Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Beschwerde nach § 17a Abs. 4 S. 4 GVG als Rechtsbeschwerde i.S.v. §§ 575 ff. ZPO. Meistbegünstigungsprinzip. Zweifel an Rechtsmitteleinlegung aufgrund Fehler der anzufechtenden Entscheidung. Franchisenehmer als Arbeitnehmer
Leitsatz (amtlich)
a) Die nach § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG zum Bundesgerichtshof führende Beschwerde ist als Rechtsbeschwerde im Sinne der §§ 575 ff. ZPO zu behandeln.
b) Das Meistbegünstigungsprinzip kommt immer dann zur Anwendung, wenn für den Rechtsmittelführer eine Unsicherheit, das einzulegende Rechtsmittel betreffend, besteht, sofern diese auf einem Fehler oder einer Unklarheit der anzufechtenden Entscheidung beruht.
c) Zur Arbeitnehmereigenschaft eines Franchisenehmers.
Normenkette
GVG § 17 a Abs. 4 S. 4
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. März 2002 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 4.280,68 EUR.
Tatbestand
I.
Die Parteien schlossen am 6. März 1998 einen schriftlichen Franchisevertrag. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 1.
Grund und Zweck
1. Der Franchise-Geber „V.” hat ein Ladensystem entwickelt, das sogenannte „V.”-System, und betreibt selbst oder durch Dritte Geschäfte unter Verwendung dieses Ladensystems in der Bundesrepublik Deutschland.
2. Das „V.”-System ist ein umfassendes Ladensystem zur Abgabe einer bestimmten Auswahl von einheitlichen Qualitätsprodukten an den Endverbraucher, wobei auf schnelle und höfliche Bedienungen in einem sauberen, zweckdienlichen Ladengeschäft besonderer Wert gelegt wird.
…
§ 2.
Gegenstand des Vertrages
1.Der Franchise-Geber gewährt dem Franchise-Nehmer das Recht,
a) einen Laden nach dem „V.”-System einzurichten und zu führen und zwar in H. …
…
§ 4.
Pflichten des Franchise-Nehmers
1. Der Franchise-Nehmer ist verpflichtet, das ihm nach § 2 Abs. 1 dieses Vertrages zustehende Recht nur im eigenen Namen und für eigene Rechnung auszuüben und anzuwenden. Der Franchise-Nehmer hat die vorstehend genannten Rechte mit der erforderlichen Sorgfalt selbst und unter persönlichem Einsatz in vollem Umfang auszuüben.
2. Der Franchise-Nehmer erkennt an, daß das gesamte „V.”-System vollinhaltlich für den Betrieb des Ladens nach diesem Vertrag erforderlich und unabdingbar ist. Dies gilt insbesondere für die jeweiligen von dem Franchise-Geber festgelegten Artikel und Rezepte, die Einheitlichkeit des Sortiments, das Verfahren bei der Befüllung der Behälter, die Anweisung, in welchem Behälter welches Produkt hineingefüllt wird, sowie die Einheitlichkeit der Einrichtung und Ausstattung des Ladens und die Richtlinien im Hinblick auf die Bedienung der Kunden.
Der Franchise-Nehmer verpflichtet sich, das „V.”-System anzuwenden und die entsprechenden Grundsätze und Richtlinie zu beachten.
Hierbei gilt folgendes:
a) Der Laden muß immer in sauberer und zweckmäßiger Weise entsprechend den vorgeschriebenen Qualitäts-, Bedienungs- und Reinlichkeitsbestimmungen und Richtlinien, in Übereinstimmung mit den von dem Franchise-Geber aufgestellten Geschäftsrichtlinien, Praktiken und Verfahren geführt werden.
