Entscheidungsstichwort (Thema)
Markenanmeldung Nr. 394 02 518.0
Leitsatz (amtlich)
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 lit. b, c und e der Ersten Richtlinie des Rates 89/104/EWG vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. EG Nr. L 40 vom 11.2.1989, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
- Ist bei der Feststellung der Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. b der genannten Richtlinie bei dreidimensionalen Marken, die die Form der Ware darstellen, ein strengerer Maßstab an die Unterscheidungskraft anzulegen als bei anderen Markenformen?
- Besitzt Art. 3 Abs. 1 lit. c neben Art. 3 Abs. 1 lit. e der Richtlinie für dreidimensionale Marken, die die Form der Ware darstellen, eine eigenständige Bedeutung? Ist bejahendenfalls bei der Prüfung von Art. 3 Abs. 1 lit. c – andernfalls bei lit. e – das Interesse des Verkehrs an der Freihaltung der Produktform dergestalt zu berücksichtigen, daß eine Eintragung jedenfalls grundsätzlich ausgeschlossen ist und in der Regel nur bei Marken in Betracht kommt, die die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie erfüllen?
Normenkette
Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (EWG-Markenrechtsrichtlinie) Art. 3 Abs. 1 Buchst. b; Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (EWG-Markenrechtsrichtlinie) Art. 3 Abs. 1 Buchst. c; Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (EWG-Markenrechtsrichtlinie) Art. 3 Abs. 1 Buchst. e; Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (EWG-Markenrechtsrichtlinie) Art. 3 Abs. 3; MarkenG § 3 Abs. 1-2, § 8 Abs. 2 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
Tenor
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 lit. b, c und e der Ersten Richtlinie des Rates 89/104/EWG vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. EG Nr. L 40 vom 11.2.1989, S. 1) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
- Ist bei der Feststellung der Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. b der genannten Richtlinie bei dreidimensionalen Marken, die die Form der Ware darstellen, ein strengerer Maßstab an die Unterscheidungskraft anzulegen als bei anderen Markenformen?
- Besitzt Art. 3 Abs. 1 lit. c neben Art. 3 Abs. 1 lit. e der Richtlinie für dreidimensionale Marken, die die Form der Ware darstellen, eine eigenständige Bedeutung? Ist bejahendenfalls bei der Prüfung von Art. 3 Abs. 1 lit. c – andernfalls bei lit. e – das Interesse des Verkehrs an der Freihaltung der Produktform dergestalt zu berücksichtigen, daß eine Eintragung jedenfalls grundsätzlich ausgeschlossen ist und in der Regel nur bei Marken in Betracht kommt, die die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie erfüllen?
Gründe
I. Die Anmelderin begehrt mit ihrer am 3. Dezember 1994 eingereichten Anmeldung mit Zeitrang zum 1. Januar 1995 die Eintragung der nachfolgend abgebildeten Taschenlampe als dreidimensionale Marke für entsprechende Waren:
Die zuständige Markenstelle des Deutschen Patentamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.
Die Beschwerde der Anmelderin ist erfolglos geblieben (BPatGE 39, 219 = BPatG GRUR 1999, 56).
Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Eintragungsbegehren weiter.
II. Das Bundespatentgericht hat die Eintragungsfähigkeit der angemeldeten Marke verneint und zur Begründung ausgeführt:
Die abstrakte Markenfähigkeit nach § 3 Abs. 1 MarkenG könne unterstellt werden. Ob ein Ausschlußgrund nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG eingreife, könne auf sich beruhen. Bedenken könnten sich daraus ergeben, daß bei der für Stabtaschenlampen vorgegebenen Form nur geringe Variationsmöglichkeiten für Mitbewerber der Anmelderin verblieben. Einer abschließenden Entscheidung bedürfe es insoweit nicht, weil der angemeldeten Marke die notwendige Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehle. Es handele sich um eine typische Stablampenform, die trotz einer gewissen Eleganz im marktüblichen Rahmen bleibe. Für diesen Warensektor werde der Verbraucher in der Form der Ware keinen Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Betrieb sehen. Angesichts der geringfügigen Unterschiede zu den Konkurrenzprodukten werde auch der aufmerksame Verbraucher kaum in der Lage sein, aus der Erinnerung heraus einen bestimmten Hersteller zu identifizieren. Unterscheidungskraft sei auch nicht im Vergleich zu denjenigen Wortzeichen zu bejahen, bei denen erst ein graphischer Effekt die Schutzfähigkeit begründe. Für die Unterscheidungskraft von Formen der Ware würden strengere Voraussetzungen als für herkömmliche Markenformen wie Wort- und Bildzeichen gelten. Dies beruhe auf der Wesensverschiedenheit des herkunftskennzeichnenden Markenrechts und des für den Schutz von Gestaltungen in erster Linie geltenden Geschmacksmusterrechts. Durch den Markenschutz solle anders als im Geschmacksmusterrecht niemand gehindert werden, das gleiche Produkt mit einem anderen Kennzeichen auf den Markt zu bringen. Der Verkehr sei an Wort- und Bildzeichen gewöhnt. Er werde deshalb von Ausnahmefällen abgesehen in der bloßen Form der Ware kein Betriebskennzeichen sehen, sondern sich an dem auf dem Produkt befindlichen Markennamen orientieren.
