Entscheidungsstichwort (Thema)
Vom Schuldner begangene Insolvenzstraftaten. Unternehmensfortführung. Selbstständiger Kaufmann. Restschuldbefreiung. Versagungsgrund. Minderheitenschutz. Verschweigen der strafrechtlichen Verurteilungen. Zuverlässigkeit. Erforderliche Eignung. Entscheidungsbildung der Gläubiger. Umfassende Informationspflicht des Schuldners
Leitsatz (amtlich)
Werden in den darstellenden Teil des Insolvenzplans die vom Schuldner begangenen Insolvenzstraftaten (§§ 283 bis 283c StGB) nicht aufgenommen, ist die Bestätigung des Plans nur zu versagen, wenn der Plan auf eine Unternehmensfortführung abzielt.
Normenkette
InsO §§ 220, 250 Nr. 1, § 290 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der Zivilkammer 86 des LG Berlin vom 27.12.2007 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des AG Charlottenburg vom 2.10.2007 wird zurückgewiesen.
Der weitere Beteiligte zu 1) hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Am 3.7.2006 eröffnete das Insolvenzgericht auf Eigenantrag des Schuldners, der sowohl als selbständiger Kaufmann als auch als Geschäftsführer im Bereich des Grundstückshandels tätig gewesen war, das Insolvenzverfahren. Im Folgenden Jahr legte der Schuldner dem Insolvenzgericht einen Insolvenzplan vor, der von einer Liquidation des Unternehmens ausgeht und eine Quote von 0,5 vom Hundert auf die angemeldeten festgestellten ungesicherten Forderungen vorsieht. Beigefügt war die Erklärung eines Dritten nach § 230 Abs. 3 InsO, diese Quote sowie die Verfahrenskosten im Fall der Annahme des Plans zu zahlen. Im darstellenden Teil wurde angegeben, der Schuldner habe Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt und Versagungsgründe seien nicht ersichtlich, weshalb die bei Durchführung des gesetzlichen Verfahrens zu erwartende Quote bei Null läge. Die Mehrheit der Insolvenzgläubiger stimmte dem Plan am 2.10.2007 zu, das AG bestätigte ihn noch am selben Tag. Der weitere Beteiligte zu 1) legte hiergegen sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung führte er aus, der darstellende Teil des Plans sei unvollständig, weil er keine Angaben darüber enthalte, dass der Schuldner mit rechtskräftigem Urteil des AG Dresden vom 14.12.2006 u.a. wegen vorsätzlicher Verletzung der Buchführungspflicht nach §§ 283 Abs. 6, 283b Abs. 1 Nr. 3b StGB zu einer Geldstrafe und mit rechtskräftigem Urteil des AG Dresden vom 19.9.2007 wegen Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO zu einer auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt worden sei.
Rz. 2
Das Beschwerdegericht hat der sofortigen Beschwerde stattgegeben und dem Plan die Bestätigung versagt. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit seiner Rechtsbeschwerde. Nach Einlegung der Rechtsbeschwerde hat der Schuldner dem Insolvenzgericht einen mit dem ursprünglichen weitgehend übereinstimmenden neuen Insolvenzplan vorgelegt, in dem die strafrechtlichen Verurteilungen enthalten sind. Diesem Plan hat die Mehrheit der Gläubiger am 2.9.2008 ebenfalls zugestimmt. Das Insolvenzgericht hat einen Antrag des weiteren Beteiligten zu 1), diesem Plan die gerichtliche Bestätigung aus Gründen des Minderheitenschutzes gem. § 251 Abs. 1 InsO zu versagen, durch rechtskräftigen Beschluss vom 16.9.2008 zurückgewiesen, weitere Entscheidungen aber bislang nicht getroffen.
II.
