Leitsatz (amtlich)

Zur Bestimmung von Streitwert und Rechtsmittelbeschwer (hier: Beseitigung eines Carports auf dem Nachbargrundstück).

 

Normenkette

ZPO § 4 Abs. 1, § 544 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

OLG Nürnberg (Entscheidung vom 20.08.2020; Aktenzeichen 13 U 3470/19)

LG Regensburg (Entscheidung vom 14.08.2019; Aktenzeichen 81 O 1234/18)

 

Tenor

Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) übersteigt 20.000 EUR nicht.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 18.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Der Beklagte errichtete an der Grundstücksgrenze auf seinem Grundstück einen Carport. Das zuständige Landratsamt hatte hierfür eine Baugenehmigung erteilt, über deren Rechtmäßigkeit die Parteien vor dem Verwaltungsgerichtshof streiten. Am Carport befestigte der Beklagte ein Schild mit dem Hinweis "Achtung! Videoüberwachung". Im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens teilte der Beklagte dem VG Regensburg mit, dass der Kläger ständig vor seiner - des Beklagten - Grundstücksausfahrt parke.

Rz. 2

Der Kläger behauptet, der vom Beklagten errichtete Carport schränke die Ausfahrt von seinem Grundstück in unzumutbarer Art und Weise ein. Außerdem habe der Beklagte am Carport auch eine Videokamera angebracht, die ohne rechtfertigenden Grund und ohne Zustimmung des Klägers auch das klägerische Grundstück überwache und aufzeichne. Er habe die Garagenausfahrt nicht "wiederholt und permanent" zugeparkt.

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

1. es zu unterlassen, das Grundstück des Klägers per Video zu überwachen, 2. an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld von nicht weniger als 2.000 EUR zu zahlen, 3. es zu unterlassen, im Hinblick auf den Kläger zu behaupten, dass dieser "wiederholt und permanent vor der Ausfahrt des Carports rechtswidrig geparkt" habe, 4. an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 490,99 EUR zu zahlen, 5. den auf dem Grundstück des Beklagten errichteten Carport zu beseitigen, 6. es zu unterlassen, den Bereich, in welchem der Carport errichtet war, als Stellplatz zu nutzen und in diesen Bereich jeglichen Zu- und Abfahrtsverkehr zur Nutzung als Stellplätze zu unterlassen.

Rz. 3

Das LG hat die Klage abgewiesen und den Streitwert im Einverständnis mit den Parteien auf insgesamt 21.000 EUR (Klageantrag Ziff. 1: 5.000 EUR, Ziff. 2: 2.000 EUR, Ziff. 3: 4.000 EUR, Ziff. 5: 8.000 EUR und Ziff. 6: 2.000 EUR) festgesetzt. Das OLG hat die Berufung durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 21.000 EUR festgesetzt. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde will der Kläger die Zulassung der Revision erreichen, um sein Klagebegehren weiter zu verfolgen.

II.

Rz. 4

Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) übersteigt 20.000 EUR nicht.

Rz. 5

1. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts. Dieses Interesse ist nach den sich aus den Vorschriften der §§ 3 ff. ZPO ergebenden allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln. Über die Höhe der Beschwer hat das Revisionsgericht selbst zu befinden; an eine Festsetzung durch das Berufungsgericht ist es nicht gebunden (vgl. Senatsbeschlüsse v. 23.2.2021 - VI ZR 1191/20, VersR 2021, 668 Rz. 5; v. 15.7.2014 - VI ZR 145/14, juris Rz. 3; BGH, Beschl. v. 13.3.2013 - XII ZR 8/13 NJW-RR 2013, 1401 Rz. 8). Maßgeblich für die Bewertung der Beschwer ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht. Der Beschwerdeführer hat innerhalb der Begründungsfrist darzulegen und glaubhaft zu machen, dass der Wert der Beschwer den Betrag von 20.000 EUR übersteigt (vgl. Senat, Beschl. v. 26.1.2021 - VI ZR 281/20, Rz. 1; BGH, Beschl. v. 29.10.2020 - V ZR 273/19 MDR 2021, 380 Rz. 11 m.w.N.; v. 12.3.2020 - V ZR 190/19, juris Rz. 4; v. 14.11.2013 - V ZR 28/13, juris Rz. 6).

Rz. 6

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze übersteigt der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 EUR nicht.

