Verfahrensgang
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Senats vom 13. Dezember 2022 wird verworfen.
2. Die Gegenvorstellung gegen den Beschluss des Senats vom 13. Dezember 2022 wird zurückgewiesen.
3. Die Anträge, sämtliche Daten der Antragstellerin vor Vorlage an den Unionsgerichtshof zu anonymisieren, so dass insbesondere keine Veröffentlichungen seitens des Unionsgerichtshofs über den Namen der Antragstellerin erfolgen, sowie hilfsweise, der Bundesgerichtshof möge ein Ersuchen gemäß Art. 95 Abs. 2 der Verfahrensordnung stellen, werden zurückgewiesen.
Gründe
Rz. 1
I. Die Antragstellerin ist ein Energieversorgungsunternehmen. Die Parteien streiten darüber, ob die Antragsgegnerin als Verteilernetzbetreiberin verpflichtet ist, zwei elektrische Leitungssysteme der Antragstellerin (nachfolgend: Anlagen 1 und 2) als Kundenanlagen gemäß § 3 Nr. 24a EnWG an ihr Netz anzuschließen. Die Antragsgegnerin lehnte die darauf gerichteten Anträge ab. Die bei der Rechtsbeschwerdegegnerin als Landesregulierungsbehörde gestellten Anträge auf Überprüfung dieses Verhaltens und Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Anlagen 1 und 2 als Kundenanlagen an ihr Netz anzuschließen und für alle Letztverbraucher eine Abrechnung gemäß § 20 Abs. 1d EnWG zu ermöglichen, hat die Landesregulierungsbehörde abgelehnt. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter.
Mit Beschluss vom 13. Dezember 2022 (EnVR 83/20, juris; nachfolgend: Vorabentscheidungsersuchen) hat der Bundesgerichtshof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob Art. 2 Nr. 28 und 29, Art. 30 ff. der Richtlinie (EU) 2019/944 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU (nachfolgend: EltRL 2019) einer Bestimmung wie § 3 Nr. 24a i.V.m. Nr. 16 EnWG entgegenstehen.
Mit Schriftsätzen vom 27. Dezember 2022 und 13. Januar 2023 hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung über die Verfahrensaussetzung eingelegt und Gegenvorstellung gegen den (gesamten) Beschluss erhoben. Sie beantragt, die Aussetzungsentscheidung mangels Aussetzungsgrunds aufzuheben und das Vorlageersuchen abzuändern. Sie beantragt ferner, sämtliche Daten der Antragstellerin vor Vorlage an den Unionsgerichtshof zu anonymisieren, so dass insbesondere ihr Name nicht durch den Unionsgerichtshof veröffentlicht werde.
Rz. 2
II. Die sofortige Beschwerde ist nicht statthaft. Gegen Entscheidungen des Rechtsbeschwerdegerichts ist eine sofortige Beschwerde gemäß §§ 86 ff. EnWG nicht eröffnet. Entgegen der Antragstellerin ergibt sich die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde nicht aus § 88 Abs. 5, § 85 Nr. 2 EnWG i.V.m. §§ 148, 252 ZPO oder - in entsprechender Anwendung - §§ 94, 146 VwGO. Weder nach der Zivilprozessordnung noch nach der Verwaltungsgerichtsordnung ist die (sofortige) Beschwerde statthaft. Das lässt sich unmittelbar § 567 Abs. 1 ZPO ("gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte") und § 574 Abs. 1 ZPO ("das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug") sowie § 146 Abs. 1 VwGO ("des Verwaltungsgerichts") und § 152 Abs. 1 VwGO ("des Oberverwaltungsgerichts") entnehmen und ergibt sich schon aus dem gesetzlichen Instanzenzug. Es ist kein (höheres) Gericht vorhanden, das über eine sofortige Beschwerde gegen im Rechtsbeschwerdeverfahren ergangene Beschlüsse entscheiden könnte. Daher kann dahinstehen, ob, wie die Antragstellerin meint, gegen einen mit einem Vorabentscheidungsersuchen verbundenen Aussetzungsbeschluss die sofortige Beschwerde eröffnet ist, wenn sie - wie etwa bei einem Vorabentscheidungsersuchen eines Gerichts erster Instanz - grundsätzlich statthaft wäre (ablehnend allerdings BFH, Beschluss vom 27. Januar 1981 - VII B 56/80, BFHE 132, 217 ff. [juris Rn. 3 ff.]; VGH Mannheim, EuGRZ 1986, 572 f.; Ehricke in Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl., Art. 267 Rn. 67; Marsch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2022, Anhang § 40 VwGO (Art. 267 AEUV) Rn. 67; vgl. auch Wegener in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, Art. 267 AEUV Rn. 26 mwN; bejahend Karpenstein in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand Januar 2023, Art. 267 AEUV Rn. 43).