Im Laden müssen und dürfen nur die vom Franchise-Geber bestimmten Produkte und Artikel vertrieben werden. Die Baulichkeiten, die Ladeneinrichtung und, soweit vorhanden, der Kundenparkplatz und der Außenbereich (Umgriff) sind in gutem, sauberem, zweckmäßigem, gut beleuchtetem Zustand entsprechend den von dem Franchise-Geber festgelegten Maßstäben und Richtlinien zu halten.
b) Auf eigene Rechnung hat der Franchise-Nehmer Ladeneinrichtung, Regale, Fässer und Behälter und sonstige Ausstattung, entsprechend den Richtlinien des Franchise-Gebers festgelegten oder gebilligten Layouts, zu erwerben und auf Anforderung des Franchise-Gebers den Einbau unverzüglich vorzunehmen. Soweit der Franchise-Geber über vorgezeichnete Gegenstände Verträge abgeschlossen hat, verpflichtet sich der Franchise-Nehmer, in diese unter Entlassung des Franchise-Gebers einzutreten.
c) Ebenfalls auf eigene Rechnung hat der Franchise-Nehmer die Baulichkeiten des Ladens und die Einrichtung in Übereinstimmung mit den vorgegebenen Bauzeichnungen und Einrichtungs- und Layoutplänen des „V.”-Systems zu erhalten und etwaige Änderungen dieser Bestimmungen und Pläne durch den Franchise-Geber durchzuführen, soweit sie dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit entsprechen und dem Erhalt der Corporate Identity dienen.
d) Der Franchise-Nehmer darf nicht ohne vorherige ausdrückliche Zustimmung durch den Franchise-Geber die Baulichkeiten des Ladens, die Einrichtung und, soweit ein Parkplatz und/oder Außenbereich (Umgriff) vorhanden, dessen Ausgestaltung verändern.
…
g) Der Franchise-Nehmer hat den Laden unter Einhaltung der gesetzlichen Ladenöffnungszeiten so lange wie möglich geöffnet zu halten. Dabei kann sich der Franchise-Nehmer an den örtlichen Gepflogenheiten orientieren.
h) Der Franchise-Nehmer hat dafür Sorge zu tragen, daß seine Arbeitnehmer während der Arbeitzeit im Laden ordentlich gekleidet sind, weder rauchen noch Alkohol konsumieren, gepflegt und sauber aussehen und daß die Kunden vom Personal sachkundig und höflich bedient werden.
…
j) Der Franchise-Nehmer ist gegenüber dem Franchise-Geber verpflichtet, Dritten alle berechtigten Forderungen im Hinblick auf den Kauf von Zubehör, Anlagen der Außenwerbung, Einrichtungsgegenständen, Verpackungsmittel sowie sonstigen Produkten entsprechend den jeweiligen Zahlungsbedingungen unverzüglich zu befriedigen.
…
3. Der Franchise-Geber ist berechtigt, den Laden des Franchise-Nehmers zu angemessenen Zeiten zu überprüfen, um sicherzustellen, daß der Betrieb des Ladens durch den Franchise-Nehmer den Grundsätzen, Maßstäben und Richtlinien des „V.”-Systems entspricht.
4.a) Spätestens am 10. Werktag eines jeden Monats hat der Franchise-Nehmer dem Franchise-Geber einen Bericht über den Umsatz des Franchise-Nehmers, unter Verwendung der vom Franchise-Geber überlassenen Formulare, für den unmittelbar vorangegangenen Kalendermonat zu übermitteln.
b) Spätestens am 15. eines jeden Kalendermonats hat der Franchise-Nehmer dem Franchise-Geber einen Bericht über den Betrieb, und zwar im Hinblick auf die betrieblichen Vorgänge und statistischen Angaben des Ladens, insbesondere über Vorkommnisse und andere mitteilungswerten Umstände des vorangegangenen Kalendermonats zu übermitteln, und zwar in einem vom Franchise-Geber zur Verfügung gestellten Formular.
c) Weiterhin hat der Franchise-Nehmer dem Franchise-Geber seine jeweiligen Umsatzsteuervoranmeldungen, vorläufige und rechtskräftige Umsatzsteuerbescheide unverzüglich in Kopie zu übersenden.
d) Der Franchise-Nehmer hat vollständige und umfassende Aufzeichnungen hinsichtlich der erzielten Bruttoeinkünfte anzufertigen und diese mindestens fünf Jahre aufzubewahren. Außerdem hat der Franchise-Nehmer dem Franchise-Geber auf Verlangen in der von dem Franchise-Geber nach billigem Ermessen geforderten Art und Weise alle sonstigen Auskünfte über den Betrieb, die Betriebsführung und die finanzielle und wirtschaftliche Lage des Betriebes zu übermitteln.
Hierfür wird die Form einer Buchführung (Journal, Konten) akzeptiert.
