Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich. Billigkeitsklausel. Kroatische Staatsangehörigkeit. Inländische Versorgungsanrechte. Deutsch-kroatisches Sozialversicherungsabkommen. Betriebsrente wegen Invalidität. Berechnung Ehezeitanteil. Leistungsdynamik und Berechnung einer laufenden Betriebsrente. Berücksichtigung des vorgezogenen Beginns einer betrieblichen Altersrente bei Ermittlung des Barwerts
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Durchführung des Versorgungsausgleichs und zur Anwendung der Billigkeitsklausel des Art. 17 Abs. 3 letzter Halbs. EGBGB zwischen Ehegatten, die bei Zustellung des Scheidungsantrags die kroatische Staatsangehörigkeit besaßen und inländische Versorgungsanrechte erworben haben.
2. Zur Berechnung des Ehezeitanteils einer erst nach Ehezeitende, jedoch vor Durchführung des Versorgungsausgleichs bezogenen Betriebsrente wegen Invalidität (im Anschluss an Senatsbeschluss v. 20.9.2006 - XII ZB 248/03, MDR 2007, 471 = BGHReport 2007, 114 = FamRZ 2007, 23).
3. Zur Leistungsdynamik einer laufenden Betriebsrente, die vom Versorgungsträger im Rahmen der Überprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG den Veränderungen des Verbraucherpreisindexes angepasst wird, wenn diese im Vergleichszeitraum höher sind als die Anpassungen von gesetzlicher Rente oder Beamtenversorgung, und von gleich bleibenden Anpassungen in der Zukunft ausgegangen werden kann (hier: Siemens AG). Tritt der Versorgungsfall erst nach Ehezeitende, aber vor der Entscheidung über den Versorgungsausgleich ein, kann eine Umrechnung einer Betriebsrente nach der BWVO unterbleiben und der tatsächliche Zahlbetrag zugrunde gelegt werden, wenn das Anrecht im Leistungsstadium volldynamisch und im Anwartschaftsstadium einkommensdynamisch ist und sich die für den Zahlbetrag der Rente maßgebenden Bemessungsfaktoren seit Ehezeitende nicht mehr verändert haben (im Anschluss an Senatsbeschlüsse v. 20.9.2006 - XII ZB 248/03, MDR 2007, 471 = BGHReport 2007, 114 = FamRZ 2007, 23; v. 6.10.2004 - XII ZB 139/04, FamRZ 2005, 601).
4. Zur Berücksichtigung des vorgezogenen Beginns einer betrieblichen Altersrente (mit 60 Jahren) während des Versorgungsausgleichsverfahrens bei der Ermittlung des Barwerts.
5. Die Härteklausel des § 1587c BGB geht allgemeinen Verwirkungsgrundsätzen vor.
6. Deutsch-kroatisches Sozialversicherungsabkommen vom 24.11.1997 (BGBl. II 1998, 2034 ff.)
7. Kroatische Versicherungszeiten haben keinen Einfluss auf die Höhe der deutschen Rente.
Normenkette
EGBGB Art. 17 Abs. 3 S. 2 Nr. 1; BGB §§ 242, 1587a Abs. 2 Nr. 3b, Abs. 3 Nr. 2c; BWVO § 1 Abs. 3, § 2 Abs. 2; BetrAVG § 16 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 2. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des OLG Karlsruhe vom 4.7.2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der weiteren Beschwerde, an das OLG zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 619 EUR
Gründe
I.
[1] Die am 5.12.1946 geborene Ehefrau (Antragstellerin) und der am 10.4.1943 geborene Ehemann (Antragsgegner) haben am 13.3.1966 in Vojnovac (Kroatien) die Ehe geschlossen. Am 23.4.1992 ist der Scheidungsantrag der Ehefrau dem Ehemann zugestellt worden. Das AG - FamG - hat die Ehe der Parteien am 3.9.1992 rechtskräftig nach kroatischem Recht geschieden, da beide Eheleute bei Zustellung des Scheidungsantrags kroatische Staatsangehörige waren. Wegen fehlender Antragstellung nach Art. 17 Abs. 3 EGBGB hat es den Versorgungsausgleich im Scheidungsverbund nicht geregelt. Erst mit am 15.10.1998 beim FamG eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin, die seit 1996 deutsche Staatsangehörige ist, die isolierte Durchführung des Versorgungsausgleichs beantragt.
[2] Beide Eheleute haben seit 1968 in Deutschland gelebt und sind sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen nachgegangen. Der Antragsgegner ist während des vorliegenden Verfahrens nach Kroatien zurückgekehrt; er bezieht bereits seit 1.11.1997 eine gesetzliche Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und ist infolge eines Hirnstamminfarktes auf Vollzeitpflege angewiesen. Die zwischenzeitlich wiederverheiratete Antragstellerin erhält seit 1.10.1998 wegen Erwerbsunfähigkeit eine Betriebsrente der Siemens AG.
