Leitsatz (amtlich)
Die Angabe, die Vorlaufzeit für eine Flugbuchung liege bei drei Wochen, genügt den Anforderungen des § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 FamFG an einen Haftantrag zur Sicherung der Abschiebung grundsätzlich nicht. Es bedarf vielmehr einer Begründung, die den für die Flugbuchung benötigten Zeitraum und die daraus folgende notwendige Haftdauer erklärt, etwa durch Angaben zu Terminen und zur Frequenz nutzbarer Flugverbindungen und zur Buchungslage.
Normenkette
FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 4; AufenthG § 62 Abs. 1 S. 2, Abs. 3
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Beschluss vom 30.01.2018; Aktenzeichen 25 T 53/18 und 25 T 57/18) |
AG Düsseldorf (Entscheidung vom 30.10.2017; Aktenzeichen 152 A XIV 119/17 (B)) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde wird der Beschluss der 25. Zivilkammer des LG Düsseldorf vom 30.1.2018 aufgehoben, soweit die Beschwerde gegen den Beschluss des AG Düsseldorf vom 2.11.2017 auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen worden ist.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss des AG Düsseldorf vom 2.11.2017 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Kreis M. auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 EUR.
Gründe
Rz. 1
I. Der Betroffene, ein Staatsangehöriger der Republik Bosnien und Herzegowina, reiste im Dezember 2011 unter falschen Personalien nach Deutschland ein. Aufgrund strafrechtlicher Verurteilungen wurde er ausgewiesen. Es wurde ein befristetes Einreiseverbot festgesetzt. Nachdem der Betroffene 2014 abgeschoben worden war, reiste er erneut in das Bundesgebiet ein. Er wurde 2015 festgenommen und wegen mehrerer Straftaten verurteilt. Das Haftende war für den 29.11.2017 vorgesehen. Mit Verfügung vom 30.8.2017 wurde dem Betroffenen die Abschiebung aus der Haft nach Bosnien angedroht.
Rz. 2
Die Staatsanwaltschaft teilte der beteiligten Behörde mit Schreiben vom 27.10.2017 mit, der Betroffene werde aufgrund einer Weihnachtsamnestie am 2.11.2017 aus der Haft entlassen. Am 2.11.2017 hat das AG auf Antrag der beteiligten Behörde gegen den Betroffenen Abschiebungshaft bis zum 28.11.2017 angeordnet. Der Betroffene wurde am 28.11.2017 abgeschoben.
Rz. 3
Die Beschwerde des Betroffenen, mit der er beantragt hat, festzustellen, dass ihn der Beschluss des AG in seinen Rechten verletzt habe, ist erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene den Feststellungsantrag weiter.
Rz. 4
II. Die gem. § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
Rz. 5
1. Das Beschwerdegericht hat die Haftanordnung durch das AG für rechtmäßig gehalten. Der Haftantrag der beteiligten Behörde sei zulässig und das Verfahren mit der größtmöglichen Beschleunigung betrieben worden.
Rz. 6
2. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg. Der Betroffene ist durch die Haftanordnung des AG in seinen Rechten verletzt worden, weil es an einem zulässigen Haftantrag gefehlt hat.
Rz. 7
a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st.Rspr., s. nur BGH, Beschl. v. 30.3.2017 - V ZB 128/16, FGPrax 2017, 185 Rz. 6 m.w.N.).
Rz. 8
b) Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen zur erforderlichen Dauer der Haft in dem Antrag der beteiligten Behörde nicht.
Rz. 9
aa) Die Dauer der beantragten Haft wird in dem Haftantrag damit begründet, dass innerhalb von drei Arbeitstagen ein EU-Laissez-Passer vorliege und im Anschluss ein Flug für den Betroffenen gebucht werden könne. Die Vorlaufzeit für die Flugbuchung liege laut Auskunft der Zentralstelle für Flugabschiebungen (ZFA) bei drei Wochen.
Rz. 10
bb) Diese Ausführungen der beteiligten Behörde zu der Vorlaufzeit für die Flugbuchung von drei Wochen sind vor dem Hintergrund, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist, unzureichend (§ 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Die beantragte Haftdauer ist mit mehr als drei Wochen auch nicht so kurz, als dass sich ihre Notwendigkeit von selbst verstünde, zumal die Flugabschiebung in ein europäisches Land erfolgen sollte (vgl. BGH, Beschl. v. 22.11.2018 - V ZB 54/18, juris Rz. 8). Es bedurfte vielmehr einer Begründung, die den für die Flugbuchung benötigten Zeitraum und die daraus folgende notwendige Haftdauer erklärte, etwa durch Angaben zu Terminen und zur Frequenz nutzbarer Flugverbindungen und zur Buchungslage.
Rz. 11
c) Der Mangel des Haftantrags ist nicht geheilt worden.
Rz. 12
Mängel des Haftantrags können behoben werden, indem die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt und dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt oder der Haftrichter selbst die Durchführbarkeit der Abschiebung und die dafür erforderliche Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt, sofern der Betroffene zu den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird (BGH, Beschl. v. 22.11.2018 - V ZB 54/18, juris Rz. 10). Die beteiligte Behörde hat ihren Antrag weder ergänzt, noch hat das AG entsprechende Feststellungen getroffen.
Rz. 13
3. Von einer weiteren Begründung wird gem. § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.
Fundstellen
FGPrax 2020, 145 |
JurBüro 2020, 276 |
InfAuslR 2020, 241 |
JZ 2020, 295 |