Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 26. Juli 2001 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 13.825,43 DM.
Gründe
I. Die Klägerin hat gegen das ihr am 21. Mai 2001 zugestellte Urteil der 12. Zivilkammer (2. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Oldenburg vom 16. Mai 2001 am 22. Juni 2001 Berufung eingelegt. Am 5. Juli 2001 hat sie Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung beantragt.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuches hat die Klägerin unter Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen ihres erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten Rechtsanwalt B. und dessen Sekretärin Frau S. sowie von Ablichtungen aus dem Fristenkalender der Rechtsanwaltskanzlei B. und Partner für den 14. Juni und 21. Juni 2001 vorgetragen:
In der Rechtsanwaltskanzlei B. und Partner obliege die Überwachung von Berufungsfristen der Rechtsanwaltsfachangestellten W., der die Anweisung erteilt sei, die eingegangene Urteilsausfertigung sofort deutlich sichtbar mit einer Vorfrist von zwei Wochen vor Ablauf der Berufungsfrist und einem Fristablauf zu kennzeichnen. Die Akte müsse dann gemäß der anwaltlichen Anweisung mit den notierten Fristen am selben Tag dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt zur Kontrolle vorgelegt werden. Das sei im vorliegenden Fall auch am 21. Mai 2001 geschehen. Anschließend seien die von dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt B. kontrollierten Fristen im zentralen Fristenbuch notiert worden. Aufgrund einer Anweisung obliege es Frau S., der Sekretärin von Rechtsanwalt B., den zentralen Fristenkalender am Morgen eines jeden Tages einzusehen und die dort notierten Akten Rechtsanwalt B. unverzüglich im Laufe des Vormittags vorzulegen. Bedauerlicherweise habe Frau S., die bereits seit 1996 als Sekretärin von Rechtsanwalt B. tätig sei, es am 21. Juni 2001 erstmalig versäumt, das Fristenbuch einzusehen und die mit einem Fristablauf für diesen Tag eingetragene Akte Rechtsanwalt B. vorzulegen. Im Rahmen der täglichen routinemäßigen Kontrolle des Fristenkalenders am 22. Juni 2001 sei Frau S. dann aufgefallen, daß im Streitfall am Vortag ein Fristablauf zur Einlegung der Berufung bestanden habe.
Das Berufungsgericht hat den Antrag der Klägerin, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, zurückgewiesen. Dazu hat es ausgeführt:
In der Begründung zum Wiedereinsetzungsantrag sei nicht dargetan, mit welchen organisatorischen Maßnahmen in der Kanzlei der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin sichergestellt werde, daß nach Vorlage von Fristsachen die Fristen erst als erledigt gekennzeichnet werden, wenn die fristwahrende Tätigkeit (wie etwa die Beauftragung eines Kollegen mit der Berufungseinlegung) entfaltet worden sei. Sehe die Organisation des Rechtsanwaltsbüros eine End- oder Ausgangskontrolle nicht vor und beschränke sie sich auf die Gewährleistung einer rechtzeitigen Aktenvorlage, reiche dies zur Vermeidung möglicher Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen nicht aus. Auf der vorgelegten Ablichtung der Seite des Fristenkalenders für den 21. Juni 2001 sei zu erkennen, daß die Frist in der vorliegenden Sache nicht „abgehakt” worden sei. Daher sei davon auszugehen, daß im Büro der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin eine Endkontrolle am Ende eines jeden Arbeitstages nicht vorgenommen werde. Die fehlende Anweisung einer abendlichen Endkontrolle des Fristenkalenders, die auch die Prüfung einschließen müsse, ob die Fristen durch Erstellung und Absendung des fristwahrenden Schriftsatzes tatsächlich eingehalten worden seien, stelle ein anwaltliches Organisationsverschulden dar, das sich die Klägerin zurechnen lassen müsse.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Der Klägerin ist ein Organisationsverschulden ihres erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten anzulasten (§ 85 Abs. 2 ZPO). Es ist nicht auszuschließen, daß dieses Verschulden zur Versäumung der Berufungsfrist geführt hat.
1. Die Klägerin hat, obwohl es ihre Sache gewesen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 22.4.1999 – IX ZR 364/98, NJW 1999, 2120, 2121), keine fehlerfreie Organisation der Überwachung, ob Rechtsmittelfristen fristgerecht erledigt worden sind, im Büro ihrer erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten dargelegt und glaubhaft gemacht. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß der Prozeßbevollmächtigte einer Partei wegen der verfahrensrechtlichen Bedeutung von Fristen dafür sorgen muß, daß ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt und auch innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingereicht wird. Dafür reicht es grundsätzlich nicht aus, wenn er seine Kanzlei so organisiert, daß ihm Akten von Verfahren, in denen Rechtsmittelfristen laufen, rechtzeitig zur Bearbeitung vorgelegt werden. Der Prozeßbevollmächtigte muß vielmehr zusätzlich organisatorische Maßnahmen für eine wirksame Ausgangskontrolle treffen, durch die zuverlässig gewährleistet wird, daß fristwahrende Schriftsätze auch tatsächlich rechtzeitig hinausgehen oder, wenn der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte bei dem Rechtsmittelgericht nicht postulationsfähig ist, daß dem Kollegen, der mit der Rechtsmitteleinlegung beauftragt werden soll, der entsprechende Auftrag rechtzeitig erteilt wird. Dafür ist außer der Führung eines Fristenkalenders zusätzlich erforderlich, daß eine tägliche End- oder Ausgangskontrolle durchgeführt wird. Denn nur bei einer derartigen Handhabung kann die Eintragung von Fristen im Fristenkalender ihren Sicherungszweck erfüllen (vgl. BGH, Beschl. v. 28.11.1990 – XII ZB 19/90, NJW 1991, 1178, m.w.N.).
Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, daß die Büroorganisation des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin diesen Anforderungen nicht gerecht wird. Dem Vorbringen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages läßt sich nicht entnehmen, daß bei dem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin eine tägliche Endkontrolle vorgenommen wird, ob die im Fristenkalender eingetragenen Fristsachen am selben Tag bearbeitet und erledigt worden sind. Hätte im Büro der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin eine derartige Endkontrolle stattgefunden, wäre rechtzeitig bemerkt worden, daß am Tag des Ablaufs der Berufungsfrist noch kein Auftrag zur Einlegung der Berufung erteilt worden war. Denn die im Fristenkalender eingetragene Frist zur Rechtsmitteleinlegung war am 21. Juni 2001 nicht als erledigt gestrichen worden.
2. Da die Fristversäumung nach allem auf einer Pflichtwidrigkeit des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin beruht, hat das Berufungsgericht die nachgesuchte Wiedereinsetzung zu Recht versagt. Es kann offenbleiben, ob dem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten auch deshalb ein der Klägerin zuzurechnendes Verschulden an der Fristversäumung vorzuwerfen wäre, weil er nicht sogleich nach Erhalt der Einwilligung der Klägerin zur Durchführung der Berufung einen Rechtsmittelauftrag erteilt hat, obwohl er die Akten zu diesem Zeitpunkt erneut eingesehen hat und dabei feststellen konnte, daß der Ablauf der Berufungsfrist alsbald bevorstand. Denn nach dem Vorbringen in der Begründung zum Wiedereinsetzungsantrag hat die Klägerin über die Einlegung der Berufung erst kurzfristig vor Ablauf der Berufungsfrist entschieden.
Unterschriften
Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Bornkamm, Pokrant, Schaffert
Fundstellen