Entscheidungsstichwort (Thema)
Einbehalt einer Gewährleistungssicherheit. Austausch einer Bankbürgschaft gegen Gewährleistungseinbehalt
Leitsatz (amtlich)
a) Die vorrangig vor der VOB/B geltende Vertragsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, die vorsieht, dass von der Schlussrechnung ein Gewährleistungseinbehalt in Abzug gebracht wird, der durch eine nicht auf erstes Anfordern zahlbare Bankbürgschaft abgelöst werden kann, ist dahin auszulegen, dass die Verpflichtung des Auftraggebers zur Einzahlung auf ein Sperrkonto nach § 17 Nr. 6 VOB/B nicht ausgeschlossen ist (Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 16.5.2002 - VII ZR 494/00, BGHReport 2002, 977 = MDR 2002, 1366 = BauR 2002, 1392).
b) Zahlt der Auftraggeber, der eine Gewährleistungssicherheit bar einbehält und eine vom Auftragnehmer gestellte Bürgschaft als Austauschsicherheit entgegennimmt, den Sicherheitseinbehalt entgegen einer vom Auftragnehmer gesetzten Nachfrist nicht auf ein Sperrkonto ein, muss er nicht nur den Sicherheitseinbehalt auszahlen, sondern auch die Bürgschaft herausgeben.
Normenkette
VOB/B § 17 Nr. 6
Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG (Entscheidung vom 11.12.2003; Aktenzeichen 12 U 16/01) |
LG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 12.01.2001; Aktenzeichen 17 O 181/00) |
Tenor
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtstreits.
Der Streitwert wird festgesetzt für die Nichtzulassungsbeschwerde auf 169.800,04 EUR, für die Revision bis zum 18.4.2005 auf 62.348,82 EUR und ab 19.4.2005 auf bis zu 16.000 EUR.
Gründe
I.
1. Die Beklagten, handelnd als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, beauftragten die Klägerin im Juni 1998 mit Rohbauarbeiten. Nach § 5 Nr. 4 des Vertrages waren die Beklagten berechtigt, 5 % der Schlussrechnungssumme einschließlich der Mehrwertsteuer bis zum Ende der fünf Jahre und einen Monat betragenden Gewährleistungsfrist zinslos als Sicherheit einzubehalten. Nach § 5 Nr. 5 konnte die Klägerin den Sicherheitseinbehalt durch eine unbefristete Bankbürgschaft ablösen. Nach § 2 galt ergänzend nach dem Vertrag die VOB/B.
Die Klägerin führte die Arbeiten aus, die Abnahme erfolgte am 31.8.1998. Der von den Beklagten geprüfte Schlussrechnungsbetrag belief sich auf rund 2,1 Mio. DM netto. Die Beklagten behielten 116.000 DM als Sicherheit ein. Zur Ablösung übergab die Klägerin eine vertragsgemäße Bankbürgschaft v. 21.9.1999 über 121.943,69 DM. Die Beklagten zahlten den Sicherheitseinbehalt nicht aus. Mit Schreiben v. 14.4.2000 teilte die Klägerin ihnen mit, sie erhebe mit gleicher Post Klage auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde. Gleichzeitig forderte sie die Beklagten auf, den Sicherheitseinbehalt gem. § 17 Nr. 6 VOB/B innerhalb von 18 Werktagen auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Mit weiterem Schreiben v. 19.5.2000 setzte sie eine Nachfrist von 14 Tagen. Die Beklagten kamen dieser Aufforderung nicht nach, sondern zahlten erst am 3.7.2000 den Sicherheitseinbehalt an die Klägerin. Die auf Zahlung dieses Betrags, hilfsweise auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde gerichtete Klage v. 14.4.2000 wurde den Beklagten am 17.7.2000 zugestellt. Hinsichtlich des Zahlungsantrags haben die Parteien in der ersten Instanz den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
2. Gegenstand der Klage war außerdem ein Betrag von 5.175,77 DM, den die Klägerin für zusätzliche Arbeiten in Rechnung gestellt hatte. Die Beklagten haben mit einem Anspruch auf Kostenvorschuss wegen behaupteter Mängel i.H.v. 332.099,86 DM die Aufrechnung erklärt und wegen des überschießenden Betrages Widerklage erhoben.
