Normenkette
EnWG § 3 Nrn. 32, 37-38, §§ 6b, 7a Abs. 4, § 29 Abs. 1, §§ 90, 94; EURL 2019/944 Art. 2 Nr. 57; AEUV Art. 288 Abs. 3; StromNEV § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 5 Buchst. a, § § 4 ff.; ARegV § 6 Abs. 2; VwVfG § 37 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Entscheidung vom 28.04.2021; Aktenzeichen VI-3 Kart 83/20 (V)) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. April 2021 wird auf Kosten der Betroffenen zurückgewiesen, die auch die notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur zu tragen hat.
Gründe
Rz. 1
A. Mit Beschluss vom 25. November 2019 hat die Bundesnetzagentur eine Festlegung erlassen, die Vorgaben für die Erstellung und Prüfung von Jahresabschlüssen und Tätigkeitsabschlüssen von vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen und rechtlich selbständigen Netzbetreibern enthält (BK8-19/00002-A; nachfolgend: Festlegung).
Rz. 2
Die Betroffene ist ein mit der Stadtwerke Bochum Netz GmbH verbundenes Unternehmen. Die Stadtwerke Bochum Netz GmbH betreibt ein Stromverteilernetz der allgemeinen Versorgung. Die Betroffene erbringt für sie Dienstleistungen im kaufmännischen und allgemeinen Verwaltungsbereich (Rechnungswesen, IT-Dienstleistungen, kaufmännische Dienstleistungen, Personalwirtschaft, Einkauf, Lager sowie Unternehmenskommunikation). Im Übrigen ist die Betroffene für die Stadtwerke Bochum GmbH tätig.
Rz. 3
Die Betroffene hat die Festlegung mit der Beschwerde angegriffen. Sie wendet sich dagegen, dass gemäß Tenorziffer 3 der Festlegung in ihrem Jahresabschluss die energiespezifischen Dienstleistungen dem Tätigkeitsbereich Elektrizitätsverteilung zuzuordnen sind, die sie für diesen Tätigkeitsbereich der Stadtwerke Bochum Netz GmbH erbringt. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Betroffene mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
Rz. 4
B. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Betroffenen bleibt ohne Erfolg.
Rz. 5
I. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, Tenorziffer 3 entspreche den Vorgaben des § 6b Abs. 3 EnWG. Energiespezifische Dienstleistungen, die von einem rechtlich selbständigen Unternehmen erbracht würden, das zu einer Gruppe verbundener Elektrizitätsunternehmen im Sinn des § 6b Abs. 1 Satz 1 EnWG gehöre, fielen dann unter die in § 6b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 EnWG aufgeführten Tätigkeiten der Elektrizitätsübertragung und Elektrizitätsverteilung, wenn die Dienstleistung gegenüber dem entsprechenden Tätigkeitsbereich des verbundenen Unternehmens erbracht werde und keine andere Tätigkeit innerhalb des Elektrizitätssektors im Sinn des § 6b Abs. 3 Satz 3 EnWG darstelle. Die Anordnung sei von der Ermächtigungsgrundlage des § 6b Abs. 6 Satz 1 gedeckt, ausreichend bestimmt und ermessensfehlerfrei.
Rz. 6
II. Diese Bewertung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde der Betroffenen stand.
Rz. 7
1. Zu Recht hat das Beschwerdegericht angenommen, dass die angefochtene Festlegung von der Ermächtigungsgrundlage des § 29 Abs. 1 i.V.m. § 6b Abs. 6 Satz 1 EnWG gedeckt ist.