[3] Nach den Feststellungen des AG - FamG - haben die Parteien in der Ehezeit (1.3.1966 bis 31.3.1992, § 1587 Abs. 2 BGB) Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, die Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV B.-W.; weitere Beteiligte zu 2)) i.H.v. 757,83 DM (387,47 EUR), der Antragsgegner bei der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd (DRV B.S.; weitere Beteiligte zu 1)) i.H.v. 989,83 DM (506,09 EUR), jeweils monatlich und bezogen auf das Ende der Ehezeit. Daneben bezieht die Antragstellerin seit 1.10.1998 bei der Siemens AG (weitere Beteiligte zu 3)) aufgrund einer Betriebszugehörigkeit vom 20.2.1969 bis 1.3.1974 sowie vom 14.5.1979 bis 30.9.1998 eine Betriebsrente wegen Invalidität, deren Ehezeitanteil monatlich 116,82 DM (59,73 EUR) beträgt. Das AG - FamG - hat die seiner Ansicht nach statische, der Anpassung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG unterliegende Betriebsrente unter Anwendung von Tabelle 1 der Barwert-Verordnung in seiner Ausgleichsbilanz mit einem dynamisierten Wert von 30,04 DM (15,36 EUR) berücksichtigt. Es hat den Versorgungsausgleich dahin durchgeführt, dass durch Rentensplitting vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der DRV B.S. auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der DRV B.-W. Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 100,98 DM (51,63 EUR) übertragen werden, bezogen auf den 31.3.1992.
[4] Die Beschwerde des Antragsgegners hat das OLG zurückgewiesen. Mit der - zugelassenen - weiteren Beschwerde begehrt der Antragsgegner den Ausschluss des Versorgungsausgleichs unter Billigkeitsgesichtspunkten und wegen Verwirkung, zumindest aber eine höhere Bewertung der Betriebsrente der Antragstellerin bei der Siemens AG.
II.
[5] Das zugelassene Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das OLG.
[6] 1. Das OLG, dessen Entscheidung in FamRZ 2002, 1633 f. veröffentlicht ist, hat den vom AG - FamG - durchgeführten Versorgungsausgleich nicht beanstandet und hierzu ausgeführt: Da beide Parteien bei Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags die kroatische Staatsangehörigkeit gehabt und während der Ehezeit inländische Versorgungsanwartschaften erworben hätten, sei der Wertausgleich auf Antrag der geschiedenen Ehefrau nach deutschem Recht durchzuführen. Wegen der grundsätzlichen Bindung des Gerichts an die Barwert-Verordnung müsse bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs die statische Betriebsrente der Antragstellerin bei der Siemens AG nach Tabelle 1 i.V.m. Anmerkung Nr. 1 der Barwert-Verordnung unter "Zugrundelegen des frühest möglichen Beginns der Altersrente" von 60 Jahren von jährlich 1.401,80 DM (= 716,73 EUR) in ein dynamisches Anrecht von monatlich 30,04 DM (= 15,36 EUR) umgerechnet werden, obwohl Tabellenwerte für eine "aufgeschobene Invaliditätsrente" eigentlich fehlten. Der Versorgungsausgleich sei dabei nicht wegen Unbilligkeit nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB ausgeschlossen. Diese Vorschrift wolle verhindern, dass ein Ehegatte inländische Anwartschaften abgeben müsse, während der andere Ehegatte bereits seiner Alterssicherung dienende Vermögenswerte im Ausland besitze, an denen der Ausgleichspflichtige nicht partizipieren könne. Ein solcher Sachverhalt liege hier nicht vor. Auch mit § 1587c Nr. 1 BGB lasse sich ein Ausschluss oder eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs nicht begründen. Da der Wertausgleich mit der gleichmäßigen Aufteilung ehezeitlich erworbener Anrechte seine Wurzel im güterrechtlichen Prinzip der Vermögensteilung habe, reiche die bloße wirtschaftliche Besserstellung des Ausgleichsberechtigten für die Annahme einer groben Unbilligkeit nicht aus. Insbesondere könne sich der Antragsgegner nicht darauf berufen, wegen Pflegebedürftigkeit auf seine Rente angewiesen zu sein und bei einer Abgabe von Versorgungsanwartschaften in weitergehendem Umfange sozialhilfebedürftig zu werden. Im Rahmen der erforderlichen Abwägung der wirtschaftlichen Lage der Parteien könne zudem nicht festgestellt werden, dass die Antragstellerin durch ihre erneute Heirat über eine ausreichende Altersversorgung verfüge. Nicht berufen könne sich der Antragsgegner zudem auf die Verjährung des Anspruchs auf Durchführung des Versorgungsausgleichs, dieser sei ein unverjährbarer Anspruch aus einem familienrechtlichen Verhältnis. Schließlich sei der Anspruch auch nicht deshalb nach § 242 BGB verwirkt, weil die Antragstellerin den Versorgungsausgleich erst ca. sechs Jahre nach Rechtskraft der Scheidung beantragt habe. Für eine Verwirkung fehle es am erforderlichen Umstandsmoment. Hierfür sei es nicht ausreichend, dass der Antragsgegner mit der Geltendmachung des Versorgungsausgleichs nicht mehr gerechnet habe. Der Antragsgegner habe nicht vorgetragen, dass und auf welche Weise er sich darauf eingerichtet habe, von Versorgungsausgleichsansprüchen seiner geschiedenen Frau verschont zu bleiben.
[7] Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
[8] 2. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist das Rechtsmittel uneingeschränkt zulässig. Das OLG hat die weitere Beschwerde in der Entscheidung ohne Einschränkung zugelassen. Soweit es dazu in den Gründen ausgeführt hat, die weitere Beschwerde werde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 1587a Abs. 3 Nr. 2 BGB i.V.m. der Barwert-Verordnung zugelassen, stellt dies keine Einschränkung der nicht auf eine Rechtsfrage beschränkbaren Zulassung dar.
