Leitsatz (amtlich)
Im Eröffnungsverfahren zur Vorbereitung einer Sanierung kann der Schuldner nur dann Masseverbindlichkeiten begründen, wenn ihn das Insolvenzgericht auf seinen Antrag dazu ermächtigt hat.
Führt der Insolvenzverwalter oder der Sachwalter im Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung des Schuldners aufgrund einer Ermächtigung im Insolvenzplan einen Anfechtungsprozess fort, bleiben die anfechtungsrechtlichen Beschränkungen der Einwendungs- und Aufrechnungsmöglichkeiten des Anfechtungsgegners auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erhalten.
Normenkette
InsO § 259 Abs. 3, § 270b Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 13. Zivilsenats des OLG Dresden vom 18.6.2014 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Wert des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 71.998,11 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Kläger ist Sachwalter in dem auf den Antrag vom 26.2.2013 über das Vermögen der S. AG (nachfolgend: Schuldnerin) am 30.4.2013 eröffneten Insolvenzverfahren. In diesem Verfahren hatte das Insolvenzgericht zunächst am 4.3.2013 zur Vorbereitung einer Sanierung eine Frist von längstens drei Monaten zur Vorlage eines Insolvenzplans bestimmt und den Kläger zum vorläufigen Sachwalter gem. § 270b Abs. 2 Satz 1 InsO bestellt. Aufgrund einer Ermächtigung in dem am 6.6.2013 von den Gläubigern angenommenen Insolvenzplan zur Fortführung anhängiger Anfechtungsprozesse nimmt der Kläger die Beklagte auf Rückgewähr am 22.3.2013 und am 22.4.2014 von der Schuldnerin gezahlter Gesamtsozialversicherungsbeiträge i.H.v. insgesamt 71.998,11 EUR in Anspruch.
Rz. 2
Die auf § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO gestützte Klage ist im ersten Rechtszug erfolglos geblieben. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht, dessen Urteil in ZIP 2014, 1294 veröffentlicht ist, die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Diese beantragt, die Revision zuzulassen, um ihr ursprüngliches Klagabweisungsbegehren weiterzuverfolgen.
II.
Rz. 3
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Rz. 4
1. Auf die von der Nichtzulassungsbeschwerde für rechtsgrundsätzlich gehaltene Frage, ob der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründet, wenn im Eröffnungsverfahren ein vorläufiger Sachwalter bestellt sei und der Schuldner keinen Antrag gestellt habe, ihn zur Begründung von Masseverbindlichkeiten zu ermächtigen, kommt es nicht an. Diese in der Rechtsprechung und im Schrifttum umstrittene Frage kann sich nur in einem Insolvenzeröffnungsverfahren nach § 270a InsO stellen. Handelt es sich um ein Eröffnungsverfahren zur Vorbereitung einer Sanierung nach § 270b InsO, kommt die Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den Schuldner nach § 270b Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 InsO nur in Betracht, wenn das Insolvenzgericht den Schuldner auf dessen Antrag zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ermächtigt hat (vgl. OLG Köln, ZInsO 2015, 204, 205). Dies entspricht der Begründung des Gesetzgebers (BT-Drucks. 17/7511, 37), der es dem Schuldner in diesem besonderen Verfahren ausdrücklich ermöglichen wollte, über die Anordnung nach § 270b Abs. 3 InsO gleichsam in die Rechtsstellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters einzurücken.
Rz. 5
Im Streitfall ergibt sich aus den Ausführungen des Berufungsgerichts zu dem von der Schuldnerin gestellten Eröffnungsantrag und den in dem Verfahren vom Insolvenzgericht getroffenen Anordnungen, dass es sich um ein Verfahren zur Vorbereitung einer Sanierung nach § 270b InsO gehandelt hat. In diesem Verfahren hat die Schuldnerin einen Antrag, sie zur Begründung von Masseverbindlichkeit zu ermächtigen, nicht gestellt.