Rz. 8
a) § 6b EnWG ist Teil der für vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen geltenden entflechtungsrechtlichen Vorgaben gemäß §§ 6 ff. EnWG und regelt die buchhalterische Entflechtung, um Diskriminierung und Quersubventionierung zu verhindern. Gemäß § 6b Abs. 1 EnWG haben vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen im Sinne des § 3 Nr. 38 EnWG, einschließlich rechtlich selbständiger Unternehmen, die zu einer Gruppe verbundener Elektrizitäts- oder Gasunternehmen gehören und mittelbar oder unmittelbar energiespezifische Dienstleistungen erbringen, sowie rechtlich selbständige Netzbetreiber ungeachtet ihrer Eigentumsverhältnisse und ihrer Rechtsform einen Jahresabschluss und Lagebericht nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften aufzustellen, prüfen zu lassen und offenzulegen. Diese Unternehmen haben nach Absatz 3 der Vorschrift in ihrer internen Rechnungslegung jeweils getrennte Konten für jede ihrer Tätigkeiten unter anderem in den Bereichen Elektrizitätsübertragung und Elektrizitätsverteilung so zu führen, wie dies erforderlich wäre, wenn diese Tätigkeiten von rechtlich selbständigen Unternehmen ausgeführt würden (§ 6b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 i.V.m. § 6b Abs. 1 Satz 1 EnWG). Mit der Erstellung des Jahresabschlusses ist für jeden der genannten Tätigkeitsbereiche jeweils eine den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs entsprechende Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung (Tätigkeitsabschluss) aufzustellen und dem Abschlussprüfer zur Prüfung vorzulegen (§ 6b Abs. 3 Satz 6 EnWG). Die Prüfung des Jahresabschlusses umfasst gemäß § 6b Abs. 5 Satz 1 EnWG auch die Einhaltung der Pflichten zur Rechnungslegung nach § 6b Abs. 3 EnWG. Dabei ist neben dem Vorhandensein getrennter Konten auch zu prüfen, ob die Wertansätze und die Zuordnung der Konten sachgerecht und nachvollziehbar erfolgt sind und der Grundsatz der Stetigkeit beachtet worden ist. Im Bestätigungsvermerk zum Jahresabschluss ist anzugeben, ob die Vorgaben nach Absatz 3 eingehalten worden sind (§ 6b Abs. 5 Satz 2 und 3 EnWG). Gemäß § 6b Abs. 6 Satz 1 und 2 EnWG kann die Regulierungsbehörde zusätzliche Bestimmungen gegenüber dem Unternehmen nach § 6b Abs. 1 Satz 1 EnWG durch Festlegung nach § 29 Abs. 1 EnWG treffen, die vom Prüfer im Rahmen der Jahresabschlussprüfung über die nach Absatz 1 anwendbaren Prüfungsvoraussetzungen hinaus zu berücksichtigen sind. Sie kann insbesondere zusätzliche Schwerpunkte für die Prüfungen festlegen.
Rz. 9
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde enthält die Festlegung in Tenorziffer 3 zusätzliche Bestimmungen für die Erstellung und Prüfung von Jahresabschlüssen und Tätigkeitsabschlüssen gegenüber vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen und rechtlich selbständigen Netzbetreibern im Sinn des § 6b Abs. 6 Satz 1 EnWG. Der Einwand der Rechtsbeschwerde, diese Vorschrift ermächtige nur zu solchen Regelungen, die den Inhalt der Jahresabschlussprüfung ausgestalteten, auf seiner Grundlage könne aber keine Pflicht zur Erstellung eines Tätigkeitsabschlusses begründet werden, greift nicht durch, weil die Festlegung keine solche Pflicht begründet. Die sich aus § 6b Abs. 3 EnWG ergebende gesetzliche Pflicht der Betroffenen zur Erstellung eines Tätigkeitsabschlusses und zur Zuordnung der von ihr an das mit ihr verbundene Unternehmen - Stadtwerke Bochum Netz GmbH - erbrachten energiespezifischen Dienstleistungen zum Tätigkeitsbereich der Elektrizitätsverteilung wird durch die Festlegung lediglich ausgestaltet.
