Leitsatz (amtlich)
Die Bestellung von Sicherheiten, einschließlich Pfandrechten, für Forderungen aus verbindlichen Börsentermingeschäften durch Dritte setzt deren Termingeschäftsfähigkeit voraus.
Normenkette
BGB § 1204; BörsG §§ 53, 59
Verfahrensgang
OLG Stuttgart |
LG Heilbronn |
Tenor
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Streitwert: 10.846,11 DM.
Gründe
I.
Die Klägerin hat die beklagte Bank auf Auszahlung des Guthabens auf ihrem Girokonto in Anspruch genommen.
Die Klägerin unterhält bei der Beklagten ein Girokonto und ein Depot, in dem sich Bundesschatzbriefe des Typs A im Nennwert von 10.000 DM befanden. Durch Sicherungsvertrag vom 12./17. Februar 1997 verpfändete die zu diesem Zeitpunkt nicht börsentermingeschäftsfähige Klägerin der Beklagten die in dem Depot verwahrten Wertpapiere nebst Zinsscheinen zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche der Beklagten aus Börsentermingeschäften gegen die W. GmbH, Wi. Die Haftung der Wertpapiere wurde auf einen Betrag von 10.000 DM beschränkt. Nach Fälligkeit der Bundesschatzbriefe am 1. November 1998 schrieb die Beklagte deren Nennwert von 10.000 DM dem Girokonto der Klägerin gut.
Die Klage auf Auszahlung des Guthabens auf dem Girokonto in Höhe von 10.846,11 DM nebst Zinsen ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der – zugelassenen – Revision hat die Klägerin ihren Klageantrag weiterverfolgt. Während des Revisionsverfahrens hat die Beklagte, nachdem die W. GmbH die durch die Verpfändung gesicherte Forderung erfüllt hat, das Guthaben an die Klägerin ausgezahlt. Daraufhin haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitig widerstreitende Kostenanträge gestellt.
II.
Über die Kosten des Rechtsstreits war gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Danach waren die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, weil der Revision der Klägerin bei Fortführung des Verfahrens stattzugeben gewesen wäre.
1. Die Klägerin hatte im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit ihrer Klage gegen die Beklagte einen Anspruch gemäß §§ 700 Abs. 1 Satz 1, 607 Abs. 1 BGB auf Auszahlung ihres Guthabens in Höhe von 10.846,11 DM.
2. Die Beklagte konnte sich gegenüber dem Auszahlungsanspruch der Klägerin nicht auf ein Pfandrecht an dem Guthaben berufen. Der Sicherungsvertrag vom 12./17. Februar 1997 hat mangels Börsentermingeschäftsfähigkeit der Klägerin kein verbindliches Pfandrecht an den Bundesschatzbriefen, das sich an dem Guthaben auf dem Girokonto fortgesetzt haben könnte, begründet. Die Bundesschatzbriefe sollten zwar Ansprüche der Beklagten aus Börsentermingeschäften sichern, die von einer GmbH geschlossen worden und deshalb gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG verbindlich waren. Die verbindliche Verpfändung der Bundesschatzbriefe setzte aber gleichwohl die Börsentermingeschäftsfähigkeit der Klägerin voraus.
a) Die Frage, ob nicht börsentermingeschäftsfähige Dritte Sicherheiten für Forderungen aus voll wirksamen Börsentermingeschäften verbindlich bestellen können, wird in Rechtsprechung und Literatur – für Bürgschaften und Garantien – unterschiedlich beurteilt (verneinend: RGZ 140, 132, 135; OLG Hamburg, Urteil vom 27. April 1995 – 8 U 36/94 mit ablehnender Anmerkung Koller EWiR 1997, 73, 74; Polt, in: Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis 7/288; Baumbach/Hopt, HGB 30. Aufl. § 59 BörsG Rdn. 1; Nußbaum, BörsG § 59 Anm. III; Meyer/Bremer, BörsG 4. Aufl. § 59 Anm. 1; bejahend: Irmen, in: Schäfer, Wertpapierhandelsgesetz, Börsengesetz, Verkaufsprospektgesetz § 59 BörsG Rdn. 9; Allmendinger, in: Allmendinger/Tilp, Börsentermin- und Differenzgeschäfte Rdn. 390, 393 f.; Breit, in: Düringer/Hachenburg, HGB 3. Aufl. §§ 373-382 Anhang II Anm. 185; Maser, Der Termin- und der Differenzeinwand bei Börsentermingeschäften in Wertpapieren, S. 90; widersprüchlich Schwark, BörsG 2. Aufl. § 53 Rdn. 1 einerseits und § 59 Rdn. 4 andererseits). Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 13. November 1997 – IX ZR 289/96, WM 1998, 67, 69, insoweit in BGHZ 137, 153 ff. nicht abgedruckt) hat die Entscheidung dieser Frage, die dem Wortlaut der §§ 52 ff. BörsG, die die Bestellung von Sicherheiten für erlaubte Börsentermingeschäfte nicht ausdrücklich regeln, nicht unmittelbar entnommen werden kann, bisher offengelassen. Die Frage ist nunmehr dahin zu entscheiden, daß die Bestellung von Sicherheiten, einschließlich Pfandrechten, für Forderungen aus verbindlichen Börsentermingeschäften durch Dritte deren Termingeschäftsfähigkeit voraussetzt.
