Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhalt. Unterhaltserglecih. Abfindungsvereinbarung. Geschäftsgrundlage. Wiederverheiratung. Unterhaltsvergleich mit Vereinbarung eines Abfindungsbetrages
Leitsatz (amtlich)
Wenn die Parteien eines Unterhaltsvergleichs mit der Vereinbarung eines Abfindungsbetrages eine abschließende Regelung treffen wollten, ist der Fortbestand der unterhaltsrelevanten Umstände nicht Geschäftsgrundlage dieser Vereinbarung.
Bei dieser Vereinbarung bleibt es folglich auch dann, wenn der Abfindungsbetrag in Raten gezahlt werden sollte und die Unterhaltsberechtigte vor der Fälligkeit der letzten Rate neu heiratet.
Normenkette
BGB §§ 1585c, 1586 Abs. 1; ZPO § 769 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des 1. Senats für Familiensachen des OLG Frankfurt v. 7.4.2005 gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 10.000 EUR einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.
Streitwert: 13.500 EUR
Gründe
I.
Die Parteien sind geschiedene Ehegatten. Sie streiten um die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus zwei Vergleichen v. 7.1. und 11.11.2003.
Am 7.1.2003 schlossen die Parteien im Ehescheidungsverfahren einen umfassenden Scheidungsfolgenvergleich und vereinbarten zum nachehelichen Unterhalt Folgendes:
"...
6. Zum nachehelichen Unterhalt verpflichtet sich der Antragsteller an die Antragsgegnerin Abfindungsbeträge zu leisten i.H.v. 13.500 EUR für 2003, 13.500 EUR für 2004 und 3.000 EUR für 2005. Die Beträge sind fällig in 2003 mit monatlich 800 EUR am 1.2., 1.3. und 1.4., in Höhe des Restbetrages für 2003 am 1.5.2003, mit insgesamt 13.500 EUR für 2004 am 1.1.2004 und in Höhe der restlichen 3.000 EUR für 2005 am 1.1.2005.
Durch Zahlung dieser Beträge ist der Gesamtanspruch der Antragsgegnerin auf nachehelichen Unterhalt abgegolten. Die Parteien erklären bereits jetzt den Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, auch für den Fall der Not und Gesetzesänderung und nehmen den Verzicht gegenseitig an.
..."
Nachdem der Kläger mit der Behauptung, die Beklagte lebe mit einem neuen Partner zusammen, in einem weiteren gerichtlichen Verfahren die Feststellung beantragt hatte, dass er nicht mehr zu Unterhaltsleistungen aus dem geschlossenen Vergleich verpflichtet sei, schlossen die Parteien am 11.11.2003 einen Abänderungsvergleich. Danach entfällt die ursprünglich vorgesehene Zahlungsverpflichtung des Klägers i.H.v. 3.000 EUR für das Jahr 2005. Die Fälligkeitsregelung für den nur noch geschuldeten Gesamtbetrag für das Jahr 2004i.H.v. 13.500 EUR wurde dahin abgeändert, dass der Kläger jeweils 6.750 EUR zum 1.1. und zum 1.7.2004 schuldete.
Kurz darauf heiratete die Beklagte ihren Lebensgefährten.
Auf Antrag des Klägers hat das AG die Zwangsvollstreckung aus den Vergleichen v. 7.1. und 11.11.2003 gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung i.H.v. 13.500 EUR einstweilen eingestellt und mit Urteil v. 29.6.2004 die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich v. 11.11.2003 für unzulässig erklärt, weil der Anspruch der Beklagten auf nachehelichen Unterhalt infolge ihrer Wiederverheiratung erloschen sei. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG, dessen Entscheidung in FamRZ 2005, 1253 ff. mit Anm. Bergschneider veröffentlicht ist (OLG Frankfurt v. 7.4.2005 - 1 UF 237/04, FamRZ 2005, 1253 ff.), die Klage abgewiesen und die Revision wegen der Abweichung von einem Urteil des OLG Hamburg (OLG Hamburg v. 9.3.2001 - 12 UF 117/00, FamRZ 2002, 234 ff.) zugelassen. Das Berufungsurteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte hat am 29.4.2005 beim AG einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt, auf Grund dessen eine Drittschuldnerin am 23.5.2005 3.500 EUR an sie geleistet hat. Auf Antrag des Klägers hat das AG die Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss mit Beschluss v. 31.5.2005 für die Dauer von sechs Wochen ab Zugang des Beschlusses einstweilen eingestellt und dem Kläger aufgegeben, eine Sicherheitsleistung i.H.v. 13.900 EUR nachzuweisen. Der Kläger hat diese Sicherheit zur Abwendung der Zwangsvollstreckung beim AG hinterlegt.
