Leitsatz (amtlich)
Ob der Verkehr eine Marke als beschreibende Angabe oder Abkürzung erkennt, ist anhand der Marke selbst zu beurteilen. Der Inhalt des Dienstleistungsverzeichnisses kann zur Ermittlung des Verkehrsverständnisses nicht herangezogen werden.
Normenkette
MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
BPatG (Beschluss vom 08.07.2013; Aktenzeichen 27 W(pat) 521/13) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des 27. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des BPatG vom 8.7.2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das BPatG zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
I. Die Anmelderin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Eintragung der Wortmarke
ECR-Award
für die folgenden Dienstleistungen der Klasse 41 beantragt:
Organisation und Durchführung von Preisverleihungen für Managementleistungen, insb. im Bereich Efficient Consumer Response, die intelligente Kooperation zum Nutzen der Konsumenten.
Rz. 2
Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen Fehlens der Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Das BPatG hat die dagegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen (BPatG, Beschl. v. 8.7.2013 - 27 W (pat) 521/13, juris). Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihren Eintragungsantrag weiter.
Rz. 3
II. Das BPatG hat die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG für gegeben erachtet und dazu ausgeführt:
Rz. 4
Die Buchstabenfolge "ECR" könne vielfältige Bedeutungen haben. Welche konkrete Bedeutung sie tatsächlich habe, lasse sich ohne Berücksichtigung der Dienstleistungen, welche die Anmeldung beanspruche, kaum ergründen. Im konkreten Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen werde der angesprochene Verkehr, der aus Fachleuten für Managementdienstleistungen bestehe, "ECR" als Hinweis auf die prämierte Leistung sehen. Zwar werde das angesprochene Publikum aufgrund der Vielzahl der Bedeutungen der Abkürzung "ECR" nicht zwingend als Thema die optimierte Lagerlogistik erkennen. Es werde den Begriff jedenfalls nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft, sondern auf einen thematisch bestimmten Preis auffassen. Dieser Begriff werde von der Anmelderin selbst im Dienstleistungsverzeichnis als eine beschreibende Angabe verwendet. Hiervon ausgehend könne der angemeldeten Marke die erforderliche Unterscheidungskraft nicht zuerkannt werden. Es bestehe hinsichtlich aller angemeldeten Dienstleistungen zudem ein Freihaltebedürfnis.
Rz. 5
III. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
Rz. 6
1. Die ohne Beschränkung auf einen abgrenzbaren Teil zugelassene Rechtsbeschwerde eröffnet die volle rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses, ohne dass das Rechtsbeschwerdegericht auf die Entscheidung der als Zulassungsgrund angeführten Rechtsfrage beschränkt ist (vgl. BGH, Beschl. v. 6.7.1995 - I ZB 27/93, BGHZ 130, 187, 191 - Füllkörper; Beschl. v. 16.7.2009 - I ZB 53/07, BGHZ 182, 325 Rz. 14 - Legostein).
Rz. 7
2. Die Beurteilung des BPatG, dass hinsichtlich der angemeldeten Wortmarke "ECR-Award" das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gegeben sei, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 8
a) Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist der Eintragungsantrag zurückzuweisen, wenn der angemeldeten Marke im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen werden soll, jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und damit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH, Urt. v. 21.1.2010 - Rs. C-398/08, Slg. 2010, I-535 = GRUR 2010, 228 Rz. 33 - Audi [Vorsprung durch Technik]; BGH, Beschl. v. 21.12.2011 - I ZB 56/09, GRUR 2012, 270 Rz. 8 = WRP 2012, 337 - Link economy; Beschl. v. 4.4.2012 - I ZB 22/11, GRUR 2012, 1143 Rz. 7 = WRP 2012, 1396 - Starsat; Beschl. v. 22.11.2012 - I ZB 72/11, GRUR 2013, 731 Rz. 11 = WRP 2013, 909 - Kaleido). Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH, Beschl. v. 4.12.2008 - I ZB 48/08, GRUR 2009, 778 Rz. 11 = WRP 2009, 813 - Willkommen im Leben; Beschl. v. 24.6.2010 - I ZB 115/08, GRUR 2010, 1100 Rz. 10 = WRP 2010, 1504 - TOOOR!; Beschl. v. 19.2.2014 - I ZB 3/13, GRUR 2014, 569 Rz. 10 = WRP 2014, 573 - HOT).