b) Dies erfordert der Regelungszweck der §§ 52 ff. BörsG.
aa) Die §§ 52 ff. BörsG gewähren Schutz vor der besonderen Gefährlichkeit von Börsentermingeschäften. Derartige Geschäfte verleiten zur Spekulation auf eine günstige, aber ungewisse Entwicklung des Marktpreises, die die Auflösung des Terminengagements ohne Einsatz eigenen Vermögens durch ein gewinnbringendes Glattstellungsgeschäft ermöglichen soll (BGHZ 103, 84, 88). Effektiver Schutz vor dieser Gefahr ist nur gewährleistet, wenn über das eigentliche Börsentermingeschäft hinaus auch die Bestellung von Sicherheiten, deren Inanspruchnahme ebenfalls vom Ausgang der börsentermingeschäftsmäßigen Spekulation auf die künftige Entwicklung des Marktpreises oder Börsenkurses abhängt, in den Anwendungsbereich der §§ 52 ff. BörsG einbezogen wird. Dabei kann die Anwendung der §§ 52 ff. BörsG auf die Bestellung eines Pfandrechts für Forderungen aus einem Börsentermingeschäft nicht davon abhängig gemacht werden, ob das Geschäft von einer börsentermingeschäftsfähigen Person verbindlich oder von einer nicht börsentermingeschäftsfähigen Person unverbindlich abgeschlossen worden ist. Die Verbindlichkeit des Börsentermingeschäfts ändert nichts daran, daß der Besteller von Sicherheiten dem typischen Risiko von Börsentermingeschäften ausgesetzt wird, vor dem nicht börsentermingeschäftsfähige Personen geschützt werden sollen. Die Verwertung des Pfandes durch den Gläubiger hängt nämlich nicht nur von der Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft des Schuldners, sondern zusätzlich vom Ausgang der Terminspekulation ab. Nur wenn die Spekulation auf eine günstige Entwicklung des Marktpreises oder Börsenkurses enttäuscht wird und die Terminposition nicht durch ein gewinnbringendes Glattstellungsgeschäft geschlossen werden kann, wird das Pfand verwertet. Gegenüber diesem typischen Spekulationsrisiko eines Börsentermingeschäfts ist auch der Besteller eines Pfandrechts schutzwürdig.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, bei der Bestellung eines Pfandrechts für Ansprüche aus verbindlichen Börsentermingeschäften gewährleiste allein schon die Termingeschäftsfähigkeit des Schuldners hinreichende Einsicht in die Geschäftsrisiken und ausreichenden Schutz vor ihnen. Die Termingeschäftsfähigkeit kraft Aufklärung gem. § 53 Abs. 2 BörsG zielt auf wirksamen Selbstschutz durch verantwortliche Eigenentscheidung (Baumbach/Hopt, HGB 30. Aufl. § 53 BörsG Rdn. 7). Dieser Selbstschutz ist nur gegeben, wenn jeder, der sich den Risiken eines Börsentermingeschäfts aussetzt, selbst börsentermingeschäftsfähig ist und das Geschäftsrisiko eigenverantwortlich übernehmen, insbesondere realistisch einschätzen kann. Ein lediglich von der Termingeschäftsfähigkeit des Schuldners abgeleiteter Schutz des Bestellers eines Pfandrechts entspricht nicht der Schutzintention des § 53 Abs. 2 BörsG.
Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Besteller eines Pfandrechts, der nicht selbst Vertragspartner des Börsentermingeschäfts ist, nicht den Gewinnanreizen des Geschäfts ausgesetzt ist. Der Umstand, daß der Besteller eines Pfandrechts, der am Börsentermingeschäft selbst nicht beteiligt ist, nur an den Verlustrisiken, nicht aber an den Gewinnaussichten teil hat, erhöht eher seine Schutzwürdigkeit.
Ob die Börsentermingeschäftsfähigkeit des Bestellers eines Pfandrechts nur für die Sicherung künftiger Ansprüche aus Börsentermingeschäften, bei denen der Ausgang der Spekulation noch ungewiß ist, oder auch für die Sicherung bestehender Ansprüche aus Börsentermingeschäften, bei denen sich das Spekulationsrisiko bereits verwirklicht hat, erforderlich ist, bedarf keiner Entscheidung. Die für die tatsächlichen Voraussetzungen ihres Pfandrechts darlegungsbelastete Beklagte hat nicht vorgetragen, ob sie das Pfandrecht aufgrund des Sicherungsvertrages vom 12./17. Februar 1997, der sowohl bestehende als auch künftige Ansprüche aus Börsentermingeschäften erfaßt, für vor oder nach der Bestellung des Pfandrechts entstandene Ansprüche geltend macht.
bb) Die Anwendbarkeit der §§ 52 ff. BörsG auf die Bestellung von Sicherheiten für Forderungen aus voll wirksamen Börsentermingeschäften wird durch die Entstehungsgeschichte bestätigt. § 54 BörsG a.F. machte die Bestellung von Sicherheiten von strengen, hier nicht erfüllten, formalen Voraussetzungen abhängig. Die Vorschrift ist zwar durch das am 1. August 1989 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Börsengesetzes vom 11. Juli 1989 (BGBl. I S. 1412) aufgehoben worden. Dabei ist der Gesetzgeber aber davon ausgegangen, daß die zugleich eingeführte Börsentermingeschäftsfähigkeit kraft Information ein besonderes System der Sicherheitsleistung überflüssig mache (BT-Drucks. 11/4177 S. 20). Dies bedeutet, daß im früheren Geltungsbereich des aufgehobenen § 54 BörsG a.F. nach dem Willen des Gesetzgebers nunmehr die Börsentermingeschäftsfähigkeit des Bestellers von Sicherheiten gemäß § 53 Abs. 2 BörsG herzustellen ist.
§ 54 BörsG a.F. erfaßte seinem Wortlaut nach Sicherheiten für Forderungen aus Börsentermingeschäften, die eine nicht börsentermingeschäftsfähige Person, insbesondere der Besteller der Sicherheit selbst, abgeschlossen hatte. Die Vorschrift galt aber auch für Sicherheiten, die nicht der Vertragspartner des Börsentermingeschäfts, sondern ein Dritter bestellte (Schwark, BörsG 1976 § 54 Rdn. 2), und zwar auch dann, wenn das Börsentermingeschäft aufgrund der Termingeschäftsfähigkeit des Vertragspartners voll verbindlich war (vgl. RGZ 140, 132, 135 f.). Auch in diesen Fällen ist nach geltendem Recht die verbindliche Bestellung von Sicherheiten, einschließlich Pfandrechten, von der Börsentermingeschäftsfähigkeit des Bestellers abhängig.
III.
Der Streitwert entspricht für den gesamten Rechtsstreit dem Wert der Hauptsache, weil die bis zu den Erledigungserklärungen angefallenen Verfahrenskosten diesen übersteigen (vgl. BGH, Beschluß vom 10. September 1997 – XII ZR 288/95, BGHR ZPO § 91 a Abs. 1 Satz 1 – Streitwert 4).
Unterschriften
Nobbe, van Gelder, Müller, Joeres, Wassermann
Fundstellen
Haufe-Index 634770 |
BGHZ |
BGHZ, 297 |
BB 2001, 1867 |
DB 2001, 2543 |
NJW 2001, 3258 |
BGHR 2001, 830 |
EWiR 2001, 1047 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 1714 |
WuB 2001, 1265 |
ZIP 2001, 1630 |
MDR 2001, 1253 |
BKR 2001, 96 |
FB 2001, 640 |