Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur und unter Zurückweisung der Anschlussrechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. Dezember 2021 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Bundesnetzagentur erkannt worden ist.
Die Beschwerden der Antragstellerin gegen die Beschlüsse der Bundesnetzagentur vom 17. Dezember 2019 und vom 28. Januar 2020 werden zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren einschließlich der notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur.
Gründe
Rz. 1
A. Die Antragstellerin betreibt ein Elektrizitätsverteilernetz, dem das Übertragungsnetz der T. GmbH vorgelagert ist. An ihr Netz sind mehrere dezentrale Erzeugungsanlagen angeschlossen. Die Antragstellerin zahlt an die Betreiber dieser Anlagen gemäß § 18 StromNEV ein Entgelt für die durch die Einspeisungsleistung verringerte Inanspruchnahme vorgelagerter Netze (sog. vermiedene Netzentgelte). Zur Absicherung von Ausfällen der an ihr Netz angeschlossenen Erzeugungsanlagen buchte die Antragstellerin zwischen 2014 und 2017 bei der T. GmbH Netzreservekapazität. Im Jahr 2011, dem Basisjahr für die Bestimmung des Ausgangsniveaus der zweiten Regulierungsperiode, hatte sie keine Netzreservekapazität gebucht.
Rz. 2
Die Bundesnetzagentur veröffentlichte Hinweise für Verteilernetzbetreiber zur Anpassung der Erlösobergrenze. In den Jahren 2015 bis 2018 enthielten diese folgende Ausführungen:
Die Beschlusskammer weist darauf hin, dass die Ermittlung der Vermeidungsleistung durch die Gegenüberstellung der jeweiligen Jahreshöchstleistung einer Netz /Umspannebene mit dem höchsten Bezug aus der vorgelagerten Netz /Umspannebene erfolgt, d.h. die Vermeidungsleistung nach § 18 Abs. 2 S. 4 StromNEV ist die Differenz zwischen der zeitgleichen Jahreshöchstlast aller Entnahmen aus der Netz- oder Umspannebene und der maximalen Bezugslast dieses Jahres aus der vorgelagerten Netz- oder Umspannebene in Kilowatt.
Erfolgt die Abrechnung gegenüber dem vorgelagerten Netzbetreiber unter Berücksichtigung einer sog. "Reservenetzkapazität" hat dies nicht zur Folge, dass die maximale Bezugsleistung um diesen Betrag reduziert wird und damit die Vermeidungsleistung erhöht wird.
Die maximale Bezugslast aus der vorgelagerten Netz- oder Umspannebene entspricht dem tatsächlichen physikalischen Lastfluss dieser Ebene und wird unverändert für die Differenzbildung herangezogen.
Rz. 3
Bis 2015 sollten Netzbetreiber die vermiedenen Netzentgelte nach Auffassung der Bundesnetzagentur übergangsweise noch nach der kaufmännischen Berechnungsweise berechnen dürfen.
Rz. 4
Die Antragstellerin berechnete die zur Ermittlung der nach § 18 StromNEV an die Anlagenbetreiber zu zahlenden Entgelte maßgebliche Vermeidungsleistung unter Ansatz der geringeren kaufmännischen Leistungswerte im Hinblick auf den Bezug aus der vorgelagerten Netzebene, wie sie sich aufgrund der Buchung von Netzreservekapazität ergaben. Dies hatte zur Folge, dass die nach § 18 Abs. 2 StromNEV maßgebliche Differenz zwischen der maximalen Bezugslast aus dem vorgelagerten Netz und der Jahreshöchstlast des nachgelagerten Netzes größer war, daher die Vermeidungsleistung der dezentralen Erzeuger höher ausfiel und somit auch die an die Betreiber der dezentralen Erzeugungsanlagen zu entrichtenden vermiedenen Netzentgelte höher waren als sie bei Ansatz der tatsächlichen (physikalischen) Leistungswerte gewesen wären. Diese Berechnungsweise stand in Widerspruch zu der Auffassung der Bundesnetzagentur, jedoch in Einklang mit der später ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 14. November 2017 - EnVR 41/16, RdE 2018, 123 - Netzreservekapazität).