Rz. 3
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 6, 7, 253 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie ist entgegen der Auffassung des weiteren Beteiligten zu 1) insb. nicht durch eine Bestätigung des neueren Insolvenzplans überholt. Das Insolvenzgericht hat diesen Plan nicht gem. § 248 Abs. 1 InsO bestätigt. Es hat mit dem Beschluss vom 16.9.2008 lediglich eine Teilentscheidung getroffen, indem es den Antrag des weiteren Beteiligten zu 1), dem neuen Plan aus Gründen des Minderheitenschutzes gem. § 251 Abs. 1 InsO die Bestätigung zu versagen, zurückgewiesen hat. Das Insolvenzverfahren ist damit noch nicht gem. § 258 Abs. 1 InsO aufzuheben.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.
Rz. 5
1. Das Beschwerdegericht, dessen Beschluss in ZIP 2008, 324 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, das Verschweigen der strafrechtlichen Verurteilungen habe gegen § 220 Abs. 2 InsO verstoßen, wonach der darstellende Teil eines Insolvenzplans alle Angaben zu den Grundlagen und den Auswirkungen des Plans enthalten solle, die für die Entscheidung der Gläubiger über die Zustimmung zum Plan und für dessen gerichtliche Bestätigung erheblich seien. Die strafrechtlichen Verurteilungen könnten einer späteren Restschuldbefreiung gem. § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegenstehen. Deshalb seien die Befriedigungsaussichten der Gläubiger bei Durchführung des gesetzlichen Verfahrens womöglich günstiger als nach dem Insolvenzplan. Der Einwand des Schuldners, die Gläubiger würden auch ohne Restschuldbefreiung mangels hinreichender Verdienstaussichten nicht mehr als die im Insolvenzplan ausgewiesene Quote erhalten, sei unbeachtlich.
Rz. 6
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 7
a) Die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1) war zulässig. Er war durch den bestätigenden Beschluss des Insolvenzgerichts beschwert (vgl. BGH, Beschl. v. 7.7.2005 - IX ZB 266/04, BGHZ 163, 344, 347; v. 13.1.2011 - IX ZB 29/10, ZIP 2011, 781 Rz. 5). Er hat sich darauf berufen, zu seinen Gunsten seien Forderungen i.H.v. 549.231,35 EUR zur Tabelle festgestellt worden. Nach dem Plan sollte er einen Anteil von 99,5 vom Hundert dieser Summe verlieren. Darauf, ob der Beschwerdeführer bei Durchführung des bestätigten Plans schlechter steht als bei Fortsetzung des Insolvenzverfahrens, kommt es nicht an (BGH, Beschl. v. 15.7.2010 - IX ZB 65/10, WM 2010, 1509 Rz. 23 ff).
Rz. 8
b) Der Mindestinhalt des darstellenden Teils eines Insolvenzplans ist nicht in das freie Belieben des Planverfassers gestellt. Ob zu den nach § 220 Abs. 2 InsO gebotenen Angaben auch die Mitteilung von Verfahren wegen Insolvenzstraftaten des Schuldners gehören, bestimmt sich danach, ob diese Angaben für die Entscheidung der Gläubiger über die Zustimmung zum Plan erheblich sind. Beabsichtigt der Schuldner nicht, das Unternehmen fortzuführen, ist es nicht geboten, etwaige Insolvenzstraftaten im Plan aufzuführen.
