Entscheidungsstichwort (Thema)
Laufzeitverkürzung. Übergangszeit. Restschuldbefreiung. Inkrafttreten des Insolvenzänderungsgesetzes
Leitsatz (redaktionell)
Nach dem 30.11.2001 ist generell Art. 107 EGInsO nicht mehr anwendbar und damit ist die Laufzeit der Abtretungserklärung nicht auf fünf Jahre zu verkürzen. Auch die Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes kommt nicht in Betracht.
Normenkette
EGInsO Art. 107, 103a; InsO § 287
Verfahrensgang
LG (Entscheidung vom 24.11.2003) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 19. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 24. November 2003 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.
Gegenstandswert: 500 Euro.
Tatbestand
I.
Am 21. Januar 2003 beantragte der Schuldner die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen und die Erteilung der Restschuldbefreiung. Dabei wies er darauf hin, daß er bereits am 1. Januar 1997 zahlungsunfähig gewesen sei, und begehrte, die Laufzeit der Abtretungserklärung (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO) auf fünf Jahre zu verkürzen (Art. 107 EGInsO).
Das Amtsgericht – Insolvenzgericht – hat dem Schuldner die Verfahrenskosten für das Eröffnungsverfahren und das Hauptverfahren gestundet (§ 4a Abs. 1 und 3 InsO) und das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit dem angefochtenen Beschluß hat es dem Schuldner die Restschuldbefreiung angekündigt, die Laufzeit der Abtretung jedoch auf sechs Jahre festgesetzt.
Soweit die Laufzeit der Abtretung auf sechs – statt der begehrten fünf – Jahre festgesetzt worden ist, hat der Schuldner sofortige Beschwerde erhoben. Das Landgericht hat diese zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Schuldner mit seiner Rechtsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. §§ 7, 289 Abs. 2 Satz 1 InsO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO). Es hat jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat zutreffend entschieden, daß für den vorliegenden Antrag die Möglichkeit der Laufzeitverkürzung gemäß Art. 107 EGInsO nicht besteht.
1. Umstritten und bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist die Frage, ob Art. 107 EGInsO zeitlich unbegrenzt anwendbar, wenngleich praktisch immer weniger bedeutsam ist (so MünchKomm-InsO/Stephan, § 287 Rn. 63; FK-InsO/Ahrens, 3. Aufl. § 287 Rn. 87; Smid/Haarmeyer, InsO 2. Aufl. § 286 Rn. 20; HK-InsO/Landfermann, 3. Aufl. Art. 107 EGInsO Rn. 3; Kübler/Prütting/Wenzel, InsO § 287 Rn. 20; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht 6. Aufl. Rn. 2093; Mäusezahl ZVI 2002, 170; Winter ZVI 2002, 239, 241, 244; Bindemann ZVI 2002, 248, 249; Thomsen ZInsO 2002, 813, 814) oder nur während einer Übergangszeit gilt (so Gundlach/Frenzel/Schmidt ZVI 2002, 141, 143).
Damit hängt die zweite, ebenfalls ungeklärte Frage zusammen, ob Art. 107 EGInsO auch noch unter der Geltung des durch das Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze (Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2001) vom 26. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2710) neu gefaßten § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO anwendbar (LG Frankfurt a.M. ZVI 2002, 285; 2002, 424; LG Hamburg ZVI 2003, 81; LG Freiburg ZInsO 2003, 576; LG Aschaffenburg ZInsO 2003, 1004; Stephan, aaO; Ahrens, aaO; Landfermann, aaO Rn. 1a und 3b; Wenzel, aaO Rn. 20 und 24; Frege/Keller/Riedel, aaO Rn. 2094; Uhlenbruck/Vallender, InsO 12. Aufl. § 287 Rn. 51; Kohte/Ahrens/Grote, Verfahrenskostenstundung, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenzverfahren 2. Aufl. § 287 InsO Rn. 87; Preuß, Verbraucherinsolvenzverfahren und Restschuldbefreiung 2. Aufl. Rn. 277; Mäusezahl aaO; Winter aaO S. 240 f; Bindemann aaO; ders. ZInsO 2002, 1070 f; Thomsen aaO) oder ob die Übergangszeit, auf die sich die Anwendbarkeit des Art. 107 EGInsO beschränkt, mit Inkrafttreten des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2001 als beendet anzusehen ist (LG Bad Kreuznach ZVI 2002, 217; LG Düsseldorf ZVI 2002, 328; LG Köln NZI 2003, 216; LG München I ZVI 2002, 424; LG Oldenburg ZVI 2002, 423; LG Dortmund ZVI 2003, 134; LG Kassel ZVI 2003, 175; Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO § 287 Rn. 4; Braun/Buck, InsO § 287 Rn. 14; Gundlach/Frenzel/Schmidt aaO).
