Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlung einer Abfindung nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz
Leitsatz (amtlich)
Der Grundsatz, daß der Erbe eines Land- und Inventareinbringers, der selbst LPG-Mitglied ist oder wird, in die genossenschaftliche Stellung des Erblassers einrückt und daß ihm dessen Mitgliedszeit bei der Berechnung der sachbezogenen Abfindungsansprüche angerechnet wird, gilt auch im Falle der Einzelrechtsnachfolge im Wege vorweggenommener Erbfolge.
Normenkette
LwAnpG § 44 Abs. 1 Nr. 2; LPGG § 45 Abs. 3
Verfahrensgang
OLG Dresden (Aktenzeichen WLw 793/97) |
AG Bautzen (Aktenzeichen 2 XV 194/95) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde und die Anschlußrechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Landwirtschaftssenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. April 1999 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten der Rechtsbeschwerde einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten tragen die Antragsgegnerin 94/100 und der Antragsteller 6/100.
Der Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 168.176,48 DM.
Gründe
I.
Die Großmutter des Antragstellers war Mitglied der LPG „P. M.” C., die später in der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin aufging. Sie brachte im Jahre 1959 den überwiegenden Teil des landwirtschaftlichen Betriebes ihres Ehemannes, der kein LPG-Mitglied war, in die LPG ein. Ihr Ehemann verstarb im selben Jahr und wurde von ihr sowie den gemeinsamen drei Kindern beerbt.
Am 1. April 1987 trat der Antragsteller in die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin ein. Da er als einziges Familienmitglied willens und in der Lage war, den Betrieb in der LPG weiter zu bewirtschaften, verkaufte die Erbengemeinschaft ihm mit notariellen Vertrag vom 10. September 1987 das landwirtschaftliche Anwesen. Als Kaufpreis war ein Betrag von 5.300 Mark/DDR genannt. Ferner gewährte der Antragsteller seiner Großmutter und seiner Mutter das lebenslängliche und mietfreie Wohnrecht auf dem Hof. Der Vertrag wurde am 15. Dezember 1987 nach der Grundstückverkehrsverordnung genehmigt. Am 1. Februar 1988 wurde der Antragsteller als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.
Mit Schreiben vom 21. Januar 1991 erklärte der Antragsteller gegenüber der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin die Kündigung seiner Mitgliedschaft. Der Betrieb war ihm Ende 1990 zurückgegeben worden.
Der Antragsteller erhielt von der Rechtsvorgängerin den Pflichtinventarbeitrag in Höhe von 9.437,50 DM zurück. An die Erbengemeinschaft zahlte die Antragsgegnerin eine Barabfindung von 30.907,40 DM.
Der Antragsteller ist der Auffassung, ihm stünden noch Ansprüche auf Boden- und Inventarverzinsung sowie auf Wertschöpfung aus Arbeit zu. Seinem Antrag auf Zahlung von 168.176,48 DM hat das Landwirtschaftsgericht entsprochen. Das Oberlandesgericht hat diese Entscheidung in Höhe von 158.304,40 DM aufrechterhalten. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihr Ziel, keine weiteren Zahlungen leisten zu müssen, weiter. Der Antragsteller begehrt mit der Anschlußrechtsbeschwerde die Wiederherstellung der Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts.
II.
Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, dem Antragsteller stünden nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 LwAnpG Abfindungsansprüche für den gesamten Zeitraum von der Einbringung des landwirtschaftlichen Betriebes in die LPG bis zur Rückgabe der Flächen und Rückzahlung des Inventarbeitrages zu. Er sei nämlich durch den notariellen Vertrag vom 10. September 1987 in vollem Umfang genossenschaftsrechtlich in die Rechtsstellung seiner Großmutter als Inventar- und Landeinbringerin eingetreten. Bei der Berechnung der Ansprüche geht es auf der Grundlage zweier Sachverständigengutachten von einem abfindungsrelevanten Eigenkapital der Antragsgegnerin zum Umwandlungsstichtag von 16.670.688 DM aus. Daß das Eigenkapital in der Umwandlungsbilanz der Antragsgegnerin höher (20.648.223,81 DM) festgestellt und testiert worden war, hält es für unbeachtlich.
III.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerden stand.
