Leitsatz (amtlich)
a) Wurde in einer nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht ergangenen Entscheidung über den Versorgungsausgleich eine Betriebsrente gem. § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG nur zum Teil ausgeglichen, findet hinsichtlich des nicht ausgeglichenen Teils nicht das Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG statt, sondern ist insoweit der Ausgleich nach der Scheidung gem. §§ 20 ff. VersAusglG eröffnet und vorrangig (im Anschluss an BGH BGHZ 198, 91 = FamRZ 2013, 1548; v. 25.6.2014 - XII ZB 410/12, FamRZ 2014, 1614).
b) In diesem Verfahren ist auch zu klären, ob und inwiefern ein bei der Scheidung durch Vergleich vereinbarter Verzicht auf den weitergehenden Ausgleich der Betriebsrente wirksam ist.
Normenkette
VersAusglG § 51 Abs. 3-4
Verfahrensgang
OLG Hamm (Beschluss vom 19.12.2012; Aktenzeichen II-5 UF 35/12) |
AG Iserlohn (Entscheidung vom 11.01.2012; Aktenzeichen 152 F 134/11) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Senats für Familiensachen des OLG Hamm vom 19.12.2012 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Wert: 3.237 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die Beteiligten sind geschiedene Ehegatten. Ihre im Mai 1971 geschlossene Ehe wurde auf den im März 1999 zugestellten Scheidungsantrag durch Verbundurteil vom 1.12.2000 geschieden, in dem auch der Versorgungsausgleich geregelt wurde.
Rz. 2
Beide Ehegatten hatten ehezeitliche Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, der Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann) außerdem statische Anrechte auf eine Werkspension und die Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) Anwartschaften aus einer privaten Rentenversicherung. Im Scheidungstermin schlossen die Ehegatten einen Vergleich, in dem der Ehemann auf die Einbeziehung der privaten Rentenversicherung der Ehefrau und diese "auf eine Übertragung von Rentenanwartschaften i.H.v. 6,52 DM aus der Betriebsrente des Antragstellers" verzichteten. Bei dem Betrag von 6,52 DM handelte es sich um die Differenz des hälftigen mit Hilfe der seinerzeit gültigen Barwertverordnung ermittelten volldynamischen Ausgleichswerts von 94,72 DM zu dem seinerzeit gültigen Höchstbetrag gem. § 1587b Abs. 3 BGB i.V.m. § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG von 88,20 DM. Dieser Betrag wurde der Ehefrau neben dem Ausgleich von Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung zum Ausgleich der Betriebsrente des Ehemanns im Weg des erweiterten Splittings nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG übertragen.
Rz. 3
Im vorliegenden Verfahren hat die Ehefrau die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich gem. § 51 Abs. 3 VersAusglG beantragt. Sie hat sich darauf berufen, dass die Betriebsrente des Ehemanns auf verfassungswidrige Weise zu niedrig bewertet worden sei. Die seinerzeit mit jährlich 19.130,16 DM in den Versorgungsausgleich eingeflossene Betriebsrente belaufe sich im Jahr 2009 auf 20.790,48 EUR, was nunmehr zu korrigieren sei. Außerdem sei der Ehezeitanteil unzutreffend ermittelt worden. Die Abänderung sei durch den gerichtlichen Vergleich nicht ausgeschlossen, da es sich aus damaliger Sicht auf beiden Seiten um Bagatellbeträge gehandelt habe.
Rz. 4
Das AG hat den Abänderungsantrag zurückgewiesen. Die von der Ehefrau eingelegte Beschwerde ist vom OLG zurückgewiesen worden. Dagegen wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde, mit welcher die Ehefrau ihren Abänderungsantrag weiterverfolgt.
II.
Rz. 5
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Rz. 6
1. Nach Auffassung des OLG liegen die Voraussetzungen einer wesentlichen Wertänderung nach § 51 VersAusglG nicht vor. Eine Abänderung nach § 51 Abs. 3 VersAusglG sei gem. § 51 Abs. 4 VersAusglG ausgeschlossen, wenn für ein Anrecht nach einem Teilausgleich gem. § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG noch schuldrechtliche Ausgleichsansprüche nach den §§ 20 bis 26 VersAusglG geltend gemacht werden könnten. Durch den Vorrang der Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung erübrige sich in diesen Fällen der Aufwand einer vollständig neuen Ausgleichsentscheidung im Weg der Abänderung. Diese würde es erforderlich machen, wegen der fehlerhaften Bewertung eines einzelnen Anrechts den gesamten bereits entschiedenen öffentlich-rechtlichen Wertausgleich neu aufzurollen, während die Ausgleichsansprüche nach der Scheidung nur das einzelne Anrecht beträfen. Eine Totalrevision nach den §§ 51, 52 VersAusglG würde daher gegenüber einem Verfahren über Ausgleichsansprüche nach der Scheidung zu einem vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Mehraufwand führen. Ob Ausgleichsansprüche nach der Scheidung durch den von den Ehegatten geschlossenen Vergleich ausgeschlossen seien, sei im Verfahren nach §§ 20 ff. VersAusglG zu prüfen.