[9] 3. Zu Recht ist das OLG von einer Anwendbarkeit des Art. 17 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EGBGB ausgegangen und hat den Versorgungsausgleich auf Antrag der geschiedenen Ehefrau "regelwidrig" nach deutschem Recht durchgeführt. Zwar waren die Parteien, die beide inländische Versorgungsanrechte erworben haben, bei Zustellung des Scheidungsantrags kroatische Staatsangehörige. Der Versorgungsausgleich ist jedoch dem nach Art. 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 EGBGB i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 EGBGB als Scheidungsstatut grundsätzlich anwendbaren kroatischen Recht fremd (Hrabar FamRBint 2006, 65, 70).
[10] Keine Bedenken bestehen gegen die vom OLG nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB vorgenommene Billigkeitsabwägung, wonach der Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien weder herabzusetzen noch auszuschließen ist. Die Anwendung einer derartigen Billigkeitsklausel und die Würdigung eines gefundenen Ergebnisses unter dem Gesichtspunkt, "ob es der Billigkeit nicht widerspricht", ist in erster Linie dem Tatrichter vorbehalten. Sie ist im Verfahren der weiteren Beschwerde nur begrenzt nachprüfbar, insb. dahin, ob der Tatrichter die maßgeblichen Umstände ausreichend und umfassend in seine Abwägung einbezogen hat (Senatsbeschluss v. 10.11.1999 - XII ZB 132/98, MDR 2000, 274 = BGH v. 10.11.1999 - X II ZB 132/98, FamRZ 2000, 418, 419). Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers dient die in Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB vorgesehene Billigkeitsprüfung dazu, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute zu berücksichtigen und internationalen Elementen des Eheverlaufs Rechnung zu tragen. Gerechtigkeitserwägungen sollen bereits bei der Weichenstellung zum deutschen Recht hin ausgewogene Berücksichtigung finden; vor allem sollen unbillige Ergebnisse vermieden werden, die sich dadurch ergeben könnten, dass ein Ehegatte inländische Anwartschaften abgeben muss, während der andere Ehegatte bereits seiner Alterssicherung dienende Vermögenswerte im Ausland besitzt, an denen der Ausgleichspflichtige nicht partizipieren kann (Senatsbeschluss v. 23.2.1994 - XII ZB 39/93, MDR 1994, 690 = FamRZ 1994, 825, 826; vgl. auch BT-Drucks. 10/5632, 42 f.).
[11] Selbst bei einem weiten Verständnis der Billigkeitsklausel ist die Auffassung des OLG jedoch rechtlich nicht zu beanstanden, es sei nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin schon jetzt ein ausreichendes Vermögen besitze, das die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu ihren Gunsten als ungerechtfertigt erscheinen ließe. Zum einen ist nach den Feststellungen des OLG die Altersversorgung der Antragstellerin zumindest nicht besser als die des Antragsgegners; zum anderen besagt allein der Umstand der Wiederverheiratung nichts über eine damit verbundene Altersversorgung. Auch ist der am 2.3.1998 von der Antragstellerin im Alter von 51 Jahren aus einer Lebensversicherung vereinnahmte Betrag von 8.431,20 EUR nicht ausreichend, diese angemessen zu sichern. Darüber hinausgehende besondere Umstände, die eine Durchführung des Versorgungsausgleichs nach Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB als ausnahmsweise unbillig erschienen ließen, sind weder festgestellt, noch ersichtlich. Dies darzulegen, wäre aber - unbeschadet der Geltung des Grundsatzes der Amtsermittlung im Versorgungsausgleichsverfahren - Sache des Antragsgegners gewesen (Senatsbeschluss v. 23.2.1994 - XII ZB 39/93, MDR 1994, 690 = FamRZ 1994, 825, 827).
[12] 4. Nicht zu beanstanden ist der Ausgangspunkt des OLG, bei der Ermittlung des Ehezeitanteils sei die von der Antragstellerin im Entscheidungszeitpunkt wegen Invalidität bezogene Betriebsrente unabhängig davon zu berücksichtigen, ob konkret feststehe, dass die Rente ohne Unterbrechung bis zur Altersgrenze weitergezahlt werde (vgl. Senatsbeschlüsse v. 13.4.2005 - XII ZB 238/04, BGHReport 2005, 1328 = MDR 2005, 1416 = FamRZ 2005, 1461, 1462; v. 24.9.1997 - XII ZB 63/95, MDR 1998, 49 = FamRZ 1997, 1535, 1536). Bei der betrieblichen Altersversorgung sind nach § 1587a Abs. 2 Nr. 3 BGB unverfallbare Leistungen, Anwartschaften und Aussichten auf Leistungen grundsätzlich auszugleichen. Eine wegen Eintritts des Versicherungsfalls bezogene Invalidenrente ist aber eine Leistung (ein Vollrecht), nicht lediglich ein verfallbares Anrecht nach § 1587a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 BGB (Senatsbeschluss v. 13.4.2005 - XII ZB 238/04, BGHReport 2005, 1328 = MDR 2005, 1416 = FamRZ 2005, 1461, 1462).