1. Zur Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin
a) Das Beschwerdegericht geht – wie auch die Beteiligten – davon aus, daß die Großmutter des Antragstellers als Land- und Inventareinbringerin anzusehen war, obwohl der landwirtschaftliche Betrieb ursprünglich ihrem Ehemann gehört hatte. Das begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
b) In diese Rechtsstellung ist der Antragsteller durch den notariellen Überlassungsvertrag vom 10. September 1987 eingetreten mit der Folge, daß ihm Boden- und Inventarverzinsungsansprüche für die gesamte Zeit der genossenschaftlichen Nutzung des landwirtschaftlichen Betriebes zustehen.
aa) Die nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 LwAnpG geschuldete Nutzungsvergütung knüpft – wie der Senat mehrfach entschieden hat (vgl. Beschl. v. 4. November 1994, BLw 47/94, AgrarR 1995, 25, 26; BGHZ 139, 394, 396 f) – nicht an die Person des Anspruchsberechtigten an, sondern an den eingebrachten Sachwert und die damit verbundene Nutzungsmöglichkeit. Die Beteiligungsansprüche aus der Inventarbeitragsverzinsung und der Bodennutzungsvergütung stehen dem zu, dem auch der Inventarbeitrag zusteht. Abzustellen ist daher darauf, wer am Stichtag als Landeinbringer anzusehen ist, also die sich aus der Mitgliedschaft ergebende genossenschaftliche Rechtsstellung in bezug auf den eingebrachten Boden und den Inventarbeitrag inne hat. Da § 45 Abs. 3 Satz 1 LPGG vorsieht, daß der Erbe eines Land- und Inventareinbringers, der selbst LPG-Mitglied ist oder wird, in die genossenschaftliche Stellung des Erblassers einrückt, wird ihm dessen Mitgliedszeit bei der Berechnung der sachbezogenen Abfindungsansprüche angerechnet, und zwar auch dann, wenn er zusammen mit Nichtmitgliedern geerbt hat (§ 45 Abs. 3 Satz 2 LPGG; vgl. Senatsbeschl. v. 4. November 1994, BLw 47/94, aaO). Dasselbe gilt für Familienangehörige von Erben, wenn sie, im Gegensatz zu den Erben, LPG-Mitglieder sind oder werden (§ 45 Abs. 3 Satz 3 LPGG). Wäre somit im Jahre 1987 der Erbfall eingetreten, so hätte der Antragsteller als Erbe oder als Familienangehöriger eines genossenschaftlich nicht gebundenen Erben seiner Großmutter als Land- und Inventareinbringer nachfolgen können.
bb) Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall der Einzelrechtsnachfolge. Denn nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts sollte durch den notariellen Überlassungsvertrag die Nachfolge hinsichtlich des Hofes, dem Muster des § 45 Abs. 3 LPGG entsprechend, vorweggenommen werden. Dem Antragsteller sollte dieselbe Rechtsstellung eingeräumt werden. Das lag sowohl in seinem Interesse und im Interesse der Erbengemeinschaft als auch im Interesse der Rechtsvorgänger der Antragsgegnerin, für die auf diese Weise sichergestellt war, daß der Betrieb zweckentsprechend weitergeführt wurde (vgl. Zänker, in: Autorenkollektiv, Bodenrecht, 1989, Kapitel 10.5.1.3.). So ist es nur folgerichtig, daß der Betrieb in der LPG unter dem Namen des Antragstellers geführt wurde, nicht mehr unter dem seiner Großmutter, der ursprünglichen Land- und Inventareinbringerin. Ihm wurde er gutgeschrieben, ohne daß er selbst Land oder Inventar eingebracht hatte. Daß die der Barabfindung durch die Antragsgegnerin vorausgegangene „Vereinbarung” vom 19. September 1992 nicht zwischen der Antragsgegnerin und dem Antragsteller, sondern zwischen ihr und der Erbengemeinschaft geschlossen wurde, steht – anders als die Rechtsbeschwerde meint – der Würdigung des Beschwerdegerichts nicht entgegen. Zum einen lassen sich aus einem Vorgang im Jahre 1992 ohnehin nur sehr begrenzt Rückschlüsse auf Inhalt und Tragweite des Überlassungsvertrages im Jahre 1987 ziehen. Zum anderen war der Antragsteller an dieser Vereinbarung nicht beteiligt. Auf sein Verhalten kommt es aber nicht weniger an als auf das der Erbengemeinschaft.
c) Der vom Antragsteller geltend gemachten mitgliedschaftlichen Stellung steht auch nicht eine Unwirksamkeit des notariellen Überlassungsvertrages entgegen. Das Beschwerdegericht hat zutreffend eine Nichtigkeit des Vertrages nach § 68 Nr. 2 ZGB verneint. Daß die Parteien mit der Vereinbarung eines Kaufpreises von 5.300 Mark/DDR die Schenkungssteuer umgehen wollten und den übereinstimmenden Willen hatten, den Kaufpreis nicht zu bezahlen bzw. zu fordern, stellt keinen Umstand dar, der die Anwendung dieser Norm rechtfertigt. Voraussetzung ist eine Unvereinbarkeit mit den Grundsätzen der sozialistischen Moral, d.h. eine „gröblichste” Verletzung dieser Grundsätze (vgl. Kommentar zum Zivilgesetzbuch der DDR, herausgegeben vom Ministerium der Justiz, 1985, § 68 Anm. 1.2.2.). Dies hat das Beschwerdegericht mit zutreffenden Erwägungen verneint.
