Leitsatz (amtlich)
Zur Behandlung der rentenrechtlichen Besserbewertung von Kindererziehungszeiten durch die sogenannte Mütterrente bei der Ermittlung von Ehezeitanteil und Ausgleichswert im Abänderungsverfahren.
Normenkette
VersAusglG § 5 Abs. 2 S. 2, § 31 Abs. 1, § 51 Abs. 1; FamFG § 225; SGB VI §§ 56, 249, 307d Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Familiensenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. April 2022 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
Wert: 1.000 €
Gründe
A.
Rz. 1
Der Antragsteller begehrt die Abänderung einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Wege einer Totalrevision nach § 51 Abs. 1 VersAusglG.
Rz. 2
Die am 25. September 1978 geschlossene Ehe des 1954 geborenen Antragstellers mit der 1953 geborenen früheren Ehefrau wurde auf den am 1. Oktober 1997 zugestellten Scheidungsantrag mit Urteil des Familiengerichts vom 1. April 1998 rechtskräftig geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt.
Rz. 3
Während der Ehezeit (1. September 1978 bis 30. September 1997) hatten der Antragsteller ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 903,71 DM und die frühere Ehefrau ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 281,78 DM erworben. Das Familiengericht führte den Versorgungsausgleich im Wege des Rentensplittings durch, indem es zulasten des Anrechts des Antragstellers zu Gunsten der früheren Ehefrau Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in monatlicher und auf das Ende der Ehezeit bezogener Höhe von 310,97 DM übertrug.
Rz. 4
Die frühere Ehefrau bezog aus der gesetzlichen Rentenversicherung zunächst eine Erwerbsminderungsrente und danach eine Vollrente wegen Alters. Sie starb am 2. Mai 2020, ohne versorgungsberechtigte Hinterbliebene zu hinterlassen, und wurde von der Antragsgegnerin, ihrer im Jahr 1983 geborenen und aus der Ehe mit dem Antragsteller hervorgegangenen Tochter, beerbt. Der Antragsteller bezieht seit dem 1. Januar 2019 eine Altersrente.
Rz. 5
Mit Antrag vom 29. Oktober 2020 hat der Antragteller eine Abänderung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich begehrt. Er beruft sich darauf, dass der Wert des gesetzlichen Rentenanrechts der früheren Ehefrau wegen des Zuschlags an Entgeltpunkten durch die sogenannte Mütterrente eine wesentliche Wertänderung erfahren habe und erstrebt im Hinblick auf deren Vorversterben eine Rückgängigmachung des gesamten Versorgungsausgleichs. Die Beteiligte zu 2 (DRV Hessen) hat für das Anrecht des Antragstellers einen Ehezeitanteil von 19,0545 Entgeltpunkten und einen Ausgleichswert von 9,5273 Entgeltpunkten angegeben. Die Beteiligte zu 1 (DRV Bund) hat für das Anrecht der früheren Ehefrau mit ihrer ersten Auskunft vom 31. März 2021 einen Ehezeitanteil von 7,6915 Entgeltpunkten und einen Ausgleichswert von 3,8458 Entgeltpunkten mitgeteilt. Unter dem 13. Oktober 2021 hat die DRV Bund auf Verlangen des Familiengerichts eine weitere Auskunft über eine „fiktive Berechnung mit Zuschlag nach § 307 d SGB VI auf der Grundlage der seinerzeit bezogenen Altersrente der verstorbenen Versicherten“ vorgelegt, aus der sich ein Ehezeitanteil von 9,0361 Entgeltpunkten und ein Ausgleichswert von 4,5181 Entgeltpunkten ergeben. Das Familiengericht hat durch Beschluss vom 23. November 2011 das Scheidungsverbundurteil vom 1. April 1998 mit Wirkung ab 1. November 2020 abgeändert und ausgesprochen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde der DRV Bund zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die DRV Bund mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde.
B.
Rz. 6
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
I.