3. Das LG hat die Beklagten zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde sowie zur Zahlung des Betrags von 5.175,77 DM verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Es hat den Beklagten ferner die Kosten des für erledigt erklärten Zahlungsantrags auferlegt. Die Berufung der Beklagten hat zum Teil Erfolg gehabt; das Berufungsgericht hat die Klage auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde abgewiesen. Insoweit hat es die Revision zugelassen, die von der Klägerin eingelegt und begründet worden ist. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von 5.175,77 DM und gegen die Abweisung der Widerklage hat der Senat durch Beschluss v. 14.10.2004 zurückgewiesen. In der Folgezeit haben die Beklagten die Bürgschaftsurkunde an die Klägerin zurückgegeben. Daraufhin haben die Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, jeweils der anderen Seite die Kosten aufzuerlegen.
II.
Die Beklagten tragen gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.
III.
Soweit die Parteien den Rechtsstreit wegen des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde für erledigt erklärt haben, ist gem. § 91a ZPO über alle bisher entstandenen Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen der Vorinstanzen nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Dabei sind der mutmaßliche Ausgang des Revisionsverfahrens und seine Auswirkungen auf die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen festzustellen (BGH, Beschl. v. 13.11.2003 - VII ZR 371/01, BauR 2004, 500 = NZBau 2004, 212 = ZfBR 2004, 251).
Die Beurteilung richtet sich nach den bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 EGBGB).
Die Kosten sind den Beklagten aufzuerlegen. Sie waren gem. § 17 Nr. 6 Abs. 3 S. 2 VOB/B zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verpflichtet. Denn die Klägerin hat ihnen wirksam gem. § 17 Nr. 6 Abs. 3 S. 1 VOB/B eine Nachfrist zur Einzahlung des Sicherheitseinbehalts auf ein Sperrkonto gesetzt. Die Beklagten haben dadurch, dass sie dem nicht nachgekommen sind, ein Recht auf jede Sicherheit verloren.
1. Die Parteien haben die Geltung von § 17 VOB/B vereinbart, soweit sich nicht aus dem Vertrag etwas anderes ergibt.
a) Hinsichtlich der von der Klägerin zu stellenden Gewährleistungssicherheit enthält der Vertrag in § 5 Nr. 4 und 5, bei dem es sich um eine von den Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, nur eine Modifikation des § 17 VOB/B. Danach war ein Sicherheitseinbehalt vereinbart, der durch eine Bürgschaft abgelöst werden kann. Regelungen darüber, wie über den Sicherheitseinbehalt zu verfahren ist, enthält der Vertrag nicht. Er enthält auch keine Anhaltspunkte dafür, dass § 17 Nr. 6 Abs. 1 VOB/B abbedungen werden sollte. Ergänzend soll gem. § 2 des Vertrages die VOB/B gelten.