Rz. 3
III. Die Gegenvorstellung hat keinen Erfolg.
Rz. 4
1. Die Gegenvorstellung ist zulässig. Bei der Gegenvorstellung handelt es sich um die gesetzlich nicht geregelte Anregung an das Gericht, eine für die Partei unanfechtbare Entscheidung zu ändern. Deshalb kommt sie nur in Betracht, wenn das Gericht zu einer Änderung seiner Entscheidung befugt ist und diese auch von Amts wegen vornehmen darf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Oktober 2018 - IX ZB 31/18, BGHZ 220, 90 Rn. 13 ff. mwN; vom 14. September 2022 - EnVR 81/20 Rn. 5 mwN). Das ist hier der Fall. Der Bundesgerichtshof ist an das Vorabentscheidungsersuchen nicht gebunden und wäre befugt, es zurückzunehmen oder zu ändern.
Rz. 5
a) Das nationale Gericht ist nach Art. 100 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Unionsgerichtshofs vom 25. September 2012 berechtigt, das Vorabentscheidungsersuchen bis zur Bekanntgabe des Termins der Urteilsverkündung zurückzunehmen. Es hat den Unionsgerichtshof nach Ziffer 26 Satz 4 der Empfehlungen an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungen (2019/C 380/01) auch über den etwaigen Erlass einer Entscheidung zu informieren, die im Rahmen eines gegen die Vorlageentscheidung gerichteten Rechtsbehelfs ergeht, sowie über die Folgen, die diese Entscheidung für das Vorabentscheidungsersuchen hat. Daraus folgt, dass (auch) eine Änderung des Vorabentscheidungsersuchens zulässig ist.
Rz. 6
b) Steht folglich die Verfahrensordnung des Unionsgerichtshofs einer Rücknahme oder Änderung des Vorabentscheidungsersuchens nicht entgegen, kommt es darauf an, ob auch die hier anwendbare nationale Verfahrensordnung eine solche Änderung zulässt. Das ist der Fall. Anwendbar sind vorliegend § 88 Abs. 5, § 85 Nr. 2 EnWG i.V.m. § 122 Abs. 1, § 121 VwGO (vgl. Kalwa/Göge in Elspas/Graßmann/Rasbach, EnWG, 2018, § 85 Rn. 5 ff.; Hanebeck in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 3. Aufl., § 85 Rn. 2). Danach erwachsen der Aussetzungsbeschluss und das Vorabentscheidungsersuchen anders als Urteile und selbständige Verfahren abschließende Beschlüsse nicht in Rechtskraft (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl., § 122 Rn. 4).