Rz. 7
Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2022, 1100 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung das Folgende ausgeführt:
Rz. 8
Der Antragsteller könne sich für den Einstieg in das Abänderungsverfahren auf eine Wertänderung des Anrechts der früheren Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung berufen, die sowohl absolut als auch relativ wesentlich sei. Diese Versorgung sei als laufende Versorgung gemäß § 41 VersAusglG zu bewerten, weil sich das Anrecht der Ehefrau zum Zeitpunkt ihres Versterbens in der Leistungsphase befunden habe und durch das Versterben der Ehefrau nicht wieder in das Anwartschaftsstadium „zurückgefallen“ sei. Beziehe der ausgleichspflichtige Ehegatte bereits eine Rente, sei gesetzlich festgelegter Endzeitpunkt für die Ermittlung der Rente und des belegungsfähigen Gesamtzeitraums nicht das Ende der Ehezeit, sondern der Kalendermonat vor Beginn der Rente (§ 72 Abs. 2 SGB VI). Die Fixierung des Berechnungszeitpunkts auf diesen Monat stelle, wenn der Rentenbeginn nach dem Ende der Ehezeit liege, eine rechtliche und tatsächliche Änderung dar, die gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG zu berücksichtigen sei. Nach dem Beginn des Bezuges einer Vollrente wegen Alters sei der Ausgleichswert in der gesetzlichen Rentenversicherung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs daher allein aus den in der Ehezeit entfallenden Entgeltpunkten der tatsächlich bezogenen Altersrente zu ermitteln. Daraus lasse sich ableiten, dass generell der Ehezeitanteil eines Anrechts in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem endgültigen Bezug einer Rente hieraus zu ermitteln sei. Die frühere Ehefrau habe sich an den für die rentenrechtliche Höherbewertung von Kindererziehungszeiten (sog. Mütterrente I und II) maßgeblichen Stichtagen in den Jahren 2014 und 2018 bereits im Rentenbezug befunden. Ihr seien daher gemäß § 307 d Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VI Zuschläge für Kindererziehungszeiten in Höhe von insgesamt 1,5 persönlichen Entgeltpunkten gutgebracht worden. Die Zuschläge nach § 307 d Abs. 1 Satz 2 und 3 SBG VI seien bei der Bestimmung des Ehezeitanteils und des Ausgleichswerts ebenso zu berücksichtigen wie die höheren persönlichen Entgeltpunkte aus der vorangegangenen Erwerbsminderungsrente, die der Altersrente der früheren Ehefrau im Rahmen des dynamischen Besitzschutzes zugrunde gelegt worden seien. Ein späteres Versterben der versicherten Person könne nichts mehr ändern. Die Art der Bewertung hinge anderenfalls von der reinen Zufälligkeit ab, ob aus dem Anrecht eine Hinterbliebenenversorgung gewährt werde oder nicht. Der Fall einer bindenden Bewilligung einer Altersrente mit Versterben der versicherten Person sei insbesondere nicht vergleichbar zum Fall einer beendeten vorläufigen Rentenbewilligung. Weil hiernach bezüglich des gesetzlichen Rentenanrechts der früheren Ehefrau eine Wertänderung vorliege, die sowohl die absolute als auch die relative Wesentlichkeitsgrenze überschreite und sich eine hypothetische Abänderung unter Lebenden zugunsten des Antragstellers auswirken würde, sei sein Abänderungsantrag insgesamt zulässig. Er führe wegen des Vorversterbens der früheren Ehefrau im Hinblick auf den im Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG uneingeschränkt anwendbaren § 31 VersAusglG in der Sache zu der Anordnung, dass ein Versorgungsausgleich mit Wirkung vom 1. November 2020 nicht stattfinde.
II.