Der Kläger hat gegen das Berufungsurteil Revision eingelegt. Er beantragt nunmehr bei noch offener (verlängerter) Frist zur Revisionsbegründung, die Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 10.000 EUR einstweilen einzustellen.
II.
1. Der Antrag des Klägers auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil ist schon deswegen unbegründet, weil aus diesem - klagabweisenden - Urteil in der Hauptsache nicht gegen ihn vollstreckt werden kann. Soweit eine Vollstreckung aus der Kostenentscheidung des Berufungsurteils möglich ist, scheidet eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO aus, weil nach ständiger Rechtsprechung des BGH eine Einstellung nicht in Betracht kommt, wenn es der Schuldner - wie hier - versäumt hat, in der Berufungsinstanz einen Antrag nach § 712 ZPO zu stellen (BGH, Beschl. v. 24.11.1999 - XII ZR 69/99, NJW-RR 2000, 746, m.w.N.).
2. Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung käme aber auch dann nicht in Betracht, wenn der Antrag des Klägers als Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus den Vergleichen v. 7.1. und 11.11.2003 auszulegen wäre (§ 769 ZPO).
Zwar fehlt einem solchen Antrag nicht schon deswegen das Rechtsschutzbedürfnis, weil das AG die Zwangsvollstreckung aus diesen Vergleichen mit Beschluss v. 2.2.2004 gegen Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt hatte. Denn diese Entscheidung galt nur bis zur Verkündung des erstinstanzlichen Urteils (Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 769 Rz. 9, m.w.N.) und ist jedenfalls durch das klagabweisende Berufungsurteil entfallen.
Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 Abs. 1 ZPO kommt aber deswegen nicht in Betracht, weil das Rechtsmittel des Klägers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
a) Wenn die Parteien eines Unterhaltsvergleichs mit der Vereinbarung eines Abfindungsbetrages eine restlose und endgültige Regelung wollten, liegt darin regelmäßig auch ein Ausschluss weiterer Ansprüche für nicht vorhersehbare Veränderungen (BGHZ 2, 379 [385 f.]). Die abschließende Wirkung auf der Grundlage einer bloßen Prognose ist dann wesentlicher Inhalt der vertraglichen Vereinbarung und nicht bloß dessen Geschäftsgrundlage. Gleiches gilt dann auch umgekehrt für die Nachforderung noch ausstehender Abfindungsansprüche und für die Rückzahlung schon geleisteter Beträge.
Eine andere rechtliche Beurteilung ist allenfalls für solche Fälle denkbar, in denen der Kapitalbetrag keine Abfindung, sondern eine bloße Vorauszahlung, also eine bloße Kapitalisierung, sein soll. Dann wird durch die Unterhaltsvereinbarung lediglich der gesetzliche Unterhaltsanspruch konkretisiert (BGH, Beschl. v. 28.11.1984 - IVb ZB 782/81, MDR 1985, 656 = FamRZ 1985, 263), während im Falle einer endgültigen, abschließenden Regelung an die Stelle des durch den Unterhaltsverzicht abbedungenen gesetzlichen Unterhalts eine eigenständige vertragliche Unterhaltsvereinbarung tritt (BGHZ 2, 379 [386]).
