Leitsatz (amtlich)
Zur Ermittlung des Ehezeitanteils sowie zur Umwertung eines Anrechts der betrieblichen Altersversorgung, wenn diese in Form einer Direktversicherung gewährt wird.
Normenkette
BGB § 1587a Abs. 2 Nr. 3 S. 1, Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5; BetrAVG § 2 Abs. 1, Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Beschluss vom 10.08.2000) |
AG Schwetzingen |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 2. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des OLG Karlsruhe v. 10.8.2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der weiteren Beschwerde, an das OLG zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 511,29 Euro (= 1.000 DM).
Gründe
I.
Die am 13.6.1969 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den der Ehefrau (Antragsgegnerin) am 18.9.1998 zugestellten Antrag des Ehemannes (Antragsteller) durch Verbundurteil des AG - Familiengericht - Schwetzingen v. 22.7.1999 (insoweit rechtskräftig seit dem 16.12.1999) geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt.
Während der Ehe (1.6.1969 bis 31.8.1998, § 1587 Abs. 2 BGB) erwarb die Ehefrau nach den Feststellungen des OLG Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (weitere Beteiligte zu 1) - BfA) i. H. v. 1.162,29 DM. Daneben besteht ein auf die Ehezeit entfallendes Anrecht der betrieblichen Altersversorgung, zu dessen Höhe die Instanzgerichte keine Feststellungen getroffen haben, weil das Anrecht noch nicht unverfallbar sei.
Der Ehemann erwarb während der Ehezeit ebenfalls Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung bei der BfA, und zwar nach den Feststellungen des OLG i. H. v. 1.072,68 DM. Außerdem besteht für den Ehemann aus einer als betriebliche Altersversorgung abgeschlossenen Direktversicherung seines Arbeitgebers, der L. Landesbausparkasse, bei der Ö. AG (weitere Beteiligte zu 2) ein ehezeitliches Deckungskapital von 120.382,06 DM.
Das AG hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass es für die Ehefrau im Wege der Realteilung bei der Ö. AG ebenfalls eine Rentenversicherung begründet, dem für den Ehemann bei der Ö. AG bestehenden Deckungskapital hierzu einen Teilbetrag von 48.935,78 DM entnommen und die Berechnung der Rentenversicherung der Ehefrau unter Zugrundelegung dieses Betrags dem Versorgungsträger überlassen hat. Dabei hat es aus dem für den Ehemann bestehenden ehezeitlichen Deckungskapital durch dessen fiktive Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung eine volldynamische Rente von [120.382,06x 0,0000916571x 47,65 DM =] 525,77 DM ermittelt und die Ausgleichsforderung der Ehefrau mit [(1.072,68 + 525,77 =) 1.598,45 - 1.162,29 DM = 436,16 DM : 2 =] 218,08 DM errechnet; das sind [(218,08x 100) : (525,77 : 2) =] 82,96 % des Betrages, der bei hälftiger Teilung des für den Ehemann bei der Ö. AG bestehenden ehezeitlichen Anrechts auf die Ehefrau entfiele. Das AG hat daher das Deckungskapitel, das bei hälftiger Teilung des ehezeitlichen Anrechts nach Vornahme satzungsmäßiger Abschläge für die Ehefrau zur Verfügung stünde und das sich nach Mitteilung des Versorgungsträgers auf 58.987,20 DM beläuft, auf 82,96 % dieses Betrags gekürzt und der Ehefrau im Wege der Realteilung Deckungskapital i. H. v. nur [58.987,20x 82,96 : 100 =] 48.935,78 DM gut gebracht.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde hat die Ehefrau gerügt, dass die Bewertung der bei der Ö. AG begründeten Anrechte des Ehemannes anhand der Barwert-Verordnung zu einer Unterbewertung dieser Anrechte führe, die gegen Art. 3 GG verstoße. Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde, mit der die Ehefrau weiterhin die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich begehrt.
II.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung an das OLG.
1. Nach Auffassung des OLG findet für die Umrechnung von Anrechten der betrieblichen Altersversorgung - hier: des Ehemannes bei der Ö. AG - nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 1587a Abs. 4 BGB die Regelung des Abs. 3 Nr. 2 und damit die BarwertVerordnung Anwendung. Diese Vorschrift sichere die Anwendung der Barwert-Verordnung auf alle Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, die nicht volldynamisch seien; dies gelte auch dann, wenn die Versorgungsleistungen aus einem individuellen Deckungskapital oder einer vergleichbaren Deckungsrücklage gewährt würden.
Diese Auffassung entspricht zwar der Rechtsprechung des Senats (BGH, Beschl. v. 29.9.1993 - XII ZB 31/90, MDR 1994, 279 = FamRZ 1994, 23 [24]). Sie findet in dem angefochtenen und vom OLG bestätigten Urteil des AG aber keinen Niederschlag.
a) Das AG geht - vom OLG unbeanstandet - bereits von einem fehlerhaft ermittelten Ehezeitanteil des für den Ehemann bei der Ö. AG begründeten Anrechts aus.