…
7. Der Franchise-Nehmer ist verpflichtet, die vorherige ausdrückliche schriftliche Zustimmung des Franchise-Gebers einzuholen, wenn er die Geschäftseinrichtung nicht von einem ihm vom Franchise-Geber benannten Lieferanten beziehen will.
…
In der jeweils gültigen Preisliste (Ordersatz oder Bestelllisten) erhält der Franchise-Nehmer das Sortiment, das ihm zur Verfügung steht und worüber er sein eigenes Sortiment gestalten kann.
Ein Teil dieser Waren gehört zum Kern- bzw. Stammsortiment. Diese Artikel werden vom Franchise-Geber gesondert gekennzeichnet. Dieses Kern- bzw. Stammsortiment gehört zur grundlegenden Idee des „V.”-Franchise-Systems und wird laufend durch Werbung forciert werden. Aus diesem Grunde heraus müssen diese Artikel von jedem Franchise-Nehmer in ihren Ladengeschäften geführt werden. Der sonstige Artikelstamm steht den Franchise-Nehmern frei zur Verfügung.
8. Der Franchise-Nehmer ist in der Gestaltung der Endverkaufspreise frei. Der Franchise-Nehmer erhält jedoch vom Franchise-Geber Kalkulationshilfen. Außerdem sind die vom Franchise-Geber vorgeschlagenen Kalkulationshilfen so zu gestalten, daß für den Franchise-Nehmer ein wirtschaftliches Betreiben des Ladengeschäfts möglich ist.
§ 5.
Werbung und Absatzförderung
1. Der Franchise-Geber hat Werbeprogramme für das „V.”-System für regionale und überregionale Werbung von Werbefachleuten entwickelt oder wird sie entwickeln lassen.
2. Der Franchise-Nehmer ist verpflichtet, nur das von dem Franchise-Geber zur Verfügung gestellte oder vorher genehmigte Werbe- und Absatzförderungsmaterial sowie Werbeprogramme für seine Werbung zu verwenden. Diese Werbemittel werden zum großen Teil kostenlos zur Verfügung gestellt oder zum kalkulierten Selbstkostenpreis weitergegeben.
3.a) Der Franchise-Nehmer führt auf eigene Kosten Werbemaßnahmen durch und betreibt für seinen Laden auf eigene Kosten Absatzförderung. Der Franchise-Geber übernimmt und erstattet hierfür keine Kosten. Die Aufwendungen des Franchise-Nehmers für Werbung und Absatzförderung sollten nicht höher als 2 % (zwei vom Hundert) der Bruttoeinkünfte des Franchise-Nehmers im Sinne des § 6 dieses Vertrages betragen. Der Franchise-Nehmer hat zur Überprüfung dieser Aufwendungen die gleichen Pflichten und der Franchise-Geber die gleichen Rechte, wie sie in § 4 dieses Vertrages geregelt sind.
…
§ 8.
Wettbewerbsverbote
1. Der Franchise-Nehmer verpflichtet sich, während der Laufzeit des Franchise-Vertrages weder unmittelbar noch mittelbar, selbst oder durch Dritte, über das in § 2 genannte Geschäft hinaus andere Läden mit Wein und Spirituosen zu betreiben, es sei denn, daß der Franchise-Geber ausdrücklich zustimmt. Der Franchise-Nehmer verpflichtet sich, sich während der Laufzeit des Vertrages weder unmittelbar noch mittelbar an einem Unternehmen, das „Weinläden” betreibt, zu beteiligen, ein solches Unternehmen mittelbar oder unmittelbar zu gründen oder zu führen, oder ein derartiges Unternehmen in irgendeiner Form zu begünstigen oder dafür tätig zu werden. Als Beteiligung gelten auch Zusammenschlüsse in Interessen- und Arbeitsgemeinschaften sowie Treuhandverhältnisse und Unterbeteiligungen.
2. Das vorstehende Wettbewerbsverbot besteht auch nach Beendigung des Franchise-Vertrages, und zwar auf eine Dauer von zwölf Monaten nach Beendigung des Vertrages und innerhalb eines Umkreises von 30 Kilometern von dem Franchise-Nehmer nach dem „V.” betriebenen Geschäft.”