2. Der Senat schließt sich den jeweils zuletzt genannten Auffassungen an.
a) Die Vorschrift des Art. 107 EGInsO sollte von vornherein – auch ohne Berücksichtigung des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2001 – nur einen vorübergehenden Zustand regeln.
aa) Die Möglichkeit der Restschuldbefreiung ist ein zentraler Punkt der neuen Insolvenzordnung. Angesichts der großen Zahl überschuldeter Privathaushalte ging man davon aus, daß unmittelbar nach Inkrafttreten des neuen Rechts die Insolvenzgerichte mit entsprechenden Anträgen überschwemmt werden würden (vgl. Vallender ZIP 1999, 125; Gundlach/Frenzel/Schmidt aaO S. 142). Wegen der erwarteten Belastungen der Insolvenzgerichte äußerten namentlich die Landesjustizverwaltungen Bedenken (vgl. BT-Drucks. 12/7303, S. 119). Deswegen wurde der Zeitpunkt des Inkrafttretens zweimal verschoben: vom 1. Januar 1995 auf den 1. Januar 1997 und danach noch einmal auf den 1. Januar 1999. Die Verschiebung sollte indes nicht zu Lasten der (Verbraucher-)Schuldner gehen. Schon im Hinblick auf die erste Verschiebung schlug der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages vor, in das Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung eine Vorschrift (Art. 110a Halbsatz 1) aufzunehmen, wonach sich die (damals noch mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens beginnende) Laufzeit der Abtretung – die sogenannte Wohlverhaltensphase – von sieben Jahren (wie im Regelfall) auf fünf Jahre verkürzen sollte, wenn der Schuldner bereits vor dem 1. Januar 1995 zahlungsunfähig war. In der Begründung heißt es hierzu (BT-Drucks. 12/7303, S. 118):
„Durch die vom Ausschuß eingefügte Vorschrift soll vermieden werden, daß durch das Hinausschieben des Inkrafttretens der Insolvenzordnung … redliche Schuldner unzumutbar lange auf eine Restschuldbefreiung warten müssen. Wer schon zwei Jahre vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung zahlungsunfähig ist, kann zwar den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erst nach dem Inkrafttreten stellen, braucht aber dann im Verfahren zur Erlangung der Restschuldbefreiung nur fünf Jahre lang, nicht sieben Jahre lang, sein pfändbares Einkommen den Gläubigern zufließen zu lassen.”
Bei der zweiten Verschiebung auf den 1. Januar 1999 wurde dann die Wohlverhaltensphase nicht noch einmal (etwa auf drei Jahre) verkürzt. Es blieb – nunmehr in Art. 107 EGInsO – bei der Anknüpfung an eine zwei Jahre vor Inkrafttreten bestehende Zahlungsunfähigkeit und somit bei einer Verkürzung auf fünf Jahre.