[13] Das OLG hat den Ehezeitanteil der laufenden Betriebsrente gem. § 1587a Abs. 2 Nr. 3 lit. b BGB bestimmt, obwohl die Antragstellerin erst ca. 6 Jahre nach Ehezeitende aus dem Betrieb ausschied. Dagegen bestehen keine rechtlichen Bedenken, denn nach Ehezeitende, aber vor der Entscheidung über den Versorgungsausgleich eintretende Umstände, die - wie das vorzeitige Ausscheiden aus dem Betrieb - einen anderen Ehezeitanteil ergeben, können entsprechend § 10a VAHRG zur Vermeidung eines späteren Abänderungsverfahrens bereits in der Erstentscheidung berücksichtigt werden (Senatsbeschluss v. 20.9.2006 - XII ZB 248/03, MDR 2007, 471 = BGHReport 2007, 114 = FamRZ 2007, 23, 25; Staudinger/Rehme BGB [2004] § 1587a Rz. 303). Das Zeit-Zeit-Verhältnis bemisst sich deshalb nach dem Anteil, der dem Verhältnis der in die Ehezeit fallenden Betriebszugehörigkeit zu der gesamten Dauer der bereits beendeten Betriebszugehörigkeit entspricht. Da für den Wert des Anrechts auf das Ehezeitende abzustellen ist (Staudinger/Rehme a.a.O. Rz. 305), hat das OLG, das für seine Berechnung auf das vom AG - FamG - eingeholte Sachverständigengutachten Bezug nimmt, allerdings zu Recht aus der gezahlten Betriebsrente zunächst die nach dem 31.3.1992 erfolgten Wertsteigerungen des Anrechts herausgerechnet und eine Jahresrente von 1.908 DM (975,54 EUR) angenommen. Bei einer ehezeitlichen Betriebszugehörigkeit von 216 Monaten und einer Gesamtbetriebszugehörigkeit von 294 Monaten ergibt sich deshalb ein Ehezeitanteil von 1.401,80 DM (716,73 EUR).
[14] 5. Das OLG hat angenommen, dass die bei der Siemens AG begründeten Versorgungsanrechte nicht volldynamisch und deshalb gem. § 1587a Abs. 3 Nr. 2 BGB i.V.m. § 1 Abs. 3 Barwert-Verordnung umzurechnen sind. Nach den der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegenden Feststellungen kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass die Betriebsrente der Siemens AG ein rein statisches Anrecht ist.
[15] a) Nach dem vom AG - FamG - eingeholten Gutachten des Sachverständigen G., das auch das OLG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, unterliegt die Betriebsrente der Siemens AG im Leistungsstadium der Anpassung gem. § 16 Abs. 1 BetrAVG. Der Senat sowie ein Großteil der Rechtsprechung und der Literatur hat bislang die Auffassung vertreten, die gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Betriebsrenten zu prüfen und hierüber unter Berücksichtigung der Belange des Versorgungsempfängers und der wirtschaftlichen Lage nach billigem Ermessen zu entscheiden, führe nicht zu einer Leistungsdynamik. Maßstab für die nur alle drei Jahre vorzunehmende Anpassungsüberprüfung sei die Entwicklung der Lebenshaltungskosten. Diese sog. Preisdynamik könne mit der für die volldynamischen Versorgungen typischen, höheren Einkommensdynamik nicht gleichgesetzt werden, weil die Preisentwicklung in der Vergangenheit regelmäßig unter der Nettolohnentwicklung gelegen habe und ein Arbeitgeber zudem bei schlechter wirtschaftlicher Lage eine Anpassung auch verweigern könne (Senatsbeschlüsse v. 10.9.1997 - XII ZB 133/94, FamRZ 1998, 420, 421; v. 25.9.1991 - XII ZB 161/88, MDR 1992, 162 = FamRZ 1991, 1421, 1423; v. 7.10.1987 - IVb ZB 20/84 - veröffentlicht bei juris; v. 8.10.1986 - IVb ZB 120/83, MDR 1987, 219 = FamRZ 1987, 52, 56; v. 18.9.1985 - IVb ZB 15/85, MDR 1986, 568 - BGH v. 18.9.1985 - IVb ZB 15/85, MDR 1986, 568 = FamRZ 1985, 1235, 1236; vgl. ebenso OLG Nürnberg v. 4.12.2000 - 10 UF 2688/00, OLGReport Nürnberg 2001, 81 = FamRZ 2001, 1377, 1378; OLG Hamm v. 25.6.1997 - 10 UF 137/96, FamRZ 1999, 923, 924; OLG Celle v. 3.7.1996 - 17 UF 218/95, OLGReport Celle 1996, 249 = FamRZ 1996, 1554; Schwab/Hahne Handbuch des Scheidungsrechts 5. Aufl. Teil VI Rz. 156; MünchKomm/Rühmann BGB 4. Aufl., § 1587a Rz. 464).