Rz. 9
Maßgeblich für die Unterscheidungskraft einer Marke ist die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen (EuGH, Urt. v. 8.5.2008 - Rs. C-304/06, Slg. 2008, I-3297 = GRUR 2008, 608 Rz. 67 - EUROHYPO; BGH, Beschl. v. 15.1.2009 - I ZB 30/06, GRUR 2009, 411 Rz. 8 = WRP 2009, 439 - STREETBALL; BGH, GRUR 2013, 731 Rz. 11 - Kaleido; BGH GRUR 2014, 569 Rz. 11 - HOT). Dieser wird die Marke so wahrnehmen, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen (BGH, GRUR 2012, 270 Rz. 12 - Link economy).
Rz. 10
Gegenstand der Prüfung im Eintragungsverfahren ist grundsätzlich das angemeldete Zeichen als Ganzes (vgl. BGH, GRUR 2002, 884, 885 - B-2 alloy). Besteht das angemeldete Zeichen aus mehreren Bestandteilen, darf sich die Prüfung nicht darauf beschränken, ob Eintragungshindernisse hinsichtlich eines oder mehrerer Zeichenbestandteile bestehen. Die Eintragung ist vielmehr nur zu versagen, wenn das angemeldete Zeichen in seiner Gesamtheit die Voraussetzungen eines Schutzhindernisses erfüllt. Eine Prüfung der Gesamtheit der Bestandteile des Zeichens ist auch deshalb erforderlich, weil Bestandteile, die für sich betrachtet nicht unterscheidungskräftig sind, in ihrer Kombination unterscheidungskräftig sein können (BGH, Beschl. v. 10.6.2010 - I ZB 39/09, GRUR 2011, 65 Rz. 10 = WRP 2011, 65 - Buchstabe T mit Strich).
Rz. 11
Für das Vorliegen des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG reicht es aus, wenn das angemeldete Zeichen verschiedene Bedeutungen hat, sein Inhalt vage ist oder nur eine der möglichen Bedeutungen die Waren oder Dienstleistungen beschreibt. Der allein durch die Existenz verschiedener Deutungsmöglichkeiten hervorgerufene Interpretationsaufwand des Verkehrs reicht für die Bejahung einer Unterscheidungskraft nicht aus (BGH, Beschl. v. 22.1.2009 - I ZB 52/08, GRUR 2009, 952 Rz. 15 = WRP 2009, 960 - DeutschlandCard; BGH GRUR 2014, 569 Rz. 11 - HOT; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 8 Rz. 131 f.; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rz. 113).
Rz. 12
b) Das BPatG hat das Eintragungshindernis des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bejaht, weil es sich bei dem angemeldeten Zeichen um eine beschreibende Angabe handele. Die Abkürzung "ECR" stehe nicht nur für "Efficient Consumer Response", sondern u.a. auch für die Begriffe "Earth Centered Rotation", "El Charco", "Electro Coat Replacement", "Electronic Cash Register", "Electronic Combat Reconnaissance", "Engineer Change Request", "Extended Control Register" oder "Elektrische Straßenbahn Elberfeld-Cronenberg-Remscheid". Welche konkrete Bedeutung der Begriff "ECR" tatsächlich habe, lasse sich ohne Berücksichtigung der Dienstleistungen, welche die streitgegenständliche Anmeldung beanspruche, kaum ergründen. Im konkreten Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen werde der angesprochene Verkehr auch ohne eine analysierende Betrachtungsweise die angemeldete Marke in dem von dem Deutschen Patent- und Markenamt angenommenen Sinn deuten und in der darin enthaltenen Abkürzung "ECR" einen Hinweis auf die prämierte Leistung sehen. Das angesprochene Publikum werde aufgrund der Vielzahl der Bedeutungen der Abkürzung "ECR" nicht zwingend die optimierte Lagerlogistik als Thema erkennen; es werde jedoch den Begriff nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft, sondern auf einen "thematisch bestimmten" Preis auffassen.