Rz. 5
Die Plankosten für die Inanspruchnahme von Netzreservekapazität buchte die Antragstellerin als dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten aus der erforderlichen Inanspruchnahme vorgelagerter Netzebenen im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ARegV. Gleichzeitig zog sie diese Kosten aber nicht, wie nach der genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlich, von den - ebenfalls als dauerhaft unbeeinflussbare Kosten gebuchten - vermiedenen Netzentgelten im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 ARegV ab. Auf dieser Grundlage passte sie ihre kalenderjährliche Erlösobergrenze nach § 4 Abs. 3 ARegV an. Im Ergebnis hatten damit die Netzkunden der Antragstellerin und nicht, wie von § 18 StromNEV vorausgesetzt, die Betreiber der dezentralen Erzeugungsanlagen diese Kosten zu tragen.
Rz. 6
Mit Schreiben vom 28. und 30. Juni 2017 hat die Antragstellerin die Genehmigung des Regulierungskontosaldos für die Jahre 2013 bis 2016 und die Verteilung der Zu- und Abschläge auf die Erlösobergrenzen der Jahre 2018 bis 2023 (BK8-17/1016-01) sowie die Genehmigung des Saldos für 2017 und die Verteilung der Zu- und Abschläge auf die Erlösobergrenzen der Jahre 2019 bis 2021 (BK8-18/1016-01) beantragt.
Rz. 7
Mit Beschlüssen vom 17. Dezember 2019 (BK8-17/1016-01) und vom 28. Januar 2020 (BK8-18/1016-01) hat die Bundesnetzagentur die beantragten Regulierungskontosalden nur teilweise genehmigt und die Anträge im Übrigen abgelehnt. Insoweit hat sie für die Jahre 2014 bis 2016 (BK8-17/1016-01) sowie für 2017 (BK8-18/1016-01) sowohl die von der Antragstellerin angepassten Plankosten für die Buchung von Netzreservekapazität nicht berücksichtigt als auch die tatsächlichen Kosten für die Netzreservekapazität bei den vermiedenen Netzentgelten in Abzug gebracht. Der Saldo des Regulierungskontos fiel daher für die Jahre 2014 bis 2016 um 17.461.563 €, für 2017 um 9.705.146 € geringer aus als von der Antragstellerin beantragt.
Rz. 8
Auf die Beschwerden der Antragstellerin hat das Oberlandesgericht den - die Jahre 2013 bis 2016 betreffenden - Beschluss der Bundesnetzagentur vom 17. Dezember 2019 (BK8-17/1016-01) unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - aufgehoben und diese verpflichtet, über die beantragte Genehmigung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, soweit die Bundesnetzagentur die Kosten für die Buchung von Netzreservekapazität der Jahre 2014 und 2015 nicht anerkannt hat. Dagegen wendet sich die Bundesnetzagentur mit der Rechtsbeschwerde. Die Beschwerde gegen den - das Jahr 2017 betreffenden - Beschluss der Bundesnetzagentur vom 28. Januar 2020 (BK8-18/1016-01) hat das Oberlandesgericht insgesamt zurückgewiesen. Mit der Anschlussrechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin die Anerkennung der Kosten auch für 2016 und 2017.
Rz. 9
B. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur hat Erfolg (dazu II), während die Anschlussrechtsbeschwerde der Antragstellerin erfolglos bleibt (dazu III).
Rz. 10
I. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Bundesnetzagentur habe bei der Genehmigung des Regulierungskontosaldos rechtsfehlerhaft sowohl die angepassten Plankosten für die Netzreservekapazität unberücksichtigt gelassen als auch die tatsächlichen Kosten für die Bestellung der Netzreservekapazität von den vermiedenen Netzentgelten in Abzug gebracht.
