Leitsatz (amtlich)
Über ein missbräuchlich gestelltes Ablehnungsgesuch kann der Rechtspfleger selbst entscheiden. § 47 ZPO gilt in diesem Fall nicht.
Normenkette
RPflG § 10 S. 1; ZPO § 47
Verfahrensgang
LG Coburg (Beschluss vom 26.05.2004; Aktenzeichen 21 T 15/04) |
AG Coburg |
Tenor
Dem Schuldner wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Coburg v. 26.5.2004 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert beträgt 135.000 EUR.
Gründe
I.
Durch Beschluss v. 21.8.2001 ordnete das AG die Versteigerung eines Grundstücks an. Im Versteigerungstermin v. 17.2.2004 beantragte der Schuldner die einstweilige Einstellung des Verfahrens gem. § 765a ZPO, weil er erkrankt sei. Unter Vorlage des Attestes eines Arztes v. 16.2.2004 machte er geltend, während der nächsten Monate krankheitsbedingt nicht verhandlungsfähig zu sein. Auf Bitten des Schuldners veranlasste der Rechtspfleger die Untersuchung des Schuldners durch den LGarzt. Eine Verhandlungsunfähigkeit des Schuldners bestätigte dieser nicht.
Die Ersteher gaben das höchste Gebot ab. Auf Antrag der Gläubigerin unterblieb die Entscheidung über den Zuschlag zunächst, weil das Gebot der Ersteher die in § 74a ZVG bestimmte Grenze nicht übersteigt. Termin zur Verkündung einer Entscheidung über den Zuschlag wurde auf den 20.2.2004 bestimmt.
In diesem Termin stellte der Schuldner wiederum einen Antrag auf einstweilige Einstellung des Verfahrens und übergab ein ärztliches Attest v. 19.2.2004, nach welchem nicht auszuschließen ist, dass eine depressive Erkrankung des Schuldners bei einem Verlust seines (Mit)Eigentums an dem Grundstück zu einer Suizidgefährdung führen könne. Nachdem der Rechtspfleger zu erkennen gegeben hatte, dass er über den Antrag auf Einstellung des Verfahrens nicht durch gesonderten Beschluss entscheiden werde, lehnte der Schuldner den Rechtspfleger wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Der Rechtspfleger verwarf das Ablehnungsgesuch und verkündete im Anschluss hieran den Beschluss, das Grundstück den Erstehern zuzuschlagen. In den Gründen des Beschlusses wies er die Anträge des Schuldners nach § 765a ZPO zurück.
Hiergegen hat der Schuldner sofortige Beschwerde eingelegt und den Rechtspfleger erneut als befangen abgelehnt. Das LG hat die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Mit der von dem Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Schuldner die Aufhebung des Zuschlags.
II.
Das LG meint, den Erstehern sei der Zuschlag zu Recht erteilt worden. Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit des Schuldners bestünden nicht. Dass der Rechtspfleger über den gegen ihn gestellten Befangenheitsantrag selbst entschieden habe, sei nicht zu beanstanden, weil der Antrag allein zur Verzögerung des Verfahrens und damit rechtsmissbräuchlich gestellt worden sei. Einer gesonderten Entscheidung über den Einstellungsantrag des Schuldners vor der Verkündung des Zuschlagsbeschlusses habe es nicht bedurft. Von einer ernstlichen Suizidgefährdung des Schuldners sei nicht auszugehen. Dass der Schuldner die Gläubigerin befriedigen könne, sei auszuschließen.
III.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Der Schuldner war aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage, die Beschwerde rechtzeitig zu begründen. Dieses Hindernis ist mit der Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Schuldner entfallen. Innerhalb der damit begonnenen Frist hat der Schuldner rechtzeitig Wiedereinsetzung gegen die Fristversäumung beantragt und die Beschwerde begründet, § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO n.F.
2. Die angefochtene Entscheidung ist frei von Rechtsfehlern, auf die die Beschwerde gem. § 100 ZVG gestützt werden kann.
a) Der Rechtspfleger durfte über den im Termin v. 20.2.2004 gestellten Befangenheitsantrag selbst entscheiden.