Rz. 13
c) Diesen Ausführungen kann nicht zugestimmt werden. Aus ihnen ergibt sich nicht, dass der angesprochene inländische Verkehr "ECR-Award" ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als bekannte und gebräuchliche Abkürzung für "Efficient-Consumer-Response-Award" erkennt. Vielmehr ist der Verkehr nach den Feststellungen des BPatG ohne Berücksichtigung der im Verzeichnis angegebenen Dienstleistungen nicht in der Lage, "ECR" als Abkürzung für "Efficient Consumer Response" zu begreifen. Zu dem gegenteiligen Ergebnis ist das BPatG nur dadurch gelangt, dass es rechtsfehlerhaft zur Ermittlung des Verkehrsverständnisses den Inhalt des Dienstleistungsverzeichnisses herangezogen hat. Die Rechtsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass das Verzeichnis der Waren oder Dienstleistungen dem die Marke wahrnehmenden Verkehr nicht bekannt ist. Nur dessen Verständnis anhand der Marke selbst und der mit ihr gekennzeichneten Dienstleistungen ist maßgebend für die Frage, ob eine Marke als beschreibende Angabe oder Abkürzung verstanden werden kann (EuGH, Urt. v. 15.3.2012 - Rs. C-90/11 und C-91/11, GRUR 2012, 616 Rz. 37 f. - MMF/NAI). Ohne Kenntnis des Inhalts des Dienstleistungsverzeichnisses kann der Verkehr der angemeldeten Marke nach den Feststellungen des BPatG keine bestimmte, ohne Weiteres beschreibende Bedeutung beilegen.
Rz. 14
Dies gilt selbst dann, wenn das Zeichen im Zusammenhang mit einer Preisverleihung im Bereich "Efficient Consumer Response" benutzt wird, weil sich auch in diesem Fall kein die Dienstleistungen glatt beschreibender Begriff ergibt. Wie aus den Ausführungen des Deutschen Patent- und Markenamts folgt, auf die das BPatG verwiesen hat, ist dieser Begriff nicht einfach durch Übersetzung der englischen Wörter zu ermitteln. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat vielmehr angenommen, die Wortfolge bezeichne eine Initiative zur Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Händlern, die auf Kostenreduktion und bessere Befriedigung von Konsumentenbedürfnissen abzielt. Dagegen ist das BPatG davon ausgegangen, "Efficient Consumer Response" beschreibe ein Konzept zur optimierten Lagerlogistik, ohne dass deutlich wird, wie das BPatG zu diesem Verkehrsverständnis gelangt ist.
Rz. 15
3. Da nach den bisherigen Feststellungen des BPatG nicht davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei der angemeldeten Wortmarke "ECR-Award" um eine beschreibende Angabe handelt, kann die angefochtene Entscheidung auch nicht mit der nicht näher begründeten Auffassung des BPatG aufrechterhalten werden, dass hinsichtlich der angemeldeten Dienstleistungen ein Freihaltebedürfnis i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht.
Rz. 16
IV. Der angefochtene Beschluss ist somit aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das BPatG zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG).
Fundstellen
Haufe-Index 7438501 |
BlPMZ 2015, 12 |
EBE/BGH 2014 |
GRUR 2014, 1206 |
JZ 2015, 8 |
WRP 2015, 52 |
BPatGE 2016, 294 |
GRUR-Prax 2014, 520 |
K&R 2015, 48 |
IIC 2015, 263 |
MarkenR 2014, 503 |
Mitt. 2015, 73 |