Tenor
Auf die Rechtsmittel der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz werden der Beschluß des 26. Zivilsenats – zugleich Familiensenat – des Oberlandesgerichts München vom 14. September 2000 aufgehoben und Nr. 2, 2. Absatz des Entscheidungssatzes des Endurteils des Amtsgerichts – Familiengericht – Freyung vom 28. Juni 2000 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Von dem Versicherungskonto Nr. … des Antragsgegners bei der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz werden auf das Versicherungskonto Nr. … der Antragstellerin bei der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz weitere Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 10,98 DM, bezogen auf den 29. Februar 2000, übertragen. Der Monatsbetrag der zu übertragenden Anwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
Die Gerichtskosten der Rechtsmittelverfahren tragen die Parteien je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden in diesen Verfahren nicht erstattet.
Beschwerdewert: 1000 DM
Gründe
I.
Die am 22. April 1966 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den dem Ehemann (Antragsgegner) am 15. März 2000 zugestellten Antrag der Ehefrau (Antragstellerin) durch Verbundurteil vom 28. Juni 2000 geschieden (insoweit rechtskräftig seit demselben Tage) und der Versorgungsausgleich geregelt.
Während der Ehezeit (1. April 1966 bis 29. Februar 2000; § 1587 Abs. 2 BGB) erwarben die Ehegatten nach den tatrichterlichen Feststellungen jeweils Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz (weitere Beteiligte, LVA), und zwar die am 23. Dezember 1946 geborene Ehefrau in Höhe von 1.053,35 DM und der am 31. August 1945 geborene Ehemann in Höhe von 1.820,79 DM, jeweils monatlich und bezogen auf den 29. Februar 2000. Daneben besteht für den Ehemann ein unverfallbares Anrecht auf eine Versorgung bei der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK Bau) in Höhe von 1.026 DM jährlich. Die Ehefrau bezog am 29. Februar 2000 eine Erwerbsunfähigkeitsrente.
Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, daß es Rentenanwartschaften des Ehemanns bei der LVA in Höhe von monatlich 383,72 DM, bezogen auf den 29. Februar 2000, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der LVA übertragen hat. Außerdem hat es – im Wege des erweiterten Splittings nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG, § 1587 b Abs. 1 BGB – von dem Versicherungskonto des Ehemanns bei der LVA weitere Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 18,16 DM, bezogen auf den 29. Februar 2000, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der LVA übertragen. Für die Umrechnung des statischen Anrechts des Ehemanns auf eine Betriebsrente in eine dynamische Anwartschaft hat es dessen Barwert nicht nach der Barwertverordnung, die es für verfassungswidrig erachtet, sondern unter Bezugnahme auf in der Literatur veröffentlichte „Ersatztabellen” mit 7.912,49 DM ermittelt und es auf dieser Grundlage in eine dynamische Anwartschaft in Höhe von monatlich 36,32 DM umgerechnet.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde hat die LVA gerügt, das Amtsgericht habe bei der Umrechnung der statischen Anwartschaften nicht von der zwingend angeordneten Anwendung der Barwertverordnung absehen dürfen. Das Oberlandesgericht hat auf die Beschwerde den Beschluß des Amtsgerichts dahin abgeändert, daß im Wege des erweiterten Splittings Anrechte nur in Höhe von monatlich 14,57 DM statt 18,16 DM zu übertragen seien. Das Amtsgericht habe zwar zu Recht die in der Literatur veröffentlichten „Ersatztabellen” angewandt. Allerdings sei der pauschale Zuschlag von 25 %, der dort für den Fall vorgesehen sei, daß eine der gesetzlichen Rente vergleichbare Hinterbliebenenversorgung zugesagt werde, entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht vorzunehmen, da die ZVK Bau eine solche Hinterbliebenenversorgung nicht zusage. Gegen die Anwendung der „Ersatztabellen” richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde der LVA, mit der sie weiterhin die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich begehrt.
II.
Die weitere Beschwerde ist begründet.
1. Das Oberlandesgericht hat angenommen, die Barwertverordnung sei verfassungswidrig, weil sie zu einer übermäßigen Abwertung der mit ihr bewerteten Anrechte führe und daher den Gleichheitssatz verletze. Dies beruhe darauf, daß die Barwertverordnung auf veralteten biometrischen Rechnungsgrundlagen beruhe, eine etwaige Hinterbliebenenversorgung bei der Barwertbildung unberücksichtigt bleibe und die Dynamik der gesetzlichen Rente und der Beamtenversorgung immer wesentlich unter dem Rechnungszins der Barwertverordnung von 5,5 % liege. Deshalb seien anstelle der Tabellen der Barwertverordnung die im Jahre 2000 veröffentlichten „Ersatztabellen” (Glockner/Gutdeutsch FamRZ 2000, 270, 271) für die Barwertermittlung heranzuziehen. Da die ZVK Bau im Falle des Todes lediglich eine Einmalabfindung an den überlebenden Ehepartner zahle, könne nicht von einer Hinterbliebenenversorgung gesprochen werden. Deshalb sei aus den Ersatztabellen ein niedrigerer Barwertfaktor zur Ermittlung des Barwerts heranzuziehen, was zu dem reduzierten Ausgleichsanspruch führe.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Der erkennende Senat hat mit Beschluß vom 5. September 2001 entschieden, daß die Gerichte bei der Ermittlung der Barwerte für statische und teildynamische Anwartschaften grundsätzlich auch weiterhin an die Barwertverordnung und deren Tabellen gebunden sind; auf „Ersatztabellen” kann nicht zurückgegriffen werden (Senatsbeschluß vom 5. September 2001 – XII ZB 121/99 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Auf diesen Beschluß, dessen Abdruck beigefügt wird, wird verwiesen. Darüber hinaus zeigt gerade der vorliegende Fall, daß die Anwendung der Barwertverordnung nicht immer zu wesentlichen Abweichungen beim Versorgungsausgleich führt (s. die Berechnung unter 3.).
