Entscheidungsstichwort (Thema)
Allgemeine Geschäftsbedingungen. Verwender. Vielzahl. Mehrfachverwendung. Dritter. Bauvertrag. Besteller. Abnahme. Sicherheitseinbehalt. Gewährleistungsfrist
Leitsatz (redaktionell)
Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen auch dann vor, wenn sie von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind, selbst wenn die Vertragspartei, die die Klausel stellt, sie nur in einem einzigen Vertrg verwenden will. Die Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrages, wonach der Besteller nach Abnahme des Bauwerks 5 % der Auftragssumme für die Dauer der fünfjährigen Gewähleistungsfrist als Sicherheit einbehalten darf, benachteiligt den Unternehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Sie ist unwirksam, wenn ihm kein angemessener Ausgleich dafür zugestanden wird.
Normenkette
BGB § 305 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Rostock (Urteil vom 18.10.2004) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, gem. §§ 552a, 552 Abs. 2 S. 2 und S. 3 ZPO die im Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Rostock v. 18.10.2004 zugelassene Revision zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat.
Die Klägerin erhält eine Frist zur Stellungnahme bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer für die S. GmbH gestellten Bürgschaft auf erstes Anfordern in Anspruch.
Die Klägerin beauftragte die S. GmbH im Jahre 1995 mit Bauarbeiten. Als Sicherheit wurde in § 6 Nr. 2 der von der Klägerin gestellten Vertragsbedingungen, die vorrangig vor der VOB/B gelten sollten, vereinbart:
"Der Auftraggeber ist berechtigt, von der Schlussrechnung einen Sicherungseinbehalt von 5 % der dem Auftragnehmer insgesamt geschuldeten Vergütung vorzunehmen. Der Sicherheitseinbehalt kann vom Auftragnehmer abgelöst werden durch Verschaffung einer unbedingten, unbefristeten und unwiderruflichen selbstschuldnerischen Gewährleistungsbürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse, die die Verpflichtung enthalten muss, den verbürgten Betrag auf erstes Anfordern des Auftraggebers an diesen auszuzahlen."
Die Gewährleistungsbürgschaft konnte vom Auftraggeber nach § 7 Nr. 3 freigegeben werden, wenn bei einer Kontrollbegehung nach Ablauf von zwei Jahren nach Abnahme keine Mängel festgestellt würden, für die der Auftragnehmer haftet.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
II.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
1. Soweit das Berufungsgericht die Ansicht vertritt, § 6 Nr. 2 des Bauvertrages sei eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die von den Vertragsparteien auch nicht ausgehandelt sei, ist ein Zulassungsgrund nicht gegeben. Da die hierzu vertretene Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden ist, hat die Revision insoweit keine Aussicht auf Erfolg.
Gemäß § 1 AGBG sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die der Verwender der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nach ständiger Rechtsprechung des BGH auch dann vor, wenn sie von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind, selbst wenn die Vertragspartei, die die Klauseln stellt, sie nur in einem einzigen Vertrag verwenden will (BGH, Urt. v. 4.5.2000 - VII ZR 53/99, MDR 2000, 966 = BauR 2000, 1182 [1185] = ZfBR 2000, 472 = NZBau 2000, 375; v. 26.9.1996 - VII ZR 318/95, MDR 1997, 140 = BauR 1997, 123 = ZfBR 1997, 33). Ständige Rechtsprechung ist weiter, dass sich aus dem Inhalt und der Gestaltung der in einem Bauvertrag verwendeten Bedingungen ein von dem Verwender zu widerlegender Anschein dafür ergeben kann, dass die Klauseln zur Mehrfachverwendung vorformuliert worden sind (BGH, Urt. v. 27.11.2003 - VII ZR 53/03, BGHZ 157, 102 = MDR 2004, 442 = BGHReport 2004, 354, m. Anm. Schwenker).
Die von der Revision gegen die Ansicht des Berufungsgerichts gerichteten Rügen greifen nicht. In erster Instanz war zwischen den Parteien unstreitig, dass die streitigen Klauseln anderen bekannten Klauseln entsprachen, die dem Rechtsanwalt der Klägerin, der den Vertrag vorformulieren sollte, insoweit als Vorbild dienten. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Berufungsverfahren erklärt hat, er habe die vorformulierte Vertragsklausel nur für diesen Vertrag in Kenntnis der - auch dem Senat aus einer Vielzahl von Fällen bekannten - Tatsache verwendet, dass derartige Klauseln zum damaligen Zeitpunkt von anderen im Baubereich Tätigen benutzt wurden, ändert nichts an dem Charakter als Allgemeine Geschäftsbedingung. Denn bei Benutzung einer im Allgemeinen vorformulierten Klausel dieses Inhalts kommt es nicht darauf an, dass der Verwender im Einzelfall die Absicht der Mehrfachverwendung hat. Die Klausel ist auch nicht im Einzelnen ausgehandelt, weil die Klägerin nicht vorgetragen hat, dass sie den Kerngehalt der Klausel ernsthaft zur Disposition gestellt hat (BGH, Urt. v. 18.4.2002 - VII ZR 192/01, BGHZ 150, 299 [302] = BGHReport 2002, 672, m. Anm. Schwenker = MDR 2002, 1058, m.w.N.). Ausreichend dafür ist nicht der Vortrag der Klägerin, man habe den Bauvertrag ausgehandelt.