Rz. 7

a) Der Kläger ist durch die Abweisung der Klageanträge 1 bis 4 und 6i.H.v. insgesamt 13.000 EUR beschwert. Der Wert der Beschwer ist in Einklang mit den Angaben des Klägers und der Beurteilung der Vorinstanzen hinsichtlich Klageantrag Ziff. 1 auf 5.000 EUR, Klageantrag Ziff. 2 auf 2.000 EUR, Klageantrag Ziff. 3 auf 4.000 EUR und Klageantrag Ziff. 6 auf 2.000 EUR zu schätzen. Der auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Antrag Ziff. 4 bleibt als Nebenforderung bei der Wertermittlung außer Betracht (§ 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO).

Rz. 8

b) Durch die Abweisung des Klagantrags Ziff. 5 ist der Kläger i.H.v. nicht mehr als 5.000 EUR beschwert.

Rz. 9

aa) Verlangt der Grundstückseigentümer - wie im Streitfall - die Beseitigung einer Störung oder Einwirkung auf sein Grundstück, bemisst sich der Wert der Beschwer grundsätzlich nach dem Wertverlust, den das Grundstück durch die Störung oder Einwirkung erleidet (vgl. BGH, Beschl. v. 12.3.2020 - V ZR 190/19, juris Rz. 4; v. 12.7.2018 - V ZB 218/17, MDR 2018, 1396 Rz. 7; v. 7.5.2015 - V ZR 159/14, Grundeigentum 2015, 912 Rz. 5). Nur ausnahmsweise, wenn sich die Störung nach Art bzw. Umfang nicht in einer Wertminderung des Grundstücks niederschlägt, kann sich der Wert der Beschwer nach den Kosten bemessen, die dem Eigentümer durch die Störung entstehen und die ohne diese nicht angefallen wären (vgl. BGH, Beschl. v. 12.7.2018 - V ZB 218/17, a.a.O., Rz. 10 f.). Der Wertverlust bzw. der ausnahmsweise relevante Kostenaufwand sind von dem Beschwerdeführer darzulegen und gem. § 294 ZPO glaubhaft zu machen (vgl. BGH, Beschl. v. 29.10.2020 - V ZR 273/19 MDR 2021, 380 Rz. 11 m.w.N.; v. 12.3.2020 - V ZR 190/19, juris Rz. 4; v. 7.5.2015 - V ZR 159/14, Grundeigentum 2015, 912 Rz. 5).

Rz. 10

bb) Diesen Anforderungen genügt der Vortrag in der Beschwerdebegründung nicht. Welchen Wertverlust das Grundstück des Klägers infolge der behaupteten Beeinträchtigung der Ausfahrt erlitten hat, lässt sich der Begründung nicht entnehmen. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde darauf verweist, dass das LG in dem Streitwertbeschluss vom 17.7.2019 den Wert des Beseitigungsantrags im Einverständnis mit den Parteien mit 8.000 EUR bemessen und das Berufungsgericht diese Einschätzung übernommen habe, genügt dies zur Darlegung einer entsprechenden Beschwer des Klägers nicht. Weder der Kläger noch die Vorinstanzen haben die Wertfestsetzung begründet; Anhaltspunkte dafür, dass und wenn ja, in welcher Höhe der Wert des Grundstücks des Klägers durch die behauptete Beeinträchtigung der Ausfahrt gemindert ist, sind weder ersichtlich noch dargetan (vgl. BGH, Beschl. v. 12.3.2020 - V ZR 190/19, juris Rz. 6; v. 29.10.2020 - V ZR 273/19 MDR 2021, 380 Rz. 12). Nicht anders verhält es sich hinsichtlich etwaiger dem Kläger durch die behauptete Beeinträchtigung entstehender Kosten.

Rz. 11

cc) Mangels abweichender Anhaltspunkte bewertet der Senat das Interesse des Klägers an der Beseitigung der geltend gemachten Beeinträchtigung in Anlehnung an die Bestimmungen in § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 Alt. 1 RVG, § 52 Abs. 2 GKG, § 36 Abs. 3 GNotKG mit 5.000 EUR (vgl. auch BGH, Beschl. v. 17.11.2015 - II ZB 8/14, WM 2016, 96 Rz. 13).

 

Fundstellen

Haufe-Index 14803632

NZM 2021, 822

MDR 2022, 96

WuM 2022, 235

AGS 2021, 564

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