Die Beklagte kündigte den Franchisevertrag mit anwaltlichem Schreiben vom 8. Dezember 2000 außerordentlich zum 11. Dezember 2000. Anschließend bestellte sie am 9. Dezember 2000 bei der Klägerin Waren für insgesamt 18.948,25 DM, die ihr am 11. Dezember 2000 geliefert wurden.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 13. Dezember 2000 widersprach die Klägerin der Kündigung und kündigte ihrerseits das Vertragsverhältnis fristlos. Mit der beim Landgericht erhobenen Klage begehrt sie von der Beklagten die Bezahlung der im Dezember gelieferten Waren. Hiergegen hat die Beklagte mit angeblichen Gegenforderungen im Zusammenhang mit dem Franchisevertrag in Höhe von 19.913,22 DM und 3.000 DM die Aufrechnung erklärt. Hilfsweise hat sie wegen dieser angeblichen Gegenforderungen Widerklage erhoben.
Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten gerügt und die Ansicht vertreten, bei dem Franchisevertrag handele es sich faktisch um ein Arbeitsverhältnis; zumindest sei sie aber arbeitnehmerähnliche Person. Tatsächlich habe ihre Stellung derjenigen einer angestellten Verkäuferin entsprochen. Ihr sei weder im Bereich der Investitionen, der Produktpolitik, der Warenwirtschaft oder des betriebswirtschaftlichen Controllings eine eigenständige Entscheidungsfreiheit verblieben.
Das Landgericht hat gemäß § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Entscheidung des Landgerichts abgeändert, den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt und die „weitere sofortige Beschwerde” zugelassen. Gegen diese ihr am 27. März 2002 zugestellte Entscheidung richtet sich die von der Beklagten am 10. April 2002 eingelegte „weitere sofortige Beschwerde”, die die Beklagte am 27. Mai 2002 begründet hat.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die von der Beklagten eingelegte Beschwerde ist zulässig.
a) Allerdings hat die Beklagte die Beschwerde nicht innerhalb der für eine Rechtsbeschwerde einzuhaltenden Monatsfrist des § 575 Abs. 2 ZPO begründet, so daß sie nach der Vorschrift des § 577 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen wäre.
Die nach § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG zum Bundesgerichtshof führende Beschwerde ist als Rechtsbeschwerde im Sinne der §§ 575 ff. ZPO zu behandeln. Für den Rechtszustand vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses (ZPO-RG) vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) am 1. Januar 2002 wurde angenommen, daß die Beschwerde des § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG einen eigenständigen, von der Beschwerde der Zivilprozeßordnung unabhängigen Rechtsbehelf dargestellt hat (vgl. BGH, Beschluß vom 30. September 1999 – V ZB 24/99, NJW 1999, 3785; Kissel, GVG, 3. Aufl., § 17 Rdnr. 26; Treber in Hannich/Meyer-Seitz, Das neue Zivilprozeßrecht, § 567 Rdnr. 19). Ob dies heute noch zutrifft, ist streitig (dafür: Treber in Hannich/Meyer-Seitz aaO; Musielak/Wittschier, ZPO, 3. Aufl., § 17 a GVG Rdnr. 16 f.; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 17 a GVG Rdnr. 16; a.A. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 17 a GVG Rdnr. 20).
Für die Auffassung, wonach § 17 a Abs. 4 GVG eine selbständige Regelung enthält, könnte der Umstand sprechen, daß die Zulassungsvoraussetzungen für diese Beschwerde weiterhin § 17 a Abs. 4 GVG selbst zu entnehmen sind und mit den Zulassungserfordernissen für eine Rechtsbeschwerde nicht völlig übereinstimmen. Die spezielle Regelung des § 17 Abs. 4 GVG betrifft aber nur die einheitlich gefaßten gesetzlichen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um den Beschwerdeweg zu einem der obersten Gerichtshöfe des Bundes zu eröffnen. Die Vorschriften über das Verfahren zur Einlegung und Durchführung der von der Vorinstanz zugelassenen Beschwerde sind, da § 17 a Abs. 4 GVG eine Anordnung hierfür nicht enthält, der entsprechenden Verfahrensordnung zu entnehmen. Die weitere Beschwerde, die nach altem Recht nur in Ausnahmefällen zum Bundesgerichtshof führte (§ 567 Abs. 4 Satz 2 ZPO a.F.) und eine Frist zur Einreichung einer Beschwerdebegründung nicht vorsah, ist nunmehr durch die Rechtsbeschwerde abgelöst worden. Mit der Rechtsbeschwerde hat der Gesetzgeber einen Beschwerdeweg zum Bundesgerichtshof eingeführt, dessen Zulassungsvoraussetzungen den in § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG festgelegten weitgehend entsprechen. Da das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof somit nach den für die Rechtsbeschwerde geltenden Vorschriften durchzuführen ist, hätte die Beklagte die Beschwerde nach § 575 Abs. 2 Satz 1 ZPO binnen einer Frist von einem Monat begründen müssen (vgl. BAG, Beschluß vom 26. September 2002 – 5 AZB 15/02, ZIP 2002, 1963 unter I 1). Dies hat sie nicht getan.