Rz. 6
2. Soweit vereinzelt die Auffassung vertreten wird, in Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO begründe der Schuldner schon originär nach dem Gesetz Masseverbindlichkeiten, ohne dass es eines Antrag auf Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten bedürfe (so AG Hannover, ZInsO 2015, 1112, 1113; AG Montabaur, ZInsO 2013, 397, 398; Foltis in FK/InsO, 8. Aufl. 2015, § 270a Rz. 22), betrifft dies einen anderen Sachverhalt. Diese Ansicht weicht zwar von der weit überwiegend vertretenen Meinung ab, nach welcher der Schuldner oder der vorläufige Sachwalter im Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO nur dann Masseverbindlichkeiten begründet, wenn ihn das Insolvenzgericht auf einen entsprechenden Antrag dazu ermächtigt hat (so LG Duisburg, ZInsO 2012, 2346, 2347; AG Köln, ZInsO 2012, 790; AG München ZIP 2012, 1470; AG Hamburg ZIP 2012, 787; HmbKomm-InsO/Fiebig, 5. Aufl., § 270a Rz. 34; Ringstmeier in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 2. Aufl., § 270a Rz. 8; Landfermann in HK/InsO, 7. Aufl., § 270a Rz. 18 ff.; Graf-Schlicker/InsO, 4. Aufl., § 270a Rz. 16 ff.; Schmidt/Undritz, InsO, 19. Aufl., § 270a Rz. 6; Pape in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2012, § 270a Rz. 19 f.; MünchKomm/InsO/Kern, 3. Aufl., § 270a Rz. 41 ff. m.w.N.; Marotzke, DB 2013, 1283, 1288 f.; Undritz, BB 2012, 1551, 1552 f.; Pape, ZIP 2013, 2285, 2292; ders. ZInsO 2013, 2129, 2134; Klinck, ZIP 2013, 853, 855; ders. ZInsO 2014, 365, 366; Buchalik/Kraus, ZInsO 2012, 2330, 2331; dies. ZInsO 2013, 815, 816 f.). Sie wird aber nur für das Eröffnungsverfahren nach § 270a InsO vertreten. Im Verfahren zur Vorbereitung einer Sanierung nach § 270b InsO bedarf es dagegen nach allen in der Rechtsprechung und im Schrifttum vertretenen Auffassungen einer Einzel- oder Globalermächtigung des Insolvenzgerichts (vgl. BT-Drucks. 17/7511, 37), Masseverbindlichkeiten zu begründen.
Rz. 7
3. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde geltend macht. Es sei rechtsgrundsätzlich zu klären, ob und inwieweit dem Anfechtungsgegner Einwendungen zustehen können, wenn der ehemalige Insolvenzverwalter oder Sachwalter einen Anfechtungsprozess aufgrund einer Ermächtigung im Insolvenzplan gem. § 259 Abs. 3 InsO fortführe, bedarf es der Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Im Schrifttum wird im Anschluss an die Begründung des Gesetzgebers zu § 259 Abs. 3 InsO (BT-Drucks. 12/2443, 214) einhellig die Auffassung vertreten, aus dem Umstand, dass § 259 Abs. 3 InsO einen Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft darstelle und der Insolvenzverwalter oder Sachwalter den Anfechtungsprozess nach Aufhebung des Verfahrens grundsätzlich für Rechnung des Schuldners führe, könne keine Veränderung der materiellen Rechtslage dahin abgeleitet werden, dass den Anfechtungsgegnern Einwendungen zukämen, die sie sonst nicht geltend machen könnten. Die Beschränkungen der Einwendungs- und Aufrechnungsmöglichkeiten des Anfechtungsgegners blieben auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erhalten, weil der Anfechtungsanspruch von der Aufhebung des Verfahrens nach Bestätigung des Insolvenzplans nicht berührt werde (vgl. Häsemeyer, InsO, 4. Aufl., Rz. 28.52; Spahlinger in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2014, § 259 Rz. 21; Schmidt/Spliedt, a.a.O., § 259 Rz. 13; Uhlenbruck/Lüer/Streit, InsO, 14. Aufl., § 259 Rz. 17). Diese naheliegende Auffassung ist zutreffend. Nur sie entspricht der Absicht des Gesetzgebers, mit der Einführung des § 259 Abs. 3 InsO zu verhindern, dass für den Anfechtungsgegner ein Anreiz besteht, den Anfechtungsprozess bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens zu verschleppen (vgl. BT-Drucks. 12/2443, a.a.O.). Eine Aufrechnung der Beklagten mit ihrer nach anfechtungsrechtlicher Rückgewähr gem. § 144 Abs. 1 InsO wiederaufgelebten Beitragsforderung kommt danach eindeutig nicht in Betracht, so dass es hierzu rechtsgrundsätzlicher Ausführungen des BGH nicht bedarf.
Fundstellen
BB 2016, 1363 |
DB 2016, 1013 |
DB 2016, 6 |
NJW 2016, 9 |
NJW-RR 2016, 690 |
EWiR 2016, 307 |
WM 2016, 805 |
WuB 2016, 431 |
ZIP 2016, 831 |
DZWir 2016, 489 |
JZ 2016, 412 |
MDR 2016, 1232 |
NZI 2016, 443 |
NZI 2016, 6 |
ZInsO 2016, 903 |
GWR 2016, 213 |
InsbürO 2016, 347 |
NJW-Spezial 2016, 373 |