In Übereinstimmung mit der vom Versorgungsträger erteilten Auskunft hat das AG den Ehezeitenanteil dieser Versorgung ersichtlich auf der Grundlage des Deckungskapitals bemessen, das für den Ehemann in der Zeit vom Versicherungsbeginn bis zum Ehezeitende angespart worden ist. Das ist jedoch nicht richtig. Der Ehezeitanteil von Anrechten der betrieblichen Altersversorgung ist auch dann nach Maßgabe des § 1587a Abs. 2 Nr. 3 S. 1 BGB zeitratierlich aus der zugesagten Versorgungsleistung zu ermitteln, wenn die betriebliche Altersversorgung des Ehemannes in Form einer Direktversicherung gewährt wird. Auch in einem solchen Fall ist, wenn - wie hier - die Betriebszugehörigkeit des Anrechtsinhabers zum Ehezeitende andauert, deshalb grundsätzlich der Teil der künftigen Versicherungsleistung auszugleichen, der dem Verhältnis der in die Ehezeit fallenden Betriebszugehörigkeit zur gesamten, auf die vorgesehene Altersgrenze hochgerechneten Betriebszugehörigkeit entspricht (§ 1587a Abs. 2 Nr. 3 S. 1 lit. a BGB). Der Umstand, dass im vorliegenden Fall die Direktversicherung erst nach der Eheschließung begründet und das bis zum Ehezeitende angesparte Deckungskapital deshalb ausschließlich in der Ehezeit erworben worden ist, ändert daran nichts.
Allerdings kann die von § 1587a Abs. 2 Nr. 3 S. 1 BGB vorgegebene Berechnungsweise bei Direktversicherungen zu Problemen führen, wenn sich der Arbeitgeber für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens des Ehegatten aus dem Betrieb für die sog. versicherungsvertragliche Lösung (§ 2 Abs. 2 S. 2 BetrAVG) entschieden hat. In diesem Fall kann der Arbeitgeber seine Versorgungsleistung gegenüber dem vorzeitig ausscheidenden Arbeitnehmer auf die vom Direktversicherer auf Grund der bereits geleisteten Prämien zu erbringenden Versicherungsleistungen beschränken. Diese Leistungen werden vielfach niedriger sein als die Versorgungsleistung, die sich ergibt, wenn die auf das Ende der Betriebszugehörigkeit hochgerechnete Versorgungsleistung (nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 BetrAVG) ratierlich - nämlich nach dem Verhältnis der tatsächlichen zur möglichen Betriebszugehörigkeit - ermittelt wird. Das gilt namentlich dann, wenn der Arbeitnehmer etwa erst nach langjähriger Betriebszugehörigkeit eine Direktversicherungszusage erhalten hat; vergleichbare Divergenzen können sich bei nicht-gleichförmigen Prämienzahlungen während des Versicherungsverlaufs ergeben. In derartigen Fällen kann auch die Höhe eines nach Maßgabe des § 1587a Abs. 2 Nr. 3 S. 1 BGB zeitratierlich ermittelten Ehezeitanteils der zugesagten Versorgung hinter der Höhe des Ehezeitanteils zurückbleiben, der sich ergibt, wenn die nach der versicherungsvertraglichen Lösung geschuldete Leistung zeitratierlich aufgeteilt, d. h. mit dem Verhältnis der in die Ehezeit fallenden Betriebszugehörigkeit zur gesamten Betriebszugehörigkeit multipliziert wird. Von daher ließe sich denken, den Ehezeitanteil einer als betriebliche Altersversorgung bestehenden Direktversicherung jedenfalls dann nicht gem. § 1587a Abs. 2 Nr. 3 S. 1 lit. b BGB nach der vom Arbeitgeber zugesagten Versorgungsleistung, sondern - nach Maßgabe des § 1587a Abs. 2 Nr. 5b BGB - unter Rückgriff auf das in der Ehezeit im Rahmen des Versicherungsvertrags tatsächlich angesammelten Deckungskapital - zu ermitteln, wenn feststeht, dass die versicherungsvertragliche Lösung zum Zuge kommt (Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 1587a Rz. 192; Rühmann in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1587a Rz. 363a. E.; differenzierend Soergel/Häußermann, BGB, 13. Aufl., § 1587a Rz. 234). Die Frage kann indes offen bleiben, da der Ehemann weder aus seinem Betrieb ausgeschieden ist noch sein Arbeitgeber für die versicherungsvertragliche Lösung optiert hat und die dargestellte Voraussetzung für eine Anwendung des § 1587a Abs. 2 Nr. 5b BGB deshalb hier nicht vorliegt.