Rz. 7
2. Es besteht keine Veranlassung, das Vorabentscheidungsersuchen zu ändern. Dazu weist der Senat, der das gesamte Vorbringen geprüft und erwogen hat, lediglich auf Folgendes hin:
Rz. 8
a) Vergeblich macht die Antragstellerin geltend, dass die vorliegende Vertragsgestaltung aufgrund der genutzten Technologie "wesensnotwendig" und "mietrechtlich sichergestellt ist, dass der Mieter nicht mit diskriminierenden, wettbewerbsbehindernden Kosten aus der Errichtung von (KWK-)Stromerzeugungsanlagen belastet wird". Wie die Antragstellerin selbst unter Bezugnahme auf den Wärmelieferungsvertrag (Anlage Bf 1, Gerichtsakte Blatt 146 ff.) und die Anlage 7 (Mieterstrom, Anlage Bf 5, Gerichtsakte Blatt 172) in ihrer Gegenvorstellung erneut ausführt, werden sämtliche Kosten der Errichtung und des Betriebs der Anlagen 1 und 2, also der elektrischen Leitungssysteme, als Grundpreis in den Wärmelieferungspreis eingepreist. Damit tragen die Mieter - die zuvor an das Verteilernetz angeschlossen waren - die auf sie umgelegten Kosten der Stromverteilung, ohne dass diese transparent ausgewiesen sind. Dass eine Aufschlüsselung der Kosten nicht möglich sei, macht die Antragstellerin nicht geltend und ist auch nicht erkennbar. Gleichzeitig will sie den Mietern Stromlieferverträge zu tagesaktuellen Preisen anbieten (Ziffer 2 der Anlage 7). Daraus ergibt sich der vom Senat benannte systemimmanente Interessenkonflikt, der die Ziele von Art. 1 Abs. 1 und 2 EltRL 2019 berührt (Vorabentscheidungsersuchen, aaO Rn. 24). Denn eine transparente Aufschlüsselung könnte dazu führen, dass dadurch die Gewinnspannen erkennbar werden, die der Anlagenbetreiber und Stromverkäufer durch den Verkauf des als "Abfallprodukt" bei der Wärmeerzeugung entstehenden Stroms erzielt. Es ist zudem nicht möglich, dass - wie die Antragstellerin nunmehr erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren geltend macht - im vorliegenden Fall anlässlich der Errichtung der Anlagen 1 und 2 eine Umstellung von der Eigenversorgung auf die eigenständig gewerbliche Lieferung durch einen Wärmelieferanten im Sinn von § 556c BGB stattgefunden hat. Denn die Antragstellerin hat die Wohngebiete nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts auch schon zuvor aufgrund eines Wärmelieferungsvertrags versorgt. Letztlich kommt es für die Vorlagefrage aber nicht darauf an. Der Interessenkonflikt besteht auch dann, wenn die Kosten für die Wärmelieferung die Betriebskosten für eine - unterstellte - bisherige Eigenversorgung mit Wärme und Warmwasser nicht übersteigen sollten.
Rz. 9
b) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin, die die Umlage der Kosten der Errichtung und des Betriebs der der Weiterleitung und Verteilung von Strom dienenden Anlagen 1 und 2 über den monatlich zu zahlenden Grundpreis für die gelieferte Wärme für betriebskostenrechtlich zulässig hält, ist die Zulässigkeit einer solchen Umlage sowohl generell als auch im vorliegenden Fall ungeklärt (Vorabentscheidungsersuchen, aaO Rn. 13). Darauf kommt es aber für die Vorlagefrage nicht an, weil eine Kundenanlage im Sinn von § 3 Nr. 24a EnWG auch bei einer etwaigen betriebskostenrechtlichen Unzulässigkeit vorliegen würde (aaO Rn. 13) und sich auch dann die Frage stellt, ob die Anlagen 1 und 2 im Sinn von Art. 2 Nr. 28 und 29, Art. 30 ff. EltRL 2019 Bestandteil des Verteilernetzes sind. Dass ein Mieter im Verhältnis zur Grundstückseigentümerin und Vermieterin möglicherweise nicht verpflichtet ist, die Kosten der Errichtung und des Betriebs der Anlagen 1 und 2 zu tragen, beseitigt nicht den systemimmanenten Interessenkonflikt, der im Verhältnis zwischen der Antragstellerin und den Letztverbrauchern besteht. In jedem Fall tritt nämlich die Antragstellerin den Letztverbrauchern sowohl als Eigentümerin und Betreiberin der Anlage als auch als Stromlieferantin gegenüber, so dass beispielsweise Haftungsfragen oder Fragen in Bezug auf Versorgungsunterbrechungen auftreten können (vgl. Goetzendorf, RdE 2020, 16, 20; Thomale/Berger, EnWZ 2018, 147, 153; Theobald in Theobald/Kühling, Energierecht, Stand Juli 2022, § 3 EnWG Rn. 205e f.; Vogt, RdE 2012, 95, 100).