b) Diesem Verständnis des Vertrages stehen die Entscheidungen des Senats v. 16.5.2002 (BGH v. 16.5.2002 - VII ZR 494/00, BGHReport 2002, 977 = MDR 2002, 1366 = BauR 2002, 1392 = NZBau 2002, 493 = ZfBR 2002, 677) und v. 23.6.2005 (BGH v. 23.6.2005 - VII ZR 277/04, NZBau 2005, 590 = ZfBR 2005, 678) nicht entgegen. Dort hatte der Senat jeweils eine vorrangig vor der VOB/B geltende Klausel zu beurteilen, die die Ablösung des Gewährleistungseinbehalts durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern vorsah. Er hat diese Klausel dahin ausgelegt, dass sowohl die Wahl anderer Austauschsicherheiten nach § 17 Nr. 3 VOB/B als auch die Verpflichtung des Auftraggebers zur Einzahlung des Sicherheitseinbehalts auf ein Sperrkonto ausgeschlossen sind. Maßgebend hierfür war, dass das Austauschrecht des Auftragnehmers auf die Stellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern beschränkt war. Eine derartige Bürgschaft ermöglicht es dem Auftraggeber, sich ähnlich wie bei dem Zugriff auf ein Bardepot rasch und unkompliziert liquide Mittel zu verschaffen. Nur eine solche, dem Bareinbehalt vergleichbare Sicherheit sollte nach der Klausel den Einbehalt ersetzen können. Das rechtfertigte den Schluss, dass andere Austauschsicherheiten, die einen derartigen raschen Zugriff auf Bargeld nicht gestatten, und auch die Pflicht des Auftraggebers zur Einzahlung des Sicherheitseinbehalts auf ein Sperrkonto ausgeschlossen sein sollen. Eine vergleichbare Interessenlage ist im vorliegenden Fall, in welchem eine Ablösung durch eine nicht auf erstes Anfordern zu zahlende Bürgschaft vorgesehen ist, nicht gegeben.
2. a) Gemäß § 17 Nr. 6 Abs. 1 VOB/B waren die Beklagten verpflichtet, den als Sicherheit einbehaltenen Betrag binnen 18 Tagen ab der Mitteilung des Einbehalts an die Klägerin auf ein Sperrkonto einzuzahlen.
b) Hieran änderte sich nichts dadurch, dass die Klägerin zur Ablösung des Sicherheitseinbehalts eine vertragsgemäße Bankbürgschaft gestellt hat, die die Beklagten entgegengenommen haben.
aa) Allerdings waren die Beklagten nun vorrangig verpflichtet, den Sicherheitseinbehalt unverzüglich an die Klägerin auszuzahlen (BGH, Urt. v. 13.9.2001 - VII ZR 467/00, BGHZ 148, 151 = MDR 2001, 1347 = BGHReport 2001, 956 m. Anm. Kamionka). Dass es mit der Ablösung des Sicherheitseinbehalts durch die Bürgschaft sein Bewenden haben sollte, hat die Klägerin dadurch endgültig klargestellt, dass sie Klage auf Auszahlung des Sicherheitseinbehalts und nur hilfsweise auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde erhoben hat.
bb) Dass die Beklagten gehalten waren, den Sicherheitseinbehalt an die Klägerin auszuzahlen, ließ ihre Verpflichtung zur Einzahlung auf ein Sperrkonto unberührt. Sie sind ihrer Auszahlungspflicht, die seit Entgegennahme der Bürgschaft bestand, vertragswidrig erst am 3.7.2000 nachgekommen. Bis dahin verblieb das einbehaltene Geld zu Unrecht in ihrem Vermögen. Die Klägerin war weder vor dem Zugriff anderer Gläubiger noch vor der Insolvenz der Beklagten geschützt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts (OLG Brandenburg BauR 2001, 1115 [1117]) ist bei dieser Konstellation durchaus Raum für das Verlangen, den Sicherheitseinbehalt auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Auch Zweifel daran, dieses Verlangen könnte nicht ernsthaft gemeint sein, sind nicht gerechtfertigt. § 17 Nr. 6 Abs. 1 VOB/B gilt nicht nur für den berechtigten, sondern auch für den unberechtigten Sicherheitseinbehalt (Ingenstau/Korbion/Joussen, 15. Aufl., § 17 Nr. 6 VOB/B Rz. 14).