Rz. 10
aa) Zu Recht hat das Beschwerdegericht angenommen, dass energiespezifische Dienstleistungen unter die in § 6b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 EnWG aufgeführten Tätigkeiten der Elektrizitätsübertragung und Elektrizitätsverteilung fallen, wenn sie gegenüber dem entsprechenden Tätigkeitsbereich des verbundenen Unternehmens erbracht werden und keine andere Tätigkeit innerhalb des Elektrizitätssektors im Sinn des § 6b Abs. 3 Satz 3 EnWG darstellen. Diese aus Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelung abgeleitete Auslegung weist keinen Rechtsfehler auf. Das wird durch die Einwände der Rechtsbeschwerde nicht in Frage gestellt.
Rz. 11
(1) § 6b Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 6b Abs. 1 Satz 1 EnWG ist schon nach dem Wortlaut auch auf Unternehmen anwendbar, die energiespezifische Dienstleistungen für ein verbundenes Unternehmen erbringen, wenn die Dienstleistungen die Tätigkeiten der Elektrizitätsübertragung und der Elektrizitätsverteilung betreffen (so auch Rasbach in Elspas/Graßmann/Rasbach, EnWG, 1. Aufl., § 6b Rn. 2; Jenn/Englmann in Assmann/Pfeiffer, BeckOK EnWG, 2. Ed. [1. März 2022], § 6b Rn. 13 ff.). Die Ansicht der Betroffenen, § 6b Abs. 3 Satz 1 EnWG finde nur auf Unternehmen Anwendung, die diese Tätigkeiten wie in § 3 Nr. 32 und Nr. 37 EnWG definiert selbst ausüben, findet demgegenüber im Wortlaut keine Stütze. Sie verkennt, dass die Verweisung auf Unternehmen "nach Absatz 1 Satz 1" gerade auch auf Unternehmen erfolgt, die mittelbar oder unmittelbar energiespezifische Dienstleistungen erbringen (nachfolgend: "energiespezifische Dienstleistungserbringer"), und liest in den Wortlaut der Regelung eine Beschränkung hinein, die sich dort nicht findet.
Rz. 12
(2) Zu Recht hat das Beschwerdegericht angenommen, dass dieses Auslegungsergebnis durch Art. 2 Nr. 57 der Richtlinie (EU) 2019/944 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 (nachfolgend: ElektrizitätsbinnenmarktRL oder EltRL; so bereits die Vorfassung, Art. 2 Nr. 57 EltRL 2009) bestätigt wird. Elektrizitätsversorgungsunternehmen ist gemäß Art. 2 Nr. 57 EltRL eine natürliche oder juristische Person, die mindestens eine der Funktionen Erzeugung, Übertragung, Verteilung, Aggregierung, Laststeuerung, Energiespeicherung, Lieferung oder Kauf von Elektrizität wahrnimmt und die kommerzielle, technische oder wartungsbezogene Aufgaben im Zusammenhang mit diesen Funktionen erfüllt, mit Ausnahme der Endkunden. Ohne Rechtsfehler hat das Beschwerdegericht dieser Regelung entnommen, dass die mit der Übertragungs- und Verteilungstätigkeit zusammenhängenden elektrizitätswirtschaftlichen Tätigkeiten ("kommerzielle, technische oder wartungsbezogene Aufgaben im Zusammenhang mit diesen Funktionen") buchhalterisch zu entflechtende Katalogtätigkeiten und nicht andere Tätigkeiten im Sinn des § 6b Abs. 3 Satz 3 EnWG innerhalb des