Rz. 10
c) Dass die Errichtung der Anlagen 1 und 2, wie die Antragstellerin geltend macht, aus technischen Gründen nur zusammen mit den Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (Vorabentscheidungsersuchen, aaO Rn. 3) erfolgen konnte, ist nicht festgestellt. Der Anlage 7 Mieterstrom zum Wärmelieferungsvertrag (Anlage Bf 5, Gerichtsakte Blatt 172) lässt sich das Gegenteil entnehmen. Dort führt die Antragstellerin aus, wenn das Oberlandesgericht eine Kundenanlage im Sinn von § 3 Nr. 24a EnWG verneine, werde sie den erzeugten Strom in das öffentliche Netz einspeisen. (Nur) wenn das Oberlandesgericht das Vorliegen einer Kundenanlage bejahte, sollten danach die Anlagen 1 und 2 errichtet werden. Letztlich kommt es darauf für die Vorlagefrage aber nicht an. Denn es ist allein zu klären, ob die Anlagen 1 und 2 aus unionsrechtlicher Sicht Bestandteil des Verteilernetzes sind. Diese Frage lässt sich ohne Vorabentscheidungsersuchen auch dann nicht beantworten, wenn die Anlagen 1 und 2 nur zusammen mit den Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen errichtet werden konnten.
Rz. 11
d) Soweit die Antragstellerin meint, es bestehe keine unionsrechtliche Wettbewerbsrelevanz der Anlagen 1 und 2 und daher sei die Vorlagefrage nicht entscheidungserheblich, verkennt sie, dass gerade zu klären ist, welche Anlagen Teil des Verteilernetzes gemäß Art. 2 Nr. 28 und 29 EltRL 2019 sind. Es geht darum, ob der vom Unionsgerichtshof auszulegende Begriff des Verteilernetzes einer Vorschrift wie § 3 Nr. 24a i.V.m. Nr. 16 EnWG entgegensteht, wonach eine unbestimmte Vielzahl von Kundenanlagen, welche jeweils nur für sich genommen für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas unbedeutend sind, nicht als Energieversorgungsnetze gelten.
Rz. 12
e) Die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage entfällt entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht deshalb, weil es sich um Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen handelt, wobei dahinstehen kann, ob diese - wie die Antragstellerin nunmehr behauptet - hocheffiziente KWK-Kleinstanlagen im Sinn von Art. 2 Nr. 34 und Nr. 39 der Richtlinie 2012/27/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Energieeffizienz sind. Insoweit geht das Vorabentscheidungsersuchen davon aus, dass die von der Antragstellerin errichteten Erzeugungsanlagen zusammen mit den Anlagen 1 und 2 auch vorteilhafte Auswirkungen auf die Ziele von Art. 1 Abs. 1 und 2 EltRL 2019 haben können (Vorabentscheidungsersuchen, aaO Rn. 21). Es ist indes fraglich, ob das für die Auslegung des Verteilernetzbegriffs Bedeutung hat. Der Senat hat daran Zweifel, weil sämtliche Ziele des Energiewirtschaftsrechts im Rahmen der Vorgaben der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie zu verfolgen und miteinander in Einklang zu bringen sind. Das schließt es nach dem Verständnis des Senats aus, einzelne Ziele auf Kosten anderer dadurch zu bevorzugen, dass zu ihrer Durchsetzung von einer Regulierung von vornherein abgesehen wird.
