Leitsatz (amtlich)
EC-Karten sind keine „über die Forderung vorhandenen Urkunden” im Sinne des § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
Normenkette
ZPO § 836 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 14.03.2002) |
AG Rosenheim |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Traunstein vom 14. März 2002 wird auf Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 168,71 EUR
Tatbestand
I. Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung wegen einer titulierten Geldforderung in Höhe von 771 DM (394,20 EUR) nebst Zinsen und Vollstreckungskosten. Das Amtsgericht hat am 27. Dezember 2001 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß erlassen, der die Forderungen der Schuldnerin gegen die Sparkasse R. „aus laufendem Geschäftsverkehr und auf Auszahlung der auf dem Konto/den Konten des Schuldners befindlichen und noch eingehenden Gelder” zum Gegenstand hat. Zugleich hat es die an die Gläubigerin, hilfsweise an die Drittschuldnerin beantragte Herausgabe aller Euroscheckformulare durch die Schuldnerin angeordnet, nicht hingegen die Herausgabe auch der EC-Karte und sonstiger Scheckkarten. Mit Beschluß vom 10. Januar 2002 hat das Amtsgericht den dahingehenden Antrag der Gläubigerin zurückgewiesen. Ihre sofortige Beschwerde ist vor dem Landgericht ohne Erfolg geblieben. Hiergegen wendet sich die Gläubigerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V. mit § 7 Abs. 1 Satz 2 EGZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts besteht keine Verpflichtung des Schuldners, bei Pfändung seines Kontos die EC-Karte an den Gläubiger oder den Drittschuldner herauszugeben. Der Gläubiger könne die an ihn überwiesene Forderung durchsetzen, ohne im Besitz der EC-Karte zu sein. Eine besondere Sicherungsfunktion komme der Bestimmung des § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO nicht zu.
Demgegenüber macht die Rechtsbeschwerde geltend, der Schuldner könne durch den Einsatz der EC-Karte die ausgebrachte Pfändung und Überweisung unterlaufen. Durch die Begebung von Schecks oder die Abhebung von Bargeld an nicht institutseigenen Automaten entstünden Ansprüche Dritter gegen seine Bank und damit Aufwendungsersatzansprüche der Bank gegen ihn. Die Ansprüche seien aufgrund Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch ein vertragliches Pfandrecht gesichert, das gegenüber dem Pfändungspfandrecht vorrangig sei. Die Pfändung sämtlicher Forderungen des Kunden aus dem laufenden Geschäftsverkehr erfasse zudem auch das Recht, die EC-Karte zu nutzen.
2. Dieser Standpunkt vermag nicht zu überzeugen.
a) Mit Recht hat sich das Beschwerdegericht der Auffassung angeschlossen, daß über § 836 Abs. 3 Satz 1 i.V. mit Satz 3 ZPO keine Herausgabe der EC- oder anderer Scheckkarten durch den Schuldner angeordnet werden kann (LG Münster RPfleger 2000, 506 und DGVZ 2000, 187, 188; LG Stuttgart RPfleger 1994, 471, 472; Zöller/Stöber, ZPO 23. Aufl. § 836 Rdn. 13; Stöber, Forderungspfändung 13. Aufl. Rdn. 166 m). Die Bestimmung soll dem Gläubiger die Einziehung der Forderung beim Drittschuldner erleichtern. Der Schuldner ist verpflichtet, ihn bei der Durchsetzung der Forderung zu unterstützen. Er hat nicht nur die nötigen Auskünfte zu erteilen, sondern auch die über die Forderung vorhandenen Urkunden zur Verfügung zu stellen. Das betrifft Urkunden, die den Gläubiger als zur Empfangnahme der Leistung berechtigt legitimieren, wie etwa im Falle des § 808 Abs. 2 Satz 1 BGB oder nach erfolgter Abtretung, sowie solche, die den Bestand der Forderung beweisen oder sonst der Ermittlung oder dem Nachweis ihrer Höhe, Fälligkeit und Einredefreiheit dienen (vgl. Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz 3. Aufl. § 836 ZPO Rdn. 6 Fn. 25; Thomas/Putzo, ZPO 24. Aufl. § 836 Rdn. 19; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO 3. Aufl. § 836 Rdn. 17; Stein/Jonas/Brehm, ZPO 21. Aufl. § 836 Rdn. 14). EC-Karten werden weder zum Beweis der Forderung benötigt, noch ist der Gläubiger auf ihre Vorlage angewiesen, um die Forderung beim Drittschuldner geltend machen zu können. Sie zählen daher nicht zu den Urkunden im Sinne der genannten Vorschrift. Das hat das Beschwerdegericht zutreffend angenommen.