Rz. 9
Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Rz. 10
1. Eine Entscheidung über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Recht kann gemäß § 51 Abs. 1 VersAusglG beim Vorliegen einer wesentlichen Wertänderung abgeändert werden. Wegen der besonderen Voraussetzungen für die Abänderung verweist § 51 Abs. 2 VersAusglG auf die Bestimmungen in § 225 Abs. 2 und 3 FamFG. Danach ist die Ausgangsentscheidung abzuändern, wenn rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit auf den Ausgleichswert zurückwirken (§ 225 Abs. 2 FamFG) und zu einer wesentlichen Wertänderung führen, die mindestens 5 % des bisherigen Ausgleichswerts beträgt (relative Wesentlichkeitsgrenze: § 225 Abs. 3 Alt. 1 FamFG) und bei einem Rentenbetrag als maßgeblicher Bezugsgröße 1 %, in allen anderen Fällen als Kapitalwert 120 % der am Ende der Ehezeit maßgeblichen monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV übersteigt (absolute Wesentlichkeitsgrenze: § 225 Abs. 3 Alt. 2 FamFG). Dabei genügt die Wertänderung nur eines Anrechts. Das Beschwerdegericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass hinsichtlich des gesetzlichen Rentenanrechts der früheren Ehefrau sowohl die relative als auch die absolute Wesentlichkeitsgrenze überschritten sind.
Rz. 11
a) Zutreffend und im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats hat das Beschwerdegericht nicht nur die Überschreitung der relativen Wesentlichkeitsgrenze, sondern auch die Überschreitung der absoluten Wesentlichkeitsgrenze bei dem gesetzlichen Rentenanrecht auf der Grundlage von Rentenbeträgen überprüft (vgl. Senatsbeschluss vom 8. November 2017 - XII ZB 105/16 - FamRZ 2018, 176 Rn. 19 ff.).
Rz. 12
Die bei dem gesetzlichen Rentenanrecht der früheren Ehefrau eingetretene Wertänderung übersteigt - auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts - die in § 225 Abs. 3 FamFG vorausgesetzten Wesentlichkeitsgrenzen. Die Hälfte des ursprünglichen Ehezeitanteils dieses Anrechts betrug nach den Feststellungen im Ausgangsverfahren 140,89 DM (entspricht 1/2 x 281,78 DM). Der in einen auf das Ende der Ehezeit bezogenen Rentenbetrag umgerechnete aktuelle Ausgleichswert beläuft sich nach der vom Beschwerdegericht verwerteten (zweiten) Auskunft des Versorgungsträgers vom 13. Oktober 2021 auf 214,34 DM (entspricht 4,5181 EP x 47,44 DM ARW zum Ende der Ehezeit am 30. September 1997). Der damit vom Beschwerdegericht zugrunde gelegte Wertunterschied von 73,45 DM überschreitet sowohl die relative Wertgrenze des § 225 Abs. 3 Alt. 1 FamFG (5 % des bisherigen Ausgleichswerts, hier: 7,04 DM) als auch die absolute Wertgrenze des § 225 Abs. 3 Alt. 2 FamFG (1 % der maßgeblichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV am Ende der Ehezeit, hier: 42,70 DM, vgl. FamRZ 2009, 103).
Rz. 13
b) Gegen die Feststellungen des Beschwerdegerichts zum aktuellen Ausgleichswert ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
Rz. 14
aa) Mit Recht und mit zutreffender Begründung hat das Beschwerdegericht bei der Ermittlung des Ehezeitanteils und des Ausgleichswerts für das gesetzliche Rentenanrecht der früheren Ehefrau die ihr beim Bezug ihrer Altersrente seinerzeit gewährten Zuschläge nach § 307 d Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 SGB VI in voller Höhe von insgesamt 1,5 persönlichen Entgeltpunkten berücksichtigt.