Energiesektors darstellen. Erfolglos bleibt der Einwand der Rechtsbeschwerde, in der ElektrizitätsbinnenmarktRL werde der Begriff der energiespezifischen Dienstleistungen nicht verwendet, und aus Art. 56 Abs. 3 EltRL (zuvor Art. 31 Abs. 3 EltRL 2009) folge eine Pflicht zur Führung getrennter Konten ausschließlich für Elektrizitätsversorgungsunternehmen, die die Funktion der Verteilung (oder Übertragung) erfüllten. Die Rechtsbeschwerde verkennt, dass das Beschwerdegericht sich zur Auslegung des § 6b Abs. 3 EnWG lediglich auf die Definition von Art. 2 Nr. 57 EltRL stützt und ihr für die Begriffe der Verteilungs- und Übertragungstätigkeiten entnimmt, dass auch kommerzielle, technische und wartungsbezogene Aufgaben im Zusammenhang mit der Verteilung oder Übertragung von Energie Tätigkeiten in diesen Bereichen darstellen. Darauf, ob die in Art. 56 Abs. 3 EltRL vorgesehene Verpflichtung der Elektrizitätsunternehmen zur Führung getrennter Konten sich auf Elektrizitätsunternehmen beschränkt, oder im vertikal integrierten Unternehmen auch mit einem Elektrizitätsunternehmen verbundene energiespezifische Dienstleistungserbringer von dieser Vorschrift erfasst sind, kommt es demgegenüber nicht an. Der Regelungsgehalt von § 6b Abs. 3 EnWG darf über denjenigen des Art. 56 Abs. 3 EltRL hinausgehen. Aus den Erwägungsgründen 87 und 92 EltRL ergibt sich, dass die Richtlinie keine Vollharmonisierung erstrebt (Art. 288 Abs. 3 AEUV, vgl. Heinlein/Büsch in Theobald/Kühling, Energierecht, 114. EL [Januar 2022], § 6b EnWG Rn. 46; Hölscher in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 3. Aufl., § 6b Rn. 7; Poullie in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Aufl., § 6b EnWG Rn. 2). Angesichts dieser (eindeutigen) Erwägungsgründe ist die Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig, dass kein Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, NJW 1983, 1257, 1258 - CILFIT).
Rz. 13
(3) Wie das Beschwerdegericht zutreffend dargestellt hat, wurden energiespezifische Dienstleistungserbringer durch das Dritte Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2730) als Adressaten der sich aus § 6b Abs. 1 EnWG ergebenden Pflichten benannt. Die Bezugnahme in § 6b Abs. 3 Satz 1 EnWG erfolgte zur Klarstellung, dass sich die Vorgaben des § 6b EnWG zur buchhalterischen Entflechtung auch auf energiespezifische Dienstleistungserbringer beziehen (Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 24. September 2012, BT-Drucks. 17/10754, S. 21). Soweit die Rechtsbeschwerde einwendet, weder das Beschwerdegericht noch die Bundesnetzagentur gingen davon aus, dass dies auch nach der Vorfassung gegolten habe, ist das nicht geeignet, die durch das Beschwerdegericht vorgenommene Auslegung des § 6b Abs. 3 Satz 1 EnWG in Frage zu stellen. Nach der vom Gesetzgeber beabsichtigten Klarstellung kommt es auf die Auslegung der Vorfassung nicht mehr an.
