Leitsatz (amtlich)
a) Auch eine an sich rechtswidrige Verweisung ist bindend, wenn sie in Rechtskraft erwachsen ist.
b) Wenn ein Gericht die Unzulässigkeit des zu ihm beschrittenen Rechtsweges rechtskräftig ausgesprochen hat, bedarf es der Bestimmung des zuständigen Gerichts durch ein übergeordnetes Gericht nicht mehr. Ein auf eine solche Bestimmung gerichteter Antrag ist unzulässig.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6; GVG § 17a
Verfahrensgang
Tenor
Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
Tatbestand
I. Der Kläger hat Klage beim Amtsgericht Heilbronn erhoben, mit der er Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls begehrt. Der Kläger und der Beklagte zu 2 sind bei der Firma K. als Arbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger hatte sein Kraftrad in einer Parkbucht einer öffentlichen Straße abgestellt, die an das Betriebsgelände des gemeinsamen Arbeitgebers des Klägers und des Beklagten zu 2 angrenzt.
Der Kläger behauptet, daß der Beklagte zu 2, der seinen bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherten Pkw in der gleichen Parkbucht geparkt hatte, beim Herausfahren nach Schichtende sein Kraftrad umgestoßen und beschädigt habe.
Durch Beschluß vom 13. Juni 2001 erklärte sich das Amtsgericht für „sachlich unzuständig” und verwies den Rechtsstreit gemäß §§ 17 a GVG, 48 ArbGG an das Arbeitsgericht Heilbronn, weil die Beschädigung eine Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmern aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG darstelle, nachdem dieser auch Sachbeschädigungen unter Arbeitskollegen auf dem Weg von oder zu der Arbeit erfasse. Das Arbeitsgericht Heilbronn erklärte mit Beschluß vom 18. Oktober 2001 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig und legte den Rechtsstreit dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des Rechtsweges vor. Eine (Zurück-)Verweisung an das Amtsgericht sprach das Arbeitsgericht dabei nicht aus. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es u.a. ausgeführt, daß die von § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG geforderte Situation offensichtlich nicht vorliege. Allein der Umstand, daß zwei Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers auf dem Weg zum Arbeitsplatz bzw. vom Arbeitsplatz nach Hause auf öffentlicher, für jedermann zugänglicher Verkehrsfläche aufeinanderträfen, begründe nicht die innere Beziehung zum Arbeitsverhältnis. Die Zuständigkeit hinsichtlich des Anspruchs gegen die Beklagte zu 1 ergebe sich auch nicht aus § 2 Abs. 3 ArbGG, da eine andere Rechtsstreitigkeit, die zur Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen gehöre, nicht anhängig sei. Da der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten offensichtlich nicht zulässig sei, sei der Verweisungsbeschluß ohne Rechtsgrund ergangen und das Gericht sei nicht an ihn gebunden.
Entscheidungsgründe
II. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist abzulehnen.
1. Hinsichtlich der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs trifft § 17 a GVG eine eigenständige und abschließende Regelung, die einen Streit von Gerichten verschiedener Rechtswege von vornherein ausschließen soll (Sen.Beschl. v. 13.11.2001 – X ARZ 266/01, WM 2002, 406, 407). Wenn das angerufene Gericht den zu ihm führenden Rechtsweg für unzulässig hält, hat es dies auszusprechen und den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs zu verweisen. Außerdem sieht das Gesetz vor, daß die Entscheidung auf ihre Richtigkeit hin in einem Instanzenzug überprüft werden kann (vgl. § 17 a Abs. 4 GVG). Anders als die Verweisung wegen örtlicher und sachlicher Unzuständigkeit eines ordentlichen Gerichts (§ 281 ZPO) kann der nach § 17 a Abs. 2 GVG ergehende Verweisungsbeschluß auf sofortige Beschwerde einer Partei im Rechtsmittelzug überprüft werden. Hieraus kann abgeleitet werden, daß ein nach § 17 a Abs. 2 GVG ergangener Beschluß, sobald er rechtskräftig geworden ist, einer weiteren Überprüfung entzogen ist. Die Regelung in § 17 a Abs. 5 GVG bestätigt dies (Sen.Beschl. v. 13.11.2001, aaO). Angesichts dieser Rechtslage besteht die Bindungswirkung nach § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG auch bei gesetzwidrigen Verweisungen. Auch an sich rechtswidrige Rückverweisungen sind bindend, wenn sie in Rechtskraft erwachsen (BGHZ 144, 21, 24; Sen.Beschl. v. 26.07.2001 – X ARZ 69/01, NJW 2001, 3631, 3633).