Rz. 15
(1) In der Rechtsprechung des Senats geklärt und von der Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel gezogen ist dabei der rechtliche Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts: Die rentenrechtliche Besserbewertung von Kindererziehungszeiten durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz vom 23. Juni 2014 (BGBl I S. 787) mit Wirkung zum 1. Juli 2014 (sog. Mütterrente I) sowie durch das RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz vom 28. November 2018 (BGBl I S. 2016) mit Wirkung zum 1. Januar 2019 (sog. Mütterrente II) stellt grundsätzlich eine auf den Ehezeitanteil zurückwirkende rechtliche Veränderung im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG dar, die bei der Ermittlung des Ausgleichswerts zu berücksichtigen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Januar 2022 - XII ZB 175/21 - FamRZ 2022, 586 Rn. 11 mwN).
Rz. 16
(2) Dabei wurde die zusätzliche Anerkennung von Kinderziehungszeiten durch den Gesetzgeber mit unterschiedlichen Regelungstechniken im Gesetz umgesetzt, die davon abhängig waren, ob sich das Rentenanrecht des Berechtigten am 30. Juni 2014 (Mütterrente I) bzw. am 31. Dezember 2018 (Mütterrente II) im Anwartschafts- oder im Leistungsstadium befand.
Rz. 17
Bestand an den jeweiligen Stichtagen noch kein Rentenanspruch des Berechtigten, wird die mit der „Mütterrente“ verbundene Aufwertung von Kindererziehungszeiten in das Berechnungsgefüge der gesetzlichen Rentenversicherung (§§ 56, 249 Abs. 1 SGB VI) eingegliedert. Da in diesem Fall die sich aus den erweiterten Beitragszeiten für Kindererziehung ergebenden zusätzlichen Entgeltpunkte im Zeitraum vom 13. bis zum 24. Kalendermonat (Mütterrente I) bzw. vom 25. bis zum 30. Kalendermonat (Mütterrente II) nach der Geburt des Kindes additiv zu den Entgeltpunkten für sonstige Beitragszeiten nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze angerechnet werden (vgl. § 70 Abs. 2 Satz 2 SGB VI), kann dies in Anwartschaftsfällen dazu führen, dass die zusätzliche Anerkennung von Kindererziehungszeiten aufseiten des berechtigten Ehegatten nur geringe oder gar keine Auswirkungen hat, wenn dieser nämlich in den relevanten Zeiträumen bereits hohe versicherungspflichtige Einkünfte bezogen hatte (vgl. MünchKommBGB/Recknagel 9. Aufl. § 51 VersAusglG Rn. 59; Bachmann/Borth FamRZ 2014, 1329, 1331 und FamRZ 2019, 157, 159).
Rz. 18
Hatte der Berechtigte demgegenüber am 30. Juni 2014 bzw. am 31. Dezember 2018 bereits einen Anspruch auf Rente, erfolgt die verbesserte Anerkennung von Kindererziehungszeiten gemäß § 307 d Abs. 1 SGB VI durch einen pauschalen Zuschlag von 1,0 persönlichen Entgeltpunkten bzw. von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für jedes Kind. Eine vollständige Neuberechnung der Rente und eine damit möglicherweise verbundene Begrenzung des Anrechtserwerbs wegen Überschreitens der Beitragsbemessungsgrenze findet für die sogenannten Bestandsrentner nicht statt, so dass für sie die höchstmögliche Bewertung der zusätzlichen Kindererziehungszeiten stets gewährleistet ist. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber eine verwaltungsaufwändige Neufeststellung aller Bestandsrenten vermeiden (vgl. BT-Drucks. 18/909 S. 15; zur Verfassungsmäßigkeit vgl. BSGE 129, 192 = NZS 2020, 460 Rn. 45 ff.).
