Leitsatz (amtlich)

a) Ein Betreuer, der berufsbegleitend an einem Studieninstitut für kommunale Verwaltung den "Angestelltenlehrgang II" mit einem Gesamtaufwand von 1.050 Stunden und dem erfolgreichen Abschluss zum "Verwaltungsfachwirt" absolviert hat, kann seiner Vergütung nicht einen Stundensatz nach der höchsten Vergütungsstufe von 44 EUR zugrunde legen, weil seine Ausbildung nicht mit einer abgeschlossenen Hochschulausbildung i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 2 VBVG vergleichbar ist.

b) Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Abschluss zum geprüften Fachwirt im Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) mit dem Bachelor-Abschluss auf der gleichen (sechsten) Niveaustufe eingeordnet worden ist.

 

Normenkette

VBVG § 4

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Beschluss vom 20.04.2015; Aktenzeichen I-5 T 73/15)

AG Werl (Entscheidung vom 05.02.2015; Aktenzeichen 2 XVII G 294)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Arnsberg vom 20.4.2015 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zurückgewiesen.

Verfahrenswert: 187 EUR

 

Gründe

Rz. 1

Die Rechtsbeschwerde, mit der die Betreuerin die Festsetzung einer Vergütung auf Grundlage eines Stundensatzes von 44 EUR statt der vom Beschwerdegericht zuerkannten 33,50 EUR erstrebt, ist nicht begründet. Die angegriffene Entscheidung hält rechtlicher Überprüfung stand.

Rz. 2

1. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG kann der Betreuer die erhöhte Vergütung von 44 EUR pro Stunde nur beanspruchen, wenn er über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, und wenn er diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare Ausbildung erworben hat.

Rz. 3

Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, die gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG die Bewilligung einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgeblichen Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt und Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (BGH, Beschl. v. 17.9.2014 - XII ZB 684/13, FamRZ 2015, 253 Rz. 3 m.w.N.).

Rz. 4

2. Der von der Betreuerin berufsgleitend an einem Studieninstitut für kommunale Verwaltung im "Angestelltenlehrgang II" erworbene Fortbildungsabschluss zur Verwaltungsfachwirtin ist einem Hochschulabschluss rechtlich nicht gleichgestellt. Eine rechtliche Gleichstellung lässt sich insb. nicht schon daraus herleiten, dass der Abschluss zum geprüften Fachwirt im Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) mit dem Bachelor-Abschluss und dem Fachhochschuldiplom auf der gleichen Stufe eingeordnet worden ist (vgl. auch VGH Bay. Beschl. v. 15.1.2013 - 7 CE 12.2407 - juris Rz. 23 f. und Urt. v. 13.7.2015 - 7 BV 14.1507 - juris Rz. 22 f.; VG Münster Urt. v. 12.5.2014 - 4 K 3369/12 - juris Rz. 19).

Rz. 5

3. Soweit das Beschwerdegericht in tatrichterlicher Verantwortung die Vergleichbarkeit der von der Betreuerin im "Angestelltenlehrgang II" absolvierten Ausbildung mit einer Hochschulausbildung - insb. dem dreijährigen Studium an einer Fachhochschule für öffentliche Verwaltung mit dem Abschluss eines Diplom-Verwaltungswirts (FH) oder eines "Bachelor of Laws" bzw. eines "Bachelor of Arts - Allgemeine Verwaltung" - verneint hat, hält dies den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.

Rz. 6

a) Einer Hochschulausbildung vergleichbar ist eine Ausbildung, die ihr in ihrer Wertigkeit entspricht und einen formalen Abschluss aufweist. Gleichwertig ist sie, wenn sie staatlich anerkannt ist und der durch sie vermittelte Wissensstand nach Art und Umfang dem eines Hochschul- oder Fachhochschulstudiums entspricht. Als Kriterien hierfür können insb. der mit der Ausbildung verbundene Zeitaufwand, Umfang und Inhalt des Lehrstoffes und die Zulassungsvoraussetzungen herangezogen werden. Bei der Prüfung der Vergleichbarkeit hat der Tatrichter strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. BGH v. 18.1.2012 - XII ZB 409/10, FamRZ 2012, 629 Rz. 11 f.; v. 4.4.2012 - XII ZB 447/11, NJW-RR 2012, 774 Rz. 16).