Rz. 14
(4) Kein Erfolg beschieden ist dem Einwand der Rechtsbeschwerde, aus der Systematik der Regelung, insbesondere der in § 6b Abs. 3 Satz 2 EnWG für die wirtschaftliche Nutzung eines Eigentumsrechts geregelten Erweiterung des Anwendungsbereichs, folge, dass energiespezifische Dienstleistungen nicht unter § 6b Abs. 1 Satz 1 EnWG, sondern nur unter § 6b Abs. 3 Satz 3 EnWG fallen könnten. Nach § 6b Abs. 3 Satz 2 EnWG ist Tätigkeit im Sinn der Bestimmung auch jede wirtschaftliche Nutzung eines Eigentumsrechts unter anderem an Elektrizitäts- oder Gasversorgungsnetzen. Danach ist etwa die Verpachtung eines Netzes eine Tätigkeit nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EnWG. Auch für die Tätigkeiten nach Satz 2 sind - ebenso wie für solche in den Bereichen der Elektrizitätsverteilung und Elektrizitätsübertragung - daher gemäß § 6b Abs. 3 Satz 1 EnWG in der internen Rechnungslegung getrennte Konten zu führen. Dagegen sind für die anderen Tätigkeiten innerhalb des Elektrizitätssektors und innerhalb des Gassektors nach § 6b Abs. 3 Satz 3 EnWG (nur) Konten zu führen, die innerhalb des jeweiligen Sektors zusammengefasst werden können. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde folgt aus dieser Regelungssystematik indes nicht, dass energiespezifische Dienstleistungen für die in Satz 1 der Regelung genannten Tätigkeitsbereiche nur unter Satz 3 der Vorschrift fallen könnten. Der Regelung in Satz 2 bedarf es vielmehr, weil eine Verpachtung allein weder Elektrizitätsübertragung oder Elektrizitätsverteilung selbst noch eine energiespezifische Dienstleistung in diesen Bereichen - wie etwa Mess- und Zählerwesen, Instandhaltung, Netzsteuerung - darstellt (vgl. Heinlein/Büsch in Theobald/Kühling, Energierecht, 114. EL [Januar 2022], § 6b EnWG Rn. 44). Zudem hat Satz 3 der Vorschrift auch in der Auslegung des Beschwerdegerichts einen (eigenen) Anwendungsbereich und kann sich etwa auf die Erzeugung von Elektrizität oder den Elektrizitäts- oder Gasvertrieb sowie den Elektrizitäts- oder Gashandel beziehen (Jenn/Englmann in Assmann/Pfeiffer, BeckOK EnWG, 2. Ed. [1. März 2022], § 6b Rn. 35).
Rz. 15
(5) Zu Recht hat das Beschwerdegericht ferner angenommen, Sinn und Zweck der Entflechtungsvorgaben spreche dafür, dass energiespezifische Dienstleistungserbringer dem Anwendungsbereich des § 6b Abs. 3 Satz 1 EnWG unterfallen. Zur Verhinderung von Quersubventionierung, Diskriminierung und Wettbewerbsverzerrung muss auch für energiespezifische Dienstleistungserbringer sichergestellt werden, dass sie im Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Verteilung und Übertragung getrennte Konten führen. Zutreffend führt das Beschwerdegericht dazu aus, in einem vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen könne eine Zuordnung zu den verschiedenen Tätigkeitsbereichen und damit die Pflicht zur Führung getrennter Konten nicht davon abhängen, welcher Teil des Unternehmens beziehungsweise welches Unternehmen in einer Gruppe verbundener Unternehmen eine (bestimmte) Tätigkeit ausübt. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, der Gesetzgeber habe zwischen Unternehmen, die ausschließlich monopolistisch tätig seien, und solchen, die im Wettbewerb stünden, unterschieden und nur für die regulierten Monopolisten zusätzliche Anforderungen aufgenommen; die wettbewerblichen Tätigkeiten könnten mit allen anderen wettbewerblichen Tätigkeiten zusammengefasst werden, da eine Quersubventionierung zwischen wettbewerblichen Tätigkeiten offenkundig nicht zu befürchten sei. Das trifft nicht zu. Durch die vertikale Integration der Erzeugungs-, Vertriebs- und Netztätigkeiten besteht - wie der Senat schon mehrfach entschieden hat - ein systemimmanenter Interessenkonflikt, der die Gefahr der Diskriminierung, Wettbewerbsverzerrung und Quersubventionierung begründet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Januar 2016 - EnVR 51/14, RdE 2016, 518 Rn. 25 ff. mwN - Karenzzeiten I; vom 13. November 2018 - EnVR 30/17, ZNER 2019, 30 Rn. 22 mwN - Karenzzeiten III; Hölscher in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 3. Aufl., § 6 Rn. 8 ff. mwN; Säcker/Schönborn in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Aufl., § 6 EnWG Rn. 2). Vor diesem Hintergrund kommt der Unterscheidung zwischen monopolistischen und wettbewerblichen Tätigkeiten keine Bedeutung zu, weil die entflechtungsrechtlichen Vorgaben der §§ 6 ff. EnWG und insbesondere die hier in Frage stehende Vorschrift des § 6b EnWG maßgeblich der Verhinderung von Quersubventionen und dadurch verursachter Wettbewerbsverzerrungen dienen. Die Gefahr der Quersubventionierung besteht insbesondere dann, wenn Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Elektrizitätsverteilung an verbundene Unternehmen ausgelagert werden. Die Konditionen der Dienstleistungsverträge werden im vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen auf Seiten des Verteilernetzbetreibers gemäß § 7a Abs. 4 EnWG von diesem und auf Seiten des energiespezifischen Dienstleistungserbringers (letztlich) von der Konzernführung festgelegt. Dass dies unter wettbewerblichen Gesichtspunkten erfolgt, ist angesichts des systemimmanenten Interessenkonflikts nicht zu erwarten. Im Gegenteil erstreckt sich der Sinn und Zweck der Vorschrift auch ausweislich der insoweit eindeutigen Gesetzesbegründung auf rechtlich selbständige Unternehmen, die mit dem vertikal integrierten Unternehmen verbunden sind und unmittelbar oder mittelbar energiespezifische Serviceleistungen erbringen ("Dies gilt selbstverständlich auch …", BT-Drucks. 17/10754, S. 21).
Rz. 16
(6) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde lässt sich schließlich auch aus § 4 Abs. 5a StromNEV kein anderes Ergebnis ableiten. Nach dieser Vorschrift sind bei der Zusammenstellung der Netzkosten zur Ermittlung der Netzentgelte (§ 3 Abs. 1, §§ 4 ff. StromNEV) die Kosten oder Kostenbestandteile zu berücksichtigen, die entstehen, wenn Unternehmen gegenüber dem Betreiber eines Elektrizitätsversorgungsnetzes Dienstleistungen erbringen. Gehören das die Dienstleistung erbringende Unternehmen und der Betreiber des Elektrizitätsversorgungsnetzes oder ein Gesellschafter dieses Netzbetreibers zu einer Gruppe miteinander verbundener Elektrizitätsunternehmen, so darf der Netzbetreiber die aus der Erbringung der Dienstleistung entstehenden Kosten oder Kostenbestandteile maximal in der Höhe ansetzen, wie sie bei dem die Dienstleistung erbringenden Unternehmen unter Anwendung der Grundsätze der Entgeltbestimmung im Sinn der Stromnetzentgeltverordnung und gegebenenfalls unter Anwendung des § 6 Abs. 2 ARegV tatsächlich angefallen sind. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kann aus § 4 Abs. 5a StromNEV keine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 6b Abs. 3 EnWG folgen. Die Regelung erlaubt keine für die Auslegung des § 6b Abs. 3 EnWG erheblichen Rückschlüsse. Beide Vorschriften enthalten jeweils im Hinblick auf die Gefahr der Quersubventionierung und Wettbewerbsverzerrung Vorgaben für die Erbringung von Dienstleistungen im vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen. Dem Umstand, dass der Verordnungsgeber insoweit im Jahr 2016 in der Begründung zu § 4 Abs. 5a StromNEV nicht auf die Pflicht zur buchhalterischen Entflechtung gemäß § 6b Abs. 3 EnWG hingewiesen hat, kommt für die Auslegung von § 6b Abs. 3 EnWG keine Bedeutung zu.