Rz. 19
(3) Der Senat hat bereits im Jahr 2016 in Bezug auf die Gesamtleistungsbewertung (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 - XII ZB 313/15 - FamRZ 2016, 791 Rn. 23 ff.) und auf die nachträgliche Mindestbewertung von Pflichtbeiträgen nach § 262 Abs. 1 SGB VI (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Juni 2016 - XII ZB 350/15 - FamRZ 2016, 1649 Rn. 19 ff.) entschieden, dass nach dem Beginn des Bezugs einer Vollrente wegen Alters der Ausgleichswert in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht anhand einer fiktiven Rente, sondern allein aus den auf die Ehezeit entfallenden Entgeltpunkten der tatsächlich bezogenen Rente mit ihren Wertverhältnissen zu ermitteln ist. Daran anschließend hat der Senat in jüngerer Zeit auch für den Fall der besitzgeschützten Folgerente nach § 88 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ausgesprochen, dass Ehezeitanteil und Ausgleichswert nicht anhand einer fiktiven Altersrentenberechnung, sondern aus den besitzgeschützten persönlichen Entgeltpunkten zu ermitteln sind, die der (höheren) tatsächlich gezahlten Rente zugrunde liegen (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Januar 2022 - XII ZB 175/21 - FamRZ 2022, 686 Rn. 13 ff.).
Rz. 20
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist es evident, dass die tatsächlich bezogene Rente auch insoweit für die Ermittlung von Ehezeitanteil und Ausgleichswert maßgeblich sein muss, wenn sie bei einem bereits im Rentenbezug stehenden Ehegatten unter Zurechnung der gemäß § 307 d Abs. 1 SGB VI gewährten pauschalen Zuschläge von 1,0 persönlichen Entgeltpunkten bzw. 0,5 persönlichen Entgeltpunkten pro Kind gebildet worden ist (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 22. Juni 2016 - XII ZB 350/15 - FamRZ 2016, 1649 Rn. 10, 19). Dies gilt - wie die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel zieht - in einem Abänderungsverfahren nicht nur dann, wenn dieses unter Lebenden durchgeführt wird, sondern auch dann, wenn der zu Lebzeiten durch den pauschalen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307 d Abs. 1 SGB VI begünstigt gewesene Ehegatte zwar verstorben ist, im Anschluss an seine Versichertenrente aber eine laufende Hinterbliebenenrente (§§ 46, 48 SGB VI) gezahlt wird. Denn bei der Berechnung einer Hinterbliebenenrente besteht gemäß § 88 Abs. 2 SGB VI Besitzschutz in Höhe der persönlichen Entgeltpunkte der Rente des verstorbenen Versicherten, so es in diesen Fällen nur folgerichtig ist, Ehezeitanteil und Ausgleichswert auf der Grundlage der Versichertenrente mit den (höheren) besitzgeschützten persönlichen Entgeltpunkten - und damit gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung eines nach § 307 d Abs. 1 SGB VI tatsächlich gewährten pauschalen Zuschlags - zu ermitteln (vgl. Bachmann FamRZ 2022, 687, 688).
Rz. 21
(4) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist für die Ermittlung von Ehezeitanteil und Ausgleichswert in einem Abänderungsverfahren nach §§ 51, 31 VersAusglG auch dann keine abweichende Beurteilung geboten, wenn der zu Lebzeiten durch den pauschalen Zuschlag nach § 307 d Abs. 1 SGB VI begünstigte Ehegatte nach dem 30. Juni 2014 bzw. nach dem 31. Dezember 2018 verstorben ist und aus seiner Versicherung keine laufende Hinterbliebenenrente (mehr) gezahlt wird. Mit Recht hat das Beschwerdegericht erkannt, dass auch in diesen Fällen für das Anrecht des Verstorbenen kein „Rückfall“ in das Anwartschaftsstadium stattfindet, so dass für die Berechnung von Ehezeitanteil und Ausgleichswert weiterhin die tatsächlich weggefallene Rente maßgeblich bleibt und nicht - wie in den Fällen ohne Leistungsbezug - eine fiktive Vollrente wegen Erreichens der Regelaltersgrenze heranzuziehen ist.