bb) Wenngleich Art. 107 EGInsO keine Befristung enthält, machen diese Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Vorschrift deutlich, daß eine Verkürzung der Wohlverhaltensphase wegen des späteren Inkrafttretens der Insolvenzordnung nicht auf Dauer in Betracht kommen kann. Der Gesetzgeber wollte den Schuldnern entgegenkommen, die – in der Hoffnung auf die durch das neue Insolvenzverfahrensrecht ermöglichte Restschuldbefreiung, deren Voraussetzungen sie schon vor dem 1. Januar 1997 erfüllten – bereits vor diesem Stichtag auf das Inkrafttreten der Insolvenzordnung gewartet hatten, die alsbald danach Anträge auf Insolvenzeröffnung und Restschuldbefreiung gestellt und deshalb Aussicht gehabt hätten, bis zum Jahre 2004 oder jedenfalls nicht wesentlich später eine Restschuldbefreiung zu erreichen (vgl. LG Köln NZI 2003, 216; Kohte VuR 2001, 61; Gundlach/Frenzel/Schmidt aaO S. 143). Ein Schuldner, der erst mehrere Jahre nach dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung die Anträge gestellt hat, kann nicht ernsthaft geltend machen, er sei ebenfalls durch das um zwei Jahre hinausgeschobene Inkrafttreten in seiner Hoffnung auf ein zeitigeres Erlangen der Restschuldbefreiung enttäuscht worden. Erst recht würde dies für einen Schuldner gelten, der vielleicht erst im Jahr 2005 oder 2010 diese Anträge stellt. Es ist deshalb unrichtig, daß Art. 107 EGInsO solange in die Zukunft wirke, wie antragstellende Schuldner vorhanden seien, die am 31. Dezember 1996 zahlungsunfähig gewesen seien (so jedoch Bindemann ZVI 2002, 248, 249).
Für eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 107 EGInsO spricht außerdem folgendes: Die Verkürzung der Laufzeit der Abtretung geht zu Lasten der Gläubiger. In Verbraucherinsolvenzverfahren ist vielfach kein zugriffsfähiges Vermögen vorhanden. Aussicht auf Befriedigung haben die Gläubiger nur insoweit, als sie auf das laufende Einkommen des Schuldners zugreifen können. Wenn der Schuldner zuvor zahlungsunfähig war, beschränkt sich diese Möglichkeit praktisch auf die Dauer der Abtretung. Deren Verkürzung ist nur zu rechtfertigen, wenn überwiegende Interessen der Schuldner bestehen. Dies ist nicht der Fall, soweit der Schuldner durch die Verschiebung des Inkrafttretens der Insolvenzordnung nicht nachhaltig in seinen Interessen berührt worden ist.
Schließlich darf nicht übersehen werden, daß die Insolvenzordnung Anreize für einen möglichst frühzeitigen Antrag auf Insolvenzeröffnung geschaffen hat, um massearme Insolvenzen zu verhindern (dazu MünchKomm-InsO/Ganter, § 1 Rn. 21 ff). Natürliche Personen können sogar die Aussicht auf eine Restschuldbefreiung verlieren, wenn sie ohne Aussicht auf eine Besserung ihrer wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögern und dadurch die Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger beeinträchtigen (§ 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO). Könnte ein Schuldner, der bereits zwei Jahre vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung zahlungsunfähig war und danach „von der Substanz gelebt” hat, die Verkürzung der Laufzeit der Abtretung auch noch durch die erst mehrere Jahre nach dem Inkrafttreten gestellten Anträge auf Insolvenzeröffnung und Restschuldbefreiung erhalten, liefe dies den erwähnten Bestrebungen zuwider.
b) Diese Erkenntnisse haben auch Auswirkungen auf die Beantwortung der zweiten Frage: Nach dem Inkrafttreten des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes vom 26. Oktober 2001 ist für nach dem 30. November 2001 eröffnete Verfahren kein Raum mehr für die Anwendung des Art. 107 EGInsO.
aa) Durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2001 ist die Rechtsstellung der Schuldner in zweierlei Hinsicht verbessert worden: Zum einen ist die Wohlverhaltensphase von sieben auf sechs Jahre verkürzt worden, zum andern beginnt die Laufzeit der Abtretung nicht erst mit der Aufhebung, sondern bereits mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO n.F.). Nach dem neuen Art. 103a EGInsO sind auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1. Dezember 2001 eröffnet worden sind, die bis dahin geltenden gesetzlichen Vorschriften weiter anzuwenden. Der Art. 107 EGInsO blieb unverändert.
bb) Da Art. 107 EGInsO von einer siebenjährigen Laufzeit der Abtretung ausgeht, es nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO n.F. jedoch nur noch eine sechsjährige gibt, spricht der Wortlaut des Gesetzes dafür, daß Art. 107 EGInsO auf Verfahren, die am 1. Dezember 2001 noch nicht eröffnet waren, nicht mehr anwendbar ist.
cc) Die Gesetzgebungsgeschichte spricht jedenfalls nicht dagegen. Insbesondere gibt es keine ausreichenden Hinweise dafür, daß der Gesetzgeber es versehentlich versäumt hat, durch Anpassung des Wortlauts des Art. 107 EGInsO dessen Fortgeltung anzuordnen.
dd) Auch die systematische Auslegung steht der Maßgeblichkeit des Wortlauts nicht entgegen.