[16] Diese Argumentation kann inzwischen nicht mehr aufrecht erhalten bleiben. Entscheidend für die Annahme einer Leistungsdynamik ist, dass die Entwicklung einer laufenden Versorgung mit den Anpassungen der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung als den vom Gesetz als volldynamisch anerkannten Versorgungen Schritt hält (Senatsbeschluss v. 7.7.2004 - XII ZB 277/03, BGHReport 2004, 1422 m. Anm. Gutdeutsch = MDR 2004, 1240 = FamRZ 2004, 1474, 1475). Die wegen des geänderten Verhältnisses zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern vorgenommenen Änderungen des Rentenversicherungsrechts haben dabei zu einer partiellen Entkopplung der Rentendynamik von der Einkommensentwicklung geführt (Senatsbeschluss v. 20.9.2006 - XII ZB 243/03, BGH v. 20.9.2006 - XII ZB 248/03, MDR 2007, 471 = BGHReport 2007, 114 = FamRZ 2007, 23, 25 f.). Deshalb kann die Leistungsdynamik eines betrieblichen Anrechts nicht mit dem bloßen Hinweis verneint werden, im Leistungsstadium orientiere sich die Anpassung lediglich an den steigenden Lebenshaltungskosten. Betriebsrenten, die im Leistungsstadium der Anpassung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG unterliegen, sind daher - unabhängig von einem Rechtsanspruch der Versorgungsberechtigten (vgl. Senatsbeschluss v. 7.7.2004 - XII ZB 277/03, BGHReport 2004, 1422 m. Anm. Gutdeutsch = MDR 2004, 1240 = FamRZ 2004, 1474, 1475; v. 23.9.1998 - XII ZB 123/94, MDR 1999, 163 = FamRZ 1999, 218, 220; v. 9.10.1996 - XII ZB 188/94, MDR 1997, 262 = FamRZ 1997, 166, 167 f.) - dann leistungsdynamisch, wenn die Ermessensentscheidungen des Arbeitgebers in einem angemessenen Vergleichszeitraum (vgl. hierzu Senatsbeschluss v. 7.7.2004 - XII ZB 277/03, BGHReport 2004, 1422 m. Anm. Gutdeutsch = MDR 2004, 1240 = FamRZ 2004, 1474, 1475) zu Wertsteigerungen geführt haben, die mit der Entwicklung einer der Vergleichsrechte Schritt halten konnten, und dies auch unter Berücksichtigung aller hierfür bedeutenden Umstände für die Zukunft erwartet werden kann (in diesem Sinne bereits OLG Nürnberg v. 6.10.2003 - 7 UF 1850/03, OLGReport Nürnberg 2004, 87 = FamRZ 2004, 883; OLG Karlsruhe v. 18.9.2001 - 16 UF 88/01, OLGReport Karlsruhe 2002, 398 = FamRZ 2002, 1568; OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 829; OLG Zweibrücken v. 19.11.1999 - 2 UF 44/99, OLGReport Zweibrücken 2000, 165 = FamRZ 2000, 539 f.; FAFamR/Gutdeutsch 5. Aufl. 7. Kap. Rz. 83).
[17] b) Für den Zeitraum 1996 bis 2005 ergibt ein Vergleich der prozentualen Anpassungssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung sowie der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes folgendes Bild: (vgl. für die Anpassung der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung die Tabelle von Gutdeutsch, FuR 2006, 19, zur Entwicklung des Verbraucherpreisindex seit 1991 vgl. FamRZ 2005, 1406 f.):
ges. Rentenvers. |
Beamtenvers. |
Veränderung des Verbraucherpreisindex |
zum Vorjahr (Inflationsrate) |
1996 |
0,95 % |
0 % |
1,5 % |
1997 |
1,65 % |
1,30 % |
1,9 % |
1998 |
0,44 % |
1,50 % |
0,9 % |
1999 |
1,34 % |
2,80 % |
0,6 % |
2000 |
0,60 % |
0 % |
1,4 % |
2001 |
1,91 % |
1,70 % |
2,0 % |
2002 |
2,16 % |
2,10 % |
1,4 % |
2003 |
1,04 % |
1,74 % |
1,1 % |
2004 |
0 % |
1,25 % |
1,6 % |
2005 |
0 % |
0 % |
2,0 % |
[18] Im Vergleichszeitraum betrug die jährliche Anpassung der gesetzlichen Rentenversicherung durchschnittlich 1,01 %, die der Beamtenversorgung 1,24 %. Die jährliche Veränderung des Verbraucherpreisindexes belief sich auf durchschnittlich 1,44 %. Bereits daraus ergibt sich, dass eine laufende Betriebsrente, die der Arbeitgeber innerhalb des Vergleichszeitraums den Veränderungen des Verbraucherpreisindexes angepasst hat, mindestens in gleicher Weise wie die gesetzliche Rentenversicherung oder die Beamtenversorgung anstieg (Senatsbeschluss v. 20.9.2006 - XII ZB 248/03, MDR 2007, 471 = BGHReport 2007, 114 = FamRZ 2007, 23, 26; vgl. auch Senatsbeschlüsse v. 6.10.2004 - XII ZB 139/04, FamRZ 2005, 601, 602; v. 7.7.2004 - XII ZB 277/03, BGHReport 2004, 1422 m. Anm. Gutdeutsch = MDR 2004, 1240 = FamRZ 2004, 1474, 1476, wonach die sich im Leistungsstadium jährlich um 1 % erhöhende Betriebsrente der VBL leistungsdynamisch ist). Auch mittelfristig lassen die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse keine wesentlichen Steigerungen der Vergleichsanrechte erwarten, insb. sind weitere "Nullrunden" wahrscheinlich. Die Anpassungen werden allenfalls mit den Änderungen des Verbraucherpreisindexes Schritt halten. Hat also die Überprüfungspflicht des Arbeitgebers nach § 16 Abs. 1 BetrAVG innerhalb eines angemessenen Vergleichszeitraums tatsächlich dazu geführt, dass das betriebliche Anrecht mit den genannten Steigerungsraten der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung Schritt halten konnte, und ist dies auch für die Zukunft prognostizierbar, ist das entsprechende Versorgungsanrecht leistungsdynamisch.
[19] c) Das OLG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob und in welcher Höhe laufende Betriebsrenten der Siemens AG in der Vergangenheit innerhalb eines angemessenen und aktuellen Vergleichszeitraums angepasst wurden. Die angegriffene Entscheidung kann deshalb nicht bestehen bleiben. Vielmehr wird das OLG die Dynamik der Betriebsrente anhand einer aktuellen Auskunft der weiteren Beteiligten zu 3) neu zu beurteilen haben (für eine Volldynamik der betrieblichen Altersversorgung der Siemens AG im Anwartschafts- und Leistungsstadium: OLG Nürnberg v. 6.10.2003 - 7 UF 1850/03, OLGReport Nürnberg 2004, 87 f.; 2004, 371f.).