Rz. 11
Bei der Genehmigung der Regulierungskontosalden sei die Bundesnetz-agentur nicht zur einer nachträglichen Anpassung einer bereits bestandskräftig festgelegten Erlösobergrenze befugt. Dem Netzbetreiber sei es nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ARegV gestattet, den Plankostenansatz der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten in seinen Erlösobergrenzen im Laufe der Regulierungsperiode selbständig fortzuschreiben. Diesem Recht stehe eine Pflicht zur Rechtskonformität mit der durch die Bundesnetzagentur zu Beginn der Regulierungsperiode vorgenommenen Festlegung der kalenderjährlichen Erlösobergrenzen nach § 32 Abs. 1, § 4 Abs. 1, 2 ARegV gegenüber. Der Netzbetreiber habe die Erlösobergrenze und darauf aufbauend den Plan-/Istwertabgleich der in der festgelegten Erlösobergrenze enthaltenen Kostenansätze in methodischer Hinsicht fortzuschreiben und die materielle Rechtslage zum Genehmigungszeitpunkt sowie die Vorgaben der Bundesnetzagentur zu beachten. Die auf diese Weise vom Netzbetreiber autonom vorgenommene Anpassung der Erlösobergrenze nach § 4 Abs. 3 ARegV sei folglich immer dann rechtmäßig und erwachse vorbehaltlich des richtigen Plan-/Istwertabgleichs in Bestandskraft, wenn sie den Kostenansatz der Erlösobergrenze unter Beachtung des materiellen Rechts und der Vorgaben der Bundesnetzagentur methodisch richtig fortschreibe.
Rz. 12
Die Bundesnetzagentur sei zwar befugt, die durch den Netzbetreiber vorgenommene Anpassung im Verfahren der Genehmigung des Regulierungskontosaldos auf ihre materielle Richtigkeit zu kontrollieren. Diese Befugnis beschränke sich aber auf die Überprüfung, ob der Netzbetreiber den von der Bundesnetzagentur mit der Erlösobergrenze festgesetzten Kostenansatz richtig fortgeschrieben habe und ob die Vorgaben der Bundesnetzagentur für die Vornahme der Anpassungen richtig umgesetzt worden seien. Eine darüberhinausgehende Befugnis, die Anpassung materiell-rechtlich zu korrigieren, habe die Bundesnetzagentur nicht. Während der Regulierungsperiode könne eine abweichende Einordnung eines im Festlegungsbescheid festgeschriebenen Kostenansatzes nicht mehr formlos erfolgen, vielmehr müsse der Festlegungsbescheid als solcher aufgehoben, abgeändert oder widerrufen werden, weil anderenfalls die Vorschriften über Änderung, Rücknahme und Widerruf nach § 29 Abs. 2 EnWG, §§ 48, 49 VwVfG umgangen würden und die Planungssicherheit der Netzbetreiber beeinträchtigt werde. Insbesondere sei die Bundesnetzagentur nicht befugt, auf eine erst im Genehmigungszeitpunkt bekannt gewordene Rechtsprechung oder neue Erkenntnisse abzustellen.
Rz. 13
Die Antragstellerin habe, da die Bundesnetzagentur dies in ihren Hinweispapieren 2014 bis 2018 (übergangsweise) gestattet habe, in den Jahren 2014 und 2015 zutreffend eine höhere Vermeidungsleistung der dezentralen Erzeugeranlagen unter Berücksichtigung der um die Netzreservekapazität verminderten Höchstbezugslast aus dem vorgelagerten Netz angesetzt. Mangels anderweitiger Hinweise der Bundesnetzagentur habe die Antragstellerin die Kosten für die Buchung von Netzreservekapazität als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile aus der erforderlichen Inanspruchnahme vorgelagerter Netzebenen gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ARegV verbuchen dürfen. Sofern die Bundesnetzagentur gleichzeitig einen Abzug der Kosten für die Buchung von Netzreservekapazität von den vermiedenen Netzentgelten für zutreffend erachtet habe, wäre sie gehalten gewesen, das ebenfalls ausdrücklich in ihren Hinweisen für die Jahre 2014 bis 2018 aufzunehmen. Die Hinweise der Bundesnetzagentur zur Berücksichtigung der Netzreservekapazität bei der Berechnung der vermiedenen Entgelte habe die Antragstellerin angesichts der von der Bundesnetzagentur vorgesehenen Übergangsregelung nur so verstehen können, dass eine Verbuchung als Kosten aus der Inanspruchnahme vorgelagerter Netzebenen zulässig gewesen sei. Nur dann erkläre sich, dass die Bundesnetzagentur die Übergangsregelung zur Vermeidung unbilliger Härten sowohl für die Netzbetreiber als auch für die Betreiber der dezentralen Erzeugungsanlagen aufgenommen habe. Die Antragstellerin habe daher für die Jahre 2014 und 2015 ihre Plankosten für die Bestellung von Netzreservekapazität und für vermiedene Netzentgelte in Einklang mit den Vorgaben der Bundesnetzagentur angepasst; diese Anpassung sei in Bestandskraft erwachsen.
Rz. 14
Für die Jahre 2016 und 2017 habe die Bundesnetzagentur die Anträge der Antragstellerin zu Recht abgelehnt, weil diese trotz der eindeutigen Hinweise der Bundesnetzagentur und nach Ablauf der Übergangsfrist die vermiedenen Netzentgelte in Widerspruch zu der verlautbarten Rechtsauffassung der Bundesnetzagentur nicht unter Ansatz des tatsächlichen Lastflusses berechnet und die Erlösobergrenzen nicht entsprechend angepasst habe. Diese angepassten Erlösobergrenzen seien daher nicht bestandskräftig geworden und einer Korrektur durch die Bundesnetzagentur zugänglich gewesen. Ein etwaiges Vertrauen der Antragstellerin sei nicht schutzwürdig.
Rz. 15
II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht in allen Punkten stand. Die Bundesnetzagentur war nach § 5 Abs. 3 ARegV berechtigt, bei der Genehmigung des Saldos des Regulierungskontos die Kosten für die Buchung von Netzreservekapazität in den Jahren 2014 und 2015 abzuziehen.
Rz. 16
1. Die auf Grundlage der Ermächtigung in § 21a Abs. 6 EnWG erlassenen Regelungen der Anreizregulierungsverordnung finden - wie der Senat in anderem Zusammenhang bereits entschieden hat - auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 2. September 2021 (C-718/18, RdE 2021, 534 Rn. 112 bis 138) weiterhin Anwendung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Oktober 2021 - EnVR 17/20, RdE 2022, 119 Rn. 13 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor II; vom 7. Dezember 2021 - EnVR 6/21, WM 2023, 630 Rn. 9 mwN - Kapitalkostenabzug; vom 30. Januar 2024 - EnVR 39/22, juris Rn. 7 mwN - Zusätzliche Urlaubstage). Angesichts der durch das Unionsrecht geforderten Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur von externen Weisungen anderer öffentlicher oder privater Stellen sind die Vorschriften der Anreizregulierungsverordnung sowie der Strom- und der Gasnetzentgeltverordnung jedoch wo auch immer möglich und bis zu der den Gerichten durch den Willen des nationalen Gesetzgebers gezogenen Grenze im Sinne einer Gewährleistung und Sicherung dieser Unabhängigkeit auszulegen. Eine gerichtliche Überprüfung erfolgt daher im Grundsatz nur noch in Bezug auf den nach diesen Maßstäben fortgeltenden nationalen Regulierungsrahmen sowie anhand unionsrechtlicher Vorgaben (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 26. Oktober 2021 - EnVR 17/20, RdE 2022, 119 Rn. 15 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor II; vom 7. Dezember 2021 - EnVR 6/21, WM 2023, 630 Rn. 10 - Kapitalkostenabzug; vom 30. Januar 2024 - EnVR 32/22, RdE 2024, 167 Rn. 10 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor IV).
