Leitsatz (amtlich)

a) Der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung wegen fehlender Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders in der Wohlverhaltensphase setzt nicht voraus, dass der Treuhänder die Antragsvoraussetzungen glaubhaft macht und den Nachweis des Zugangs seines Aufforderungsschreibens führt.

b) In vor dem 1.12.2001 eröffneten Altverfahren kommt eine Stundung der Kosten des Treuhänders in der Wohlverhaltensphase nicht in Betracht (Bestätigung von BGH, Beschl. v. 23.7.2004 - IX ZA 9/04, NZI 2004, 635; v. 11.10.2007 - IX ZB 72/06, ZInsO 2007, 1224, 1225 Rz. 8).

 

Normenkette

InsO § 298 Abs. 1, § 4a

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Beschluss vom 03.06.2009; Aktenzeichen 19 T 240/09)

AG Frankfurt (Oder) (Beschluss vom 08.05.2009; Aktenzeichen 3.1 IN 427/99)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Treuhänderin wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des LG Frankfurt/O. vom 3.6.2009 aufgehoben. Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des AG Frankfurt/O. vom 8.5.2009 wird zurückgewiesen.

Der Schuldner trägt die Kosten beider Rechtsmittelverfahren.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Rz. 1

In dem am 21.6.2001 eröffneten Insolvenzverfahren wurde dem Schuldner mit Beschluss vom 10.8.2005 die Erteilung der Restschuldbefreiung angekündigt. Am 24.2.2009 forderte die Treuhänderin den Schuldner unter Fristsetzung zum 10.3.2009 auf, die Mindestvergütung für das zurückliegende dritte Jahr der Wohlverhaltensphase zu zahlen. Das Schreiben enthielt den Hinweis, die Nichtzahlung der Mindestvergütung könne zur Versagung der Restschuldbefreiung nach § 298 InsO führen. Der Schuldner bezahlte die Mindestvergütung nicht. Nach Fristablauf beantragte die Treuhänderin, ihm die Restschuldbefreiung zu versagen. Hierauf forderte das Insolvenzgericht den Schuldner vergeblich auf, die ausstehende Mindestvergütung binnen zwei Wochen auf das Konto der Treuhänderin zu überweisen.

Rz. 2

Mit Beschluss vom 8.5.2009 hat das Insolvenzgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt. Gegen diesen Beschluss hat der Schuldner mit der Begründung Beschwerde eingelegt, aufgrund fehlender finanzieller Mittel zur Bezahlung der Mindestvergütung nicht in der Lage zu sein. Auf diese Beschwerde hat das LG die Entscheidung des Insolvenzgerichts geändert und den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung als unzulässig verworfen. Die Treuhänderin habe nicht nachgewiesen, dass ihr Aufforderungsschreiben vom 24.2.2009 dem Schuldner zugestellt worden sei. Außerdem hätten Treuhänderin und Gericht ihn auf die Möglichkeit hinweisen müssen, Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten zu stellen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Treuhänderin.

II.

Rz. 3

Die gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, 298 Abs. 3, 296 Abs. 3 Satz 1 InsO statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) ist begründet.

Rz. 4

Das Beschwerdegericht hat den Antrag der Treuhänderin auf Versagung der Restschuldbefreiung zu Unrecht als unzulässig angesehen. Der Nachweis des Zugangs der schriftlichen Aufforderung des Treuhänders, die Mindestvergütung für das vorangegangene Jahr seiner Tätigkeit zu zahlen, ist keine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Antrags nach § 298 Abs. 1 Satz 1 InsO. Eines Hinweises auf die Möglichkeit, Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens nach § 4a InsO zu beantragen, bedurfte es nicht. Unter beiden Gesichtspunkten ist die Änderung der Entscheidung des Insolvenzgerichts nicht gerechtfertigt.