Es liegt im Wesen einer Abfindung, dass sie Elemente eines Vergleichs enthält. Wer statt laufender Unterhaltsbeträge einen festen Abfindungsbetrag wählt, nimmt das Risiko in Kauf, dass die für die Berechnung maßgebenden Faktoren auf Schätzungen und unsicheren Prognosen beruhen. Deswegen gewährt das Gesetz dem Unterhaltsberechtigten regelmäßig Unterhalt in Form einer monatlich im Voraus zu entrichtenden Geldrente (§ 1585 Abs. 1 BGB) und räumt ihm nur unter besonderen Voraussetzungen ausnahmsweise einen Anspruch auf Abfindung in Kapital ein (§ 1585 Abs. 2 BGB). Entscheidet sich der Unterhaltsberechtigte gleichwohl für eine Abfindung, dann deshalb, weil ihm dies, aus welchen Gründen auch immer, bei Abwägung solcher Risiken vorteilhafter erscheint. Darin liegt auch sein Verzicht darauf, dass ihm günstige zukünftige Entwicklungen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigt werden. Der Unterhaltspflichtige will und darf sich, wenn er auf Grund einer wirksamen Vereinbarung eine Kapitalabfindung leisten muss, andererseits darauf verlassen, dass mit der Erfüllung der Unterhaltsanspruch ein für allemal erledigt ist. Auch für ihn bestehende Unsicherheiten der künftigen Entwicklung sind regelmäßig in die Berechnung der Abfindungssumme eingeflossen (BGH, Urt. v. 8.1.1981 - VI ZR 128/79, BGHZ 79, 187 [192 f.] = MDR 1981, 306 = NJW 1981, 818 [820]).
Entsprechend geht auch die weit überwiegende Auffassung in der Literatur davon aus, dass bei einer Abfindungsvereinbarung eine Anpassung an veränderte Umstände, z.B. an eine Wiederverheiratung der Unterhaltsberechtigten, ausscheidet (Wendl/Pauling, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 6 Rz. 614; Göppinger/Wax/Hoffmann, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rz. 1378 f.; Johannsen/Henrich/Büttner, Eherecht, 4. Aufl., § 1585 Rz. 12; Luthin, Handbuch des Unterhaltsrechts, 10. Aufl., Rz. 2264; Maurer in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1586 Rz. 7; FA-FamR/Gerhardt, 5. Aufl., Kap. 6 Rz. 470; OLG Koblenz v. 1.10.2001 - 13 UF 97/01, OLGReport Koblenz 2002, 176 = FamRZ 2002, 1040). Soweit das OLG Hamburg in dem vom Berufungsgericht zitierten Urteil (OLG Hamburg v. 9.3.2001 - 12 UF 117/00, FamRZ 2002, 234) zu dem abweichenden Ergebnis gelangt ist, dass ein beim Tode des Unterhaltsberechtigten noch nicht erfüllter Anspruch auf Abfindung für künftigen Unterhalt erloschen und daher auch nicht vererbbar ist, beruht dies auf einer Auslegung des dortigen Einzelfalles, der neben dem nachehelichen Ehegattenunterhalt auch Ansprüche auf Trennungsunterhalt umfasste, auf die gem. §§ 1360a Abs. 3, 1614 Abs. 1 BGB ohnehin nicht endgültig verzichtet werden konnte. Dieser Gesichtspunkt ist jedenfalls nicht auf Vergleiche übertragbar, die - wie hier - einen wirksamen Verzicht auf den gesetzlich geschuldeten Unterhaltsanspruch beinhalten.
b) Nach der Auffassung des Berufungsgerichts wollten die Parteien den Anspruch der Beklagten auf nachehelichen Ehegattenunterhalt durch einen Kapitalbetrag endgültig abfinden. Diese Auslegung der Vergleiche liegt schon deswegen nahe, weil die vom Kläger zu leistenden Beträge als "Abfindungsbeträge" bezeichnet wurden. Außerdem haben die Parteien in dem Vergleich v. 7.1.2003 ausdrücklich wechselseitig auf nachehelichen Ehegattenunterhalt verzichtet und erklärt, dass mit den vereinbarten Zahlungen der Gesamtanspruch der Beklagten auf nachehelichen Unterhalt abgegolten sein sollte. Das wurde durch den späteren Wegfall des Abfindungsbetrages für 2005 und die neue Fälligkeitsregelung für die Abfindungsbeträge für 2004 auch nicht abgeändert.