Rz. 22
(a) Die Rechtsbeschwerde macht dazu geltend, dass der gesetzlich fixierte Wegfall der Rente durch Tod des Versicherten als „Austritt aus der Leistungsphase“ in gleicher Weise als eine auf den Ehezeitanteil zurückwirkende rechtliche und tatsächliche Veränderung im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG anzusehen sein müsse, wie es der Senat für den Eintritt in die Leistungsphase mit Bewilligung der Rente angenommen habe (ebenso Bachmann FamRZ 2022, 687, 688). Dem vermag der Senat nicht beizutreten.
Rz. 23
Tritt der ausgleichspflichtige Ehegatte in den Rentenbezug ein, ist gesetzlich festgelegter Endzeitpunkt für die Ermittlung der Rente und des belegungsfähigen Gesamtzeitraums (§ 72 Abs. 2 SGB VI) nicht das Ende der Ehezeit, sondern der Kalendermonat vor Beginn der Rente. Liegt der Rentenbeginn nach dem Ende der Ehezeit, so ist in der endgültigen gesetzlichen Fixierung des Berechnungszeitpunkts auf diesen Kalendermonat eine rechtliche und tatsächliche Veränderung im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG zu erblicken, weil der Wert des im Versorgungsausgleich zu berücksichtigenden Ehezeitanteils mit dem Umfang der für die Ehezeit bezogenen Rente übereinstimmen muss (vgl. Senatsbeschlüsse vom 3. Februar 2016 - XII ZB 313/15 - FamRZ 2016, 791 Rn. 26 und vom 22. Juni 2016 - XII ZB 350/15 - FamRZ 2016, 1649 Rn. 23).
Rz. 24
Stirbt der Rentenberechtigte, fällt seine Rente mit dem Ablauf des Sterbemonats weg (§ 120 Abs. 5 SGB VI). Das Versterben des ausgleichspflichtigen Ehegatten führt daher an sich zum Erlöschen seines Anrechts, welches allerdings im Rahmen des § 31 Abs. 1 VersAusglG für die Durchführung des Versorgungsausgleichs als fortbestehend zu fingieren ist (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 27. Januar 2021 - XII ZB 336/20 - FamRZ 2021, 668 Rn. 18). Ein allein mit dem Versterben des ausgleichspflichtigen Versicherten verbundener nachträglicher Wertverlust seiner Rentenanrechte ist dem Gesetz grundsätzlich fremd und kann deshalb auch der Fiktion ihres Fortbestehens nicht zugrunde gelegt werden. Dies verdeutlicht gerade der Umstand, dass der versicherungsrechtlich vorhandene Wert der zuletzt an den verstorbenen Ausgleichspflichtigen gezahlten Rente wegen der Besitzschutzvorschriften für eine Hinterbliebenenversorgung weiterhin erhalten bleiben würde, ohne dass es für diese grundsätzliche Beurteilung darauf ankäme, ob versorgungsberechtigte Hinterbliebene tatsächlich vorhanden sind oder nicht. Es liegt daher beim Tod des ausgleichspflichtigen Ehegatten kein von § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG erfasster Sachverhalt vor (vgl. Borth FamRZ 2022, 1104, 1105 f.).