b) Außerdem hat das AG das für den Ehemann bei der Ö. AG begründete Anrecht gerade nicht - wie vom OLG angenommen - (gemäß § 1587a Abs. 4i. V. m. Abs. 3 Nr. 2 BGB und der Barwert-Verordnung) im Wege der Ermittlung seines Barwertes in ein volldynamisches Anrecht umgerechnet. Das AG ist vielmehr - im Gegenteil - von dessen in der Ehezeit begründetem Deckungskapital ausgegangen und hat - mittels dessen fiktiver Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung (gem. § 1587a Abs. 3 Nr. 1 BGB) - den Wert eines entsprechenden volldynamischen Anrechts ermittelt. Diese Vorgehensweise ist, wie das OLG selbst darlegt, rechtsfehlerhaft. Zwar ergibt sich aus der Formulierung des § 1587a Abs. 3 BGB, dass die Umrechnung auf der Grundlage eines Deckungskapitals mit Hilfe der BarwertVerordnung gemäß Nr. 2 dieser Vorschrift nur zum Zuge kommt, wenn für die Versorgungsleistungen kein individuelles Deckungskapital gebildet worden ist, wie es von Nr. 1 der Vorschrift vorausgesetzt wird. Dies kann jedoch für Anrechte der betrieblichen Altersversorgung nicht in gleicher Weise gelten. Bei deren Umrechnung findet nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 1587a Abs. 4 BGB die Regelung des Abs. 3 Nr. 2 BGB und damit die Barwert-Verordnung Anwendung.
Der Senat hat bislang offen gelassen, ob dies ausnahmslos auch für Fälle gilt, in denen - wie hier - die betriebliche Altersversorgung in Form einer Direktversicherung gewährt wird oder ob deckungskapitalbezogene betriebliche Altersversorgungen dann nach § 1587a Abs. 3 Nr. 1 BGB umzuwerten sind, wenn feststeht, daß gem. § 2 Abs. 2 S. 2 BetrAVG die sog. versicherungsvertragliche Lösung zum Zuge kommt (BGH, Beschl. v. 29.9.1993 - XII ZB 31/90, MDR 1994, 279 = FamRZ 1994, 23 [24]; bejahend Rühmann in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1587a Rz. 363a. E., vgl. aber auch Rz. 470, 493; Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 1587a Rz. 238 unter Hinweis auf die hier auftretenden zusätzlichen Bewertungsprobleme; vgl. dazu Ellger/Glockner, FamRZ 1984, 733 [734 f.]). Die Frage kann auch hier dahinstehen, da - wie zu 1. ausgeführt - die Voraussetzungen der versicherungsvertraglichen Lösung nicht vorliegen.
2. Der angefochtene Beschluss kann danach nicht bestehen bleiben. Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu entscheiden.
a) Für eine Ermittlung des Barwertes der für den Ehemann bei der Ö. AG begründeten Anrechte fehlt es an den erforderlichen Feststellungen zur Höhe des Ehezeitanteils und zur Dynamik der erworbenen Rente. Soweit die für den Ehemann bei der Ö. AG begründeten Anrechte nicht volldynamisch sind und ihr Nominalbetrag deshalb - nach Ermittlung des Ehezeitanteils - gem. § 1587a Abs. 4i. V. m. § 1587a Abs. 3 Nr. 2 BGB in den entsprechenden Wert volldynamischer Anrechte umzurechnen ist, wird das OLG den Barwert des ehezeitlichen Anrechts auf der Grundlage der Barwert-Verordnung i. d. F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Barwert-Verordnung v. 26.5.2003 (BGBl. I S. 728) zu errechnen und in die Ausgleichsbilanz einzustellen haben. Mit dieser Änderungsverordnung ist den Bedenken, die der Senat gegen die bisherige Fassung der BarwertVerordnung geltend gemacht hat (BGH v. 5.9.2001 - XII ZB 121/99, BGHZ 148, 351 = MDR 2001, 1411 = BGHReport 2001, 914), Rechnung getragen. Soweit in der Literatur vereinzelt auch gegen die Neufassung der Barwert-Verordnung - weiter gehende - Einwendungen erhoben werden, teilt der Senat diese Kritik nicht (BGH, Beschl. v. 23.7.2003 - XII ZB 152/01, zur Veröffentlichung bestimmt).
b) Außerdem wird das OLG zu prüfen haben, ob das für die Ehefrau bestehende Anrecht der betrieblichen Altersversorgung nach Maßgabe des § 31 f S. 1 Nr. 2 BetrAVG unverfallbar und deshalb in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einzubeziehen ist. Nach der Auskunft des Versorgungsträgers v. 20.10.1998 besteht das Beschäftigungsverhältnis der Ehefrau seit dem 1.8.1986; als Versicherungsbeginn ist der 1.12.1995 angegeben. Hierzu wie auch zur Höhe des Anrechts fehlt es jedoch an tatrichterlichen Feststellungen.
Fundstellen
Haufe-Index 982553 |
NJW 2003, 3484 |
BGHR 2003, 1334 |
EBE/BGH 2003, 315 |
FamRZ 2003, 1648 |
FuR 2004, 92 |
FPR 2003, 658 |
MDR 2003, 1295 |
FamRB 2003, 388 |
ZFE 2003, 375 |
FK 2004, 10 |