III.
[20] Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
[21] 1. a) Die Umrechnung eines nicht aus einem Deckungskapital finanzierten und nicht volldynamischen Anrechts hat grundsätzlich gem. § 1587a Abs. 3 Nr. 2 BGB i.V.m. § 1 Abs. 3 Barwert-Verordnung (die nun in der seit 1.6.2006 geltenden Fassung der 3. Verordnung zur Änderung der Barwert-Verordnung vom 3.5.2006 - BGBl. I 2006, 1144 - anzuwenden ist) zu erfolgen. Dies gilt entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde grundsätzlich auch dann, wenn eine der Parteien im Entscheidungszeitpunkt Rentenleistungen erhält, die sie bei Ehezeitende noch nicht bezogen hat, oder wenn ein Bezug solcher Leistungen kurz bevorsteht (vgl. ausführlich Senatsbeschluss v. 20.9.2006 - XII ZB 248/03, MDR 2007, 471 = BGHReport 2007, 114 = FamRZ 2007, 23, 26 f., mit abl. Anm. Bergner).
[22] Hieran hat sich auch durch die neuere Rechtsprechung des BVerfG zur vorletzten Fassung der Barwert-Verordnung nichts geändert. Das BVerfG hat zwar in der zwingenden Anwendbarkeit der Barwert-Verordnung auf "teildynamische" Anrechte einen Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz gesehen (BVerfG v. 2.5.2006 - 1 BvR 1275/97, FamRZ 2006, 1000, 1001 f. und 1002, 1003 mit Anm. Borth und Glockner), weil die Barwert-Verordnung über keine Tabellen für solche Anrechte verfügt und deren geringere Steigerung deswegen vollständig unberücksichtigt lässt (Gegenstand der Entscheidungen war die Bewertung eines minderdynamischen Anrechts, dessen Dynamik in der Anwartschaftsphase nicht der Dynamik eines der Vergleichsanrechte entsprach). In diesen Fällen sei zur Vermeidung verfassungswidriger Ergebnisse eine individuelle Barwertermittlung durch Sachverständigengutachten geboten (BVerfG v. 2.5.2006 - 1 BvR 1351/95, FamRZ 2006, 1002).
[23] Dies eröffnet allerdings nicht die Möglichkeit, in Abkehr von § 1 Abs. 3 Barwert-Verordnung den Barwert eines Anrechts stets individuell zu ermitteln. Vielmehr gebietet es eine verfassungskonforme Auslegung des § 1587a Abs. 3 Nr. 2 BGB i.V.m. § 1 Abs. 3 Barwert-Verordnung, jedenfalls rein statische sowie nur im Anwartschafts- oder Leistungsstadium (voll-)dynamische Anrechte weiterhin unter Anwendung der pauschalierenden Barwert-Verordnung umzurechnen (vgl. Borth/Glockner FamRZ 2006, 1004, 1005). Deswegen teilt der Senat auch die Auffassung des OLG Oldenburg nicht, wonach die Umrechnung der Versorgungsanrechte nach der gültigen Fassung der Barwert-Verordnung unterschiedslos in allen Fällen zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung führe und deswegen durch andere Umrechnungskriterien zu ersetzen sei (Senatsbeschluss v. 20.9.2006 - XII ZB 248/03, MDR 2007, 471 = BGHReport 2007, 114 = FamRZ 2007, 23, 27; a.A. OLG Oldenburg v. 28.7.2006 - 11 UF 61/06, OLGReport Oldenburg 2006, 672 = NJW 2006, 2784 ff.; ferner Rehme FuR 2006, 112 und Bergner FPR 2006, 55).
[24] b) Tritt - wie hier bei der Betriebsrente der Siemens AG - der Versorgungsfall erst nach dem Ehezeitende, aber vor der Entscheidung über den Versorgungsausgleich ein, so ist allerdings eine Umrechnung eines nur im Leistungsstadium dynamischen Anrechts anhand der Barwert-Verordnung auch dann nicht erforderlich, wenn mit dem Eintritt des Versorgungsfalls eine bereits im Anwartschaftsstadium vorhandene verfallbare (Einkommens-)Dynamik unverfallbar wird und das Anrecht damit insgesamt ("voll"-)dynamisch ist (Senatsbeschlüsse v. 20.9.2006 - XII ZB 248/03, FamRZ 2007, 23, 27; v. 6.10.2004 - XII ZB 139/04, FamRZ 2005, 601, 602). Im vorliegenden Fall könnte deshalb die Betriebsrente der Siemens AG anhand des tatsächlichen Zahlbetrages ermittelt werden, wenn sie im Leistungsstadium volldynamisch und im Anwartschaftsstadium einkommensdynamisch wäre und sich die für den Zahlbetrag dieser Rente maßgebenden Bemessungsfaktoren seit dem Ehezeitende nicht geändert hätten. Durch die Zurückverweisung wird das OLG Gelegenheit haben, festzustellen, ob diese Konstellation hier gegeben ist.