Die von der Anmelderin geltend gemachten Eintragungen in Ländern der Europäischen Union führten ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Die Beurteilung im Eintragungsverfahren beruhe nicht auf der Anwendung harmonisierten Rechts, sondern zu einem erheblichen Teil auf der Ermittlung und Bewertung von Gepflogenheiten und Auffassungen des inländischen Verkehrs, die sich von denen ausländischer Verkehrskreise unterscheiden könnten.
III. Der Erfolg der Rechtsbeschwerde hängt von der Auslegung des Art. 3 Abs. 1 lit. b, c und e MarkenRL ab. Vor der Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 234 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 EG eine Vorabentscheidung zu den im Beschlußtenor gestellten Fragen einzuholen.
1. Der Senat geht davon aus, daß die vom Bundespatentgericht nicht näher untersuchte Frage, ob der angemeldeten Marke Markenfähigkeit nach der weitgehend mit Art. 2 der MarkenRL übereinstimmenden Vorschrift des § 3 Abs. 1 MarkenG zukommt, zu bejahen ist.
Nach dieser Regelung können Marken alle Zeichen sein, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Nach dem Wortlaut des Art. 2 MarkenRL und des § 3 Abs. 1 MarkenG gehört dazu auch die Form der Ware. Erforderlich ist, daß die angemeldete Marke die allgemeinen Anforderungen an die Markenfähigkeit erfüllt, d.h. sie muß abstrakt zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen geeignet sein (vgl. für die konturlose Farbmarke BGHZ 140, 193, 197 – Farbmarke gelb/schwarz; für eine Warenverpackung BGH, Beschl. v. 13.4.2000 – I ZB 6/98, WRP 2000, 1290, 1291 – Likörflasche; Fezer, Markenrecht, 2. Aufl., § 3 Rdn. 203; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 3 Rdn. 16; Kur, Festschrift 100 Jahre Marken-Amt, S. 175, 183; Ströbele, GRUR 1999, 1041), während das Erfordernis der konkreten Unterscheidungskraft, bezogen auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen aus Art. 3 Abs. 1 lit. b MarkenRL folgt (umgesetzt durch § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Ein Zeichen, das die Anforderungen an die allgemeine Markenfähigkeit nach Art. 2 i.V. mit Art. 3 Abs. 1 lit. a MarkenRL nicht erfüllt, kann diesen Mangel – anders als ein Zeichen, dem lediglich die konkrete Unterscheidungskraft nach Art. 3 Abs. 1 lit. b MarkenRL fehlt – auch nicht infolge Benutzung gemäß Art. 3 Abs. 3 MarkenRL überwinden.
Nach Ansicht des Senats darf eine Marke, um markenfähig im Sinne von Art. 2 MarkenRL (§ 3 Abs. 1 MarkenG) zu sein, kein funktionell notwendiger Bestandteil der Ware sein. Sie muß über die technisch bedingte Grundform hinausreichende nichttechnische Elemente aufweisen, die zwar nicht physisch, aber doch gedanklich von der Ware abstrahierbar sind und die Identifizierungsfunktion der Marke erfüllen können (vgl. Fezer, Festschrift für Piper, S. 525, 531 f.; Ingerl/Rohnke aaO, § 3 Rdn. 6). In diesem Sinne muß die Marke selbständig sein. Für dreidimensionale Markenformen ergibt sich der Grundsatz der Selbständigkeit der Marke von der Ware auch aus der Bestimmung des Art. 3 Abs. 1 lit. e 1. und 2. Spiegelstrich MarkenRL (vgl. Fezer, Festschrift für Piper, S. 525, 526; ders., Markenrecht, 2. Aufl., § 3 Rdn. 227).