Rz. 9
aa) Nach § 220 Abs. 2 InsO muss der darstellende Teil eines Insolvenzplans alle Angaben zu den Grundlagen und den Auswirkungen des Plans enthalten, die für die Entscheidung der Gläubiger über die Zustimmung zum Plan und für dessen gerichtliche Bestätigung erheblich sind (BGH, Beschl. v. 19.5.2009 - IX ZB 236/07, WM 2009, 1336 Rz. 27). Danach sind alle diejenigen Angaben unerlässlich, welche die Gläubiger für ein sachgerechtes Urteil über den Insolvenzplan, gemessen an ihren eigenen Interessen, benötigen (BGH, Beschl. v. 3.12.2009 - IX ZB 30/09, ZIP 2010, 341 Rz. 3; vom 15.7.2010, a.a.O., Rz. 44; Uhlenbruck/Maus, InsO, 13. Aufl., § 220 Rz. 1; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung, 3. Aufl. Kap. 9 Rz. 40). Der Gesetzgeber hat durch die weite Formulierung der Vorschrift lediglich auf eine für alle Fälle verbindliche Vorgabe verzichtet und die Entscheidung, welche Angaben die Gläubiger benötigen, für jeden Einzelfall zunächst dem Planverfasser und sodann gem. §§ 231 Abs. 1 Nr. 1, 250 Nr. 1 InsO dem Insolvenzgericht übertragen (vgl. FK-InsO/Jaffé, 6. Aufl., § 220 Rz. 3). Das ändert aber nichts daran, dass ein gewisser Grundbestand an Informationen im darstellenden Teil grundsätzlich enthalten sein muss und nur ausnahmsweise entfallen darf (Bork, ZZP 1996, 473, 476; Uhlenbruck/Maus, a.a.O.; HK-InsO/Flessner, 6. Aufl., § 250 Rz. 1, 3).
Rz. 10
Die Verwendung des Wortes "soll" in § 220 Abs. 2 InsO bedeutet nicht, dass die geforderten Angaben fakultativ sind (so aber Otte in Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand 2005, § 220 Rz. 12; HmbKomm-InsO/Thies, 3. Aufl., § 220 Rz. 5). Dass einer vom Wortlaut her als Sollbestimmung ausgestalteten Regelung in der Insolvenzordnung eine zwingende Bedeutung zukommen kann, hat der Senat bereits in anderem Zusammenhang entschieden (vgl. BGH, Beschl. v. 17.2.2005 - IX ZB 176/03, BGHZ 162, 181, 183 f; vom 10.2.2011, WM 2011, 839 Rz. 10). Auch die Vorschrift des § 220 Abs. 2 InsO ist nach ihrem Sinn und Zweck als zwingende Regelung zu lesen (BGH, Beschl. v. 19.5.2009, a.a.O., Rz. 27).
Rz. 11
bb) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts ist die unterlassene Mitteilung der Insolvenzstraftaten hier jedoch nicht als erheblicher Verstoß anzusehen, der einer Bestätigung des Insolvenzplans entgegensteht. Was unter einem wesentlichen Punkt i.S.d. § 250 Nr. 1 InsO zu verstehen ist, wird vom Gesetz nicht ausdrücklich erläutert. Ein wesentlicher Verstoß in diesem Sinne liegt stets dann vor, wenn es sich um einen Mangel handelt, der Einfluss auf die Annahme des Insolvenzplans gehabt haben könnte (BGH, Beschl. v. 3.12.2009, a.a.O., Rz. 3; LG Berlin ZInsO 2005, 609, 611; NZI 2005, 335, 337; Bähr/Landry in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., § 14 Rz. 174; HK-InsO/Flessner, a.a.O., § 250 Rz. 5; HmbKomm-InsO/Thies, a.a.O., § 250 Rz. 7; MünchKomm/InsO/Sinz, 2. Aufl., § 250 Rz. 7; Uhlenbruck/Lüer, InsO, 13. Aufl., § 250 Rz. 5).
Rz. 12
(1) Der Senat hat in seinem Beschluss vom 19.5.2009 (IX ZB 236/07, a.a.O.) im Hinblick auf den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO bereits verneint, dass der Schuldner im Insolvenzplan im Einzelnen die Gründe darzulegen hat, aus denen ein Gläubiger die Versagung der Restschuldbefreiung beantragen könnte. Eine derartige Pflicht stünde mit der den Gläubiger gem. §§ 251 Abs. 2, 290 Abs. 2, 297 Abs. 2 InsO treffenden Darlegungs- und Beweislast nicht in Einklang. Ob diese Erwägungen auch hinsichtlich des hier in Rede stehenden Versagungsgrundes des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu gelten haben, hat der Senat im angeführten Beschluss ausdrücklich offen gehalten (BGH, Beschl. v. 19.5.2009, a.a.O., Rz. 26). Die Frage ist differenzierend danach zu beantworten, ob der Plan auf eine Liquidation des Unternehmens oder übertragende Sanierung oder aber auf eine Unternehmensfortführung abzielt.
