Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der BGH-Vorlage. Entscheidungserheblichkeit. Entscheidungsbeeinflussung
Leitsatz (amtlich)
Eine Vorlage an den BGH gem. § 28 Abs. 2 FGG ist nur dann zulässig, wenn die strittige Rechtsfrage für die von dem vorlegenden OLG zu treffende Entscheidung und für die vorausgegangene Entscheidung erheblich ist. Hierfür ist erforderlich, dass die Entscheidung, von der das vorlegende OLG abweichen will, auf der anderen Beurteilung der Vorlagefrage beruht und die von dem vorlegenden OLG beabsichtigte abweichende Beurteilung das Ergebnis seiner Entscheidung beeinflusst.
Normenkette
FGG § 28 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG München (Entscheidung vom 19.04.2007; Aktenzeichen 31 Wx 13/07) |
LG München I (Beschluss vom 14.12.2006; Aktenzeichen 17 HKT 20524/06) |
Tenor
Die Sache wird an das OLG München zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückgegeben.
Beschwerdewert: 50.000 EUR
Gründe
[1] I. Bei der Beteiligten B. GmbH handelt es sich um eine Gesellschaft, welche nach durchgeführter Liquidation am 8.10.2002 im Handelsregister des AG München (HRB ...) gelöscht wurde. Letzte Liquidatoren waren die weiteren Beteiligten zu 1) und zu 2).
[2] Der weitere Beteiligte zu 3) - ein Finanzamt - begehrt nunmehr die Bestellung eines Nachtragsliquidators für die - vermögenslose - gelöschte Gesellschaft mit der Begründung, dass er dieser in deren Eigenschaft als ehemaliger Treuhandkommanditistin der M. GmbH & Co. KG Bescheide über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung der Jahre 1998 und 1999 zustellen wolle.
[3] Auf Antrag des weiteren Beteiligten zu 3) bestellte das Registergericht mit Beschluss vom 10.10.2006 die weiteren Beteiligten zu 1) und zu 2) jeweils zu gemeinschaftlich vertretungsberechtigten Nachtragsliquidatoren der B. GmbH. Auf die hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerden der B. GmbH und der Beteiligten zu 1) und zu 2) hob das LG München I den Beschluss des Registergerichts mit Beschluss vom 14.12.2006 auf und wies den Antrag des weiteren Beteiligten zu 3) auf Bestellung eines Nachtragsliquidators für die gelöschte Gesellschaft zurück.
[4] Gegen diesen ihm am 27.12.2006 zugestellten Beschluss des LG legte der weitere Beteiligte zu 3) beim OLG am 26.1.2007 "Beschwerde" ein.
[5] Das OLG möchte diese "Beschwerde" als unbefristete weitere Beschwerde für zulässig erachten, sieht sich hieran aber durch die Beschlüsse des OLG Schleswig vom 23.12.1999 (NJW-RR 2000, 769 f.) sowie des OLG Köln vom 6.1.2003 (ZIP 2003, 573 ff.) gehindert und hat die Sache daher dem BGH vorgelegt.
[6] II. Die Vorlage ist nicht zulässig, die Sache ist dem vorlegenden OLG zur Behandlung und Entscheidung zurückzugeben.