Im vorliegenden Fall sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, der angemeldeten Formmarke die abstrakte Unterscheidungseignung nach Art. 2 MarkenRL (§ 3 Abs. 1 MarkenG) abzusprechen. Wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen unter III. 2. ergibt, ist die Marke auch selbständig in dem genannten Sinne.
2. Der Senat möchte den Ausschlußgrund nach Art. 3 Abs. 1 lit. e MarkenRL (= § 3 Abs. 2 MarkenG) verneinen. Diesem Schutzhindernis unterfallen diejenigen Zeichen, die ausschließlich aus einer Form bestehen, die durch die Art der Ware selbst bedingt ist oder die zur Herstellung einer technischen Wirkung erforderlich ist oder die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht.
Die angemeldete Marke weist vorliegend über die technisch bedingte Grundform einer Taschenlampe hinausgehende Merkmale auf, die weder ausschließlich durch die Art der Ware selbst bedingt noch ausschließlich zur Herstellung einer technischen Wirkung erforderlich sind. Die technisch bedingte Grundform einer Taschenlampe erfordert einen Beleuchtungskörper zur Aufnahme der Lichtquelle (Birne) und ein Batteriefach. Dagegen weist die angemeldete Marke einen zylinderförmigen Schaft, den zylinderförmigen gegenüber dem Schaft vergrößerten Kopf, den konischen Übergang zwischen Schaft und Taschenlampenkopf, die Dreiteilung des Taschenlampenkopfes durch zwei umlaufende Einkerbungen, zwei umlaufende Riffelungen im mittleren Kopfteil der Taschenlampe sowie eine gegenüber dem Schaft verkleinerte zylindrische Verschlußkappe auf.
3. Danach kommt es für die Entscheidung über die Eintragung der angemeldeten Marke darauf an, ob ihr jede Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. b MarkenRL (= § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) fehlt oder ob ein Eintragungshindernis nach Art. 3 Abs. 1 lit. c MarkenRL (= § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) besteht.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist Unterscheidungskraft im Sinne dieser Regelung die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden, wobei grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen ist, so daß jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft ausreicht, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH, Beschl. v. 8.12.1999 – I ZB 25/97, GRUR 2000, 502, 503 = WRP 2000, 520 – St. Pauli Girl; Beschl. v. 10.2.2000 – I ZB 37/97, GRUR 2000, 720, 721 = WRP 2000, 739 – Unter Uns).
aa) Bei zweidimensionalen Marken, die sich in der bloßen Abbildung der Ware erschöpfen, für die der Schutz in Anspruch genommen wird, geht der Bundesgerichtshof auch bei Anlegung des beschriebenen großzügigen Prüfungsmaßstabs davon aus, daß ihnen im allgemeinen die nach Art. 3 Abs. 1 lit. b MarkenRL (= § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) erforderliche (konkrete) Unterscheidungskraft fehlen wird. Die naturgetreue Wiedergabe des im Warenverzeichnis genannten Erzeugnisses ist häufig nicht geeignet, die Ware ihrer Herkunft nach zu individualisieren (vgl. BGH, Beschl. v. 5.11.1998 – I ZB 12/96, GRUR 1999, 495 = WRP 1999, 526 – Etiketten). Soweit die zeichnerischen Elemente einer angemeldeten Marke lediglich die typischen Merkmale der in Rede stehenden Waren darstellen und keine über die technische Gestaltung der Ware hinausgehenden Elemente aufweisen, ist das Zeichen im allgemeinen wegen der bloß beschreibenden Angabe ebensowenig geeignet, die gekennzeichneten Waren von denjenigen anderer Herkunft zu unterscheiden, wie einfachste geometrische Formen oder sonstige einfache graphische Gestaltungselemente, die in der Werbung oder aber auch auf Warenverpackungen oder in sonst üblicher bloß ornamentaler, schmückender Form verwendet werden (vgl. BGH GRUR 1999, 495 – Etiketten; GRUR 2000, 502, 503 – St. Pauli Girl; WRP 2000, 1290, 1292 – Likörflasche). Anders liegt der Fall, wenn sich die Bildmarke nicht in der Darstellung von Merkmalen erschöpft, die für die Art der Ware typisch oder zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sind, sondern darüber hinausgehende charakteristische Elemente aufweist. In diesen Merkmalen wird der Verkehr häufig einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sehen.