3. Die Beklagten haben die von der Klägerin gesetzte Nachfrist verstreichen lassen. Damit haben sie das Recht auf jede Sicherheit verloren und mussten nun auch die Bürgschaft zurückgeben.
a) Nach § 17 Nr. 6 Abs. 3 S. 2 VOB/B kann der Auftragnehmer, wenn der Auftraggeber die zur Einzahlung des Sicherheitseinbehalts auf ein Sperrkonto gesetzte Frist verstreichen lässt, die sofortige Auszahlung des einbehaltenen Betrags verlangen und "braucht dann keine Sicherheit mehr zu leisten".
b) Das Berufungsgericht meint (OLG Brandenburg BauR 2001, 1115 [1117]), diese Formulierung sei ausschließlich in die Zukunft gerichtet. Der Auftragnehmer werde von der Leistung einer Sicherheit künftig befreit, was voraussetze, dass er sie noch nicht geleistet habe. Eine bereits geleistete Sicherheit könne er nicht zurückfordern (so auch Werner/Pastor, Der Bauprozess, 11. Aufl., Rz. 1250).
c) Diese Auslegung ist weder nach dem Wortlaut geboten noch wird sie Sinn und Zweck der Bestimmung gerecht.
aa) Die Formulierung, dass der Auftragnehmer "dann keine Sicherheit mehr zu leisten" habe, lässt sich zwanglos auch dahin verstehen, dass der Auftragnehmer auch eine bereits gestellte Sicherheit nun nicht mehr weiter "leisten" muss, sondern sie zurückfordern kann.
bb) Diese Auslegung entspricht Sinn und Zweck von § 17 Nr. 6 Abs. 3 S. 2 VOB/B. Die Bestimmung dient den Interessen des Auftragnehmers. Der Sicherheitseinbehalt soll vor dem Zugriff anderer Gläubiger und insb. vor der Insolvenz des Auftraggebers geschützt werden. Der Auftraggeber, der eine Bürgschaft als Austauschsicherheit entgegennimmt, aber den Sicherheitseinbehalt weiter in seinem Vermögen belässt, verhält sich in mehrerer Hinsicht vertragswidrig: Er hätte den Sicherheitseinbehalt bereits von vornherein auf ein Sperrkonto einzahlen müssen (§ 17 Nr. 6 Abs. 1 VOB/B); er zahlt ihn nun nach Stellung der Bürgschaft nicht an den Auftragnehmer aus und verschafft sich so eine doppelte Sicherung; er ignoriert die Setzung einer Nachfrist durch den Auftragnehmer für die Einzahlung auf ein Sperrkonto, die auch in diesem Stadium noch sinnvoll ist (vgl. oben 2a bb). Dieses grob vertragswidrige Verhalten gebietet die Anwendung der VOB/B, die bereits für die unterlassene Einzahlung die Sanktion des Verlustes der Sicherheit vorsieht. Es ist recht und billig, dem vertragsuntreuen Auftraggeber das Recht nicht nur auf eine zukünftige, sondern auf jede Sicherheit zu versagen, ihn also auch zu verpflichten, die vom Auftragnehmer bereits gestellte Bürgschaft wieder herauszugeben (so auch Schmitz, IBR 2001, 542; Leinemann, § 17 VOB/B Rz. 115, 116; und wohl auch Ingenstau/Korbion/Joussen, 15. Aufl., § 17 Nr. 6 VOB/B Rz. 27).
4. Die von der Klägerin gesetzte Nachfrist lief Anfang Juni 2000 ab. Damit hatten die Beklagten das Recht auf eine Sicherheit verloren. Sie mussten nun auch aus diesem Grund den Sicherheitseinbehalt an die Klägerin auszahlen und sie mussten die Bürgschaft zurückgeben. Die Herausgabeklage war somit von Anfang an begründet.
Fundstellen
Haufe-Index 1458908 |
NJW 2006, 442 |
BGHR 2006, 223 |
BauR 2006, 154 |
BauR 2006, 379 |
IBR 2006, 23 |
IBR 2006, 24 |
WM 2006, 542 |
ZAP 2006, 492 |
ZfIR 2006, 417 |
MDR 2006, 327 |
NJW-Spezial 2006, 71 |
NZBau 2006, 106 |
UBB 2006, 1 |
ZBB 2006, 307 |
FSt 2006, 536 |