b) Auch wenn die Beklagte danach die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde versäumt hat, darf ihr dies nach dem hier anzuwendenden Grundsatz der Meistbegünstigung nicht zum Nachteil gereichen. Das Meistbegünstigungsprinzip greift zunächst in den Fällen inkorrekter Entscheidungen ein. Hat das Gericht eine der Form nach unrichtige Entscheidung gewählt, steht den Parteien dasjenige Rechtsmittel zu, welches nach der Art der ergangenen Entscheidung statthaft ist, und außerdem das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form getroffenen Entscheidung gegeben gewesen wäre (BGHZ 98, 362, 364 f.; vgl. MünchKomm-Rimmelspacher, ZPO, 3. Aufl., Vor § 511 Rdnr. 49; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., Vor § 511 Rdnr. 31). Das Meistbegünstigungsprinzip stellt eine Ausprägung der verfassungsrechtlichen Grundsätze der allgemeinen Gleichheit vor dem Gesetz und des Vertrauensschutzes dar (BGHZ 90, 1, 3; BGH, Beschluß vom 13. Mai 1986 – VI ZR 96/85, WM 1986, 1098 unter 2). Über die Fälle inkorrekter Entscheidung hinaus kommt es daher immer dann zur Anwendung, wenn für den Rechtsmittelführer eine Unsicherheit, das einzulegende Rechtsmittel betreffend, besteht, sofern diese auf einem Fehler oder einer Unklarheit der anzufechtenden Entscheidung beruht (vgl. BGH, Beschluß vom 21. Oktober 1993 – V ZB 45/93, WM 1994, 180 unter II, 1; Zöller/Gummer aaO, Vor § 511 Rdnr. 31).
Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht in seiner Entscheidung vom 20. März 2002 ausdrücklich die „sofortige weitere Beschwerde” zugelassen, die nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Recht statthaft war. Aufgrund dieser Bestimmung in dem angefochtenen Beschluß ist die Beklagte zu der unzutreffenden Ansicht gelangt, daß ihr eine Beschwerdemöglichkeit zustand, für die eine Begründungsfrist nicht vorgesehen ist. Die Unsicherheit über das nach Zulassung der Beschwerde einzuschlagende Verfahren, die die Vorinstanz zur Zulassung der „sofortigen weiteren Beschwerde” veranlaßt und bei der Beklagten einen entsprechenden Irrtum hervorgerufen hat, beruhte auf der nicht eindeutigen Gesetzeslage nach Inkrafttreten der Zivilprozeß-Reform. Die Vorschrift des § 17 a GVG, die, wie ausgeführt, nach bisher herrschender Meinung eine Beschwerde eigener, von den Rechtsbehelfen der oberen Bundesgerichte losgelöster Art vorgesehen hat, ist von der Zivilprozeß-Reform unberührt geblieben. Daher bestand nach der jetzigen Gesetzeslage bisher eine Unklarheit darüber, wie diese Beschwerde ausgestaltet ist, wenn sie zum Bundesgerichtshof führt. Hinzu kommt, daß auch die Kommentarliteratur, soweit sie sich mit der neuen Rechtslage befaßt, überwiegend an der früheren Auffassung festgehalten hat (vgl. oben). Diese Umstände haben bei der Vorinstanz die Meinung begründet, daß § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG nach wie vor eine Beschwerde eigener Art regelt, die nicht den Vorschriften der jeweiligen Verfahrensordnung unterliegt. Wenn die Beklagte daraufhin das vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsmittel der „weiteren sofortigen Beschwerde” eingelegt hat, für das die Begründungsfrist des § 575 Abs. 2 ZPO nicht gelten würde, darf sich dies nicht zu ihrem Nachteil auswirken.