Rz. 13
f) Das Vorabentscheidungsersuchen zeigt auf (aaO Rn. 21 bis 24), dass die Ziele von Art. 1 Abs. 1 und 2 EltRL 2019 in verschiedener Hinsicht berührt werden, wenn die Anlagen 1 und 2 als Kundenanlagen im Sinn von § 3 Nr. 24a EnWG anzusehen sind. Das verkennt die Antragstellerin bei ihren Ausführungen zu den - erstmals behaupteten - Möglichkeiten der Preisgestaltung durch die Netzbetreiber. Netzentgelte im Sinn von §§ 20 ff. EnWG fallen an, wenn es sich bei den Anlagen 1 und 2 um Verteilernetze handelt. Ob das nach der Richtlinie der Fall ist, kann nur durch ein Vorabentscheidungsersuchen geklärt werden.
Rz. 14
g) Soweit die Antragstellerin im Rechtsbeschwerdeverfahren zunächst gemeint hat, sie sei nicht Anschlussnehmerin und Betreiberin der Anlagen 1 und 2, hat der Senat dies mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert. Er hat darauf hingewiesen, dass nach § 3 Nr. 4 des Wärmelieferungsvertrags (Gerichtsakte Blatt 148) und § 2 Nr. 1 des zwischen der Antragstellerin und der Wohnungsbaugenossenschaft abgeschlossenen Mietvertrags über die Räumlichkeiten der Energiezentralen (Gerichtsakte Blatt 155R) die Antragstellerin Betreiberin und Eigentümerin der "Versorgungsanlagen nebst allen dazugehörigen Baulichkeiten, Aggregaten und Leitungen" ist. Dementsprechend bewilligte die Grundstückseigentümerin zugunsten der Antragstellerin eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit, wonach die Antragstellerin berechtigt ist "auf dem Grundstück Anlagen zur Wärmeerzeugung einschließlich diesen dienenden Nebenanlagen sowie die zum Betrieb der Anlagen erforderlichen Versorgungsleitungen und Verteilanlagen zu haben, zu errichten, zu betreiben (…) sowie alle Räumlichkeiten auf dem Grundstück an diese Anlagen anzuschließen" (Gerichtsakte, Blatt 173). Auch die streitgegenständlichen Anschlussanträge weisen die Antragstellerin selbst als Eigentümerin und Anschlussnehmerin "weiterer Anlagen" und der "Erzeugungsanlagen" aus (Gerichtsakte Blatt 98R, 99R und 105R). Weder nach § 1 Abs. 1 und 2, § 2 Abs. 2 Niederspannungsanschlussverordnung, noch nach § 3 Nr. 2, §§ 8 ff. EEG 2017 ist die Wohnungsbaugenossenschaft daher hier als Anlagenbetreiberin und Anschlussnutzerin anzusehen. Als Grundstückseigentümerin hat sie vielmehr ausweislich der genannten Anschlussanträge lediglich die gemäß § 2 Abs. 3 Niederspannungsanschlussverordnung erforderliche Zustimmung zum Anschlussbegehren der Antragstellerin erklärt. Dem ist die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung nicht entgegengetreten. Die vor diesem Hintergrund nicht mehr nachvollziehbare erneut abweichende Würdigung in der Gegenvorstellung hätte zudem zur Folge, dass der Antragstellerin die Berechtigung fehlte, im eigenen Namen die streitgegenständlichen Anschlussanträge zu stellen.
Rz. 15
IV. Der Antrag, sämtliche Daten der Antragstellerin vor Vorlage an den Unionsgerichtshof zu anonymisieren, ist zurückzuweisen. Dabei kann dahinstehen, ob er bereits in der mündlichen Verhandlung hätte gestellt werden müssen und aus diesem Grund nunmehr unzulässig ist. Denn er ist jedenfalls unbegründet.
