Leitsatz (amtlich)
Ein Teilunterliegen i.S.v. § 92 ZPO des Gläubigers im Ordnungsmittelverfahren gem. § 890 Abs. 1 ZPO ist anzunehmen, wenn der Gläubiger in seinem Antrag einen Mindestbetrag des festzusetzenden Ordnungsgeldes nennt und das Gericht einen geringeren Betrag festsetzt.
Normenkette
ZPO §§ 92, 891 S. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des OLG Köln vom 27.6.2013 wird auf Kosten der Gläubigerin als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 146,78 EUR
Gründe
Rz. 1
I. Der Schuldner hatte im Rahmen einer Immobilienanzeige im Internet zwei Kartenausschnitte verwendet und damit Urheberrechte der Gläubigerin verletzt. Mit einstweiliger Verfügung vom 20.8.2010 untersagte ihm das LG, die Kartenausschnitte zu vervielfältigen oder zu veröffentlichen.
Rz. 2
Der Schuldner löschte das Immobilienangebot. Die Kartenausschnitte konnten jedoch Anfang 2013 durch direkte Eingabe der jeweiligen URLs aufgerufen werden. Die Gläubigerin sieht darin einen Verstoß gegen die einstweilige Verfügung. Sie hat beantragt, gegen den Schuldner wegen dieses Verstoßes ein empfindliches Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, zu verhängen. Zur Begründung ihres Antrags hat die Gläubigerin ausgeführt, die Höhe des Ordnungsgeldes werde in das Ermessen des Gerichts gestellt, es solle jedoch mindestens 3.500 EUR betragen.
Rz. 3
Das LG hat gegen den Schuldner ein Ordnungsgeld i.H.v. 500 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, verhängt und den weitergehenden Ordnungsmittelantrag zurückgewiesen. Die Kosten hat es zu 6/7 der Gläubigerin und zu 1/7 dem Schuldner auferlegt. Mit der dagegen eingelegten sofortigen Beschwerde hat die Gläubigerin beantragt, gegen den Schuldner ein angemessenes Ordnungsgeld zu verhängen und ihm die gesamten Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. In der Beschwerdebegründung hat die Gläubigerin erneut angeregt, ein Ordnungsgeld von mindestens 3.500 EUR festzusetzen.
Rz. 4
Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde der Gläubigerin zurückgewiesen (OLG Köln, Beschl. v. 27.6.2013 - 6 W 77/13, juris). Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich die Gläubigerin allein gegen die sie belastende Kostenentscheidung des LG.
Rz. 5
II. Das Beschwerdegericht hat es für zutreffend erachtet, dass das LG der Gläubigerin den überwiegenden Teil der Kosten des Ordnungsmittelverfahrens auferlegt hat. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Rz. 6
Die Pflicht der Gläubigerin zur Tragung von Kosten ergebe sich aus § 891 Satz 3 ZPO i.V.m. § 92 ZPO. Die Gläubigerin habe zwar die Höhe des festzusetzenden Ordnungsgeldes in das Ermessen des Gerichts gestellt, gleichzeitig aber einen Mindestbetrag von 3.500 EUR genannt. In einem solchen Fall sei es angemessen, den Gläubiger anteilig mit den Kosten des Verfahrens zu belasten. Der Gläubiger habe ein eigenes Interesse an der Höhe des Ordnungsgeldes. Zwar fließe das Ordnungsgeld nicht ihm zu. Das Interesse des Gläubigers ergebe sich aber daraus, dass ihm eine Beschwerdebefugnis auch dann zustehe, wenn er lediglich eine Verschärfung des Ordnungsmittels durchsetzen wolle.
Rz. 7
III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist unzulässig (§ 99 Abs. 1 ZPO), weil sie sich allein gegen die Kostenentscheidung des LG richtet.