Rz. 17
2. Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ARegV in der seit dem 17. September 2016 geltenden und hier maßgeblichen Fassung genehmigt die Regulierungsbehörde den nach § 5 Abs. 1 und 2 ARegV durch den Netzbetreiber ermittelten Saldo sowie dessen Verteilung durch Zu- und Abschläge auf die Erlösobergrenzen der nachfolgenden drei Kalenderjahre nach Maßgabe des § 5 Abs. 3 Satz 2 ARegV.
Rz. 18
a) Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 ARegV erfolgt eine Anpassung der nach § 4 Abs. 2 Satz 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1 ARegV von der Regulierungsbehörde für jedes Jahr der gesamten Regulierungsperiode festgelegten Erlösobergrenzen eines Netzbetreibers nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 bis 5 ARegV.
Rz. 19
aa) Die Erlösobergrenze ist nach § 3 Nr. 18b EnWG die Obergrenze der zulässigen Gesamterlöse eines Netzbetreibers aus den Netzentgelten. Das Ausgangsniveau der Erlösobergrenze wird zu Beginn der Regulierungsperiode auf Grundlage der nach § 6 Abs. 1 ARegV in Verbindung mit den Vorschriften der Stromnetzentgeltverordnung durchzuführenden Kostenprüfung unter Berücksichtigung der vom Netzbetreiber dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteile im Sinne des § 11 Abs. 2 ARegV von der Regulierungsbehörde festgelegt. Dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile fließen nach § 12 Abs. 2 ARegV nicht in den Effizienzvergleich ein und können vom Netzbetreiber nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ARegV jährlich nachgetragen werden. Die erstmalige Bestimmung der Erlösobergrenze hat insofern nur vorläufigen Charakter, sie bildet die Basis für die Anpassungen, die im Hinblick auf die im Zeitverlauf auftretenden (tatsächlichen) Veränderungen erforderlich werden (vgl. Hummel in Theobald/Kühling, Energierecht, 124. EL, § 4 ARegV Rn. 30).
Rz. 20
bb) Vor diesem Hintergrund erfolgt bei einer Änderung von nicht beeinflussbaren Kostenanteilen nach § 11 Abs. 2 Satz 1 bis 3 ARegV gemäß § 4 Abs. 3 ARegV eine Anpassung der Erlösobergrenze jeweils zum 1. Januar eines Kalenderjahres, wobei im Hinblick auf die hier maßgeblichen Erlöse und Kosten aus vermiedenen Netzentgelten (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 ARegV) sowie aus der erforderlichen Inanspruchnahme vorgelagerter Netzebenen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ARegV) auf das Kalenderjahr abzustellen ist, auf das die Erlösobergrenze anzuwenden sein soll. Die Anpassung erfolgt somit ohne Zeitverzug. Wie sich aus § 4 Abs. 3 Satz 2 ARegV ergibt, ist hierfür keine erneute Festlegung durch die Regulierungsbehörde erforderlich. Vielmehr erfolgt die Anpassung durch den Netzbetreiber selbst, ohne dass es dafür der Mitwirkung durch die Regulierungsbehörde bedarf (vgl. Hummel in Theobald/Kühling, Energierecht, 124. EL, § 4 ARegV Rn. 32; Schütte in Holznagel/Schütz, ARegR, 2. Aufl., § 4 ARegV Rn. 95). Die vorgenommenen Änderungen sind ihr lediglich nach § 28 Satz 1 Nr. 1 ARegV mitzuteilen. Der Netzbetreiber führt daher - anders als nach der Rechtslage vor Inkrafttreten der Reform der Anreizregulierungsverordnung - das Regulierungskonto nach § 5 Abs. 1 Satz 5 ARegV und nimmt die jährlichen Anpassungen der Erlösobergrenze nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 ARegV selbst vor.