Diese zur Frage der konkreten Unterscheidungseignung bei Bildmarken entwickelten Grundsätze sind nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in der Regel auch auf dreidimensionale Marken zu übertragen, die in der Form der Verpackung bestehen (vgl. BGH WRP 2000, 1290, 1292 – Likörflasche).
bb) Bei dreidimensionalen Marken, die die Form der Ware darstellen, werden in der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts zu der Art. 3 Abs. 1 lit. b MarkenRL entsprechenden Bestimmung des Markengesetzes (BPatGE 39, 219, 223 = GRUR 1999, 56 – Taschenlampen; BPatG GRUR 1998, 706, 709 und 710 – Montre I und II) und in der Entscheidungspraxis der Beschwerdekammern des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt zu der Art. 3 Abs. 1 lit. b MarkenRL wörtlich entsprechenden Vorschrift des Art. 7 Abs. 1 lit. b GMV (Entscheidung v. 21.9.1999 – R 73/1999-3, GRUR Int. 2000, 360 – TABS [rund, rot/weiß]; Entscheidung v. 28.10.1999 – R 104/1999-3, GRUR Int. 2000, 363 – Strahlregler) strengere Anforderungen an die Unterscheidungskraft gestellt als bei anderen Marken. Zur Begründung dieser höheren Anforderungen an die Unterscheidungskraft stellt das Bundespatentgericht auf ein naheliegendes Freihaltebedürfnis (vgl. BPatG GRUR 1998, 706, 709, 710 – Montre I und II) und auf die Wesensverschiedenheit zwischen dem der Herkunftskennzeichnung dienenden Markenrecht auf der einen und den den Schutz von Gestaltungen eröffnenden Schutzrechten, insbesondere dem Geschmacksmusterrecht, auf der anderen Seite ab (vgl. BPatGE 39, 219, 223 = GRUR 1999, 56 – Taschenlampen). Mit ähnlicher Begründung wird auch von der Dritten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt ein strenger Prüfungsmaßstab angelegt und eine hinreichend eigenartige und einprägsame Ausgestaltung gefordert, die in ihrer Originalität die technisch oder ästhetisch notwendige Produktform erheblich übersteigt (GRUR Int. 2000, 360, 362 Rdn. 22, 23 – TABS [rund, rot/weiß]; GRUR Int. 2000, 363, 364 Rdn. 18, 19 – Strahlregler).
cc) Der Senat hat dagegen bisher keinen Anlaß gesehen, bei dreidimensionalen, die Ware selbst darstellenden Formmarken strengere Anforderungen an die Unterscheidungskraft zu stellen als bei herkömmlichen Markenformen (vgl. für eine dreidimensionale Verpackungsform: BGH WRP 2000, 1290, 1292 – Likörflasche; vgl. hierzu auch Eichmann, GRUR 1995, 184, 188; ders., Festschrift Vieregge, S. 125, 162; Kiethe/Groeschke, WRP 1998, 541, 546).
(1) Solche erhöhten Anforderungen an die Unterscheidungskraft lassen sich nach Ansicht des Senats nicht unter Hinweis auf konkrete Anhaltspunkte für ein Interesse des Verkehrs rechtfertigen, die Produktform für andere Unternehmen freizuhalten (vgl. BGH, Beschl. v. 24.2.2000 – I ZB 13/98, GRUR 2000, 722, 723 = WRP 2000, 741 – LOGO). Im Rahmen der Prüfung der durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft (Art. 3 Abs. 3 MarkenRL) hat es der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ebenfalls abgelehnt, bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft nach dem festgestellten Interesse an der Freihaltung einer geographischen Bezeichnung zu differenzieren (Urt. v. 4.5.1999 – verb. Rs. C-108/97, 109/97, GRUR 1999, 723, 727 Nr. 48 = WRP 1999, 629 – Chiemsee).