Rz. 8
IV. Die Rechtsbeschwerde hätte auch in der Sache keinen Erfolg gehabt. Das Beschwerdegericht hat die gegen die erstinstanzliche Kostenentscheidung eingelegte sofortige Beschwerde der Gläubigerin zu Recht zurückgewiesen. Es hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Gläubigerin an den Kosten des Ordnungsmittelverfahrens anteilig zu beteiligen ist, weil sie mit ihrem Antrag auf Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen den Schuldner teilweise unterlegen ist.
Rz. 9
1. Die anteilige Kostentragungspflicht der Gläubigerin ergibt sich aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Gemäß § 891 Satz 3 ZPO ist diese Bestimmung auf den Ordnungsmittelantrag gem. § 890 Abs. 1 ZPO entsprechend anzuwenden.
Rz. 10
2. Die Gläubigerin ist im Ordnungsmittelverfahren auch i.S.v. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO teilweise unterlegen.
Rz. 11
a) Ein zur anteiligen Kostentragung führendes Teilunterliegen des Gläubigers wird teilweise verneint, wenn das Gericht in seiner Entscheidung hinter einer im Antrag gem. § 890 Abs. 1 ZPO bezifferten Höhe des festzusetzenden Ordnungsgeldes zurückbleibt (OLG Hamm GRUR 1994, 83, 84; Ahrens in Ahrens, Wettbewerbsprozess, 7. Aufl., Kap. 68 Rz. 32; a.A. wohl OLG Hamm, WRP 2001, 55, 57; Musielak/Lackmann, ZPO, 11. Aufl., § 890 Rz. 11; offengelassen vom OLG München NJW-RR 1991, 1086, 1087). Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden.
Rz. 12
aa) Soweit eine Ablehnung der Kostenlast des Gläubigers damit begründet wird, die Kostenentscheidung im Ordnungsmittelverfahren richte sich nach der allgemeinen Regelung des § 788 Abs. 1 ZPO, so dass es allein auf die Notwendigkeit der durch den Ordnungsmittelantrag ausgelösten Kosten ankomme (vgl. OLG Hamm GRUR 1994, 83, 84; wohl auch Sturhan in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 891 Rz. 6), steht dies nicht in Einklang mit der Bestimmung des § 891 Satz 3 ZPO. Mit der Schaffung der Verweisung in dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber im Hinblick auf die Kostenentscheidung ausdrücklich der Möglichkeit Rechnung tragen, dass Vollstreckungsanträge des Gläubigers nur teilweise erfolgreich sind (vgl. Gesetzentwurf des Bundesrates zur 2. Zwangsvollstreckungsnovelle, BT-Drucks. 13/341, 41; Storz in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 891 Rz. 16). Auf die Kostenentscheidung im Ordnungsmittelverfahren nach § 890 Abs. 1 ZPO ist die Regelung des § 788 Abs. 1 ZPO deshalb nicht mehr anwendbar (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kap. 57 Rz. 46; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 891 Rz. 2; Olzen in Prütting/Gehrlein, ZPO, 6. Aufl., § 891 Rz. 4; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, § 891 Rz. 6; Saenger/Pukall, ZPO, 5. Aufl., § 891 Rz. 5; Musielak/Lackmann, a.a.O., § 891 Rz. 3).
Rz. 13
bb) Die gegenteilige Ansicht kann auch nicht damit begründet werden, es handele sich bei der Bezifferung eines Ordnungsgeldes durch den Gläubiger lediglich um eine bloße Anregung für die vorzunehmende Ermessensentscheidung des Gerichts (OLG Hamm GRUR 1994, 83, 84; Ahrens, a.a.O., Kap. 68 Rz. 32).
