Leitsatz (amtlich)
Ohne Vorliegen besonderer Umstände erfordert der von einem anwaltlichen Vertreter gestellte Antrag auf Einsicht in die Akten eines Patentnichtigkeitsverfahrens nicht, daß der von dem Anwalt vertretene Mandant namhaft gemacht wird.
Normenkette
PatG § 99 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Den Patentanwälten R., B. und Partner in S. wird Akteneinsicht in die Akten des Patentnichtigkeitsverfahrens X ZR 4/00 gewährt.
Gründe
I. Die Patentanwälte R., B. und Partner haben – ohne Nennung des Auftraggebers – Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens X ZR 4/00 begehrt, die sich nach Einlegung der Berufung bei dem beschließenden Senat befinden. Die Beklagte hat gegenüber dem Antrag keine Bedenken erhoben; die Klägerin hat ihm mit der Begründung widersprochen, daß eine Angabe darüber fehle, für welche Auftraggeber Akteneinsicht begehrt werde. Ohne die Kenntnis dieses Auftraggebers sei ihr die Bewertung nicht möglich, ob der Akteneinsicht auf ihrer Seite ein berechtigtes Interesse entgegenstehe.
II. Dem Antrag war stattzugeben. Soweit der beschließende Senat in der Vergangenheit die Akteneinsicht durch einen Patentanwalt oder einen Rechtsanwalt davon abhängig gemacht hat, daß dieser seinen Auftraggeber benennt (vgl. BGHZ 42, 19, 29 – Akteneinsicht I; zum früheren Recht vgl. auch Benkard/Schäfers, PatG, GebrMG, 8. Aufl., § 99 PatG Rdn. 16; Busse, PatG, 5. Aufl., § 99 PatG Rdn. 36 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Senats und des BPatG), hält er daran nach erneuter Überprüfung nicht fest. Nach § 99 Abs. 3 PatG gilt für die Akteneinsicht durch andere als die Parteien des Nichtigkeitsverfahrens die Regelung des § 31 PatG entsprechend, der das Recht auf Einsicht in die Akten des Patentamts betrifft. Danach ist die Einsicht in diese Akten lediglich von einem förmlichen Antrag, nicht jedoch auch von der Darlegung eines berechtigten Interesses abhängig. Die Notwendigkeit einer solchen Darlegung kann sich nach dem Wortlaut des § 99 Abs. 3 PatG und der darin zum Ausdruck kommenden Wertung nur dann stellen, wenn von seiten des Patentinhabers oder des diesem im Hinblick auf die Akteneinsicht gleich zu behandelnden Nichtigkeitsklägers (vgl. dazu BGH GRUR 1972, 441, 442 – Akteneinsicht IX; Busse, aaO, Rdn. 37) ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dargetan wird. Erst nach einer solchen Darlegung bedarf es einer Abwägung unter den beteiligten Interessen (BGH GRUR 1972, 441 – Akteneinsicht IX; Benkard/Schäfers, aaO, Rdn. 18; Busse, aaO, Rdn. 36), in die die Belange desjenigen, der Akteneinsicht begehrt, nur dann eingestellt werden können, wenn sie dem Gericht dargelegt worden und deshalb bekannt sind. Aus der Notwendigkeit dieser Darlegung kann jedoch nicht abgeleitet werden, daß der um Akteneinsicht Nachsuchende schon im Vorgriff auf mögliche Einwände gehalten ist, die von ihm verfolgten Interessen offenzulegen und gegebenenfalls glaubhaft zu machen. Ein solches Verlangen wäre mit Wortlaut und Zweck der Regelung nach § 99 Abs. 3 PatG nicht zu vereinbaren. Es hätte zur Folge, daß die Akteneinsicht gegen den klaren Wortlaut der gesetzlichen Regelung im Ergebnis doch von der Darlegung und Glaubhaftmachung eines eigenen Interesses abhängig gemacht und damit die vom Gesetz vorgenommene Wertung in ihr Gegenteil verkehrt würde. Danach ist der Akteneinsicht Begehrende allenfalls dann zu weiteren Darlegungen gehalten, wenn eine der Parteien des Nichtigkeitsverfahrens ein schutzwürdiges Gegeninteresse darlegt und gegebenenfalls glaubhaft macht. Dazu genügt es nicht, daß sie der Akteneinsicht widerspricht. Schon nach dem Wortlaut der Regelung bedarf es vielmehr der Darlegung eines eigenen Interesses, das dem Begehren entgegengehalten werden kann und soll. Erst wenn dieses vorliegt, kann nach der gesetzlichen Ausgestaltung der Akteneinsicht Begehrende seinerseits gehalten sein, sein Interesse an der Gewährung der Akteneinsicht vorzutragen und gegebenenfalls glaubhaft zu machen. Kommt er dem nicht nach, hat das lediglich zur Folge, daß die von ihm verfolgten Interessen bei der Abwägung nicht berücksichtigt werden können und so auch eine pauschalere Behauptung eines Gegeninteresses genügen kann, das von ihm geltend gemachte Recht auf Einsicht in die Akten zu Fall zu bringen.
Für den durch einen anwaltlichen Vertreter gestellten Akteneinsichtsantrag gilt insoweit nichts anderes. Wenn weder von ihm noch von der von seinem Mandanten die Darlegung des eigenen Interesses an der Akteneinsicht verlangt werden kann, besteht insoweit auch kein Anlaß, seinen Mandanten namhaft zu machen (so auch im Ergebnis Sen.Beschl. v. 8.10.1998 – X ZB 12/98, GRUR 1999, 226 – Akteneinsicht XIV für die Einsichtnahme in die Beschwerdeakten in einem Gebrauchsmusterlöschungsverfahren). Bei ihm kommt hinzu, daß er ohnehin auch im eigenen Namen Einsicht in die Akten verlangen könnte. In § 99 Abs. 3 PatG ist das Recht auf Einsicht in die Akten jedermann zugestanden worden; dieses Recht kann auch der anwaltliche Vertreter ohne Einschränkung selbst in Anspruch nehmen. Auch insoweit kommt es nicht darauf an, ob er ein eigenes Interesse an den durch die Einsichtnahme vermittelten Kenntnissen besitzt.
Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist den Antragstellern Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens zu gewähren. Ein schutzwürdiges Gegeninteresse hat die Klägerin nicht dargelegt. Sie hat sich nur pauschal darauf bezogen, daß sie ohne Kenntnis der von den Antragstellern vertretenen Partei nicht beurteilen könne, ob aus ihrer Sicht wesentliche Gründe der Gewährung der Akteneinsicht entgegenstünden. Das genügt zur Darlegung eines Gegeninteresses auch vor dem Hintergrund dessen nicht, daß ihre Darlegungen mangels näherer Ausführungen der Antragsteller notwendig pauschal bleiben müssen. Sie hat sich vielmehr darauf beschränkt, der Akteneinsicht zu widersprechen.
Unterschriften
Rogge, Jestaedt, Melullis, Scharen, Keukenschrijver
Fundstellen
Haufe-Index 556457 |
BGHR 2001, 47 |
GRUR 2001, 143 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 2001, 531 |
WRP 2001, 47 |
Mitt. 2001, 73 |