(2) Auch die allgemeine Gefahr einer Behinderung der Produktgestaltung auf dem Warenmarkt rechtfertigt es nach Ansicht des Senats nicht, strengere Anforderungen an die Unterscheidungskraft zu stellen. Das Interesse an einer generellen Freihaltung der Gestaltungsformen sollte – ungeachtet einer möglichen Berücksichtigung bei Art. 3 Abs. 1 lit. c MarkenRL (dazu sogleich unter III 3 b) – im Rahmen der konkreten Unterscheidungskraft nach Art. 3 Abs. 1 lit. b MarkenRL keine Rolle spielen, weil dieses Kriterium bei der Beurteilung der konkreten Unterscheidungskraft systemfremd ist.
(3) Der Senat hält es – im Gegensatz zum Bundespatentgericht – auch nicht für angezeigt, aus der Wesensverschiedenheit von Marken- und Geschmacksmusterrecht einen strengeren Maßstab für die Beurteilung der Voraussetzungen der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Formmarken abzuleiten. Während für das Geschmacksmusterrecht ebenso wie für das Urheberrecht allein die schöpferische Leistung entscheidend ist, kommt es für den Markenschutz allein auf die Unterscheidungsfunktion des Zeichens an. Der Senat möchte daher nicht der Auffassung beitreten, daß bei dreidimensionalen Marken nur hinreichend eigenartige und einprägsame Ausgestaltungen Unterscheidungskraft aufweisen sollen, die die technisch oder ästhetisch notwendige Produktform erheblich übersteigen.
Besondere Eigenartigkeit und Originalität sind nach Ansicht des Senats keine zwingenden Erfordernisse für das Vorliegen von Unterscheidungskraft und sollten deshalb auch nicht zum selbständigen Prüfungsmaßstab erhoben werden (vgl. BGH GRUR 2000, 722, 723 – LOGO; WRP 2000, 1290, 1292 – Likörflasche). Dies schließt es allerdings nicht aus, daß diese Merkmale – neben anderen – ein Indiz für die Eignung sein können, die konkret angemeldeten Waren eines bestimmten Anbieters von denen anderer zu unterscheiden (vgl. BGH, Beschl. v. 8.12.1999 – I ZB 2/97, GRUR 2000, 321, 322 = WRP 2000, 298 – Radio von hier; Beschl. v. 8.12.1999 – I ZB 21/97, GRUR 2000, 323, 324 = WRP 2000, 300 – Partner with the Best). Wie bei jeder anderen Markenform, sollte auch bei der dreidimensionalen, die Ware selbst darstellenden Formmarke allein maßgebend sein, daß der angesprochene Verkehr – aus welchen Gründen auch immer – in dem angemeldeten Zeichen einen Herkunftshinweis erblickt. Sonst würde durch erhöhte Anforderungen an die Unterscheidungskraft bei dreidimensionalen Formmarken die Möglichkeit eines sich ändernden Verkehrsverständnisses nach der gesetzlichen Zulassung dieser Marken in einer durch die Markenrechtsrichtlinie nicht vorgesehenen Weise eingeschränkt.
(4) Das Bundespatentgericht hat angenommen, daß der Verkehr bei Produkten, wie Stabtaschenlampen, bestimmte Designelemente erwarte, so daß sich die Abweichungen in den Gestaltungsformen auf wenig einprägsame Nuancen beschränkten, denen ein hohes Maß an Beliebigkeit anhafte. Es handele sich um typische Stablampenformen, die im marktüblichen Rahmen blieben.
Bei dieser Beurteilung hat das Bundespatentgericht nach Ansicht des Senats unberücksichtigt gelassen, daß die Anmelderin vorgetragen hat, die Taschenlampen wiesen Merkmale auf, die in der Kombination ausreichten, die Taschenlampen von denen anderer Anbieter zu unterscheiden und damit die betriebliche Herkunft zu kennzeichnen. Zutreffend macht die Rechtsbeschwerde geltend, daß das Bundespatentgericht nicht weiter geprüft hat, ob diesen in Abschnitt III 2 dargestellten Merkmalen herkunftshinweisende Funktion zukommt.