2. Die Beschwerde der Beklagten ist jedoch nicht begründet.
a) Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte sei nicht gegeben, da die Beklagte nicht Arbeitnehmerin gewesen sei. Der Arbeitnehmer unterscheide sich vom selbständigen Unternehmer durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit bei der Erbringung seiner Leistung. Während der Arbeitnehmer weisungsgebunden die vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen einer von seinem Vertragspartner bestimmten Arbeitsorganisation erbringe, sei selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen könne.
Die Beklagte habe weder einem umfassenden Weisungsrecht unterlegen, noch sei ihr Freiraum für die Erbringung der geschuldeten Leistung derart eingeschränkt gewesen, daß sie als Arbeitnehmerin anzusehen sei. Sie sei berechtigt gewesen, Arbeitnehmer einzustellen. Urlaub habe sie sich nicht von der Klägerin genehmigen lassen, sondern ihn lediglich anzeigen müssen. Sie habe ihr Geschäft in eigener Verantwortung geleitet. Daß die Beklagte verpflichtet gewesen sei, ein bestimmtes Warengrundsortiment von der Klägerin zu beziehen, sei franchisetypisch und damit kein wesentliches Indiz für eine Arbeitnehmereigenschaft.
Die Beklagte sei auch nicht arbeitnehmerähnliche Person im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Solche seien nicht im gleichen Maße persönlich abhängig wie Arbeitnehmer. An die Stelle der persönlichen Abhängigkeit trete jedoch das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Außerdem müsse der wirtschaftlich Abhängige einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sein. Jedenfalls dieses Kriterium sei bei der Beklagten nicht erfüllt. Sie habe eigenständig das Geschäft geführt, sei grundsätzlich berechtigt gewesen, Arbeitnehmer einzustellen und sei nicht in ein Abrechnungssystem der Klägerin eingebunden gewesen.
b) Diese Ausführungen des Beschwerdegerichts halten der rechtlichen Überprüfung stand.
aa) Zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, daß sich das Arbeitsverhältnis vom Rechtsverhältnis eines sonstigen zu Dienstleistungen Verpflichteten oder eines Werkunternehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit bei der Erbringung der Werk- oder Dienstleistung unterscheidet. Arbeitnehmer ist danach, wer weisungsgebunden vertraglich geschuldete Leistungen im Rahmen einer von seinem Vertragspartner bestimmten Absatzorganisation erbringt. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal, das über den unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus eine allgemeine gesetzgeberische Wertung erkennen lässt. Danach ist derjenige selbständig, der im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und deshalb persönlich abhängig ist derjenige Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist, weil er hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht unterliegt oder weil der Freiraum für die Erbringung der geschuldeten Leistung durch die rechtliche Vertragsgestaltung oder die tatsächliche Vertragsdurchführung stark eingeschränkt ist (st. Rspr., zuletzt BGH, Beschluß vom 27. Januar 2000 – III ZB 67/99, WM 2000, 638 unter 2 und Senat, Beschluß vom 21. Oktober 1998 – VIII ZB 54/97, WM 1999, 143 unter 2 a; ebenso BAG, Urteil vom 19. November 1997 – 5 AZR 653/96, NZA 1998, 364 unter I 1 a, BAG, Urteil vom 26. Mai 1999 – 5 AZR 664/98, ZIP 1999, 1854 unter III 1, vgl. BAG; Urteil vom 27. Juni 2001 – 5 AZR 561/99, NJW 2002, 2125).
Die Beklagte war nach diesen Kriterien nicht Arbeitnehmerin. Zu Recht hat das Beschwerdegericht die Beschränkungen, denen die Beklagte nach dem Franchisevertrag unterlag, als nicht so schwerwiegend angesehen, daß sie zu einer persönlichen Abhängigkeit der Beklagten im Sinne eines Arbeitsverhältnisses geführt hätten.
Die Beklagte war durch den Franchisevertrag hinsichtlich der Ausstattung der Räumlichkeiten an die Weisungen der Klägerin gebunden (§ 4 Nr. 2 b und c des Vertrages). Gleiches galt nach § 4 Nr. 2 d für Änderungen der Baulichkeiten und des Außenbereichs. Nicht zu beanstanden ist es, wenn insoweit das Beschwerdegericht ausführt, hierbei handele es sich um Vorgaben, die nicht als wesentliches Indiz für ein umfassendes Weisungsrecht oder eine erhebliche Einschränkung des Freiraums für die Erbringung der geschuldeten Leistung gewertet werden könnten. Wie das Beschwerdegericht zu Recht ausgeführt hat, kommt es auf die sämtliche Umstände des Einzelfalles an. Diese Ausführungen stehen auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wie die Beschwerde meint. Das Bundesarbeitsgericht geht ebenfalls davon aus, daß die konkreten Umstände des Einzelfalles für die Beurteilung des Rechtsverhältnisses maßgeblich sind. Es ist zu Recht der Ansicht, allein mit der Begründung, es liege ein Franchisevertrag vor, könne die Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht ausgeschlossen werden (vgl. BAG, Beschluß vom 16. Juli 1997 – 5 AZB 29/96, NJW 1997, 2973 unter 4 b).
Auch die Verpflichtung der Beklagten, ein bestimmtes Warensortiment zum Zwecke der Vermarktung über die Klägerin zu beziehen, begründet keine persönliche Abhängigkeit im Sinne eines Arbeitsverhältnisses. Darüber hinaus war die Beklagte berechtigt, weitere Waren von Dritten zu beziehen, die über das von der Klägerin angebotene Programm hinausgingen (Non-Food-Artikel). Daß sie hierfür der Genehmigung der Klägerin bedurfte (§ 1 Nr. 4 a des Vertrages), rechtfertigt sich daraus, daß ein Franchisekonzept darauf beruht, überall möglichst einheitliche Angebote präsentieren zu können, was einer gewissen Kontrolle bedarf. Nichts anderes gilt auch für die Tatsache, daß die Beklagte verpflichtet war, ausschließlich das von der Klägerin zur Verfügung gestellte Werbematerial zu verwenden, zumal die Klägerin am besten für die von ihr vertriebenen oder vermittelten Produkte werben konnte.
Dagegen brauchte die Beklagte ihre Pflichten zumindest nicht in vollem Umfang persönlich zu erbringen. Die Beklagte war berechtigt, Arbeitnehmer selbst einzustellen, wie sich aus § 4 Nr. 2 h) und Nr. 5 des Vertrages ergibt. Daß dies nur auf dem Papier stand, jedenfalls aufgrund der Verhältnisse ihres eigenen Geschäftsbetriebs wirtschaftlich nicht möglich gewesen wäre, hat die Beklagte nicht dargelegt. Insoweit bringt auch die Beschwerde nichts vor. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Regelung des § 4 Nr. 1 des Vertrages. Zwar wurde die Beklagte dort auch zum persönlichen Einsatz verpflichtet. Über den Umfang oder die Art und Weise dieses persönlichen Einsatzes ist jedoch nichts ausgesagt. Die Beklagte war örtlich an das Ladengeschäft nur insoweit gebunden, als sie sich verpflichtet hatte, ihren Firmensitz an diesem Ort zu haben (§ 4 Nr. 6 a des Vertrages).
Aus dem Umstand, daß die Beklagte verpflichtet war, das Ladengeschäft im Rahmen der gesetzlichen Ladenschlußzeiten möglichst lange offen zu halten (§ 4 Nr. 2 g des Vertrages), folgt gleichfalls nicht, daß sie als Arbeitnehmerin anzusehen gewesen wäre. Dies gilt selbst für den Fall, daß der aus dem Vertrag nicht ersichtliche Vortrag der Beklagten zutrifft, die Klägerin habe eine Öffnungszeit von 52 Stunden wöchentlich vorgegeben. Denn über die Pflicht zum persönlichen Einsatz der Beklagten in diesem Zeitrahmen ist nichts gesagt. Im übrigen hat das Beschwerdegericht zutreffend darauf abgestellt, daß die Beklagte ihr Geschäft in eigener Verantwortung geleitet hat und das Ladenlokal selbst angemietet hatte.