Rz. 25
(b) Mit Recht hat das Beschwerdegericht in diesem Zusammenhang auch auf die verfahrensrechtlichen Friktionen hingewiesen, die dann zu erwarten wären, wenn für die Ermittlung von Ehezeitanteil und Ausgleichswert des Anrechts eines nach dem 30. Juni 2014 bzw. 31. Dezember 2018 verstorbenen Ausgleichspflichtigen in einem Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG die fiktive Berechnung einer Vollrente wegen Alters herangezogen werden würde. Denn in diesem Falle wären für das gleiche Anrecht zwei Versorgungsauskünfte einzuholen, nämlich eine Auskunft mit einer fiktiven Rentenberechnung ohne Leistungsbezug zur Beurteilung der Frage, ob die Wertgrenzen des § 225 Abs. 3 FamFG überschritten werden und eine weitere Auskunft auf der Grundlage der an den verstorbenen Ausgleichspflichtigen tatsächlich gezahlten Rente unter Einschluss gewährter Zuschläge nach § 307 d Abs. 1 SGB VI zur Beurteilung der Frage, ob sich eine hypothetische Abänderung unter Lebenden zugunsten des überlebenden Ehegatten ausgewirkt hätte und ihm deshalb auch die Vorschrift des § 225 Abs. 5 FamFG den Einstieg in die Totalrevision nicht versagt (vgl. dazu Senatsbeschlüsse vom 4. Mai 2022 - XII ZB 122/21 - FamRZ 2022, 1177 Rn. 14 und vom 17. November 2021 - XII ZB 375/21 - FamRZ 2022, 258 Rn. 18). Denn spätestens bei der in diesem Rahmen erforderlichen Gesamtbetrachtung, ob der überlebende Ehegatte Anlass gehabt hätte, eine Totalrevision des Versorgungsausgleichs unter Lebenden anzustreben, könnte nicht an dem Umstand vorbeigegangen werden, dass der verstorbene Ehegatte die maßgeblichen Stichtage des § 307 d Abs. 1 SGB VI noch erlebt und seine Rente daher eine tatsächliche Aufbesserung durch die pauschalen Zuschläge von 1,0 persönlichen Entgeltpunkten bzw. 0,5 persönlichen Entgeltpunkten erfahren hatte.
Rz. 26
(c) Der weitere Hinweis der Rechtsbeschwerde darauf, dass der auf § 307 d Abs. 1 SGB VI beruhende pauschale Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten bei der Ermittlung von Ehezeitanteil und Ausgleichswert nicht berücksichtigt werden kann, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte bereits vor dem 1. Juli 2014 bzw. vor dem 1. Januar 2019 ohne versorgungsberechtigte Hinterbliebene verstorben ist, trifft zwar durchaus zu. Denn die Anwendung von § 307 d Abs. 1 SGB VI setzt nach dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift voraus, dass am 30. Juni 2014 bzw. am 31. Dezember 2018 ein Anspruch auf Rente bestanden haben muss. Ist der ausgleichspflichtige Ehegatte schon vor diesen Stichtagen verstorben und wurde auch keine Hinterbliebenenrente geleistet, können die zusätzlich erworbenen Kindererziehungszeiten in einem Abänderungsverfahren nur im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung nach §§ 56, 249 Abs. 1 SGB VI berücksichtigt werden (vgl. KG Beschluss vom 12. April 2021 - 18 UF 11/19 - unveröffentlicht und das darin in Bezug genommene „Arbeitsergebnis der Arbeitsgruppe Versorgungsausgleich der Deutschen Rentenversicherung 2/2015“; vgl. auch Borth FamRZ 2022, 1104, 1106). Daraus lässt sich aber nicht herleiten, dass in gleicher Weise verfahren werden müsste, wenn der verstorbene Ausgleichspflichtige die für die Anwendung von § 307 d Abs. 1 SGB VI maßgeblichen Stichtage noch erlebt hat und die bis zu seinem Tod tatsächlich gezahlte Rente mit den pauschalen Zuschlägen von 1,0 persönlichen Entgeltpunkten bzw. 0,5 persönlichen Entgeltpunkten gebildet worden ist.
Rz. 27
(d) Das Beschwerdegericht hat ferner zutreffend und im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats erkannt, dass auch die Bewertungsvorschriften des Versorgungsausgleichsgesetzes keine abweichende Beurteilung gebieten. Zwar findet sich eine ausdrückliche Gesetzesbestimmung dazu, dass die Annahmen für die zu erwartende Versorgung durch die tatsächlichen Werte zu ersetzen sind, nur in den Regelungen über die zeitratierliche Bewertung (§ 41 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG). Damit sollte jedoch keine Abgrenzung zur unmittelbaren Bewertung geschaffen, sondern im Gegenteil ausgedrückt werden, dass die zeitratierliche Bewertung einer laufenden Rente mit einer unmittelbaren Bewertung vergleichbar ist. Nach dem Beginn des Bezugs einer Vollrente wegen Alters ist der Ausgleichswert in der gesetzlichen Rentenversicherung daher weiterhin allein aus den auf die Ehezeit entfallenden Entgeltpunkten der tatsächlich bezogenen Altersrente zu ermitteln (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 - XII ZB 313/15 - FamRZ 2016, 791 Rn. 30).