Der Sache nach will der Schuldner das alte und das neue Recht in der für ihn jeweils günstigsten Ausformung kombinieren. Er will eine Ausnahmevorschrift des alten Rechts – Art. 107 EGInsO – in das neue Recht übertragen. Dieser Standpunkt wäre dann zutreffend, wenn das Gesetz die Geltung der betreffenden Vorschrift auch auf „Neufälle” vorschriebe und diese somit auch als Bestandteil des neuen Rechts anzusehen wäre.
Nach der durch Art. 9 des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2001 eingeführten Übergangsvorschrift des Art. 103a EGInsO sind auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1. Dezember 2001 eröffnet worden sind, die bis dahin geltenden Vorschriften weiter anzuwenden. In der Begründung des Regierungsentwurfs hieß es dazu, unabhängig von der Antragstellung sollten alle Verfahren, die erst nach Inkrafttreten dieses Gesetzes eröffnet werden, nach dem neuen Recht abgewickelt werden. Dies spricht nicht dafür, daß eine Übergangsbestimmung des alten in das neue Recht eingefügt werden sollte, und würde auch erklären, weshalb der Wortlaut des Art. 107 EGInsO nicht an das neue Recht angepaßt worden ist.
Daß daran gedacht ist, bei einer abermaligen Änderung der Insolvenzordnung den Art. 107 EGInsO förmlich aufzuheben (vgl. den Diskussionsentwurf 2003 des Bundesministeriums der Justiz), besagt nichts über dessen Fortgeltung über den 1. Dezember 2001 hinaus (a.A. LG Aschaffenburg ZInsO 2003, 1004; Sabel aaO S. 786). Die Aufhebung könnte auch lediglich zur Klarstellung erfolgen.
Allerdings ist eine Erklärung zur Abkürzung der Wohlverhaltensphase gemäß Art. 107 EGInsO in den zum 1. März 2002 bundesweit einheitlich eingeführten amtlichen Vordrucken für die Anträge auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens und die Restschuldbefreiung enthalten (BGBl. I 2002, S. 703, Anlage 3a zum Eröffnungsantrag). Da eine Beschränkung auf Fälle, in denen das Verfahren vor dem 1. Dezember 2001 eröffnet wurde, nicht deutlich wird (a.A. LG Köln NZI 2003, 216, 217), spricht dies dafür, daß das Bundesministerium der Justiz im Frühjahr 2002 von einer generellen Fortgeltung des Art. 107 EGInsO ausgegangen ist. Rückschlüsse für den zurückliegenden Zeitpunkt des Inkrafttretens des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2001 sind jedoch nicht möglich, und selbst wenn dies anders wäre, könnte die Auffassung des Ministeriums nicht mit derjenigen des Gesetzgebers gleichgesetzt werden (LG Düsseldorf ZVI 2002, 328, 329 f; LG Dortmund ZVI 2003, 134, 135; LG Köln aaO).
ee) Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung lassen sich ebensowenig als Beleg für eine uneingeschränkte Fortgeltung des Art. 107 EGInsO anführen.
Die Vertreter der Gegenmeinung weisen darauf hin, das mit der Regelung des Art. 107 EGInsO verfolgte gesetzgeberische Ziel, den vor dem 1. Januar 1997 bereits zahlungsunfähigen Schuldner durch das um zwei Jahre verschobene Inkrafttreten der Insolvenzordnung nicht zu belasten, sei durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2001 nicht weggefallen oder erledigt. Dieses habe einen anderen Regelungszweck. Der Gesetzgeber habe keineswegs den Schuldnern, die bereits am 1. Januar 1997 zahlungsunfähig gewesen seien, eine nach der alten Rechtslage zustehende gesetzliche Vergünstigung entziehen wollen (LG Frankfurt a. M. ZVI 2002, 285, 286; LG Freiburg ZInsO 2003, 576, 577; LG Aschaffenburg ZInsO 2003, 1004 f; AG Tiergarten ZVI 2003, 84, 85; Stephan, aaO; Landfermann, aaO Rn. 3b; Uhlenbruck/Vallender, aaO; Wenzel aaO Rn. 20; Bindemann ZVI 2002, 248; Mäusezahl aaO S. 171).
