Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung einer Rechtswegverweisung. Analoge Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO auf eine Rechtswegverweisung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die rechtskräftige Verweisung eines Rechtsstreits an ein anderes Gericht wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs ist für das Gericht, an das verwiesen worden ist, bindend. Einer Bestimmung des zulässigen Rechtswegs durch ein übergeordnetes Gericht bedarf es dann nicht.
2. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist für Rechtswegverweisungen nur ausnahmsweise anzwenden, wenn dies zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit notwendig ist.
Normenkette
GVG § 17a; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
Tenor
Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
Gründe
I. Die Klägerin war Haushälterin des Erblassers W. G. . Sie macht Erstattung von Arztkosten auf Grund eines Vermächtnisses des Erblassers geltend und hat die Erben vor dem AG München verklagt.
Das AG München hat in der mündlichen Verhandlung v. 13.3.2003 die Parteien darauf hingewiesen, dass seines Erachtens der ordentliche Rechtsweg nicht eröffnet, sondern auf Grund der "Basis des Vermächtnisses" die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit gegeben sei. Das AG hat sodann noch in der Verhandlung durch Beschluss den zu ihm beschrittenen Rechtsweg als unzulässig erklärt und den Rechtsstreit gem. § 17a GVG an das ArbG München verwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Vermächtnis sei als Ausgleich nicht gezahlter Sozialabgaben zu verstehen. Es läge daher eine Umgehung der Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis vor, weshalb das ArbG zuständig sei.
Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung nach Verkündung dieses Beschlusses zu Protokoll Rechtsmittelverzicht erklärt.
Das ArbG München hat den Rechtsstreit dem BGH zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt, weil das Motiv des Vermächtnisses für die Einordnung des Anspruches als bürgerlich-rechtliche Streitigkeit ohne Bedeutung und der Verweisungsbeschluss daher nichtig sei.
II. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind nicht gegeben.
1. Für Entscheidungen über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs trifft § 17a GVG eine eigenständige Regelung, die einen Streit zwischen Gerichten verschiedener Rechtswege von vornherein ausschließen soll (BGH, Beschl. v. 9.4.2002 - X ARZ 24/02, BGHReport 2002, 748 = MDR 2002, 1025 = NJW 2002, 2474; v. 12.3.2002 - X ARZ 314/01, BGHReport 2002, 749; Beschl. v. 13.11.2001 - X ARZ 266/01, BGHReport 2002, 216 = WM 2002, 406). Wenn das angerufene Gericht den zu ihm führenden Rechtsweg für unzulässig hält, hat es dies auszusprechen und den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs zu verweisen. Außerdem sieht das Gesetz vor, dass die Entscheidung auf ihre Richtigkeit hin in einem Instanzenzug überprüft werden kann, denn anders als die Verweisung wegen örtlicher und sachlicher Unzuständigkeit (§ 281 ZPO) unterliegt der nach § 17a Abs. 2 GVG ergehende Verweisungsbeschluss der sofortigen Beschwerde (§ 17a Abs. 4 GVG). Hieraus kann abgeleitet werden, dass ein nach § 17a Abs. 2 GVG ergangener Beschluss, sobald er rechtskräftig geworden ist, einer weiteren Überprüfung entzogen ist. Die Regelung in § 17a Abs. 5 GVG bestätigt dies (BGH, Beschl. v. 9.4.2002 - X ARZ 24/02, BGHReport 2002, 748 = MDR 2002, 1025 = NJW 2002, 2474). Angesichts dieser Rechtslage besteht die Bindungswirkung nach § 17a Abs. 2 S. 3 GVG auch bei gesetzwidrigen Verweisungen (BGH v. 24.2.2000 - III ZB 33/98, BGHZ 144, 21 [24]; Beschl. v. 9.4.2002 - X ARZ 24/02, BGHReport 2002, 748 = MDR 2002, 1025 = NJW 2002, 2474).
Wenn ein Gericht nach § 17a Abs. 2 S. 1 GVG rechtskräftig ausgesprochen hat, dass der zu ihm beschrittene Rechtsweg unzulässig ist, bedarf es deshalb einer Bestimmung durch ein übergeordnetes Gericht nicht mehr. Dem trägt § 36 ZPO Rechnung, der eine Bestimmung durch ein Obergericht oder eines Obersten Gerichtshofs im Falle eines Streits zwischen Gerichten unterschiedlicher Rechtswege über die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht vorsieht (BGH, Beschl. v. 13.11.2001 - X ARZ 266/01, BGHReport 2002, 216 = WM 2002, 406; v. 12.3.2002 - X ARZ 314/01, BGHReport 2002, 749).
Auch der Streit zwischen dem ArbG München und dem AG München ist hiermit entschieden. Das ArbG München ist das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs, weil der Rechtsstreit durch den auf Grund Erklärung des Rechtsmittelverzichts unanfechtbaren Beschluss des AG München v. 13.3.2003 mit der sich aus § 17b Abs. 1 GVG ergebenden Folge verwiesen worden ist, dass der Rechtsstreit nunmehr beim ArbG München anhängig ist.
2. Die Vorlage gibt keine Veranlassung, in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ausnahmsweise einen Ausspruch zur Rechtswegzuständigkeit vorzunehmen, weil dies zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit notwendig ist. Zwar ist ein solcher Ausspruch zu der sich aus § 17a GVG ergebenden Rechtswegzuständigkeit möglich, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung von rechtskräftigen Verweisungsbeschlüssen kommt und keines der infrage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten (BGH, Beschl. v. 26.7.2001 - X ARZ 69/01, MDR 2002, 351 = BGHReport 2001, 937 = NJW 2001, 3631) oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessordnungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gem. § 17b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist (BGH, Beschl. v. 13.11.2001 - X ARZ 266/01, BGHReport 2002, 216 = WM 2002, 406 [407]). Derartige Annahmen finden jedoch allein in der Vorlage der Sache durch das ArbG München keine hinreichende Grundlage.
Fundstellen
Haufe-Index 1090829 |
BGHR 2004, 328 |
FamRZ 2004, 434 |