Leitsatz (amtlich)
a) Eine einseitige Erledigungserklärung ist im selbstständigen Beweisverfahren nicht zulässig. In ihr liegt regelmäßig eine Antragsrücknahme.
b) Nach der Antragsrücknahme hat der Antragsteller grundsätzlich die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO zu tragen. Dies gilt auch für die Kosten des Streithelfers des Antragsgegners (§ 101 Abs. 1 ZPO).
Normenkette
ZPO § 101 Abs. 1, § 269 Abs. 3 S. 2, § 494a Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Streithelferin des Antragsgegners wird der Beschluss des 24. Zivilsenats des KG v. 7.7.2003 dahin abgeändert, dass die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 28. Zivilkammer des LG Berlin v. 8.11.2002 zurückgewiesen wird.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Beschwerdewert: 3.956,60 EUR
Gründe
I.
Die Antragstellerin hat die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens gegen die P. GmbH beantragt. Diese hat u.a. der beschwerdeführenden Streithelferin den Streit verkündet, die dem Beweisverfahren beigetreten ist. Mit Beschluss des LG v. 17.5.2002 ist die beantragte Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet worden. Bevor der Sachverständige die Begutachtung vornahm, teilte die Antragstellerin mit, ihr Antrag habe sich erledigt, sie habe privat beauftragte Gutachten erstellen lassen.
Die Antragstellerin hat beantragt, der P. GmbH sowie der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen. Daraufhin hat die P. GmbH mitgeteilt, es sei ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen gestellt und ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden. Sie hat sich einer etwaigen Erledigungserklärung nicht angeschlossen und beantragt, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Diesem Antrag hat sich die Streithelferin unter Hinweis darauf angeschlossen, dass die Abstandnahme der Antragstellerin als Antragsrücknahme ausgelegt werden müsse. Die Antragstellerin hat dem widersprochen.
Am 1.9.2002 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen P. GmbH eröffnet und der Antragsgegner als Insolvenzverwalter bestellt worden. Die Antragstellerin hat ihre Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet, der Antragsgegner hat die Forderung bestritten. Das LG hat der Antragstellerin mit Beschluss v. 8.11.2002 die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der P. GmbH und der Streithelferin auferlegt. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Beschwerdegericht den Beschluss des LG aufgehoben und die Anträge der P. GmbH und ihrer Streithelferin als derzeit unbegründet zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Streithelferin hat Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
II.
Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die zu Gunsten der P. GmbH ergangene Kostengrundentscheidung entsprechend § 494a Abs. 2 ZPO sei schon deshalb aufzuheben, weil ein etwaiger Kostenerstattungsanspruch mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der P. GmbH in die Insolvenzmasse gefallen und die P. GmbH insoweit nicht mehr verfahrensbefugt sei. Der Antragsgegner habe mitgeteilt, sich zur Aufnahme des Verfahrens derzeit nicht erklären zu können und von einer Unterbrechung des selbstständigen Beweisverfahrens auszugehen. Ein Kostenantrag der P. GmbH sei derzeit nicht zulässig.
Darüber hinaus sei für eine analoge Anwendung des § 494a Abs. 2 ZPO zu Gunsten der Streithelferin kein Raum, weil eine Klageerhebung nicht in Betracht komme und auch kein entsprechender Antrag vorliege. Zwar sei eine Ausdehnung des § 494a Abs. 2 ZPO auf andere Sachverhalte nicht ausgeschlossen, hier aber nicht geboten. Für die Antragstellerin lägen dem Fall vergleichbare Hinderungsgründe vor, dass die Mängel durch den Auftragnehmer nach Beweisaufnahme beseitigt wurden. Sie habe mitgeteilt, dass sich aus den Privatgutachten Mängelbeseitigungskosten von ca. 101.000 EUR ergäben. Eine Klageerhebung sei für sie sinnlos. Darauf hinzuweisen sei auch, dass ein anerkennenswerter Grund zur Abstandnahme vom Hauptsacheprozess darin liegen könne, dass die Gegenseite vermögenslos und insolvent geworden sei.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Dieser Antrag ist zulässig. Sie ist berechtigt, diejenigen Anträge zu stellen, die auch der Antragsgegner stellen könnte, denn sie führt als Streithelferin die Beschwerde des Antragsgegners. Dieser ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens an die Stelle der P. GmbH getreten. Ein entgegenstehender Wille des Antragsgegners ist nicht erkennbar. Die Insolvenzmasse ist durch das Beschwerdeverfahren nicht nachteilig betroffen, weil das Kostenrisiko allein die Beschwerdeführerin trägt. Das Verfahren ist deshalb für die Insolvenzmasse nur günstig. Die Bedenken des Beschwerdegerichts gegen die Zulässigkeit des Kostenantrags im Hinblick auf die Insolvenz der P. GmbH sind schon deshalb unbegründet, weil das Insolvenzverfahren erst eröffnet worden ist, nachdem deren Prozessbevollmächtigter den Antrag gestellt hatte, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Über diesen Antrag kann entschieden werden, weil das Insolvenzverfahren das selbstständige Beweisverfahren nicht unterbricht (BGH, Beschl. v. 11.12.2003 - VII ZB 14/03, MDR 2004, 404 = BGHReport 2004, 405 = BauR 2004, 531 = NZBau 2004, 156 = ZfBR 2004, 268).
