Verfahrensgang
LG Amberg (Beschluss vom 16.01.2015; Aktenzeichen 32 T 1133/14) |
AG Schwandorf (Beschluss vom 20.10.2014; Aktenzeichen 407 XVII 410/14) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 4) wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Amberg vom 16.1.2015 aufgehoben.
Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 4) wird der Beschluss des AG Schwandorf vom 20.10.2014 aufgehoben.
Das Verfahren auf Einrichtung einer Betreuung wird eingestellt.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, werden der Staatskasse auferlegt.
Beschwerdewert: 5.000 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Der 72-jährige Betroffene leidet an einer schweren Demenz, wegen derer er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann und geschäftsunfähig ist.
Rz. 2
Am 29.6.2011 hatte er seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 3), Vorsorgevollmacht unter Verwendung des vom Bundesministerium der Justiz bereitgestellten Musterformulars erteilt und mit ergänzender Erklärung vom 23.12.2012 die Beteiligte zu 2), seine Tochter, zur Ersatzbevollmächtigten bestimmt. In dem Formular ist unter der Überschrift "Vermögenssorge" der Punkt "Sie darf mein Vermögen verwalten und hierbei alle Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte im In- und Ausland vornehmen, Erklärungen aller Art abgeben und entgegennehmen sowie Anträge stellen, abändern, zurücknehmen" mit "ja" angekreuzt. Die mit "namentlich..." daran angeknüpften Unterpunkte sind ebenfalls mit "ja" angekreuzt mit Ausnahme der Unterpunkte "Verbindlichkeiten eingehen" und "Schenkungen in dem Rahmen vornehmen, der einem Betreuer rechtlich gestattet ist", die weder mit "ja" noch mit "nein" angekreuzt sind.
Rz. 3
Das AG hat eine Betreuung für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge eingerichtet und die Beteiligte zu 3) als Betreuerin sowie die Beteiligte zu 2) zur Ersatzbetreuerin bestellt.
Rz. 4
Dagegen hat die Betreuungsbehörde Beschwerde eingelegt, mit der sie geltend gemacht hat, die Betreuung sei angesichts der vorliegenden Vorsorgevollmacht nicht erforderlich. Das LG hat den Aufgabenkreis der Betreuung auf das "Eingehen von Verbindlichkeiten" beschränkt und die weitergehende Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betreuungsbehörde.
II.
Rz. 5
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und zur Einstellung des Verfahrens auf Einrichtung einer Betreuung.
Rz. 6
1. Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB sei eine Betreuung nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten durch einen Bevollmächtigten ebenso gut besorgt werden könnten. Die vorliegende Vorsorgevollmacht sei jedoch lückenhaft ausgefüllt. Hinsichtlich der Eingehung von Verbindlichkeiten sei die Vorsorgevollmacht jedenfalls unklar, weshalb insoweit Betreuungsbedarf bestehe. Da die Angelegenheiten des Betroffenen lückenlos besorgt werden müssten, sei eine die Vorsorgevollmacht ergänzende Betreuungsanordnung notwendig.
Rz. 7
2. Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 8
Wie der Senat bereits entschieden hat (Senat, Beschl. v. 1.4.2015 - XII ZB 29/15 - zur Veröffentlichung bestimmt), ist mit der Bejahung des Punktes "Sie darf mein Vermögen verwalten und hierbei alle Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte im In- und Ausland vornehmen, Erklärungen aller Art abgeben und entgegennehmen sowie Anträge stellen, abändern, zurücknehmen" grundsätzlich eine Vollmacht im Bereich der Vermögenssorge erteilt, die auch den Abschluss und die Erfüllung von Verpflichtungsgeschäften beinhaltet. Die daran anschließende Unterrubrik, bei der es um die Berechtigung zum "Eingehen von Verbindlichkeiten" geht, bezieht sich auf Geschäfte von außergewöhnlicher Bedeutung. Mit dieser Formulierung ist im Zusammenhang mit Vorsorgevollmachten vor allem die Begründung von Kreditverpflichtungen und die Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung gemeint, also die Begründung solcher Verbindlichkeiten, die durch das verfügbare Vermögen nicht gedeckt sind und deshalb eine Verschuldung bewirken.
Rz. 9
Dass für Rechtsgeschäfte solcher Art ein konkreter Bedarf besteht, hat das LG weder festgestellt noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich. Auch die Bevollmächtigte sieht keinen Bedarf für die Anordnung einer Betreuung insoweit.
Fundstellen
Haufe-Index 7942478 |
FamRZ 2015, 1282 |