Rz. 7

b) § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG knüpft als Quelle für den Erwerb von vergütungserhöhenden besonderen Kenntnissen ausschließlich an den typisierten Ausbildungsgang an. Mit dem nach der Art der Ausbildung gestaffelten Stundensatz wollte der Gesetzgeber den Gerichten eine leicht zu handhabende Regelung zur Verfügung stellen und auf diese Weise eine einheitliche Vergütungspraxis sichern. Wortlaut und Zweck der Vorschrift stehen deshalb auch einer Gesamtbetrachtung dahin entgegen, dass mehrere Ausbildungen und Fortbildungsmaßnahmen insgesamt einer Hochschulausbildung vergleichbar sind. Der Senat hat vor diesem Hintergrund mehrfach entschieden, dass eine an die berufliche Ausbildung anschließende berufliche Fortbildung nicht schon deshalb mit einer (Fach-)Hochschulausbildung vergleichbar ist, weil die durch den Fortbildungsabschluss nachgewiesenen Kenntnisse und Fähigkeiten im Tarifrecht des öffentlichen Dienstes nach den konkreten Einzelfallumständen die Eingruppierung eines Angestellten in eine dem gehobenen Dienst entsprechende Vergütungsgruppe rechtfertigen können (vgl. BGH v. 30.10.2013 - XII ZB 23/13, FamRZ 2014, 117 Rz. 16; v. 4.4.2012 - XII ZB 447/11, NJW-RR 2012, 774 Rz. 20 f.).

Rz. 8

Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung des von der Rechtsbeschwerde besonders herausgehobenen Umstands fest, dass die Abschlüsse des geprüften Fachwirts und des Bachelors im DQR auf der gleichen (sechsten) Niveaustufe verortet worden sind.

Rz. 9

Der am 1.5.2013 eingeführte DQR ist die nationale Umsetzung des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR), mit dem nationale Qualifikationen europaweit besser verständlich gemacht werden sollen. Die im deutschen Bildungssystem erworbenen Qualifikationen ordnet der DQR in acht Niveaus ein, die ihrerseits den acht Niveaus des EQR zugeordnet werden können.

Rz. 10

Eine Einordnung in die sechste Niveaustufe, dem der geprüfte Fachwirt, der Fachschulabsolvent und der Bachelor/Fachhochschulabsolvent - aber auch der geprüfte Meister - zugeordnet sind, setzt auf der Ebene der Fachkompetenz (Wissen) ein "breites und integriertes Wissen einschließlich der wissenschaftlichen Grundlagen, der praktischen Anwendung eines wissenschaftlichen Faches sowie eines kritischen Verständnisses der wichtigsten Theorien und Methoden (entsprechend der Stufe 1 [Bachelor-Ebene] des Qualifikationsrahmens für Deutsche Hochschulabschlüsse)" oder aber "ein breites und integriertes berufliches Wissen einschließlich der aktuellen fachlichen Entwicklungen" voraus. Die für die Einstufung eines nationalen Abschlusses in eine bestimmte Niveaustufe tragenden Erwägungen sind im DQR nicht im Einzelnen offengelegt, weil sich der DQR insoweit auf den Hinweis beschränkt, dass die Zuordnung nach "dem Konsensprinzip im Arbeitskreis DQR" erfolgt (vgl. auch VG Münster Urt. v. 12.5.2014 - 4 K 3369/12 - juris Rz. 22).

Rz. 11

Schon daraus erschließt sich, dass sich aus der Einordnung eines Abschlusses in die sechste Niveaustufe des DQR - unabhängig von der rechtlichen Unverbindlichkeit des DQR - keine besonderen Erkenntnisse für die im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG zu beurteilende Frage gewinnen lassen, ob in der zum Abschluss führenden Ausbildung eine der Hochschul- oder Fachhochschulausbildung nach Art und Umfang entsprechende Wissensvermittlung stattgefunden hat.

Rz. 12

c) Gemessen daran vermag die Rechtsbeschwerde keine durchgreifenden Rechtsfehler bei der Ermessensentscheidung des Beschwerdegerichts aufzuzeigen. Das Beschwerdegericht konnte seine Ermessensentscheidung rechtsfehlerfrei schon darauf stützen, dass der von ihm festgestellte Zeitaufwand von 1.050 Stunden für die Fortbildung im "Angestelltenlehrgang II" deutlich hinter dem Zeitaufwand für ein Fachhochschulstudium mit einer Regelstudienzeit von sechs Semestern zurückbleibt.

Rz. 13

4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 8731808

EBE/BGH 2015

FamRZ 2016, 119

FuR 2016, 104

NJW-RR 2016, 8

BtPrax 2016, 32

JZ 2015, 699

MDR 2015, 1446

Rpfleger 2016, 225

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