Rz. 7
Eine Wertänderung der in den Versorgungsausgleich einbezogenen Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 51 Abs. 2 VersAusglG sei nicht dargetan.
Rz. 8
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Rz. 9
a) Die Abänderung einer Entscheidung über einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich, die nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht getroffen worden ist, ist gem. § 51 Abs. 3 Satz 1 VersAusglG auch dann zulässig, wenn sich bei Anrechten der berufsständischen, betrieblichen oder privaten Altersvorsorge (§ 1587a Abs. 3 oder 4 BGB) der vor der Umrechnung ermittelte Wert des Ehezeitanteils wesentlich von dem dynamisierten und aktualisierten Wert unterscheidet. Durch die Regelung soll die Abänderung von nach bisherigem Recht erzielten Ergebnissen ermöglicht werden, die eine angemessene Teilhabe verfehlten und im Hinblick auf Betriebsrenten insb. auf einer sich aus der Umwertung (Dynamisierung) nach der Barwert-Verordnung ergebenden Wertverzerrung beruhten (BT-Drucks. 16/10144, 88 f.).
Rz. 10
Eine Abänderung nach § 51 Abs. 3 ist hingegen gem. § 51 Abs. 4 VersAusglG ausgeschlossen, wenn für das Anrecht nach einem Teilausgleich gem. § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG noch Ausgleichsansprüche nach der Scheidung gemäß den §§ 20 bis 26 VersAusglG geltend gemacht werden können. Im Fall eines Teilausgleichs nach § 3b VAHRG ist es gem. § 20 Abs. 1 VersAusglG auch nach neuem Recht möglich, hinsichtlich des noch nicht einbezogenen Teils Ausgleichsansprüche nach der Scheidung geltend zu machen. Dabei wird der zum Teil ausgeglichene Betrag nach § 53 VersAusglG entsprechend seiner tatsächlichen Entwicklung in der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet (vgl. BT-Drucks. 16/10144, 90).
Rz. 11
Im Gegensatz zu einer Entscheidung über die gesamten ausgleichsreifen Versorgungsanrechte der Ehegatten, die dann auch übersehene, vergessene oder verschwiegene Anrechte erfasst (vgl. BGH BGHZ 198, 91 = FamRZ 2013, 1548 Rz. 23 ff.), handelt es sich hier um eine bewusste Teilentscheidung, die für den noch nicht von ihr erfassten Teil den Ausgleich nach der Scheidung gem. §§ 20 ff. VersAusglG nicht ausschließt (vgl. BGH v. 25.6.2014 - XII ZB 410/12, FamRZ 2014, 1614 Rz. 11 ff.).
Rz. 12
b) Nach diesen Maßstäben scheidet im vorliegenden Fall eine Abänderung nach § 51 Abs. 3 VersAusglG aus.
Rz. 13
Das OLG ist zu Recht davon ausgegangen, dass durch die Regelung des Versorgungsausgleichs im Scheidungsurteil der schuldrechtliche Ausgleich nach der Scheidung (ebenso wie der schuldrechtliche Versorgungsausgleich nach früherer Rechtslage) nicht ausgeschlossen worden ist. Daher bedarf es zur Anpassung an die geänderte Bewertung der Betriebsrente des Ehemanns einer Abänderung der im Scheidungsurteil enthaltenen Entscheidung über den Versorgungsausgleich nicht. Nach der vom Gesetzgeber in § 51 Abs. 4 VersAusglG bewusst getroffenen Entscheidung ist der Ausgleich nach der Scheidung insoweit vorrangig.
Rz. 14
Ob für einen Ausgleich nach der Scheidung noch Raum ist, richtet sich daher auch nicht nach der Ursprungsentscheidung über den Versorgungsausgleich, sondern nach dem von den Ehegatten geschlossenen Vergleich. Dieser unterliegt als solcher weder einer Abänderung nach § 51 VersAusglG noch bedarf er einer solchen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde dient das Abänderungsverfahren nach § 51 Abs. 3 VersAusglG auch nicht dazu, einen wirksam vereinbarten Ausschluss des (schuldrechtlichen) Ausgleichs nach der Scheidung zu korrigieren. Ob die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nach der Scheidung durch den Vergleich ausgeschlossen ist, hat das OLG demnach zu Recht offen gelassen. Denn Fragen des Inhalts und der Bindungswirkung des Vergleichs sind im Verfahren nach §§ 20 ff. VersAusglG zu klären.
Fundstellen
Haufe-Index 7940109 |
NJW 2015, 6 |
EBE/BGH 2015 |
FamRZ 2015, 1100 |
FuR 2015, 3 |
FuR 2015, 464 |
NJW-RR 2015, 1220 |
DNotZ 2015, 779 |
JZ 2015, 339 |
MDR 2015, 710 |
NJW-Spezial 2015, 486 |
NZFam 2015, 677 |