3. Danach können die Entscheidungen der Vorinstanzen keinen Bestand haben. Der Senat kann anhand der vom Tatrichter zugrunde gelegten Versorgungsauskünfte, gegen die von seiten der Beteiligten keine Einwände erhoben wurden und auch sonst keine Bedenken ersichtlich sind, selbst entscheiden.
a) Auf seiten des Ehemanns sind in der Ehezeit erworbene Anwartschaften bei der LVA in Höhe von 1.820,79 DM, sowie das Anrecht auf die Versorgung bei der ZVK Bau für den Versorgungsausgleich zu berücksichtigen. Nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 3 b) BGB ist nur der zeitratierlich zu berechnende Ehezeitanteil der Betriebsrente auszugleichen, der tatrichterlich mit 976,85 DM jährlich festgestellt ist. Da der Wert der Versorgung nicht in gleicher oder nahezu gleicher Weise steigt wie der Wert der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung, ist der ehezeitlich erworbene Anteil der Versorgung gemäß § 1587 a Abs. 3, 4 BGB in eine dynamische Rente umzurechnen. Dies geschieht, indem zunächst der Barwert des im Anwartschafts- und Leistungsstadium statischen Anrechts, das für den Fall des Alters und der Invalidität zugesagt ist, nach Tabelle 1 BarwertVO ermittelt wird. Dabei ist es unerheblich, ob die ZVK Bau eine Hinterbliebenenversorgung zusagt; denn eine solche müßte bei der Barwertermittlung außer Betracht bleiben (Senatsbeschluß vom 25. September 1991 – XII ZB 77/90 – FamRZ 1992, 165, 166). Bei dem anzuwendenden Barwertfaktor von 4,9 (Alter des Ehemanns zum Ende der Ehezeit: 54 Jahre) ergibt sich ein Barwert von 4.786,57 DM. Zur Umrechnung in ein dynamisches Anrecht wird dieser Betrag fiktiv in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt. Der Betrag wird daher mit dem für das Ende der Ehezeit geltenden Umrechnungsfaktor der Rechengrößenbekanntmachung in Entgeltpunkte umgerechnet, diese sodann mit Hilfe des aktuellen Rentenwerts nach § 1587 a Abs. 3, 4 BGB in eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung. Dies ergibt eine dynamisierte Rente von monatlich 21,97 DM (4.786,57 DM × 0,0000950479 [Rarr] 0,4550 Entgeltpunkte × 48,29 DM = 21,97 DM). Der Ehemann hat daher während der Ehezeit insgesamt Anwartschaften in Höhe von 1.842,76 DM erworben.
Auf seiten der Ehefrau sind in der Ehezeit erworbene Anwartschaften auf eine Regelaltersrente bei der LVA in Höhe von 1.053,35 DM in den Versorgungsausgleich einzubeziehen. Denn der von der Ehefrau bezogenen Erwerbsunfähigkeitsrente liegt eine geringere Anzahl an Entgeltpunkten zugrunde als der in Zukunft zu zahlenden Altersrente (vgl. Senatsbeschluß vom 11. April 1984 – IVb ZB 504/80 – FamRZ 1984, 673 für den umgekehrten Fall).
b) Dementsprechend ist gemäß § 1587 a Abs. 1 BGB der Ehemann, der die werthöheren Anwartschaften erworben hat, in Höhe von monatlich 394,70 DM [(1.842,76 DM – 1.053,35 DM): 2] ausgleichspflichtig. Bezüglich der bei der LVA erworbenen Anwartschaften hat das Familiengericht richtig das Rentensplitting nach § 1587 b Abs. 1 BGB in Höhe von monatlich 383,72 DM durchgeführt.
c) Das Anrecht des Ehemannes auf eine betriebliche Altersversorgung richtet sich gegen einen inländischen privatrechtlich organisierten Versorgungsträger, der die Realteilung nicht zuläßt. Es unterliegt daher grundsätzlich dem schuldrechtlichen Ausgleich nach § 2 VAHRG. Anstelle des schuldrechtlichen Ausgleichs kann jedoch nach § 3 b Nr. 1 VAHRG bis zur Höhe von 2 % des auf einen Monat entfallenden Teils der am Ende der Ehezeit maßgebenden Bezugsgröße (§ 18 SGB IV), hier 89,60 DM, ein anderes vor oder während der Ehe erworbenes Anrecht des Verpflichteten, das seiner Art nach durch Übertragung oder Begründung von Anrechten ausgeglichen werden kann, zum Ausgleich herangezogen werden. Der Ausgleich erfolgt daher im Wege des erweiterten Splittings nach § 3 b Nr. 1 VAHRG in Höhe von 10,98 DM monatlich (21,97 DM: 2), bezogen auf den 29. Februar 2000.
d) Der Höchstbetrag nach § 1587 b Abs. 5 BGB von 2.222,32 DM ist nicht überschritten. Die übertragenen Rentenanwartschaften sind nach § 1587 b Abs. 6 BGB in Entgeltpunkte umzurechnen.
Unterschriften
Blumenröhr, Gerber, Wagenitz, Fuchs, Ahlt
Fundstellen
Haufe-Index 657764 |
FPR 2002, 182 |