Rz. 16
1. Gemäß Art. 95 Abs. 2 der Verfahrensordnung vom 25. September 2012 kann der Unionsgerichtshof auf Ersuchen des vorlegenden Gerichts, auf gebührend begründeten Antrag einer Partei des Ausgangsrechtstreits oder von Amts wegen eine oder mehrere Personen oder Einrichtungen, die von dem Rechtsstreit betroffen sind, anonymisieren, wenn er es für erforderlich hält. Um einen bestmöglichen Schutz personenbezogener Daten zu erreichen, behandelt der Gerichtshof die Vorlagesachen gemäß Ziffer I. 7 der Praktischen Anweisungen für die Parteien in den Rechtssachen vor dem Gerichtshof vom 14. Februar 2020 in der Regel in anonymisierter Form. Das bedeutet, dass der Gerichtshof, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, Namen und Vornamen der im Vorabentscheidungsersuchen genannten natürlichen Personen sowie gegebenenfalls weitere Angaben, die eine Wiedererkennung ermöglichen könnten, weglässt, falls das vorlegende Gericht dies nicht schon vor dem Versenden seines Ersuchens getan hat. Dementsprechend wird das vorlegende Gericht in Ziffer 21 der Empfehlungen an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungen (2019/C 380/01) gebeten, die Rechtssache zu anonymisieren, indem es die Namen der in dem Ersuchen genannten natürlichen Personen beispielsweise durch Initialen oder eine Buchstabenkombination ersetzt und die Angaben, die die Identifizierung dieser Personen ermöglichen könnten, unkenntlich macht. Verfügt das vorlegende Gericht über eine namentliche Fassung des Vorabentscheidungsersuchens, in der die Namen und vollständigen Kontaktdaten der Parteien des Ausgangsrechtsstreits angegeben sind, und eine anonymisierte Fassung dieses Ersuchens, soll es dem Gerichtshof gemäß Ziffer 22 der Empfehlungen an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungen (2019/C 380/01) beide Fassungen übermitteln, um die Behandlung der Rechtssache durch den Gerichtshof zu erleichtern. Nach Ziffer 24 der Empfehlungen muss das Vorabentscheidungsersuchen bei der Kanzlei mit allen relevanten und der Behandlung der Rechtssache dienlichen Unterlagen sowie insbesondere den genauen Kontaktdaten der Parteien des Ausgangsrechtsstreits sowie den Akten des Ausgangsverfahrens eingehen.
Rz. 17
2. Die Anonymisierung sämtlicher Daten der Antragstellerin, die Anbringung des Vorabentscheidungsersuchens beim Gerichtshof ohne die Angabe des Namens und der Kontaktdaten der Antragstellerin und die Übermittlung lediglich einer anonymisierten Fassung des Vorlagebeschlusses kommen danach nicht in Betracht. Sowohl der in der Akte befindliche Vorlagebeschluss als auch die dem Unionsgerichtshof vorzulegenden Akten enthalten den nach den genannten Vorgaben anzugebenden Namen und die Kontaktdaten der Antragstellerin sowie ferner zahlreiche auf die Antragstellerin bezogene Informationen, deren Anonymisierung schon deshalb ausscheidet, weil ohne sie eine Entscheidung über das Vorabentscheidungsersuchen nicht möglich ist.
Rz. 18
3. Die Einreichung einer (zusätzlichen) anonymisierten Fassung nach Ziffer 21 und 22 der Empfehlungen ist nach den genannten Vorgaben vorliegend nicht erforderlich. Der Vorlagebeschluss enthält keine Namen natürlicher Personen, die zu anonymisieren wären. Die Antragstellerin ist eine juristische Person. Informationen, die juristische Personen betreffen, werden aber anders als personenbezogene Daten natürlicher Personen im Unionsrecht weder durch Art. 8 Abs. 1 GrCh noch durch die Datenschutzgrundverordnung geschützt (Art. 1 Abs. 1 DSGVO; EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2020 - C-620/19 Rn. 41 ff.).