Eine Nichtigkeit nach § 66 Abs. 2 ZGB wird von der Rechtsbeschwerde nicht geltend gemacht. Sie kommt nach den getroffenen Feststellungen auch nicht in Betracht, da die beurkundete Vereinbarung des Kaufpreises gewollt war und der übereinstimmende Wille, ihn nicht zu fordern bzw. zu bezahlen, nicht zum Vertragsinhalt gemacht werden sollte.
d) Der Höhe nach greift die Rechtsbeschwerde die Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht an. Rechtsfehler sind auch nicht ersichtlich. Insbesondere hat das Beschwerdegericht nicht verkannt, daß nur die Ansprüche nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 LwAnpG die gesamte Zeit der genossenschaftlichen Nutzung des landwirtschaftlichen Betriebes erfassen können, während der Anspruch nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 LwAnpG (Arbeitsvergütung) lediglich die Zeit der Mitgliedschaft des Antragstellers berücksichtigt.
2. Zur Anschlußrechtsbeschwerde des Antragstellers
Die Auffassung des Beschwerdegerichts, daß es bei der Ermittlung des abfindungsrelevanten Kapitals nicht an das in der Umwandlungsbilanz ausgewiesene Kapital gebunden ist, entspricht der Rechtsprechung des Senats. Ziel dieser Ermittlung ist es, den Anspruch des ausgeschiedenen Mitglieds auf den seinem Anteil entsprechenden Vermögenswert an der früheren LPG zu bestimmen. Maßgeblich ist dafür der tatsächliche Wert, der Verkehrswert aller Vermögensgegenstände abzüglich der Verbindlichkeiten der LPG. Dabei ist zwar von der Bilanz auszugehen (§ 44 Abs. 6 LwAnpG); die bilanzierten Werte können aber – als Mindesteigenkapital – der Berechnung nur dann zugrunde gelegt werden, wenn keine entgegenstehenden Anhaltspunkte vorhanden sind. Gibt es hingegen Zweifel, muß der Wert unter Heranziehung eines landwirtschaftlichen Sachverständigen und/oder eines Wirtschaftsprüfers ermittelt werden (vgl. zu allem BGHZ 138, 371, 380 ff; 139, 394, 398 ff, jew. m.w.N.).
Diese Grundsätze gelten nicht nur, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß das in der Umwandlungsbilanz ausgewiesene Eigenkapital zu gering bemessen wurde, sondern auch für den umgekehrten Fall, daß es möglicherweise zu hoch angesetzt worden ist. Der Abfindungsberechtigte hat nur einen Anspruch auf Beteiligung an dem richtig ermittelten Eigenkapital der Genossenschaft, nicht an einem fälschlich zu hoch bemessenen Wert. Ob die Antragsgegnerin – worauf der Antragsteller die Anschlußrechtsbeschwerde stützt – an den gesellschaftsrechtlichen Akt der Feststellung der Umwandlungsbilanz gebunden ist und ihn nicht mehr angreifen kann, ist dafür ohne Belang (vgl. BGHZ 138, 371, 381 f). Es geht bei der Berechnung des Abfindungsanspruchs nicht um die Wirksamkeit oder den Fortbestand dieses Aktes. Es wird auch nicht – wie das Beschwerdegericht zutreffend dargelegt hat – in die Rechte der anderen ehemaligen LPG-Mitglieder eingegriffen. Es geht allein um die wertmäßige Berechnung des dem Antragsteller zustehenden Anteils, der für die Höhe des Abfindungsanspruchs maßgeblich ist. Daher ist auch die Rüge der Rechtsbeschwerde unbegründet, die anderen LPG-Mitglieder hätten als materiell Betroffene an dem Verfahren formell beteiligt werden müssen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44, 45 LwVG.
Unterschriften
Wenzel, Vogt, Krüger
Fundstellen
Haufe-Index 541131 |
BGHR |
FamRZ 2000, 1572 |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 2001, 50 |
WM 2000, 1760 |
AgrarR 2001, 21 |
NJ 2000, 607 |
RdL 2000, 243 |
ZErb 2000, 203 |
OVS 2000, 348 |