Gegen den Charakter einer endgültigen Abfindung des nachehelichen Ehegattenunterhalts kann der Kläger auch nicht einwenden, dass die Parteien eine Ratenzahlung der Abfindungsbeträge vereinbart haben. Die Bewilligung von Ratenzahlung erfolgt regelmäßig im Interesse des Unterhaltsschuldners, weil sie ihm die Zeit einräumt, sich auf die erst künftig fällig werdenden Teilbeträge einzustellen. Zu Recht hat das Berufungsgericht hier in der Möglichkeit des steuerlichen Realsplittings einen weiteren Grund gesehen, wonach die ratenweise Aufteilung des Abfindungsbetrages allein im Interesse des Klägers liegt. Denn sie ermöglicht es ihm, den gesamten Abfindungsbetrag - verteilt auf mehrere Jahre - als Sonderausgabe steuerlich abzusetzen, weil die jährlichen Abfindungsbeträge i.H.v. 13.500 EUR knapp unterhalb des Höchstbetrages liegen, der im Wege des steuerlichen Realsplittings nach § 10 EStG mit jährlich bis zu 13.805 EUR berücksichtigt werden kann. Nach den zutreffenden Feststellungen des Berufungsgerichts erfolgte die Hinausschiebung der Fälligkeit von Teilen des Abfindungsbetrages deswegen allein im Interesse des Klägers. Umstände, die gegen eine endgültige und abschließende Unterhaltsvereinbarung sprechen, lassen sich deswegen daraus nicht gewinnen.
3. Ebenfalls zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger zur Anfechtung der Vergleiche berechtigt wäre, wenn die Beklagte ihn bei Vertragsschluss über ihre Absicht, alsbald wieder zu heiraten, getäuscht hätte. Dann käme unter Umständen auch ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 826 BGB in Betracht (Wendl/Pauling, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 6 Rz. 614; Luthin, Handbuch des Unterhaltsrechts, 10. Aufl., Rz. 2264). Solches hat das Berufungsgericht auf der Grundlage des Sachvortrags der Parteien allerdings nicht feststellen können. Zwar hat die Beklagte bereits am 20.12.2003 und somit nur wenig mehr als einen Monat nach Abschluss des Abänderungsvergleichs v. 11.11.2003 geheiratet. Außerdem war sie in diesem Zeitpunkt schon im achten Monat schwanger, was allerdings dem im Verhandlungstermin ebenfalls anwesenden Kläger nicht entgangen sein kann. Entscheidend ist aber, dass die Zahlungsverpflichtung des Klägers schon auf dem ursprünglichen Vergleich v. 7.1.2003 beruht, der in dem späteren Vergleich v. 11.11.2003 lediglich hinsichtlich der Abfindungsrate für 2005 und der Fälligkeit für die Abfindungsrate für 2004 abgeändert wurde. Wollte der Kläger seine Willenserklärung zum Abschluss des Abfindungsvergleiches anfechten oder wollte er Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verlangen, müsste er deswegen eine Heiratsabsicht der Beklagten schon im Januar 2003 nachweisen. Dafür ist nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand aber nichts ersichtlich. Denn es ist durchaus nachvollziehbar, dass die Beklagte sich erst infolge und gerade wegen des Scheidungsfolgenvergleichs v. 7.1.2003 zur Schwangerschaft und zur erneuten Heirat entschlossen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 1411430 |
NJW 2005, 3282 |
BGHR 2005, 1527 |
FamRZ 2005, 1662 |
FuR 2005, 508 |
ZAP 2005, 1297 |
DNotZ 2006, 58 |
FPR 2005, 527 |
MDR 2006, 154 |
FF 2005, 321 |
FamRB 2005, 320 |
NJW-Spezial 2006, 8 |
ZFE 2005, 447 |
ProzRB 2005, 313 |