Die Notwendigkeit dieser Beurteilung wird auch nicht durch die Feststellung des Bundespatentgerichts ersetzt, auf dem Markt seien zahlreiche ähnliche Taschenlampen vorhanden. Den Ausführungen des Bundespatentgerichts und den in Bezug genommenen Abbildungen, die dem Beschluß des Deutschen Patentamtes vom 22. November 1995 beigefügt sind, ist jedoch nicht zu entnehmen, ob und in welcher Kombination diese Taschenlampen die von der Anmelderin angeführten charakteristischen Merkmale aufweisen.
Diese Beurteilung wird das Bundespatentgericht nach Meinung des Senats zur Prüfung der Unterscheidungskraft i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nachzuholen haben, falls an die Unterscheidungskraft von Formmarken, die die Ware darstellen, kein strengerer Maßstab zu stellen ist, als bei anderen Markenformen. Dabei wird es als Indiz für die Beurteilung der Unterscheidungskraft in die Prüfung auch den Umstand einzubeziehen haben, ob und in welchem Umfang Eintragungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union bereits erfolgt sind (vgl. BGH, Beschl. v. 10.4.1997 – I ZB 1/95, GRUR 1997, 527, 529 f. = WRP 1997, 755 – Autofelge). Auch wenn es grundsätzlich auf das inländische Verkehrsverständnis ankommt (vgl. BGH GRUR 1999, 495, 496 – Etiketten; GRUR 2000, 502, 503 – St. Pauli Girl), können für die Beurteilung des Verkehrsverständnisses im jeweiligen Einzelfall Eintragungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union von indizieller Bedeutung sein, wenn die Marken aufgrund harmonisierter Gesetzesbestimmungen eingetragen sind und keine konkreten Anhaltspunkte für ein gegenüber dem Ausland abweichendes inländisches Verkehrsverständnis bestehen.
Dagegen würde die angemeldete Marke die strengen Anforderungen nicht erfüllen, die an eine die technisch und ästhetisch notwendige Produktform erheblich übersteigende Originalität zu stellen wären. Es kommt daher auf die zu 1 gestellte Auslegungsfrage an.
b) Wird vorliegend die konkrete Unterscheidungseignung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. b MarkenRL (= § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) bejaht, so kommt es maßgebend auf die Auslegung des Art. 3 Abs. 1 lit. c MarkenRL (= § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) an.
Danach sind von der Eintragung Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art oder Beschaffenheit der Ware dienen können. Diese Regelung, in der nach deutschem Verständnis das Interesse des Verkehrs an der Freihaltung bestimmter Markenformen zum Ausdruck kommt, wirft zwei Auslegungsfragen auf:
aa) Zunächst ist im deutschen Schrifttum umstritten, ob das Freihaltebedürfnis an (dreidimensionalen) Produktformen in Art. 3 Abs. 1 lit. e MarkenRL (= § 3 Abs. 2 MarkenG) abschließend geregelt ist oder ob daneben noch Raum für eine Anwendung des Art. 3 Abs. 1 lit. c MarkenRL (= § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) bleibt (letzteres bejahend: Althammer/Ströbele/Klaka, Markengesetz, 6. Aufl., § 8 Rdn. 157; Kiethe/Groeschke, WRP 1998, 541, 546 f.; Körner/Gründig-Schnelle, GRUR 1999, 535, 539; a.A. Eichmann, GRUR 1995, 184, 188; Bauer, GRUR 1996, 319, 321; Fuchs-Wissemann, MarkenR 1999, 183, 185). Der Bundesgerichtshof hält die Regelung des Art. 3 Abs. 1 lit. c MarkenRL – auch wenn deren Wortlaut dies nicht zwingend ergibt – ungeachtet der Vorschrift des Art. 3 Abs. 1 lit. e MarkenRL bei allen Markenformen, also auch bei Marken, die die Form der Ware darstellen, für selbständig anwendbar. Danach ist ein bestehendes Freihaltebedürfnis im Rahmen dieser Bestimmung und nicht durch eine weite Auslegung des Art. 3 Abs. 1 lit. e MarkenRL zu berücksichtigen. Dafür spricht vor allem die Erwägung, daß das Eintragungshindernis des Art. 3 Abs. 1 lit. e MarkenRL nicht durch Benutzung im Sinne von Art. 3 Abs. 3 MarkenRL überwunden werden könnte. Dies erscheint nicht gerechtfertigt.
