch die unterschiedlichen Anpassungen der aktuellen Rentenwerte und der aktuellen Rentenwerte (Ost) zwischen dem Ende der Ehezeit und der Entscheidung über den Wertausgleich einbeziehen, weil sich hierin die unterschiedliche Dynamik der Anrechte widerspiegele. Hierfür eigne sich der sog. Angleichungsfaktor, der in dem früheren § 3 Abs. 2 Nr. 1a VAÜG zur Vergleichbarmachung des Werts von Ostanrechten mit Westanrechten vorgesehen gewesen sei (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2015, 507, 509; OLG Jena Beschl. v. 8.6.2012 - 1 UF 152/12 - juris Rz. 15 ff.; OLG Celle FamRZ 2013, 382, 383 f.; MünchKomm/Dörr/Scholer BGB, 7. Aufl., § 47 VersAusglG Rz. 5; Ruland Versorgungsausgleich 4. Aufl. Rz. 557; Wick Der Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rz. 546).
Rz. 33
Nach der Gegenansicht soll die Saldierung der in den Ausgleich einzubeziehenden Anrechte im Rahmen des § 31 VersAusglG ausschließlich anhand der korrespondierenden Kapitalwerte vorzunehmen sein. § 47 Abs. 6 VersAusglG verweise nicht auf § 31 VersAusglG, so dass davon auszugehen sei, dass der Gesetzgeber die bei einer Saldierung der korrespondierenden Kapitalwerte im Rahmen des § 31 VersAusglG entstehenden Bewertungsunschärfen bewusst in Kauf genommen habe. Bewertungsprobleme entstünden zudem nicht nur im Zusammenhang mit der unterschiedlichen Dynamik von Anrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern es seien ggf. auch andere Versorgungsanrechte anzugleichen. Hierfür fehle es an handhabbaren Angleichungsfaktoren, die das Gericht heranziehen könne, ohne in jedem Einzelfall auf versicherungsmathematische Feststellungen angewiesen zu sein (vgl. OLG Dresden FamRZ 2014, 1639 f.; Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht 6. Aufl., § 31 VersAusglG Rz. 6).
Rz. 34
bb) Dieser Streit bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.
Rz. 35
(1) Allerdings lässt sich aus dem Umstand, dass § 31 VersAusglG nicht zu den in § 47 Abs. 6 VersAusglG ausdrücklich aufgeführten Fällen eines kapitalwertbezogenen Wertvergleichs gehört, für sich genommen noch nichts für die Unanwendbarkeit des § 47 Abs. 6 VersAusglG bei der Bewertung von Anrechten entnehmen, deren Kapitalwerte bzw. korrespondierenden Kapitalwerte im Rahmen einer Ausgleichsbilanz nach § 31 VersAusglG gegenüberzustellen sind. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien erschließt, lag der redaktionellen Fassung des § 47 Abs. 6 VersAusglG die Vorstellung zugrunde, mit der Aufzählung von §§ 6 bis 8, 18 Abs. 1 und 27 VersAusglG sämtliche Fälle erfasst zu haben, in denen nach dem geltenden Recht ein Wertvergleich auf der Grundlage von Kapitalwerten und korrespondierenden Kapitalwerten noch erforderlich ist (vgl. BT-Drucks. 16/11903, 56). Tatsächlich dürfte insoweit ein gesetzgeberisches Versehen vorliegen, denn ein solcher Wertvergleich ist - neben dem hier interessierenden Fall des § 31 VersAusglG - auch dann notwendig, wenn wegen der Einbeziehung von ausländischen Anrechten nach § 19 Abs. 3 VersAusglG ein (teilweises) Absehen vom Wertausgleich bei der Scheidung in Betracht kommt (vgl. Erman/Norpoth BGB, 14. Aufl., § 47 VersAusglG Rz. 13; Bergner NZFam 2014, 539, 540).
Rz. 36
(2) Im vorliegenden Fall haben die beiden früheren Ehegatten allerdings fast ausschließlich angleichungsdynamische Rentenanrechte in der allgemeinen bzw. in der knappschaftlichen Rentenversicherung (Ost) erworben. Lediglich der verstorbene Ehemann hat ein ehezeitliches regeldynamisches Anrecht mit einem Ausgleichswert von 0,0015 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 8,01 EUR erlangt. Angesichts der offenkundigen wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit dieses Anrechts für den Gesamtausgleich erscheint es auch mit Blick auf den Halbteilungsgrundsatz nicht geboten, der unterschiedlichen Dynamik von angleichungs- und regeldynamischen Rentenanrechten im Rahmen der Gesamtbilanz durch Anpassungsberechnungen Rechnung tragen zu müssen.
Rz. 37
(3) Im Übrigen hat der Senat bereits mehrfach ausgesprochen, dass das Gericht den Wertvergleich trotz der Verschiedenartigkeit der darin einbezogenen Versorgungen (hier: gesetzliche Rentenversicherung, Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, private Rentenversicherung) grundsätzlich auf eine nominale Gegenüberstellung der ihm von den Versorgungsträgern mitgeteilten Kapitalwerte bzw. korrespondierenden Kapitalwerte stützen kann. Eine Verpflichtung des Gerichts, nach § 47 Abs. 6 VersAusglG tatrichterliche Feststellungen zu den sonstigen wertbildenden Faktoren - z.B. Leistungsspektrum, Dynamik, Finanzierungsverfahren, Insolvenzschutz, Teilkapitalisierungsrechte - der miteinander verglichenen Anrechte zu treffen und diese mit in die Betrachtung einzubeziehen, besteht nur dann, wenn ihm mit einer entsprechenden Anregung eines der Beteiligten Anhaltspunkte für einen von dem korrespondierenden Kapitalwert der miteinander verglichenen Versorgungen abweichenden Wert aufgezeigt werden (vgl. BGH v. 16.12.2015 - XII ZB 450/13, FamRZ 2016, 697 Rz. 19 f.; v. 21.9.2016 - XII ZB 264/13, FamRZ 2017, 26 Rz. 34, jeweils zu § 27 VersAusglG). Dies ist hier nicht der Fall; insoweit greift auch die Rechtsbeschwerde die angefochtene Entscheidung nicht an. Oft werden die Beteiligten an weitergehenden Ermittlungen zur Bewertung ihrer Anrechte auch kein Interesse haben, weil die umfassende Berücksichtigung der in § 47 Abs. 6 VersAusglG genannten wertbildenden Faktoren bei der Bewertung der einzelnen Anrechte in der Regel eine versicherungsmathematische Begutachtung erforderlich machen würde, deren Aufwand vielfach in keinem Verhältnis zur wirtschaftlichen Bedeutung des damit erlangten (besseren) Erkenntnisgewinns steht.
Fundstellen