Rz. 19
V. Soweit der Antrag auf Anonymisierung dahin auszulegen ist, dass der Senat hilfsweise den Gerichtshof ersuchen möge, gemäß Art. 95 Abs. 2 der Verfahrensordnung den Namen der Antragstellerin zu anonymisieren (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2015 - 1 StR 447/14, juris Rn. 35), hat dies ebenfalls keinen Erfolg.
Rz. 20
1. Ein solches Ersuchen wird im Hinblick auf die der Partei eröffnete Möglichkeit, einen eigenen Antrag beim Unionsgerichtshof zu stellen, nur dann in Betracht kommen, wenn dafür besondere Gründe bestehen, etwa dem Gericht eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber einem Verfahrensbeteiligten obliegt (vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. Juli 2015 - 1 StR 447/14, juris Rn. 35). Demgemäß ergehen Vorabentscheidungsersuchen in Zivilsachen, bei denen die Parteien juristische Personen sind, grundsätzlich ohne ein Ersuchen gemäß Art. 95 Abs. 2 der Verfahrensordnung (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 2. August 2022 - X ZR 53/21, juris; vom 3. Mai 2022 - X ZR 122/21, juris; vom 24. Februar 2022 - I ZR 176/19, juris; vom 10. Februar 2022 - I ZR 38/21, juris). Besondere Gründe für das Erfordernis eines gerichtlichen Ersuchens sind vorliegend weder dargelegt noch ersichtlich. Die anwaltlich vertretene Antragstellerin ist nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts ein Energieversorgungsunternehmen, das mehr als 4.000 Mitarbeiter hat, über 50 Niederlassungen in Deutschland verfügt und 2019 einen Umsatz von mehr als 1 Mrd. € erzielt hat. Sie vermag ihre Rechte durch einen Antrag nach Art. 95 Abs. 2 der Verfahrensordnung selbst zu wahren.
Rz. 21
2. Soweit sich die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf ihr "aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitetes sog. Unternehmenspersönlichkeitsrecht" und ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung beruft, lässt sich daraus keine Verpflichtung des Senats ableiten, ein Ersuchen gemäß Art. 95 Abs. 2 der Verfahrensordnung zu stellen.
Rz. 22
a) Für das allgemeine Persönlichkeitsrecht lässt sich nicht allgemein angeben, ob es seinem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar ist (Art. 19 Abs. 3 GG). Dies ist vielmehr für die verschiedenen Ausprägungen dieses Grundrechts differenziert zu beurteilen und führte etwa zur Anerkennung des Rechts der juristischen Person auf informationelle Selbstbestimmung (BVerfG, Beschlüsse vom 26. Februar 1997 - 1 BvR 2172/96, BVerfGE 95, 220, 242 [juris Rn. 83 f.]; vom 13. Juni 2007 - 1 BvR 1550/03, BVerfGE 118, 168, 204 [juris Rn. 152 ff.]; Di Fabio in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Stand September 2022, Art. 2 Rn. 224; Antoni in Hömig/Wolff, GG, 13. Aufl., Art. 2 Rn. 4, Art. 1 Rn. 10, 14).
Rz. 23
b) Der Schutzbereich dieses Rechts ist indes nicht dadurch betroffen, dass der Senat kein gerichtliches Ersuchen gemäß Art. 95 Abs. 2 der Verfahrensordnung anbringt. Wie oben dargelegt, ist die Übermittlung des Namens und der Daten der Antragstellerin an den Unionsgerichtshof zur weiteren Förderung des von der Antragstellerin zur Wahrung ihrer Rechte geführten Verfahrens erforderlich. Eine etwaige weitergehende informationelle Maßnahme durch Veröffentlichung trifft nur der Unionsgerichtshof, bei dem die Antragstellerin zur Wahrung ihrer Rechte einen Antrag nach Art. 95 Abs. 2 der Verfahrensordnung stellen kann. Selbst wenn man eine Betroffenheit annähme, würde dies aber auch unter Berücksichtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Antragstellerin wegen der obigen Erwägungen (Rn. 20) nicht zu einem Anspruch auf Anbringung eines Ersuchens durch den Senat führen.
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