2. Auch soweit das Berufungsgericht die Sicherungsabrede in § 6 Nr. 2 des Bauvertrages für unwirksam hält, liegt ein Zulassungsgrund nicht vor. Die Revision hat auch insoweit keine Aussicht auf Erfolg.
Die Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrages, wonach der Besteller nach Abnahme des Bauwerks 5 % der Auftragssumme für die Dauer der fünfjährigen Gewährleistungsfrist als Sicherheit einbehalten darf, benachteiligt den Unternehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Sie ist unwirksam, wenn ihm kein angemessener Ausgleich dafür zugestanden wird. Das dem Unternehmer eingeräumte Recht, den Einbehalt durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern abzulösen, ist kein angemessener Ausgleich in diesem Sinn (BGH, Urt. v. 5.6.1997 - VII ZR 324/95, BGHZ 136, 27 = MDR 1997, 929). Die hier vorrangig vor der VOB/B geltende Vertragsklausel, die vorsieht, dass von der Schlussrechnung ein Gewährleistungseinbehalt in Abzug gebracht wird, der durch die Bürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden kann, ist dahin auszulegen, dass sowohl das Wahlrecht aus § 17 Nr. 3 VOB/B als auch die Verpflichtung des Auftraggebers zur Einzahlung auf ein Sperrkonto ausgeschlossen ist (BGH, Urt. v. 16.5.2002 - VII ZR 494/00, BGHReport 2002, 977 = MDR 2002, 1366 = BauR 2002, 1392 = ZfBR 2002, 677). Mit der in einem zusammenhängenden Absatz vorgenommenen Formulierung wird zum Ausdruck gebracht, dass als Sicherheit nur ein Bareinbehalt gewollt war, der lediglich durch Bürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden konnte. Auch aus der Vereinbarung der VOB/B lässt sich nichts anderes herleiten, weil die VOB/B nachrangig gelten sollte. Die Klausel kann nicht in der Weise aufrechterhalten werden, dass der Auftragnehmer berechtigt ist, den Sicherheitseinbehalt durch eine selbstschuldnerische unbefristete Bürgschaft abzulösen (BGH, Urt. v. 9.12.2004 - VII ZR 265/03, BGHReport 2005, 413, m. Anm. Schwenker = MDR 2005, 566 = BauR 2005, 539 = NZBau 2005, 219 = ZfBR 2005, 255).
Da auch insoweit die zu Grunde liegenden Rechtsfragen geklärt sind und das Berufungsgericht zu Recht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH § 6 Nr. 2 des Bauvertrages für unwirksam hält, sind Gründe für die Zulassung nicht gegeben. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg; denn nicht zu beanstanden ist auch die weitere Erwägung des Berufungsgerichts, die Freigaberegelung in § 7 Nr. 3 des Bauvertrages stelle keinen ausreichenden Ausgleich dar. Durch die Bürgschaft auf erstes Anfordern werden dem Auftraggeber sofort liquide Mittel zugeführt, wenn er die Bürgschaft in Anspruch nimmt, weil er den Bürgschaftsfall für eingetreten hält. Ferner ist die Rückgabe der Sicherheit nach § 7 des Bauvertrages davon abhängig, dass bei der Kontrollbegehung keine Mängel festgestellt werden, für die der Auftragnehmer haftet. Das Berufungsgericht stellt insofern zu Recht fest, dass damit dem Auftragnehmer nach Abnahme die Beweislast für die Mängelfreiheit auferlegt wird. Zudem führte bereits jeder Streit um das Vorhandensein von Mängeln dazu, dass der Freigabeanspruch blockiert würde (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.2003 - VII ZR 57/02, BGHZ 157, 29 = MDR 2004, 273 = BGHReport 2004, 287, m. Anm. Preussner).
Diese Problematik bedarf keiner Entscheidung durch ein Urteil des Revisionsgerichts. Es gilt insofern nichts anderes als für die im Beschluss v. 17.1.2002 - VII ZR 495/00 (BGH, Urt. v. 17.1.2002 - VII ZR 495/00, BauR 2002, 1110) entschiedene Frage, ob die Unwirksamkeit der Klausel von der Dauer der Gewährleistungsfrist abhängt.
Fundstellen
Haufe-Index 1397927 |
BauR 2006, 106 |
IBR 2005, 479 |
ZIP 2005, 1604 |
ZfIR 2005, 633 |
BTR 2005, 211 |
BauSV 2005, 56 |
BrBp 2005, 464 |
NJW-Spezial 2005, 502 |
NZBau 2005, 590 |
BauRB 2005, 285 |
JbBauR 2006, 336 |