Sie war weiterhin frei in der Gestaltung ihrer Preise (§ 4 Nr. 8 des Vertrages). Soweit die Beschwerde vorträgt, dies sei tatsächlich nicht der Fall gewesen, andere Franchisenehmer seien wegen ihrer Preisgestaltung von der Klägerin abgemahnt worden, kann dies nicht zu einer anderen Bewertung führen. Denn, wie das Beschwerdegericht richtig erkannt hat, entbehrte eine derartige Abmahnung jeder vertraglichen Grundlage. Die vertraglichen Regelungen können jedoch nicht unbeachtet bleiben. Ein Vertragspartner wird nicht dadurch zum Arbeitnehmer, daß sein Gegenüber ihm vertragswidrige Beschränkungen auferlegt.
Letztlich war die Beklagte auch nicht in ein Abrechnungssystem der Klägerin eingebunden, was ebenfalls für ihre Selbständigkeit spricht.
Eine Gesamtabwägung der vorgenannten Umstände zeigt, daß die Beklagte ihre Tätigkeit im wesentlichen frei gestalten konnte und nicht in einem Maße von der Klägerin eingeschränkt wurde, daß sie einer Arbeitnehmerin gleichzusetzen wäre.
bb) Die Beklagte war auch nicht arbeitnehmerähnliche Person im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG.
Arbeitnehmerähnliche Personen unterscheiden sich von Arbeitnehmern durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, wobei vor allem die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit zu berücksichtigen ist. Sie sind wegen ihrer fehlenden Eingliederung in eine betriebliche Organisation und im wesentlichen freier Zeitbestimmung nicht im gleichen Maße persönlich abhängig wie Arbeitnehmer; an die Stelle der persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Ferner muß der wirtschaftlich Abhängige auch seiner gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sein (st. Rspr., u.a. Senat in BGHZ 140, 11 [20 f.], BAG, Beschluß vom 8. September 1997 – 5 AZB 3/97, NJW 1998, 701 unter II. 1., jew.m.w.Nachw. und BGH, Beschluß vom 27. Januar 2000 – III ZB 67/99, WM 2000, 638 unter 3.).
Vorliegend kann offen bleiben, ob die Beklagte von der Klägerin wirtschaftlich abhängig war. Zu Recht hat nämlich das Beschwerdegericht die soziale Schutzbedürftigkeit der Klägerin verneint. Sie setzt voraus, daß das Maß der Abhängigkeit nach der Verkehrsanschauung einen solchen Grad erreicht, wie er im allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt und daß die geleisteten Dienste nach ihrer sozialen Typik denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind (BGHZ 140, 11, 19 ff.; Senat, Beschluß vom 21. Oktober 1998 – VIII ZB 54/97, WM 1999, 143 unter 3 c und BGH, Beschluß vom 27. Januar 2000 – III ZB 67/99, WM 2000, 638 unter 3 b).
Dieses Maß war vorliegend nicht erreicht. Entgegen der Auffassung der Beschwerde kam die Situation der Beklagten nicht derjenigen einer angestellten Verkäuferin gleich. Die Beklagte führte eigenständig ihr Geschäft, hatte ihr Geschäftslokal selbst angemietet, konnte selbständig Arbeitnehmer einstellen, selbständig die Endpreise bestimmen und war nicht in ein Abrechnungssystem der Klägerin eingebunden. Auch die Verpflichtung zum persönlichen Einsatz der Beklagten war nicht so konkret und umfassend bestimmt, daß eine nennenswerte andere Erwerbstätigkeit ausgeschlossen war. Letztlich galt das Wettbe-
werbsverbot des § 8 des Vertrages nur für Läden mit Wein und Spirituosen. Weitere kaufmännische Tätigkeiten blieben der Beklagten möglich.
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Hübsch, Dr. Leimert, Wiechers, Dr. Frellesen
Fundstellen
Haufe-Index 886518 |
BGHZ 2003, 213 |
BGHZ, ja zu II, 1 |
DB 2003, 198 |
NWB 2003, 647 |
BGHR 2003, 202 |
NJW-RR 2003, 277 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2003, 353 |
ZAP 2003, 106 |
ZAP 2003, 165 |
ZAP 2003, 299 |
MDR 2003, 285 |
VersR 2003, 1057 |
KammerForum 2003, 161 |
Mitt. 2003, 235 |