b) Wenn die Rechtsbeschwerde mit der Gegenansicht (LG Dortmund DGVZ 1992, 188; vgl. auch Musielak/Becker, ZPO 3. Aufl. § 836 Rdn. 7) darauf verweist, die Herausgabe der EC-Karte sei erforderlich, damit der Schuldner nicht durch die Begebung von Euroschecks Aufwendungsersatzansprüche zugunsten der Bank begründen könne, die durch ein Vertragspfandrecht vorrangig gesichert wären, so greift dies nicht durch. Es entspricht nicht dem Sinn und Zweck des § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO, dem gesetzlichen Pfändungspfandrecht gegenüber einem vertraglich vereinbarten Pfandrecht zur Durchsetzung zu verhelfen. Vor Verfügungen, die die Einziehung der Forderung vereiteln oder erschweren, wird der Gläubiger durch § 829 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO geschützt. Dem Schuldner sind Verfügungen zum Nachteil des Gläubigers verboten; werden sie dennoch getroffen, haben sie gemäß §§ 135, 136 BGB im Verhältnis zum Gläubiger keine Wirksamkeit. Dem Drittschuldner wiederum ist es untersagt, Forderungen gegenüber dem Schuldner zu erfüllen. Zahlt er an den Schuldner, so hat diese Leistung keine Wirksamkeit gegenüber dem Gläubiger. Nicht zuletzt gewährt im Falle einer Kontopfändung die Vorschrift des § 357 Satz 1 HGB dem Gläubiger weiteren Schutz.
c) Die Rechtsbeschwerde läßt ferner unberücksichtigt, daß es seit dem 1. Januar 2002 kein Euroscheckverfahren mit betragsmäßiger Zahlungsgarantie der Banken mehr gibt. Schon deshalb war das Vollstreckungsgericht nicht gehalten, in den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, der am 27. Dezember 2001 – wenige Tage vor Auslaufen der Euroscheckgarantie – erlassen und der Gläubigerin zur Veranlassung der Zustellung übersandt worden ist, eine auf die EC-Karte bezogene Herausgabeanordnung aufzunehmen. Es mußte diese Anordnung auch nicht im Hinblick auf das Point-of-sale-Verfahren treffen, das an die Stelle des Euroscheckverfahrens getreten ist. Das von der Rechtsbeschwerde herausgestellte Schutzbedürfnis des Gläubigers kann sich hier von vornherein nicht ergeben.
