Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist nach unvorhersehbarer Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrages

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Rechtsmittelkläger, der im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe erhalten hat, kann bei wesentlich gleichen Angaben zu den Vermögensverhältnissen erwarten, dass ihn auch das Rechtsmittelgericht als bedürftig ansieht, und braucht nicht mit strengeren Anforderungen an den Nachweis der Bedürftigkeit zu rechnen.

 

Normenkette

ZPO §§ 114-115, 119

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß des 5. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 25. November 1999 aufgehoben.

Dem Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – in Gießen vom 8. Januar 1998 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Wert: 56.472 DM.

II. Der Antrag des Beklagten auf Prozeßkostenhilfe für das Verfahren der sofortigen Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Zu I.: Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auch des Senats, ist einer Partei nach der Ablehnung eines innerhalb der Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels eingebrachten Prozeßkostenhilfegesuchs Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht damit rechnen mußte, daß ihr Antrag aus wirtschaftlichen Gründen wegen fehlender Bedürftigkeit abgelehnt werden würde (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. November 1989 – IVb ZR 70/89 – und vom 11. November 1992 – XII ZB 118/92 = BGHR ZPO § 233 Prozeßkostenhilfe 6 und 7, jeweils m.N.). Das hat auch das Beschwerdegericht nicht verkannt.

Wenn dem Rechtsmittelkläger bereits für den ersten Rechtszug Prozeßkostenhilfe bewilligt worden ist, kann er bei im wesentlichen gleichen Angaben zu den Vermögensverhältnissen erwarten, daß auch das Gericht des zweiten Rechtszuges ihn als bedürftig ansieht. Die Partei braucht nicht damit zu rechnen, daß das Rechtsmittelgericht strengere Anforderungen an den Nachweis der Bedürftigkeit stellt als das Erstgericht (vgl. Senatsbeschluß vom 25. Februar 1987 – IVb ZB 157/86 = BGHR aaO Prozeßkostenhilfe 2 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen waren hier entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts gegeben. Das Oberlandesgericht hat die Versagung der beantragten Prozeßkostenhilfe in dem Beschluß vom 26. Mai 1999 – allein – darauf gestützt, daß der Beklagte den Wert seiner Eigentumswohnung in Italien durch Veräußerung, ggf. weitere Kreditaufnahme oder durch Vermietung zur Finanzierung der Verfahrenskosten einsetzen müsse. Der Wert der Eigentumswohnung war aber in entsprechender Weise wie in dem Prozeßkostenhilfeverfahren vor dem Oberlandesgericht bereits Gegenstand näherer Erörterungen vor der Prozeßkostenhilfebewilligung durch das Amtsgericht. Nachdem nämlich beide Parteien in umfangreichen Ausführungen zu dem Wert der Eigentumswohnung schriftsätzlich Stellung genommen hatten, dabei unstreitig war, daß der Beklagte die Wohnung auch über den Stichtag für den Zugewinnausgleich hinaus weiter besaß, erörterte das Familiengericht in der mündlichen Verhandlung vom 22. September 1995 mit den Parteien „die Belastung der Wohnung in Italien” sowie „die am 18. Februar 1992 auf die Wohnung in Italien aufgenommene Hypothek und das Grundgeschäft”. Dabei wies das Gericht „darauf hin, daß keine Darlegung erfolgt ist, in welcher Höhe zum Stichtag die Hypothek tatsächlich noch valutierte”. Gleichwohl bewilligte das Amtsgericht dem Beklagten im Anschluß an die Verhandlung durch Beschluß vom 22. September 1995 – raten-freie – Prozeßkostenhilfe, ohne die Bedürftigkeit im Hinblick auf die Eigentumswohnung in Zweifel zu ziehen.

Als der Beklagte sodann am 25./26. Februar 1998 – unter Beifügung eines Vordrucks über seine wirtschaftlichen Verhältnisse vom 23. Februar 1998, in dem die Eigentumswohnung mit einem Wert von 180.000 DM und dem Zusatz „vollbelastet mit Hypothek über 140 Mio. Lire” aufgeführt war – und mit der Erklärung, nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zur Kostentragung aus eigenen Mitteln in der Lage zu sein, Prozeßkostenhilfe für die Berufung beantragte, konnte er damit rechnen, daß das Oberlandesgericht ihn ebenso wie das Familiengericht als bedürftig ansehen und seine Bedürftigkeit nicht unter Hinweis auf die Eigentumswohnung in Italien verneinen würde.

Zu II.: Der Antrag auf Prozeßkostenhilfe für das Verfahren der sofortigen Beschwerde wird zurückgewiesen, weil insoweit, wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat, die wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht dargetan sind.

 

Unterschriften

Blumenröhr, Krohn, Hahne, Gerber, Wagenitz

 

Fundstellen

Haufe-Index 556487

FamRZ 2000, 750

NJW-RR 2000, 1387

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge