Leitsatz (amtlich)
Die Mitwirkung der Ehefrau eines Rechtsmittelrichters bei dem Erlass der angefochtenen (Kollegial-) Entscheidung stellt weder einen Ausschlussgrund entsprechend § 41 Nr. 6 ZPO noch generell einen Ablehnungsgrund gem. § 42 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf dessen Beteiligung an der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren dar.
Normenkette
ZPO § 41 Nr. 6, § 42 Abs. 2
Verfahrensgang
KG Berlin (Beschluss vom 08.10.2002) |
LG Berlin |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des KG in Berlin v. 8.10.2002 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Gegenstandswert: 194.202,50 Euro
Gründe
I. Die Kläger begehren mit der Klage von der Beklagten Zahlung einer Tätigkeitstantieme für das Jahr 1995, im Wege der Stufenklage Auskunft hinsichtlich einer für das Jahr 1996 beanspruchten Tantieme, Erklärung des Einverständnisses mit dem Übergang von Rechten und Pflichten aus Versicherungsverträgen, ferner Zahlung einer vorgezogenen Altersrente und schließlich Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz. Das LG - Kammer für Handelssachen - hat unter dem Vorsitz der Vorsitzenden Richterin am LG W.-G. durch Teilurteil v. 6.6.2001 die Beklagte dazu verurteilt, ihr Einverständnis mit dem Übergang von Rechten und Pflichten aus den Versicherungsverträgen zu erklären und an den Kläger zu 1) ab 1.1.2001 monatlich im Voraus eine vorgezogene Altersrente zu zahlen; ferner hat es eine Schadensersatzpflicht teilweise festgestellt, das weiter gehende Feststellungsbegehren hingegen abgewiesen. Unter Mitwirkung derselben Vorsitzenden hat das LG durch weiteres Teilurteil v. 1.8.2001 die Klage wegen der Tantieme für 1995 abgewiesen. Gegen das erste Teilurteil hat die Beklagte Berufung mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung eingelegt, während der Kläger zu 1) mit seiner Anschlussberufung die Verzinsung der zugesprochenen Altersrente begehrt. Das zweite Teilurteil haben die Kläger in einem parallelen Berufungsrechtsstreit angefochten.
Mit Schreiben v. 26.9.2002 hat der dem zuständigen 2. Zivilsenat des Berufungsgerichts angehörende Richter am KG G. die Parteien darauf hingewiesen, dass er der Ehemann der Vorsitzenden Richterin ist, die an dem angefochtenen ersten Teilurteil mitgewirkt hat. Daraufhin haben die Kläger mit Schriftsatz v. 2.10.2002 diesen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der abgelehnte Richter hat sich dienstlich dahingehend geäußert, er kenne den dem Rechtsstreit zu Grunde liegenden Sachverhalt nicht und schließe aus, mit seiner Ehefrau über den Fall und damit zusammenhängende Rechtsfragen gesprochen zu haben, daher fühle er sich nicht befangen.
Das KG hat das Ablehnungsgesuch - im Tenor als solches "der Beklagten v. 19.9.2002" bezeichnet - zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Kläger mit der - vom KG zugelassenen - Rechtsbeschwerde.
II. 1. Die gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO zugelassene, form und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Kläger ist auch im Übrigen zulässig. Die Kläger sind durch den angefochtenen Beschluss beschwert. Zwar ist nach dem Wortlaut des Beschlusstenors ein "Ablehnungsgesuch der Beklagten v. 19.9.2002" für unbegründet erklärt worden, und auch in den Gründen ist davon die Rede, dass das Gesuch "der Beklagten" erfolglos bleibe; dabei handelt es sich jedoch, worauf die Kläger in der Beschwerdebegründung zutreffend hinweisen, um offensichtliche - und damit unschädliche - Bezeichnungsfehler, weil es ausweislich der Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Beschluss und nach Aktenlage im vorliegenden Verfahren kein Ablehnungsgesuch der Beklagten und darüber hinaus auch kein solches v. 19.9.2002 gibt, sondern allein das Ablehnungsgesuch der Kläger v. 2.10.2002. Nur dieses - auf S. 3 des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich genannte - Gesuch ist daher vom KG - objektiv und subjektiv - zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht worden.
2. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das KG hat das Ablehnungsgesuch der Kläger gegen den Richter am KG G. mit Recht für unbegründet erachtet.
a) Richter am KG G. ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht nach § 41 Nr. 6 ZPO von der Ausübung des Richteramtes im Berufungsverfahren gegen das (Erste) Teilurteil v. 6.6.2001 des LG kraft Gesetzes ausgeschlossen, weil er bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung des ersten Rechtszuges nicht selbst mitgewirkt hat. Die Mitwirkung seiner Ehefrau, der Vorsitzenden Richterin am LG W.-G., an diesem Teilurteil ist dem nicht gleichzusetzen, weil § 41 ZPO die Ausschließungsgründe abschließend aufführt; schon wegen der verfassungsmäßigen Forderung, den gesetzlichen Richter im Voraus möglichst eindeutig zu bestimmen (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG), ist die Vorschrift einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich (vgl. BGH, Urt. v. 5.12.1980 - V ZR 16/80, MDR 1981, 481 = NJW 1981, 1723 f.; Urt. v. 4.12.1989 - RiZ(R) 5/89, NJW 1991, 425 - jew. m. w. N.).
b) Die Mitwirkung der Ehefrau eines Rechtsmittelrichters an der angefochtenen Entscheidung stellt auch - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - keinen generellen Ablehnungsgrund gem. § 42 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf dessen Beteiligung an der Entscheidung im Rechtsmittelverfahren dar. Eine solche generalisierende, allein auf die Tatsache des ehelichen Näheverhältnisses abstellende Betrachtung würde im Endergebnis auf dem Umweg über § 42 ZPO zu einer unzulässigen Erweiterung des Anwendungsbereiches des § 41 ZPO führen, da sie faktisch einem Ausschluss kraft Gesetzes gleichkäme.
Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit vielmehr nur dann statt, wenn ein konkreter Grund vorgetragen und glaubhaft gemacht wird, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Nach diesem Maßstab ist im Ablehnungsverfahren nach § 42 Abs. 2 ZPO nicht darüber zu entscheiden, ob der Richter sich befangen fühlt oder tatsächlich befangen ist, sondern ob aus der Sicht einer objektiv und vernünftig urteilenden Partei die Besorgnis besteht, der zur Entscheidung berufene Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenüber (st. Rspr., Nachweise bei Zöller/Vollkommer, ZPO 23. Aufl., § 46 Rz. 9). Zu dieser Vorstellung kann eine nach diesem objektivierten Maßstab urteilende Partei nicht allein deswegen gelangen, weil der abgelehnte Richter mit der Vorsitzenden Richterin, die an der im Berufungsverfahren angegriffenen Kollegialentscheidung erster Instanz mitgewirkt, verheiratet ist. Nichts deutet im vorliegenden Fall darauf hin, der abgelehnte Richter könnte geneigt sein, die Entscheidung, die seine Ehefrau nicht allein getroffen, sondern an der sie als Vorsitzende eines Kollegialgerichts lediglich mitgewirkt hat, aus sachfremden Erwägungen zu bestätigen oder zu ändern bzw. in die kollegiale Senatsentscheidung derartige sachfremde Erwägungen einfließen zu lassen. Umstände, aus denen sich etwas Anderes ergeben könnte, haben die Kläger nicht dargetan, geschweige denn glaubhaft gemacht (§ 294 ZPO i. V. m. § 44 Abs. 2 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 1077148 |
NJW 2004, 163 |
BGHR 2004, 270 |
FamRZ 2004, 176 |
EWiR 2004, 205 |
ZAP 2004, 8 |
MDR 2004, 288 |
KammerForum 2004, 141 |
ProzRB 2004, 90 |