Rz. 17
bb) Hat die Bundesnetzagentur danach in Tenorziffer 3 der Festlegung zutreffend festgestellt, dass gemäß § 6b Abs. 3 EnWG auch energiespezifische Dienstleistungserbringer getrennte Konten zu führen haben, wird diese Pflicht in Tenorziffer 4 der Festlegung ausgestaltet. Diese enthält zusätzliche Bestimmungen in Bezug auf die Führung getrennter Konten für die Tätigkeitsbereiche Elektrizitätsverteilung und Elektrizitätsübertragung, die auch für die energiespezifischen Dienstleistungserbringer gelten. Dem steht - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht entgegen, dass die Bundesnetzagentur zu einer gesetzeswiederholenden Festlegung nicht ermächtigt gewesen wäre. Die angegriffene Festlegung enthält keine bloße Wiederholung des Gesetzes. Das ergibt sich schon daraus, dass Tenorziffer 3 erforderlich ist, um die gemäß § 37 VwVfG erforderliche Bestimmtheit der Festlegung zu begründen.
Rz. 18
(1) Nach § 37 Abs. 1 VwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das Bestimmtheitsgebot verlangt, dass der Adressat in die Lage versetzt wird, zu erkennen, was von ihm gefordert wird; zudem muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Es reicht aus, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, insbesondere seiner Begründung sowie den Beteiligten bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (BGH, Beschluss vom 3. Juni 2014 - EnVR 10/13, RdE 2015, 29 Rn. 44 - Stromnetz Homberg; BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2021 - 6 C 8/20, juris Rn. 58 mwN).
Rz. 19
(2) Nach diesen Grundsätzen hatte die Bundesnetzagentur in der Festlegung zunächst die Adressaten anzugeben. Ferner war in Tenorziffer 3 festzulegen, für welche Tätigkeiten getrennte Konten zu führen sind, nachdem dies - wie das vorliegende Verfahren zeigt - nicht geklärt und umstritten war und es der Festlegung in ihrer Gesamtheit ohne die Regelung in Tenorziffer 3 daher an der erforderlichen Bestimmtheit mangeln würde. Dann (erst) konnte die Bundesnetzagentur, wie in Tenorziffer 4 geschehen, zusätzliche Bestimmungen zu ergänzenden Angaben treffen. Die Festlegung stellt mithin in ihrer Gesamtheit eine zusätzliche Bestimmung gemäß § 6b Abs. 6 EnWG dar. Sie konkretisiert den Inhalt des dem Abschlussprüfer nach § 6b Abs. 3 Satz 6 EnWG zur Prüfung vorzulegenden Tätigkeitsabschlusses.
Rz. 20
2. Das Beschwerdegericht hat auch rechtsfehlerfrei angenommen, dass der in Tenorziffer 3 der Festlegung verwendete Begriff der mittelbaren energiespezifischen Dienstleistungen nach den genannten Maßgaben ausreichend bestimmt ist. Der Einwand der Rechtsbeschwerde, der Adressat könne Tenorziffer 3 nicht entnehmen, welche Dienstleistungen mittelbare energiespezifische Dienstleistungen darstellten, greift nicht durch.
Rz. 21
a) Der in § 6b Abs. 1 Satz 1 EnWG verwendete Begriff der mittelbaren energiespezifischen Dienstleistungen ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nach der Gesetzesbegründung weit auszulegen ist (BT-Drucks. 17/10754, S. 21). Er umfasst beispielsweise die Verbrauchsabrechnung und IT-Dienstleistungen, soweit diese speziell für die Energiewirtschaft angeboten werden und es sich um keine Standardanwendungen handelt (BT-Drucks., ebenda). Nach der Begründung der Festlegung (S. 34) handelt es sich dabei um das maßgebliche Unterscheidungskriterium. Beispielhaft wird angeführt, dass etwa die Kantine oder die Lohnabrechnung, auch wenn sie ausschließlich gegenüber dem Netzbetreiber erbracht würden, nicht den energiespezifischen Dienstleistungen zugerechnet würden. Dagegen werde eine energierechtliche Rechtsberatung speziell für die Energiewirtschaft angeboten und unterfalle mithin diesem Begriff. Insbesondere spreche für das Vorliegen einer energiespezifischen Dienstleistung, wenn in der Vergangenheit die fehlende Möglichkeit einer externen Ausschreibung geltend gemacht worden sei, weil die erbrachten Dienstleistungen besonderer Art seien und daher nicht ausgeschrieben werden könnten. Sei die Zuordnung im Einzelfall mit einem unvertretbaren Aufwand verbunden, könne das Unternehmen entweder eine großzügige Zuordnung zu den energiespezifischen Dienstleistungen vornehmen und so die Angemessenheit der Dienstleistungskosten gemäß § 4 Abs. 5a StromNEV nachweisen. Es könne die Dienstleistungen aber auch den sonstigen Dienstleistungen zuordnen und damit zum Ausdruck bringen, dass sie nicht energiespezifisch, am freien Markt verfügbar und hinsichtlich der Kosten insoweit vergleichbar seien.