2. Im Ergebnis zutreffend ist die Auffassung des Beschwerdegerichts, der Antragsgegner und seine Streithelferin könnten keine Kostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 ZPO beantragen. Diese Regelung setzt voraus, dass dem Antragsteller auf Antrag des Antragsgegners nach Beendigung der Beweiserhebung eine Frist zur Klageerhebung gesetzt worden ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Beweisaufnahme ist nicht durchgeführt und der Antragstellerin ist keine Frist zur Klageerhebung gesetzt worden.
3. Zu Unrecht prüft das Beschwerdegericht nicht, ob der Antragsgegner und seine Streithelferin Erstattung ihrer im Beweisverfahren entstandenen Kosten nach § 269 Abs. 3 ZPO verlangen können. Das ist, wie das LG zutreffend entschieden hat, der Fall.
a) Die Antragstellerin hat ihren Antrag auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens mit Schriftsatz v. 20.7.2002 zurückgenommen. In diesem Schriftsatz hat sie mitgeteilt, ihr Antrag habe sich erledigt. Sie sei infolge der Verzögerung des Beweisverfahrens zur Wahrung ihrer Rechte und zur Schadensminderung gezwungen gewesen, private Sachverständige zu beauftragen. Mit deren Gutachten würden die Mängel belegt. Sie hat beantragt, der Gegenseite die Kosten aufzuerlegen.
Mit dieser Erklärung hat sie unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Beweiserhebung durch das Gericht endgültig nicht mehr wünscht. Das kann nicht anders als eine Rücknahme ihres Antrags gesehen werden. Eine einseitige Erledigungserklärung, wie sie der Antragstellerin mit dem Ergebnis vorschwebt, dass einerseits das Verfahren beendet ist, andererseits der Antragsgegner die Kosten des Beweisverfahrens zu tragen hat, ist im selbstständigen Beweisverfahren nicht zulässig. Es ist nicht möglich dem Antragsgegner, ohne ein Verfahren in der Hauptsache und ohne Zustimmung zur Erledigungserklärung die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen (BGH, Beschl. v. 12.2.2004 - V ZB 57/03, BGHReport 2004, 854 = MDR 2004, 715715). Eine mit diesem Ziel erklärte Erledigung des Verfahrens ist als Antragsrücknahme aufzufassen, wenn das Verfahren nach dem Willen des Antragstellers endgültig beendet sein soll (KG BauR 2002, 1735 [1736]).
b) Nimmt der Antragsteller seinen Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens vor der Beweiserhebung zurück, hat er in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO grundsätzlich die Kosten zu tragen. Ist kein Hauptsacheverfahren anhängig, in dem diese Kostenfolge ausgesprochen wird, und haben die Parteien sich über die Kosten nicht geeinigt, ergeht eine Kostenentscheidung auf Antrag im selbstständigen Beweisverfahren (vgl. OLG Düsseldorf BauR 2002, 350; OLG Köln v. 23.5.2001 - 3 W 27/01, OLGReport Köln 2001, 355; OLG München BauR 2001, 993; OLG Braunschweig BauR 2001, 994; Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 91 Rz. 13; Musielak/Foerste, ZPO, 3. Aufl., § 269 Rz. 23; Ingenstau/Korbion/Joussen, VOB, 15. Aufl., Anh. 4 Rz. 106; Kleine/Möller/Merl/Oelmaier, Handbuch des privaten Baurechts, 2. Aufl., § 17 Rz. 327). Der Kostenbeschluss umfasst auch die durch einen Streithelfer des Antragsgegners verursachten Kosten, die gem. §§ 269 Abs. 3 S. 2, 101 ZPO vom Antragsteller zu tragen sind (OLG München BauR 1998, 592; Siegburg, Zur Kostengrundentscheidung im selbstständigen Beweisverfahren und Hauptsacheprozess, FS für Jack Mantscheff zum 70. Geburtstag, S. 405, 407).