Rz. 28
(5) Nach § 307 d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 SGB VI ist die Gewährung der pauschalen Zuschläge daran geknüpft, dass in der bisher gezahlten Rente eine Kindererziehungs- oder Kinderberücksichtigungszeit für den letzten Monat vor der mit der jeweiligen Reform verlängerten Kindererziehungszeit angerechnet wurde. Auf dieser rechtlichen Grundlage hat das Beschwerdegericht die der früheren Ehefrau gutgebrachten pauschalen Zuschläge in Höhe von insgesamt 1,5 Entgeltpunkten nicht zeitanteilig dem 13. bis 24. Kalendermonat bzw. dem 25. bis 30. Kalendermonat nach der Geburt des Kindes zugeordnet, sondern die pauschalen Zuschläge bei der Wertermittlung schon deshalb in voller Höhe als ehezeitlichen Erwerb berücksichtigt, weil der 12. bzw. der 24. Kalendermonat nach der Geburt des Kindes in der Ehezeit gelegen hat. Dies entspricht der Auskunftspraxis der Rentenversicherungsträger und einer verbreiteten Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2016, 635, 636; Götsche/Rehbein/Breuers Versorgungsausgleichsrecht 3. Aufl. § 43 VersAusglG Rn. 30; MünchKommBGB/Recknagel 9. Aufl. § 51 VersAusglG Rn. 59), die allerdings nicht ohne Kritik geblieben ist (vgl. Wick Der Versorgungsausgleich 5. Aufl. Rn. 324; Johannsen/Henrich/Althammer/Siede 7. Aufl. § 43 VersAusglG Rn. 24; vgl. bereits Bachmann/Borth FamRZ 2014, 1329, 1331). Dies bedarf unter den hier obwaltenden Umständen aber keiner weitergehenden Erörterung, weil die gesamten zusätzlichen Kindererziehungszeiten vom 13. bis zum 30. Kalendermonat nach der Geburt der Antragsgegnerin im Oktober 1983 ohnehin in die gesetzliche Ehezeit fallen würden.
Rz. 29
bb) Es ist ebenfalls aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht bei der Ermittlung von Ehezeitanteil und Ausgleichswert auch die besitzgeschützten (höheren) persönlichen Entgeltpunkte aus einer vorangegangenen Erwerbsminderungsrente der früheren Ehefrau berücksichtigt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Januar 2022 - XII ZB 175/21 - FamRZ 2022, 686 Rn. 13 ff.). Auch die Rechtsbeschwerde erinnert dagegen nichts.
Rz. 30
2. Die weiteren Beurteilungen des Beschwerdegerichts, dass sich eine hypothetische Abänderung unter Lebenden zugunsten des Antragstellers auswirken würde und dass der Antragsteller im Rahmen der dann durchzuführenden Totalrevision sein während der Ehezeit erworbenes Anrecht ab dem auf den Monat der Antragstellung folgenden Monat ungeteilt zurückerhält, lassen keine Rechtsfehler erkennen. Solche werden von der Rechtsbeschwerde auch nicht geltend gemacht. Insoweit wird von einer weiteren Begründung der Entscheidung gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
Günter |
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Klinkhammer |
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Nedden-Boeger |
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Botur |
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Krüger |
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Fundstellen
Haufe-Index 15989291 |
NJW 2024, 436 |
FuR 2024, 274 |
FuR 2024, 3 |
BetrAV 2023, 686 |
JZ 2023, 644 |
FamRB 2023, 5 |
NZFam 2024, 65 |