Leitsatz (amtlich)
Das Unterbleiben einer gem. § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG erforderlichen Zustellung führt zur Unwirksamkeit der Bekanntgabe (im Anschluss an BGH v. 10.7.2013 - XII ZB 411/12, FamRZ 2013, 1566; v. 4.5.2011 - XII ZB 632/10, FamRZ 2011, 1049).
Normenkette
FamFG § 15 Abs. 2, § 41 Abs. 1 S. 2, § 63 Abs. 3; ZPO § 189
Verfahrensgang
LG Ansbach (Beschluss vom 26.08.2014; Aktenzeichen 4 T 897/14) |
AG Ansbach (Beschluss vom 30.01.2014; Aktenzeichen 17 XVII 807/12) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Ansbach vom 26.8.2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das LG zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 5.000 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Das AG hat mit Beschluss vom 30.1.2014 die für die Betroffene angeordnete Betreuung erweitert. Der Beschluss ist der Betroffenen nicht förmlich zugestellt worden. Nachdem sich für die Betroffene am 3.7.2014 ein Rechtsanwalt gemeldet und dieser vom Gericht eine Beschlussabschrift erhalten hatte, hat die Betroffene gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt. In der Beschwerde, die am 23.7.2014 beim AG eingegangen ist, hat sich die Betroffene u.a. darauf berufen, dass ihr der Beschluss nicht zugestellt worden sei.
Rz. 2
Das LG hat die Beschwerde verworfen. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 3
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
Rz. 4
1. Das LG hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Beschwerde verfristet sei. Das AG habe die Bekanntgabe des Beschlusses gem. § 15 Abs. 2 FamFG durch Aufgabe zur Post bewirkt. Damit gelte nach § 15 Abs. 2 Satz 2 FamFG die Bekanntgabe an die Betroffene mit dem 6.2.2014 als vollzogen.
Rz. 5
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Rz. 6
a) Zu Recht führt die Rechtsbeschwerde aus, dass der Beschluss nach § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG der Betroffenen hätte zugestellt werden müssen, weil er gem. § 58 FamFG mit der Beschwerde anfechtbar ist und dem erklärten Willen der Betroffenen nicht entspricht. Zutreffend verweist die Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang auf das Schreiben der Betroffenen, wonach sie "auf keine Art und Weise" der Erweiterung der Betreuung zugestimmt und in dem sie auf ihren Antrag auf Aufhebung der Betreuung hingewiesen hat, weil die Angelegenheit "erledigt" sei. Demgemäß hat auch das AG festgestellt, dass die Betroffene die Erweiterung zwar zunächst selbst beantragt, dann aber abgelehnt hat.
Rz. 7
Das Unterbleiben einer gem. § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG erforderlichen Zustellung führt zur Unwirksamkeit der Bekanntgabe, weshalb nach § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG die Beschwerdefrist nicht zu laufen beginnt (BGH v. 10.7.2013 - XII ZB 411/12, FamRZ 2013, 1566 Rz. 8; v. 4.5.2011 - XII ZB 632/10, FamRZ 2011, 1049 Rz. 7 und 12).
Rz. 8
b) Von einer etwaigen Heilung der Zustellungsmängel i.S.v. § 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG i.V.m. § 189 ZPO kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Es ist vom LG nicht festgestellt, ob bzw. wann die Betroffene den Beschluss tatsächlich erhalten hat. Ob in der nachträglichen Übersendung des Beschlusses an den Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen, der ihre Vertretung am 3.7.2014 bei Gericht angezeigt hatte, im vorliegenden Fall eine Heilung von Mängeln in der Bekanntgabe des Beschlusses erblickt werden kann, kann hier dahinstehen. Denn in diesem Fall wäre die Monatsfrist nicht vor dem 4.8.2014 (einem Montag) abgelaufen. Die Beschwerde der Betroffenen ist indes bereits am 23.7.2014 bei Gericht eingegangen und wäre damit fristgerecht eingelegt worden.
Rz. 9
c) Zutreffend geht die Rechtsbeschwerde weiter davon aus, dass die Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG - bei der hier vorliegenden fehlerhaften Bekanntgabe - gem. § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des angefochtenen Beschlusses zu laufen begonnen hat. Dabei ist es für den Fristenlauf unerheblich, ob die schriftliche Bekanntgabe des wirksam erlassenen Beschlusses an den bereits förmlich beteiligten Rechtsmittelführer mit Mängeln behaftet (vgl. BGH v. 10.7.2013 - XII ZB 411/12, FamRZ 2013, 1566 Rz. 16 ff.) oder schlicht - aus welchen Gründen auch immer - unterblieben ist (BGH, Beschl. v. 11.3.2015 - XII ZB 571/13 - juris Rz. 21 ff.).
Rz. 10
Der Beschluss ist am 3.2.2014 erlassen worden. Damit begann die einmonatige Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG am 3.7.2014 zu laufen und war am 4.8.2014 (einem Montag) abgelaufen. Da die Beschwerde der Betroffenen indes bereits am 23.7.2014 bei Gericht eingegangen ist, ist sie noch fristgerecht eingelegt worden.
Rz. 11
3. Gemäß § 74 Abs. 5 und Abs. 6 Satz 2 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das LG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 8097389 |
NJW 2015, 2576 |
EBE/BGH 2015 |
FamRZ 2015, 1374 |
FuR 2015, 600 |
FGPrax 2015, 237 |
BtPrax 2015, 208 |
JZ 2015, 465 |
MDR 2015, 849 |
Rpfleger 2015, 540 |
FF 2015, 334 |
FF 2015, 378 |
FamRB 2015, 419 |