Für die Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO besteht ein Bedürfnis. Die Regelung des § 494a Abs. 2 ZPO erfasst den Fall der Antragsrücknahme vor der Beweiserhebung nicht. Ebenso wie in den Fällen des § 494a Abs. 2 ZPO hat der Antragsgegner ein schützenswertes Interesse an einer sofortigen Kostenentscheidung im selbstständigen Beweisverfahren (vgl. Notthoff, JurBüro 1998, 61 [62]). Der Antragsgegner kann ein Hauptsacheverfahren nicht erzwingen. Es ist in aller Regel auch offen, ob ein solches Verfahren stattfindet. Es ist jedenfalls nach Einführung des § 494a ZPO sachlich nicht zu rechtfertigen, den Antragsgegner auf einen möglichen materiellen Ausgleichsanspruch zu verweisen, zumal auch dieser sehr zweifelhaft ist und unter Umständen noch gerichtlich durchgesetzt werden müsste. Die gebotene Anwendung des § 269 Abs. 3 ZPO entspricht dem allgemeinen prozessrechtlichen Grundsatz, dass derjenige die Kosten eines Verfahrens zu tragen hat, der seinen Antrag zurücknimmt (vgl. zur vergleichbaren Rechtslage bei Zurücknahme eines Antrags auf Gerichtsstandsbestimmung: BGH, Beschl. v. 5.2.1987 - I ARZ 703/86, MDR 1987, 735).
c) Vorstehende Erwägungen gelten jedenfalls in den Fällen, in denen die Rücknahme nicht auf einem Ereignis beruht, das das Interesse des Antragstellers an der Beweiserhebung entfallen lässt. Ob in diesen Fällen eine andere Beurteilung gerechtfertigt ist (vgl. dazu OLG Hamburg v. 31.7.1997 - 9 W 16/97, MDR 1998, 242 = OLGReport Hamburg 1997, 403), kann dahin stehen. Denn die Antragstellerin hat ein Ereignis in diesem Sinn nicht geltend gemacht. Sie hat die Rücknahme damit begründet, dass sie private Gutachter eingeschaltet hat, weil das Beweisverfahren zu lange dauert. Damit entfiel nicht die Möglichkeit, den gerichtlichen Beweis zu erheben und auch nicht das rechtliche Interesse der Antragstellerin an der Durchführung eines derartigen Verfahrens. Das selbstständige Beweisverfahren dient auch dem Zweck der Prozessbeschleunigung durch Vorwegnahme der Beweisaufnahme in einem gerichtlichen Verfahren, dessen Ergebnisse gem. § 493 ZPO im Hauptsacheverfahren verwertet werden. Dieser Zweck war nicht entfallen. Die Klärungsbedürftigkeit bestand fort. Die Antragstellerin hat Vertragserfüllungsbürgschaften in Anspruch genommen und ihre vom Antragsgegner bestrittene Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet. Im Übrigen hat sie selbst darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner prüft, inwieweit noch Werklohnansprüche bestehen, denen ggü. die Antragstellerin die Mängel geltend machen würde.
Fundstellen
Haufe-Index 1261657 |
BB 2004, 2602 |
BGHR 2005, 265 |
BauR 2005, 133 |
IBR 2005, 64 |
ZAP 2005, 70 |
MDR 2005, 227 |
ZfBR 2005, 174 |
AGS 2005, 31 |
BauSV 2005, 63 |
BrBp 2005, 124 |
BrBp 2005, 38 |
GuT 2005, 28 |
NJW-Spezial 2005, 72 |
NZBau 2005, 42 |
PA 2005, 45 |
RENOpraxis 2005, 58 |
RVG-B 2005, 38 |
RVGreport 2005, 80 |
BauRB 2005, 80 |
JbBauR 2006, 397 |
Mitt. 2005, 45 |
ProzRB 2005, 187 |