Wenn ein Gericht nach § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG rechtskräftig ausgesprochen hat, daß der zu ihm beschrittene Rechtsweg unzulässig ist, bedarf es deshalb einer Bestimmung durch ein übergeordnetes Gericht nicht mehr. Dem trägt § 36 ZPO Rechnung, der eine Bestimmung durch ein Obergericht im Falle eines Streits zwischen Gerichten unterschiedlicher Rechtswege über die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht vorsieht (Sen.Beschl. v. 13.11.2001, aaO).
Auch der Streit zwischen dem Amtsgericht Heilbronn und dem Arbeitsgericht Heilbronn ist hiermit entschieden. Das Arbeitsgericht Heilbronn ist das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs, weil der Rechtsstreit durch den unangefochtenen und unanfechtbaren Beschluß des Amtsgerichts Heilbronn vom 13. Juni 2001 mit der sich aus § 17 b Abs. 1 GVG ergebenden Folge verwiesen worden ist, daß der Rechtsstreit nunmehr bei diesem Gericht anhängig ist.
Vorliegend besteht keine Veranlassung, dazu Stellung zu nehmen, ob trotz des in § 17 a Abs. 4 GVG eigens vorgesehenen Instanzenzugs ein rechtskräftiger Beschluß nach § 17 a Abs. 2 GVG ausnahmsweise das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs nicht bindet (vgl. Sen.Beschl. v. 13.11.2001, aaO; BAG, Beschl. v. 22.07.1998 – 5 AS 17/98, NZA 1998, 1190, 1191). Eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung wäre in Anbetracht der durch § 17 a GVG selbst eröffneten Überprüfungsmöglichkeit allenfalls bei „extremen Verstößen” denkbar (Sen.Beschl. v. 13.11.2001, aaO; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 08.11.1994 – 9 AV 1.94, DVBl. 1995, 572), etwa wenn die Verweisung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen sich so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, daß sie nicht mehr zu rechtfertigen ist, wenn sie also objektiv oder auch verfahrensrechtlich willkürlich zustande gekommen ist (BGHZ 144, 21, 25; BVerfG NJW 1992, 359, 361). Das kann hier hinsichtlich des Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Heilbronn vom 13. Juni 2001 nicht festgestellt werden. Zwar mag es sein, daß das Amtsgericht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 9 ArbGG zu Unrecht für gegeben gehalten hat, weil es nicht hinreichend beachtet hat, daß nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die unerlaubte Handlung in einer inneren Beziehung zum Arbeitsverhältnis der Parteien stehen muß (BAG, Beschl. v. 11.07.1995 – 5 AS 13/95, NZA 1996, 951; vgl. auch Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 2 Rdn. 110; Hauck, ArbGG, 1996, § 2 Rdn. 40). Die Erwägungen des Amtsgerichts sind jedenfalls nicht derart fehlerhaft, daß angenommen werden muß, der Verweisungsbeschluß entbehre jeder Rechtsgrundlage.
2. Die Vorlage gibt auch keine Veranlassung, in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ausnahmsweise einen Ausspruch zur Rechtswegzuständigkeit vorzunehmen, weil dies zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit notwendig ist. Zwar ist ein solcher Ausspruch zu der sich aus § 17 a GVG ergebenden Rechtswegzuständigkeit möglich, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung von rechtskräftigen Verweisungsbeschlüssen kommt und keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten (Sen.Beschl. v. 26.07.2001 – X ARZ 69/01, NJW 2001, 3631, 3632) oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, daß der Rechtsstreit von diesem nicht prozeßordnungsgemäß betrieben werden wird, obwohl er gemäß § 17 b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist (Sen.Beschl. v. 13.11.2001 – X ARZ 266/01, WM 2002, 406, 407). Derartige Annahmen finden jedoch allein in der Vorlage der Sache durch das Arbeitsgericht keine hinreichende Grundlage.
Unterschriften
Melullis, Jestaedt, Scharen, Mühlens, Asendorf
Fundstellen
Haufe-Index 760842 |
BB 2002, 1448 |
BGHR 2002, 749 |
NZA 2002, 1109 |
Nachschlagewerk BGH |
AP, 0 |