(1) Richtig ist, daß aufgrund der Besonderheiten des Euroscheckverfahrens ein Vorrang des regelmäßig bei Kontoeröffnung zur Sicherung der eigenen Ansprüche vereinbarten AGB-Pfandrechts der Bank an den gegenwärtigen und künftigen Forderungen des Kunden, die im Rahmen der bankmäßigen Geschäftsverbindung in ihre Verfügungsgewalt gelangten, gegenüber dem späteren Pfändungspfandrecht des Gläubigers bestand. Die Verpflichtung der Bank, ordnungsgemäß ausgestellte und fristgerechte Euroschecks einzulösen, fand ihre rechtliche Grundlage in der Aushändigung der Scheckkarte nebst Formularen an den Kunden. Der durch die Scheckkarte legitimierte Aussteller erhielt die Rechtsmacht, die Bank durch die Begebung von Schecks zu verpflichten, ohne daß diese auf die Entstehung ihrer Garantiehaftung gegenüber dem Schecknehmer noch wesentlich hätte Einfluß nehmen können. Damit war auch die Forderung der Bank auf Ersatz der Aufwendungen, die ihr durch die mit dem Einsatz der EC-Karte verbundene Zahlungsverpflichtung erwuchsen, auf ein Geschäft zurückzuführen, das im Hinblick auf eine schon vor der Pfändung bestehende Verpflichtung vorgenommen wurde (§ 357 Satz 2 HGB; vgl. BGHZ 93, 71, 78 f.; BGH, Urteil vom 13. Mai 1997 – IX ZR 129/96 – ZIP 1997, 1231, 1233 unter II 3).
(2) Beim jetzigen Point-of-sale-Verfahren verhält es sich anders. Mit der Aushändigung der EC-Karte an den Kunden ist keine dem weiteren Einfluß der Bank entzogene Rechtsmacht verbunden, zu ihren Lasten eine Garantiehaftung zu begründen. Vielmehr gibt die kartenausgebende Bank selbst nach auf elektronischem Wege erfolgter Prüfung der Karte und des getätigten Umsatzes gegenüber dem Händler die Erklärung ab, dessen Forderung gegenüber dem Kunden zu begleichen (Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch I § 68 Rdn. 2, 9). Erst durch diese Zustimmung zum Zahlungsvorgang wird eine Einstandspflicht der Bank begründet. Der im Verhältnis zum Kontoinhaber dann gegebene Aufwendungsersatzanspruch kann nicht durch ein dem Pfändungspfandrecht vorrangiges AGB-Pfandrecht gesichert werden. Es widerspräche dem Regelungsgehalt des § 357 Satz 1 HGB und entzöge Bankkonten weitgehend der Beschlagnahmewirkung des § 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO, könnte jede Bank als Drittschuldnerin auf der Grundlage ihrer eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem Pfändungsgläubiger mittelbar Schuldposten in Rechnung stellen, die nicht bereits vor der Pfändung angelegt sind, sondern erst danach durch neue, auf einem selbständigen Willensentschluß beruhende Geschäfte entstehen (BGH, Urteil vom 13. Mai 1997 aaO unter III).
Aus den gleichen Gründen können auch die von der Rechtsbeschwerde angeführten sonstigen Aufwendungsersatzansprüche nicht zu einer vorrangigen Pfandgläubigerstellung der Bank führen.
d) Schließlich ist entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Ansicht das Recht der Schuldnerin zur Nutzung der EC-Karte nicht Gegenstand der Pfändung und Überweisung gewesen. Insbesondere handelt es sich nicht um ein Neben- oder Vorzugsrecht im Sinne des § 401 BGB. Darunter sind unselbständige Sicherungsrechte oder sonstige Hilfsrechte zu verstehen, die zur Durchsetzung der Forderung erforderlich sind (Staudinger/Busche, 13. Bearb. [1999] § 401 BGB Rdn. 28). Dazu gehört die EC-Karte gerade nicht.
Unterschriften
Raebel, Athing, Dr. Boetticher, Dr. Kessal-Wulf, Roggenbuck
Fundstellen
Haufe-Index 906626 |
BB 2003, 655 |
NJW 2003, 1256 |
BGHR 2003, 517 |
JurBüro 2003, 440 |
KTS 2003, 465 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2003, 625 |
WuB 2003, 497 |
WuB 2003, 585 |
ZAP 2003, 651 |
ZIP 2003, 523 |
JuS 2003, 822 |
MDR 2003, 595 |
MDR 2006, 965 |
Rpfleger 2003, 308 |
BKR 2003, 349 |
VE 2003, 78 |
ZBB 2003, 125 |
Kreditwesen 2003, 721 |
LMK 2003, 115 |