[7] 1. Die Voraussetzungen für eine Vorlage an den BGH gem. § 28 Abs. 2 FGG liegen nicht vor. Hierfür ist erforderlich, dass das vorlegende OLG von einer auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen OLG oder des BGH abweichen will. Der BGH ist zwar an die Auffassung des OLG gebunden, dass es einer Stellungnahme zu der von ihm herausgestellten Rechtsfrage bedarf. Er hat jedoch zu prüfen, ob in der streitigen Rechtsfrage ein Abweichungsfall vorliegt (BGH, Beschl. v. 17.7.2002 - XII ZB 62/00, FamRZ 2002, 1327 m.w.N.). Die Abweichung muss zum einen dieselbe Rechtsfrage betreffen, zum anderen muss die Beantwortung der Rechtsfrage für die vom vorlegenden Gericht zu treffende Entscheidung des Falles und für die vorausgegangene Entscheidung, von der das vorlegende OLG abweichen will, erheblich sein (BGH, Beschl. v. 17.7.2002a.a.O.; Beschl. v. 16.7.1997 - XII ZB 97/96, NJW-RR 1997, 1162; Beschl. v. 12.10.1988 - IVb ZB 37/88, NJW 1989, 668, 669; Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG 15. Aufl. Rz. 17 f.). Unzureichend ist, dass die Rechtsfrage in der anderen Entscheidung lediglich anders als vom vorlegenden OLG beurteilt wurde. Die Entscheidung, von der abgewichen werden soll, muss vielmehr auf der anderen Beurteilung der Rechtsfrage beruhen. Hierfür genügt es allerdings, wenn die strittige Rechtsfrage in jener Entscheidung erörtert und beantwortet ist und das Ergebnis für die Entscheidung von Einfluss war (BGH, Beschl. vom 17.7.2002a.a.O.; Beschl. v. 16.7.1997a.a.O.; Beschl. v. 12.10.1988a.a.O.; Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler a.a.O.).
[8] An dem letztgenannten Erfordernis fehlt es. Die OLG Schleswig und Köln haben in den angeführten Beschlüssen die Ansicht vertreten, dass gegen gerichtliche Entscheidungen, welche die Bestellung eines Nachtragsliquidators einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung betreffen, in entsprechender Anwendung von § 273 Abs. 5 AktG bzw. von §§ 148 Abs. 1, 145 Abs. 1, 146 Abs. 2 Satz 1 FGG die sofortige Beschwerde und dann die sofortige weitere Beschwerde (§ 29 Abs. 2 FGG) statthaft seien. Diese Rechtsauffassung war jedoch für beide Entscheidungen nicht von Einfluss. Da in beiden Fällen - anders als in dem vom OLG München zu entscheidenden Fall - die weitere Beschwerde innerhalb der Zweiwochenfrist des § 22 Abs. 1 FGG eingelegt wurde, war sie in jedem Fall zulässig, ohne dass es auf die vom vorlegenden Gericht erörterte Frage, ob die unbefristete oder die sofortige weitere Beschwerde gegeben sei, ankam. Beide Gerichte wären zu keinem anderen Ergebnis gelangt, wenn sie die streitige Rechtsfrage anders beurteilt hätten.
[9] 2. Davon abgesehen kommt es auf die Vorlagefrage auch deswegen nicht an, weil das Gericht der weiteren Beschwerde, falls es der im Übrigen zutreffenden Ansicht der OLG Schleswig und Köln folgen würde, dass nur die sofortige weitere Beschwerde eröffnet ist, gehalten wäre, dem weiteren Beteiligten zu 3) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Denn der Beteiligte zu 3) hätte die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde ohne sein Verschulden versäumt, weil die Rechtslage - wie schon die sich widersprechenden Auffassungen des vorlegenden OLG einerseits und der OLG Schleswig und Köln andererseits zeigen - zweifelhaft ist (Sternal in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG 15. Aufl., § 22 Rz. 66; BGHZ 42, 223, 229) und der Beteiligte zu 3) obendrein durch die - keinen Zweifel an der Zulässigkeit der einfachen Beschwerde lassenden - Ausführungen des Beschwerdegerichts in die Irre geführt wurde. Ein Wiedereinsetzungsantrag kann auch stillschweigend gestellt werden (Jansen/Briesemeister, FGG 3. Aufl., § 22 Rz. 38). Mit seiner Stellungnahme zu der - von den Beschwerdegegnern eingewendeten - Verfristung seiner weiteren Beschwerde, dass die verkürzte Rechtsbehelfsfrist nicht greife, weil das LG die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) und zu 2) als einfache Beschwerde behandelt habe, hat derweitere Beteiligte zu 3) unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er von der Frist zur Einlegung der weiteren Beschwerde unverschuldet keine Kenntnis gehabt habe und die Entscheidung des Beschwerdegerichts ungeachtet der behaupteten Fristversäumnis überprüft werden solle.
Fundstellen
Haufe-Index 1896141 |
DStR 2008, 367 |