Die Vorschriften über den Ausschluss und die Ablehnung eines Richters, §§ 41 bis 49 ZPO, finden auf den Rechtspfleger entsprechende Anwendung, § 10 S. 1 RPflG. Ein Ablehnungsgesuch ist begründet, wenn ein Grund gegeben ist, dessentwegen der Ablehnende von seinem Standpunkt aus nachvollziehbaren Anlass für die Befürchtung hat, der Rechtspfleger werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden (LG Göttingen Rpfleger 1976, 55). Der abgelehnte Rechtspfleger hat sich bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch durch den gem. § 10 S. 2 RPflG zuständigen Richter gem. § 47 ZPO a.F. grundsätzlich jeder weiteren Tätigkeit in dem Verfahren zu enthalten. Ebenso wie ein abgelehnter Richter kann er über das Gesuch jedoch selbst entscheiden, wenn es als missbräuchlich zu verwerfen ist (OLG Koblenz Rpfleger 1985, 368; BVerfGE 11, 1 [5]; Beschl. v. 7.11.1973 - VIII ARZ 14/73, NJW 1974, 55 f.; Beschl. v. 14.12.1991 - I ZB 15/91, MDR 1992, 181 = NJW 1992, 983 [984]; BayObLGZ 93, 9 [10 f.]). So verhält es sich, wenn das Ablehnungsgesuch lediglich der Verschleppung dient und dies offensichtlich ist (KG v. 4.8.1992 - 11 W 4231/92, MDR 1992, 997; OLG Braunschweig v. 27.4.1995 - 1 W 12/95, BRAK 1995, 218 = OLGReport Braunschweig 1995, 155 = NJW 1995, 2114; Böttcher, ZVG, 2. Aufl., § 1 Rz. 16; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl.,y § 42 Rz. 12; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 45 Rz. 4). In diesem Fall gilt § 47 ZPO nicht (BVerwG v. 7.10.1987 - 9 CB 20/87, NJW 1988, 722; KG v. 11.6.1986 - 18 Abl 2638/86, FamRZ 1986, 1022).
So liegt es hier: Der Schuldner hat den Rechtspfleger abgelehnt, nachdem deutlich geworden war, dass der Rechtspfleger vor der Entscheidung über den Zuschlag nicht über die von dem Schuldner gestellten Anträge auf einstweilige Einstellung des Verfahrens entscheiden würde. Die von dem Rechtspfleger beabsichtigte Verfahrensweise ist zulässig (Stöber, ZVG, 17. Aufl., Einleitung Anm. 59.4) und wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht beanstandet. Der Rechtsschutz des Schuldners ist dadurch gewahrt, dass die Zurückweisung des Einstellungsantrags im Rahmen der Anfechtung der Entscheidung über den Zuschlag der Nachprüfung zugänglich ist (BGHZ 44, 138 ff.). Die erkennbare Absicht des Rechtspflegers, in dieser Weise zu verfahren, erlaubt nicht die Feststellung eines nachvollziehbaren Grundes für die Befürchtung, die Entscheidung über den Einstellungsantrag und den Zuschlag werde nicht unparteiisch erfolgen. Dem entspricht es, dass der Schuldner in seinem Ablehnungsgesuch v. 20.2.2004 einen Grund für die Ablehnung des Rechtspflegers auch nicht angegeben hat. Damit ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass der Rechtspfleger das Ablehnungsgesuch als rechtsmissbräuchlich und offensichtlich allein als zum Zwecke der Verzögerung des Verfahrens eingelegt gewertet und über die Verwerfung des Gesuchs selbst entschieden hat. Die Verwerfung konnte, wie geschehen, durch einen selbständigen Beschluss oder als Teil der Entscheidung in der Hauptsache erfolgen.
b) Die angefochtene Entscheidung weist auch insoweit keinen Rechtsfehler auf, als das Beschwerdegericht die einstweilige Einstellung des Verfahrens abgelehnt hat. Dass der Einstellungsantrag v. 20.2. auf das ärztliche Attest v. 19.2.2004 Bezug nimmt, ändert hieran entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde nichts. Der Schuldner hat schon im Termin v. 17.2.2004 das Attest eines Arztes vorgelegt, nach welchem er auf Monate nicht verhandlungsfähig sei. Die Untersuchung durch den LGarzt bestätigte das nicht. Eine Suizidgefährdung für den Fall des Verlustes seines Miteigentums an dem Grundstück hat er ggü. dem LGarzt nicht geltend gemacht. Auch nach dem Attest v. 19.2.2004 besteht keine aktuelle Suizidgefahr. Mit einer solchen Gefahr ist nach dem Attest vielmehr nur "eventuell zu rechnen". Auch bei der im Hinblick auf die Möglichkeit einer Gefährdung des Lebens des Schuldners gebotenen besonders sorgsamen Abwägung (BVerfGE 52, 214 [220]) bedeutet es im Hinblick hierauf keinen Rechtsfehler, dass das Beschwerdegericht über den Einstellungsantrag zum Nachteil des Schuldners entschieden hat, ohne zuvor ein Sachverständigengutachten zu dieser Frage einzuholen.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
BGHR 2005, 1136 |
FamRZ 2005, 1564 |
NJW-RR 2005, 1226 |
ZAP 2005, 880 |
MDR 2005, 943 |
Rpfleger 2005, 415 |
VE 2006, 4 |
ProzRB 2005, 226 |