Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde gegen Übertragung einzelner Teile des Sorgerechts bei späterer Entziehung des Sorgerechts im Ganzen, Kostenregelung. Erfolgsprognose. Antrag auf Verfahrenskostenhilfe
Leitsatz (redaktionell)
Für die Erfolgsprognose einer Beschwerde gegen Übertragung einzelner Teile des Sorgerechts bei späterer Entziehung des Sorgerechts im Ganzen ist der letzte Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Entscheidungsreife maßgebend. Die Entscheidungsreife tritt ein, wenn der Gegner innerhalb angemessener Frist Gelegenheit hatte, Stellung zu nehmen.
Normenkette
ZPO §§ 114, 119; FamFG §§ 40, 76 Abs. 1, § 81; BGB § 1628
Verfahrensgang
Tenor
Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden den weiteren Beteiligten zu 1) und 2) zu je 1/2 auferlegt. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die weiteren Beteiligten selbst.
Der Antrag der Antragsgegnerin auf Verfahrenskostenhilfe wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Beschwerdewert: 3.000 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Aus der geschiedenen Ehe der Eltern sind die im März 2006 geborenen Zwillinge hervorgegangen, für die die Eltern zunächst auch die gemeinsame elterliche Sorge innehatten.
Rz. 2
Auf Antrag des Vaters hat das AG ihm die Entscheidungsbefugnis über den Besuch des Religionsunterrichts und des Schulgottesdienstes übertragen. Das OLG hat die Beschwerde der Mutter zurückgewiesen. Die Mutter hat am 10.5.2013 Rechtsbeschwerde eingelegt und zugleich die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt. Bereits am 8.5.2013 hatte das AG in einem anderen Verfahren den Eltern durch einstweilige Anordnung das Sorgerecht entzogen. Mit Beschluss vom 17.11.2014 hat das AG entsprechend einer von den Eltern am selben Tag geschlossenen Vereinbarung die elterliche Sorge für die Zwillinge der Mutter übertragen. Hiervon ausgenommen hat das AG das Umgangsrecht, das es beiden Elternteilen entzogen hat.
Rz. 3
Nach Hinweis hat der Verfahrensbevollmächtigte der Mutter das "Beschwerdeverfahren" für erledigt erklärt.
II.
Rz. 4
1. Nachdem die Mutter das Verfahren für erledigt erklärt hat, ist gem. § 83 Abs. 2 i.V.m. § 81 FamFG nur noch über die Kosten nach billigem Ermessen zu entscheiden (vgl. Keidel/Sternal FamFG 18. Aufl., § 22 Rz. 34; Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Aufl., § 81 Rz. 44 ff.). Dabei erscheint es dem Senat unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes angemessen, die Kosten im Ergebnis gegeneinander aufzuheben.
Rz. 5
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Rz. 6
2. Der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe ist gem. § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Mutter keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Rz. 7
a) Für die Erfolgsprognose ist jedenfalls der letzte Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Entscheidungsreife maßgebend (vgl. Seiler in Thomas/Putzo ZPO, 35. Aufl., § 119 Rz. 4). Die Entscheidungsreife tritt ein, wenn der Gegner innerhalb angemessener Frist Gelegenheit hatte, Stellung zu nehmen (vgl. Zöller/Geimer ZPO, 30. Aufl., § 119 Rz. 44).
Rz. 8
b) Zwar mag im Zeitpunkt der Einlegung der Rechtsbeschwerde am 10.5.2013 noch eine Erfolgsaussicht bestanden haben, weil der Beschluss vom 8.5.2013 über die vorläufige Entziehung des Sorgerechts der Mutter möglicherweise noch nicht gem. § 40 Abs. 1 FamFG bekanntgegeben worden ist und damit noch nicht wirksam war.
Rz. 9
Etwas anderes gilt indes für den Zeitpunkt der Entscheidungsreife. Rechtsbeschwerde und Verfahrenskostenhilfeantrag sind dem Instanzanwalt des Vaters am 17.5.2013 zugestellt worden. Legt man eine Stellungnahmefrist von mindestens zwei Wochen zugrunde, ist die Entscheidungsreife frühestens Anfang Juni 2013 eingetreten. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der nämliche Beschluss der Mutter zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekanntgegeben war.
Rz. 10
Damit fehlte es im maßgeblichen Zeitpunkt an der gem. § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erforderlichen Erfolgsaussicht, weil die Rechtsbeschwerde der Mutter unzulässig geworden ist. Denn mit der Entziehung des Sorgerechts ist die Entscheidung nach § 1628 BGB, die lediglich einen Teilbereich des gemeinsamen Sorgerechts anbelangt, gegenstandslos geworden.
Fundstellen
Haufe-Index 7585736 |
NZFam 2015, 179 |