Rz. 13
(2) Beachtliche Stimmen in der Literatur bejahen eine Pflicht zur Offenbarung von strafrechtlichen Verurteilungen nach den §§ 283-283c StGB nur dann, wenn nach dem Insolvenzplan der Schuldner selbst oder bei einer juristischen Person deren organschaftlicher Vertreter das Unternehmen fortführen sollen. Dann könnten frühere Straftaten erhebliche Bedenken gegen seine Zuverlässigkeit wecken und zugleich Zweifel an den Erfolgsaussichten des Plans begründen (MünchKomm/InsO/Eilenberger, a.a.O., Rz. 9; Otte in Kübler/Prütting/Bork, a.a.O., § 220 Rz. 12; Bähr/Landry, a.a.O., Rz. 19; FK-InsO/Jaffé, a.a.O., § 220 Rz. 43; BK-InsO/Breutigam, Stand 2010, § 220 InsO Rz. 31). Damit orientiert sich das Schrifttum an der im Gesetzgebungsverfahren aus Gründen der Straffung des Gesetzes (vgl. BT-Drucks. 12/7302, 182 zu Nr. 138) entfallenen Regelung des § 260 RegE-InsO, die diese Unterscheidung bereits vorsah.
Rz. 14
Der Senat hält diesen Standpunkt für zutreffend. Bei einer Unternehmensfortführung durch den bisherigen Unternehmensleiter steht zwingend die Eignung des Schuldners für eine derartige Aufgabe im Vordergrund. Hierzu gehört insb. dessen Zuverlässigkeit. Bei einem Unternehmer, der wegen Insolvenzstraftaten verurteilt worden ist, erscheint es zumindest sehr zweifelhaft, ob er für eine Unternehmensfortführung die erforderliche Eignung aufweist. Es handelt sich mithin um eine Angabe, die für die Entscheidungsbildung der Gläubiger, ob sie dem Plan ihre Zustimmung erteilen, von wesentlicher Bedeutung ist. Ist nach dem Plan keine Unternehmensfortführung vorgesehen, kommt der Angabe dagegen in der Regel keine tragende Bedeutung zu. Soweit sie im Hinblick auf den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO doch relevant sein könnte, ist zu beachten, dass die Annahme einer umfassenden Informationspflicht des Schuldners mit der grundsätzlich den Gläubiger gem. §§ 251 Abs. 2, 290 Abs. 2, 297 Abs. 2 InsO treffenden Darlegungs- und Beweislast nicht zu vereinbaren ist (vgl. BGH, Beschl. v. 19.5.2009, a.a.O., Rz. 27).
Rz. 15
3. Der Beschluss des LG unterliegt daher der Aufhebung (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Da die Aufhebung nur auf einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis beruht und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat durch Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses in der Sache selbst zu entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 2885645 |
DB 2012, 225 |
NJW 2012, 6 |
NWB 2012, 544 |
EBE/BGH 2012 |
EWiR 2012, 215 |
StuB 2012, 248 |
WM 2012, 180 |
WuB 2012, 305 |
ZIP 2012, 187 |
wistra 2012, 157 |
wistra 2012, 4 |
DZWir 2012, 197 |
MDR 2012, 254 |
NZI 2012, 139 |
NZI 2012, 5 |
Rpfleger 2012, 279 |
ZInsO 2012, 173 |
NWB direkt 2012, 156 |
ZVI 2012, 56 |