Rz. 22
b) Die Adressaten der Festlegung können danach eine Zuordnung der erbrachten Dienstleistungen zu den mittelbaren energiespezifischen Dienstleistungen mit ausreichender Sicherheit vornehmen. Entziehen sich Dienstleistungen einer Zuordnung gleichwohl, räumt die Festlegung den Adressaten ein Wahlrecht ein. Das reicht nach den Besonderheiten des anzuwendenden und mit der Festlegung zu konkretisierenden materiellen Rechts aus. Es handelt sich um eine im Tatsächlichen schwierige Zuordnung, die in Bezug auf zahlreiche künftige und in ihren Einzelheiten nicht bekannte (Einzel-)Fälle vorzugeben ist. Dafür reicht es aus, wenn der Grundsatz, nach dem die Zuordnung künftig vorzunehmen ist, vorgegeben und mit verschiedenen Beispielen verdeutlicht wird. Eine weitere Konkretisierung ist aufgrund der Vielzahl der möglichen zuzuordnenden Dienstleistungen nicht geboten. Es dürfen nicht so hohe Anforderungen an die Bestimmtheit gestellt werden, dass der Erlass einer Festlegung praktisch ausgeschlossen ist (vgl. Ramsauer/Tegethoff in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl., § 37 Rn. 5). Auch die Rechtsbeschwerde behauptet lediglich pauschal die mangelnde Bestimmtheit, zeigt aber keine Zweifelsfälle aus der Praxis der Betroffenen auf, die anhand der Festlegung nicht zu lösen seien.
Rz. 23
c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde überlässt es die Festlegung für die ganz überwiegende Zahl der Fälle auch nicht dem betroffenen Dienstleister, darüber zu entscheiden, ob eine Dienstleistung energiespezifisch ist. Wie oben dargestellt, hat das Unternehmen eine Zuordnung nach den oben dargestellten Grundsätzen vorzunehmen. Anhand dieser Maßgaben kann sie auch überprüft werden. Lediglich soweit die Zuordnung danach im Einzelfall nicht erfolgen kann, sondern mit einem unvertretbaren Aufwand verbunden wäre, räumt die Festlegung dem Unternehmen ein Wahlrecht ein. Dem Bestimmtheitsgebot wird dadurch ausreichend Rechnung getragen.
Rz. 24
d) Schließlich verfehlt die in der Festlegung vorgesehene Zuordnung entgegen der Rechtsbeschwerde nicht deshalb die Bestimmtheitsanforderungen, weil sie als Grundlage für Maßnahmen zur zwangsweisen Durchsetzung ungeeignet wäre. Die Bundesnetzagentur kann die Festlegung, worauf die Begründung zutreffend hinweist (Festlegung S. 38), auf der Grundlage von § 94 EnWG mittels eines Zwangsgelds durchsetzen. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn der Dienstleistungserbringer bei zutreffender Anwendung der in der Festlegung niedergelegten Grundsätze von seinem Wahlrecht Gebrauch macht; es ist in diesem Fall im Hinblick auf die Bestimmtheitsanforderungen aber auch unschädlich.
Rz. 25
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG.
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RiBGH Dr. Tolkmitt ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. |
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