Rz. 14
Allerdings muss der Antrag gem. § 890 Abs. 1 ZPO kein bestimmtes Ordnungsmittel und dessen Höhe bezeichnen (Zöller/Stöber, a.a.O., § 890 Rz. 13; Musielak/Lackmann, a.a.O., § 890 Rz. 8; Gruber in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 890 Rz. 30). Vielmehr steht die Wahl zwischen Ordnungsgeld und Ordnungshaft und die Bestimmung der Höhe des Ordnungsmittels im Ermessen des Gerichts (Zöller/Stöber, a.a.O., § 890 Rz. 17; Bendtsen in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Zwangsvollstreckung, 2. Aufl., § 890 Rz. 61). Dies steht jedoch der Berücksichtigung der vom Gläubiger dennoch ausdrücklich angegebenen Höhe des beantragten Ordnungsmittels oder eines Mindestbetrags bei der Kostenentscheidung des Ordnungsmittelverfahrens nicht entgegen. So ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, dass das Gericht bei in sein richterliches Ermessen gestellten Entscheidungen zwar die Möglichkeit hat, nur einer Partei die gesamten Prozesskosten aufzuerlegen. Zwingend ist dies jedoch nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht. Möglich bleibt auch in diesen Fällen eine Kostenteilung nach den Grundsätzen des § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Dies ist regelmäßig geboten, wenn der Kläger einen bestimmten Betrag fordert (Schulz in MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 92 Rz. 23; Saenger/Gierl, ZPO, a.a.O., § 92 Rz. 18; Zöller/Herget, a.a.O., § 92 Rz. 12; Jaspersen/Wache in BeckOK.ZPO, Stand 15.8.2014, § 92 Rz. 36).
Rz. 15
cc) Für die Annahme eines Teilunterliegens i.S.d. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO spricht ferner, dass die Angabe der Mindesthöhe des Ordnungsmittels für die Bestimmung des Rechtsschutzziels des Gläubigers verfahrensrechtlich auch ansonsten von Bedeutung ist. So kann der Gläubiger mit einer Beschwerde gegen den Festsetzungsbeschluss nach § 891 Satz 1 ZPO allein das Ziel verfolgen, das Ordnungsmittel zu verschärfen (Zöller/Stöber, a.a.O., § 890 Rz. 28; Musielak/Lackmann, a.a.O., § 890 Rz. 20; Saenger/Pukall, a.a.O., § 890 Rz. 37). Kann sich der Gläubiger aber mit der Angabe eines bestimmten Ordnungsgeldes oder eines Mindestbetrages eine Beschwer und damit eine Rechtsmittelmöglichkeit schaffen, muss er sich an dieser Konkretisierung seines Rechtsschutzziels auch bei der Frage festhalten lassen, ob er mit seinem Begehren i.S.v. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO teilweise unterlegen und er deshalb an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen ist.
Rz. 16
b) Für die Annahme eines Teilunterliegens i.S.v. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 891 Satz 3 ZPO ist es ohne Bedeutung, ob der Gläubiger seine Vorstellungen zur Höhe des festzusetzenden Ordnungsmittels in Form eines bezifferten Antrags zum Ausdruck bringt oder ob er - wie im Streitfall - in der zur Auslegung des Antrags heranzuziehenden Begründung (vgl. dazu Gruber in MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 890 Rz. 30) einen festzusetzenden Mindestbetrag nennt und damit zum Ausdruck bringt, dass sein Rechtsschutzziel bei dessen Unterschreitung nicht erreicht ist. Maßgebend für eine Kostenbeteiligung des Gläubigers ist allein, ob er erkennbar Wert auf die Höhe des Ordnungsmittels gelegt hat (vgl. auch Musielak/Lackmann, a.a.O., § 890 Rz. 11).
Rz. 17
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 7712545 |
NJW 2015, 1829 |
NJW 2015, 8 |
EBE/BGH 2015 |
GRUR 2015, 511 |
WM 2015, 1022 |
JZ 2015, 285 |
MDR 2015, 674 |
WRP 2015, 590 |
AGS 2015, 346 |
FoVo 2015, 168 |
GRUR-Prax 2015, 196 |
K&R 2015, 391 |
NJW-Spezial 2015, 540 |
RVGreport 2015, 318 |
VE 2015, 97 |
IP kompakt 2015, 17 |
IPRB 2015, 154 |
Mitt. 2015, 344 |
PAK 2015, 127 |