Die Regelungszwecke des Art. 107 EGInsO und des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO in der Fassung des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2001 stimmen zwar nicht völlig überein. Die zuerst genannte Vorschrift soll für Schuldner, die bereits am 1. Januar 1997 zahlungsunfähig waren, Nachteile durch das spätere Inkrafttreten der Insolvenzordnung verringern; die zweite soll die als zu lang empfundene Wohlverhaltensphase allgemein abkürzen. Dies schließt es jedoch nicht aus, daß der Zweck der ersten Vorschrift durch die Änderung der zweiten seine Erledigung gefunden hat. Es besteht weitgehend Übereinstimmung darüber, daß im Durchschnitt von einer etwa einjährigen Dauer des Verbraucherinsolvenzverfahrens auszugehen ist (so ebenfalls Winter aaO S. 239; Thomsen aaO S. 814). Dies durfte bei einer generalisierenden Betrachtungsweise auch der Gesetzgeber zugrundelegen. Dann erhält der Schuldner durch die Verkürzung der Wohlverhaltensphase von sieben auf sechs Jahre und deren Beginn mit Verfahrenseröffnung regelmäßig im Ergebnis etwa dieselbe Vergünstigung, die sich für ihn nach dem bis zum 30. November 2001 geltenden Recht aus Art. 107 EGInsO ergab.
Da bei richtiger Auslegung des Art. 107 EGInsO ein Schuldner, dessen Verfahren am 1. Dezember 2001 noch nicht eröffnet worden war, kaum noch mit Aussicht auf Erfolg geltend machen konnte, bei ihm müsse die Laufzeit der Abtretung abgekürzt werden, weil er durch das Hinausschieben des Inkrafttretens der Insolvenzordnung benachteiligt worden und der Nachteil auch jetzt noch wirksam sei, widerspricht es nicht der – insgesamt für die Schuldner günstigen – Tendenz des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2001, wenn dieses die Abkürzungsmöglichkeit für „Neufälle” beseitigt hat.
Nicht stichhaltig ist schließlich auch das Argument, die Aussicht auf eine Verkürzung der Wohlverhaltensphase müsse den Schuldnern über den 1. Dezember 2001 hinaus erhalten bleiben, weil sie erst durch die mit dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2001 eingeführte Stundungsmöglichkeit (§§ 4a ff InsO) in die Lage versetzt worden seien, aussichtsreiche Anträge auf Restschuldbefreiung zu stellen (so AG Tiergarten ZVI 2003, 84, 85; Thomsen aaO S. 814; Winter aaO S. 241). Die Verkürzungsmöglichkeit sollte nicht die Nachteile ausgleichen, die vor dem Inkrafttreten des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2001 für solche Schuldner bestanden, die nicht einmal mehr die Kosten des Verfahrens aufbringen und auch keine „Insolvenzkostenhilfe” erlangen konnten. Es sollten vielmehr ausschließlich die Nachteile verringert werden, die daraus erwuchsen, daß die Insolvenzordnung nicht bereits am 1. Januar 1997 in Kraft getreten ist.
c) Da Art. 107 EGInsO – wie soeben dargelegt – nach dem 30. November 2001 generell nicht mehr anwendbar ist, kommt auch die Anwendung des Meistbegünstigungsprinzips nicht in Betracht. Der Schuldner kann sich nicht – je nachdem, was für ihn günstiger ist – einmal für und das andere Mal gegen die Anwendung der „Altfälle”-Regelung des Art. 107 EGInsO entscheiden (so jedoch Preuß, aaO).
Fundstellen
Haufe-Index 2835555 |
BGHR 2004, 1261 |
NJW-RR 2004, 1192 |
MDR 2004, 1142 |
NZI 2004, 452 |
Rpfleger 2004, 514 |
ZInsO 2004, 801 |
ZVI 2004, 355 |