[25] 2. Die Antragstellerin hat zwischenzeitlich das 60. Lebensjahr vollendet. Sollte sie deshalb - wie von ihr beabsichtigt - seit Dezember 2006 und damit seit dem satzungsgemäß frühestmöglichen Zeitpunkt eine betriebliche Altersrente beziehen, wird im Zeitpunkt der erneuten Entscheidung durch das OLG der vorzeitige Bezug von Altersrente wegen eines nach Ehezeitende eintretenden Umstandes feststehen. Dieser Umstand ist im Versorgungsausgleich - sofern das Anrecht nach den vom OLG zu treffenden Feststellungen einer Umrechnung unter Zugrundelegung der Barwert-Verordnung bedarf - durch eine Erhöhung des Barwertfaktors entsprechend § 2 Abs. 2 Satz 2 Barwert-Verordnung zu berücksichtigen. Der vorgezogene Beginn der Altersrente beeinflusst die Laufzeit und damit auch den Barwert des Anrechts, für dessen Bestimmung ein Rückgriff auf die Höchstaltersgrenze als fiktiven Rentenbeginn dann nicht mehr erforderlich ist (vgl. OLG Karlsruhe v. 8.1.1988 - 2 UF 319/85, FamRZ 1988, 845 f.; Johannsen/Henrich/Hahne Eherecht 4. Aufl., § 10a VAHRG Rz. 32 a.E.). Nicht mehr entscheidungserheblich ist in diesem Fall die vom OLG aufgeworfene Frage, ob der sich aus Tabelle 1 ergebende Barwertfaktor schon dann entsprechend § 2 Abs. 2 Satz 2 Barwert-Verordnung zu erhöhen ist, wenn der Inhaber eines betrieblichen Anrechts wegen Alters und Invalidität im Entscheidungszeitpunkt eine zeitlich vor dem frühest möglichen Bezug von Altersrente liegende Invalidenrente bezieht.
[26] 3. Soweit der Antragsgegner einwendet, seine Inanspruchnahme als Verpflichteter sei wegen des langen Zeitraums zwischen Scheidungsausspruch und Antrag auf nachträgliche Durchführung des Versorgungsausgleichs "verwirkt", kann dies entgegen der Auffassung des OLG nicht nach den allgemeinen Regeln beurteilt werden. Die allgemeinen Grundsätze über die Verwirkung von Rechten werden im Bereich des Versorgungsausgleichs durch die Härteklausel des § 1587c BGB verdrängt, bei der es sich gleichfalls um eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben handelt. Diese Vorschrift setzt aber andere und, vor allem durch das Merkmal der groben Unbilligkeit, strengere Maßstäbe als § 242 BGB (vgl. Senatsbeschlüsse v. 23.7.2003 - XII ZB 188/99, BGHReport 2003, 1412 = MDR 2004, 95 = FamRZ 2003, 1737, 1738; v. 30.9.1992 - XII ZB 100/89, MDR 1993, 243 = FamRZ 1993, 176, 178). § 1587c BGB regelt gerade auch Fälle des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs aufgrund des Verhaltens des Ausgleichsberechtigten (vgl. etwa Senatsbeschluss v. 13.10.1982 - IVb ZB 615/80, MDR 1983, 211 = FamRZ 1983, 32, 33). Diese Gesetzesvorschrift würde unterlaufen, wenn bereits eine "illoyal verspätete Geltendmachung", wie sie sonst den Verwirkungseinwand begründet, zu einem Ausschluss des Versorgungsausgleichs führte (Senatsbeschluss v. 30.9.1992 - XII ZB 100/89, MDR 1993, 243 = FamRZ 1993, 176, 178). Deshalb steht § 1587c BGB einer Anwendung des Verwirkungseinwandes als eigenständigem Rechtsinstitut entgegen.
[27] 4. Das Vorbringen der weiteren Beschwerde rechtfertigt indes auch eine Korrektur des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit nicht. Die "regelwidrige" Durchführung des Versorgungsausgleichs nach deutschem Recht schließt zwar neben der Billigkeitsklausel des Art. 17 Abs. 3 Satz 2 letzter Halbs. EGBGB die Überprüfung nicht aus, ob der Versorgungsausgleich nach § 1587c Nr. 1 BGB auszuschließen oder zu beschränken ist (Senatsbeschluss v. 23.2.1994 - XII ZB 39/93, MDR 1994, 690 = FamRZ 1994, 825, 827). Dafür müsste aber nach Abwägung sämtlicher Lebensumstände der Ehegatten, die für ihren gegenwärtigen oder künftigen wirtschaftlichen Stand von Bedeutung sind, eine Herabsetzung oder ein Ausschluss des Wertausgleichs geboten sein, weil dessen uneingeschränkte Durchführung dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widerspräche (Senatsbeschluss v. 25.5.2005 - XII ZB 135/02, BGHReport 2005, 1187 = MDR 2005, 1294 = FamRZ 2005, 1238, 1239).