Rz. 5

1. Die Versagung der Restschuldbefreiung auf Antrag des Treuhänders gem. § 298 Abs. 1 Satz 1 InsO setzt voraus, dass die vom Schuldner abgeführten Beträge für das vorangegangene Jahr der Tätigkeit des Treuhänders dessen Mindestvergütung nicht decken und der Schuldner den fehlenden Betrag nicht einzahlt, obwohl ihn die Treuhänderin schriftlich zur Zahlung binnen einer Frist von mindestens zwei Wochen aufgefordert und ihn dabei auf die Möglichkeit der Versagung der Restschuldbefreiung hingewiesen hat. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, kann der Treuhänder Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung stellen. Eine Glaubhaftmachung der Antragsvoraussetzungen ist nach allgemein vertretener Auffassung nicht erforderlich (Landfermann in HK/InsO, 5. Aufl., § 298 Rz. 4; HmbKomm-InsO/Streck, 3. Aufl., § 298 Rz. 2; Graf-Schlicker/Kexel, InsO § 298 Rz. 5; Ehricke in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 298 Rz. 9; Wenzel in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 298 Rz. 3). Zwar wird auch die Auffassung vertreten, der Antrag sei nur zulässig, wenn der Treuhänder den Nachweis für den Zugang seines Aufforderungsschreibens erbringe (Ehricke in MünchKomm/InsO, a.a.O., Rz. 18; Smid/Haarmeyer, InsO, 2. Aufl., § 298 Rz. 5; wohl auch FK-InsO/Grote, 5. Aufl., § 298 Rz. 11). Eine entsprechende Voraussetzung ist dem Gesetz aber nicht zu entnehmen. Der Nachweis des rechtzeitigen Zugangs des Aufforderungsschreibens wird in § 298 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht verlangt. Ein entsprechendes Erfordernis ergibt sich auch sonst nicht. Der Treuhänder muss deshalb nur dann den Zugang seines Aufforderungsschreibens beweisen, wenn dieser vom Schuldner in Frage gestellt wird (so im Ergebnis auch HmbKomm-InsO/Streck, a.a.O., Rz. 4; Römermann in Nerlich/Römermann, InsO § 298 Rz. 16; Uhlenbruck/Vallender, a.a.O., Rz. 7).

Rz. 6

a) Hier hat der Schuldner weder den - fristgerechten - Zugang des Aufforderungsschreibens der Treuhänderin vom 24.2.2009 noch des Mahnschreibens vom 17.3.2009 in Frage gestellt. Das Beschwerdegericht hatte keine Veranlassung, sich mit der Frage des Zugangs auseinanderzusetzen. Diese hätte nur bestanden, wenn der Schuldner den (rechtzeitigen) Zugang des Aufforderungsschreibens bestritten hätte.

Rz. 7

b) Das Beschwerdegericht hat im Übrigen auch das rechtliche Gehör der Treuhänderin verletzt, indem es ohne Rückfrage vom fehlenden Zugang ihres Aufforderungsschreibens ausgegangen ist. Auch deshalb wäre seine Entscheidung aufzuheben gewesen.

Rz. 8

2. Die Auffassung des Beschwerdegerichts, Treuhänderin und Insolvenzgericht hätten den Schuldner auf die Möglichkeit hinweisen müssen, gem. § 298 Abs. 1 Satz 2 InsO Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten zu stellen, geht fehl. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind die Vorschriften des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2001 auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1.12.2001 eröffnet worden sind, gem. Art. 103a EGInsO nicht anzuwenden (BGH, Beschl. v. 23.7.2004 - IX ZA 9/04, NZI 2004, 635; v. 11.10.2007 - IX ZB 72/06, ZInsO 2007, 1224, 1225 Rz. 8). Dies gilt auch für die Regelung des § 298 Abs. 1 Satz 2 InsO, die durch das Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung vom 26.10.2001 (BGBl. I, 2710) in die Insolvenzordnung eingefügt worden ist (vgl. auch Wenzel, a.a.O., Rz. 4). Vorliegend wurde das Insolvenzverfahren am 21.6.2001 eröffnet. Die Frage der Stundung der Verfahrenskosten konnte sich deshalb nicht stellen.

III.

Rz. 9

Die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts erfolgt lediglich wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis, wobei nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist; der Senat kann deshalb in der Sache selbst entscheiden und die Entscheidung des Insolvenzgerichts wiederherstellen (§ 577 Abs. 5 ZPO).

 

Fundstellen

EBE/BGH 2010

WM 2010, 661

DZWir 2010, 256

JZ 2010, 194

MDR 2010, 593

NZI 2010, 265

NZI 2010, 6

VuR 2010, 157

ZInsO 2010, 492

NJW-Spezial 2010, 247

ZVI 2010, 109

FMP 2010, 97

VIA 2010, 37

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