bb) Die Beantwortung der weiteren Frage, ob danach ein Freihaltebedürfnis an bestimmten Produktformen zu berücksichtigen ist, hängt davon ab, auf welchem Grundverständnis die Anerkennung des dreidimensionalen Formenschutzes beruht. Insoweit besteht – national und international – eine Tendenz, eine Ausweitung des Markenschutzes bei Marken, die die Form einer Ware darstellen, im Blick auf eine befürchtete Dauermonopolisierung von Produktformen einerseits und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses an solchen Formen andererseits entgegenzuwirken (vgl. Court of Appeal, Urt. v. 5.5.1999, GRUR Int. 2000, 444, 445 und 446 – Philips Electronics NV v. Remington Consumer Products Ltd.) und einen Markenschutz in der Regel nur bei den Formmarken zuzulassen, die durch Benutzung Unterscheidungskraft erworben haben (vgl. U.S.-Supreme Court, Urt. v. 22.3.2000, GRUR Int. 2000, 812, 813 – Wal-Mart Stores, Inc. v. Samara Brothers, Inc.). Dahinter steht vor allem die Erwägung, daß andernfalls in das ihrem Wesen nach anders geartete System der Sonderschutzrechte – wie insbesondere das Geschmacksmusterrecht – mit ihren gegenüber dem Markenrecht unterschiedlichen Voraussetzungen und ihren abweichenden zeitlichen und inhaltlichen Schranken eingegriffen würde (vgl. BPatGE 39, 238, 243 f. – POP swatch; Eichmann aaO S. 188 f.; Sambuc, GRUR 1997, 403, 407).
Die Gegenposition verweist gerade auf die Wesensverschiedenheit der Sonderschutzrechte einerseits und des Markenrechts andererseits und will dem Freihaltebedürfnis von Mitbewerbern vor allem durch Bemessung eines engen Schutzumfangs Rechnung tragen (vgl. Kiethe/Groeschke, WRP 1998, 541, 542 und 547).
Der Bundesgerichtshof neigt dazu, ein bei (dreidimensionalen) Formmarken bestehendes Freihaltebedürfnis im Rahmen der Auslegung des Art. 3 Abs. 1 lit. c MarkenRL zu berücksichtigen mit der Folge, daß ein Markenschutz in der Mehrzahl der Fälle nur bei Marken in Betracht kommt, die die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der MarkenRL erfüllen. Es ist nicht zu verkennen, daß durch den Sonderrechtsschutz – insbesondere den Geschmacksmusterschutz – das Produkt selbst gegen Nachahmung geschützt wird, während im Gegensatz dazu der Markenschutz an sich niemanden daran hindert, dasselbe Produkt wie der Markeninhaber auf den Markt zu bringen, solange er sich eines anderen Kennzeichens bedient (vgl. Kur aaO S. 175, 178). Außerdem ist in Betracht zu ziehen, daß die Aufrechterhaltung des Markenschutzes an die Benutzung der Marke gebunden ist und daß das durch das Markenrecht verliehene Ausschließlichkeitsrecht nur dann über den zeitlich begrenzten Sonderschutz hinausgeht, wenn die Formgebung über die dort festgelegte zeitliche Schutzdauer hinaus in unveränderter Form benutzt wird (vgl. Kur aaO S. 175, 179 f.). Andererseits kann der markenrechtliche Schutz von Formgebungen gerade bei einer unveränderten Benutzung „zeitloser” Gestaltungen auf ein Dauermonopol für die Formgebung selbst hinauslaufen. Dies wäre vor allem in Warenbereichen mit einem begrenzten Gestaltungsspielraum bedenklich. Es spricht deshalb mehr dafür, ein Freihaltebedürfnis im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 lit. c MarkenRL nur dann nicht zu berücksichtigen, wenn es sich um eher „kurzlebige” Formgebungen handelt und den Mitbewerbern überdies ein hinreichender Spielraum für abweichende Gestaltungsformen verbleibt. In allen anderen Fällen sollte ein Schutz für dreidimensionale Marken, die die Form der Ware selbst darstellen, nur bei Marken in Betracht kommen, die die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 MarkenRL erfüllen.
Unterschriften
Erdmann, Starck, Bornkamm, Pokrant, Büscher
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 23.11.2000 durch Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 584488 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
WRP 2001, 265 |
GRUR-Int. 2001, 462 |
MarkenR 2001, 71 |
Mitt. 2001, 166 |