[28] a) Die entsprechende tatrichterliche Ermessensentscheidung, die im Verfahren der weiteren Beschwerde nur begrenzt nachprüfbar ist (Senatsbeschluss v. 29.3.2006 - XII ZB 2/02, BGHReport 2006, 855 = MDR 2006, 1115 = FamRZ 2006, 769, 770 m.w.N.), ist vorliegend nicht zu beanstanden. Für die Annahme einer groben Unbilligkeit genügt der Vortrag des Antragsgegners nicht, er sei wirtschaftlich auf seine Rente angewiesen. Dies gilt selbst dann, wenn er nach Durchführung des Versorgungsausgleichs verstärkt auf Leistungen der Sozialhilfe angewiesen sein sollte. Unterhaltsrechtlich erhebliche Selbstbehaltsgrenzen bestehen beim Versorgungsausgleich nicht (vgl. Senatsbeschlüsse v. 16.12.1981 - IVb ZB 555/80, MDR 1982, 563 = FamRZ 1982, 258, 259; v. 29.4.1981 - IVb ZB 813/80, MDR 1981, 922 = FamRZ 1981, 756, 757; Schwab/Hahne a.a.O. VI Rz. 283; Palandt/Brudermüller BGB 66. Aufl., § 1587c Rz. 23; MünchKomm/Dörr a.a.O. § 1587c BGB Rz. 19). Ein Ausschluss aus wirtschaftlichen Gründen ist lediglich dann gerechtfertigt, wenn der Wertausgleich die Erhöhung einer bereits ausreichenden Versorgung des Berechtigten zur Folge hätte und dem Verpflichteten Anrechte entziehen würde, auf die dieser dringend angewiesen ist (vgl. Senatsbeschluss v. 16.12.1981 - IVb ZB 555/80, MDR 1982, 563 = FamRZ 1982, 258, 259). Entsprechende, ein erhebliches wirtschaftliches Ungleichgewicht zu seinen Lasten begründende Umstände hat der Antragsgegner aus den unter II. 3. dargestellten Gründen nicht vorgetragen.
[29] b) Auch die "späte" Antragstellung auf Durchführung des Versorgungsausgleichs ca. sechs Jahre nach Rechtskraft der Scheidung lässt den Wertausgleich nicht nach der generellen Härteklausel des § 1587c Nr. 1 BGB als grob unbillig erscheinen. Die Antragstellerin hat - im Scheidungsverbund anwaltlich vertreten - lediglich mitgeteilt, keinen Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs zu stellen. Daraus durfte der Antragsgegner ohne Hinzutreten weiterer Umstände objektiv nicht schließen, die Antragstellerin werde auch in Zukunft keinen Wertausgleich begehren. Der Antrag auf die sog. "regelwidrige" Durchführung des Versorgungsausgleichs nach deutschem Recht (Art. 17 Abs. 3 EGBGB) hat gerade nicht zwingend im Verbundverfahren zu erfolgen; er kann auch später im isolierten Verfahren nachgeholt werden (Palandt/Heldrich a.a.O. Art. 17 EGBGB Rz. 22; vgl. OLG München v. 8.12.1999 - 26 UF 666/99, FamRZ 2000, 165; OLG Düsseldorf v. 25.8.1998 - 6 WF 90/98, FamRZ 1999, 1210; OLG Hamm v. 20.9.1990 - 4 UF 157/90, FamRZ 1991, 204; OLG Schleswig v. 8.9.1990 - 15 UF 7/90, FamRZ 1991, 96, 98). Fallen die Zeitpunkte der Rechtskraft der Scheidung und der Entscheidung über den Versorgungsausgleich auseinander, "verjährt" der Ausgleichsanspruch nicht; er erlischt nach § 1587e Abs. 2 BGB grundsätzlich erst mit dem Tode des Berechtigten. Umstände, die demgegenüber die Durchführung des Versorgungsausgleichs als grob unbillig erscheinen lassen, hat der Antragsgegner in diesem Zusammenhang nicht vorgetragen. Vielmehr war die Antragstellerin im Scheidungszeitpunkt noch berufstätig; der Antragsgegner hatte deshalb keine Veranlassung zu der Annahme, die Antragstellerin habe sich schon abschließend mit der Regelung ihrer Altersvorsorge befasst.
[30] 5. Die angefochtene Entscheidung konnte auch deshalb keinen Bestand haben, weil die vom AG - FamG - eingeholten Auskünfte der DRV B. S. vom 11.1.1999 und der DRV B.-W. vom 15.12.1998 die Änderungen der Rechtslage durch das Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmEG vom 21.3.2001, BGBl. I, 403) nicht berücksichtigen. Das OLG wird deshalb den Versorgungsausgleich auch unter Zugrundelegung aktueller Auskünfte der weiteren Beteiligten zu 1) und 2) neu zu regeln haben.
[31] 6. In ihrer ggü. dem AG - FamG - erteilten Auskunft hat die DRV B. S. mitgeteilt, der Antragsgegner habe in der Ehezeit erst im Leistungsfall ermittelbare Versicherungszeiten in seiner Heimat zurückgelegt. Kroatische Versicherungszeiten haben unter Zugrundelegung des Deutsch-Kroatischen Sozialversicherungsabkommens vom 24.11.1997 (BGBl. 1998 II, S. 2034 ff.) jedoch keinen Einfluss auf die Höhe der deutschen Rente. Da hier davon auszugehen ist, dass der Antragsgegner auch ohne Berücksichtigung des ausländischen Anrechts ausgleichspflichtig ist, beeinflusst das kroatische Anrecht den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich nicht; es unterliegt dem schuldrechtlichen Ausgleich (vgl. Senatsbeschluss vom 2.12.1987 - IVb ZB 146/83, FamRZ 1988, 273, 276; OLG Hamm v. 12.11.2001 - 4 UF 73/01, FamRZ 2002, 1568, 1569; OLG Saarbrücken 6 UF 73/91 - veröffentlicht bei juris).
Fundstellen
Haufe-Index 1749210 |
NJW 2007, 2477 |
BGHR 2007, 814 |
EBE/BGH 2007 |
FamRZ 2007, 996 |
MDR 2007, 1079 |
FamRB 2007, 203 |
FamRBint 2007, 58 |
FK 2008, 13 |