Rz. 21
cc) Die Anpassung erfolgt allerdings in den hier in Rede stehenden Fällen, in denen sie nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ARegV ohne Zeitverzug vorzunehmen ist, auf der Grundlage von Planwerten, weil dem Netzbetreiber zu Beginn des Jahres die tatsächlichen Kosten typischerweise nicht bekannt sind (Schütte in Holznagel/Schütz, ARegR, 2. Aufl., § 4 ARegV Rn. 92). Der Abgleich zwischen den vom Netzbetreiber angesetzten Plan- und den tatsächlichen Ist-Werten der entsprechenden dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten- und Erlösanteile erfolgt nachträglich gemäß § 5 Abs. 1 ARegV über das Regulierungskonto.
Rz. 22
b) Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ARegV ermittelt der Netzbetreiber zum einen jährlich die Differenz zwischen den nach § 4 ARegV zulässigen Erlösen und den vom Netzbetreiber unter Berücksichtigung der tatsächlichen Mengenentwicklung erzielbaren Erlösen und verbucht sie auf dem nach § 5 Abs. 1 Satz 5 ARegV von ihm geführten Regulierungskonto. Auf diese Weise werden Abweichungen zwischen den prognostizierten und den tatsächlichen Verbrauchsmengen ausgeglichen. Ebenfalls auf dem Regulierungskonto verbucht wird nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ARegV die Differenz zwischen bestimmten für das Kalenderjahr tatsächlich entstandenen, vom Netzbetreiber dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteilen nach § 11 Abs. 2 Satz 1 ARegV und den in der Erlösobergrenze diesbezüglich enthaltenen Ansätzen. Zu diesen Kostenanteilen zählen die hier in Rede stehenden Kosten aus erforderlicher Inanspruchnahme vorgelagerter Netzebenen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ARegV) unter Einschluss der Kosten für die Buchung von Netzreservekapazität als auch die Kosten aus vermiedenen Netzentgelten im Sinne des § 18 StromNEV (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 ARegV). Zweck dieses Abgleiches ist es, dass Abweichungen zwischen den jährlich vom Netzbetreiber gemäß § 4 Abs. 3 ARegV zum 1. Januar eines Jahres angepassten Plankosten und den insoweit im Kalenderjahr tatsächlich angefallenen Kosten abgebildet werden (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2023 - EnVR 59/21, RdE 2024, 191 Rn. 15 - Kommunalrabatt).
Rz. 23
c) Auf Antrag des Netzbetreibers gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1a ARegV genehmigt die Regulierungsbehörde nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ARegV den vom Netzbetreiber ermittelten Saldo des Regulierungskontos und die sich daraus ergebende Änderung der Erlösobergrenze durch Verteilung von Zu- und Abschlägen in den folgenden Kalenderjahren. Gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 ARegV muss der Netzbetreiber diesen Antrag einmal jährlich stellen.
Rz. 24
Diese Regelung erfasst auch die Auflösung der hier in Rede stehenden Salden des Regulierungskontos der Jahre 2013 bis 2015 der zweiten Regulierungsperiode. Nach der Übergangsregelung des § 34 Abs. 4 ARegV konnten Netzbetreiber den Antrag nach § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1a in Verbindung mit § 5 ARegV erstmals zum 30. Juni 2017 stellen, wobei die erste Auflösung des Regulierungskontos alle noch offenen Kalenderjahre umfasst und abweichend von § 5 Abs. 3 Satz 1 ARegV der nach § 5 Abs. 1 ARegV ermittelte Saldo annuitätisch bis zum Ende der dritten Regulierungsperiode durch Zu- und Abschläge auf die Erlösobergrenze verteilt wird.
Rz. 25
3. Die Bundesnetzagentur war ermächtigt, im Verfahren zur Genehmigung der Salden des Regulierungskontos mit dem angefochtenen Beschluss die den Vorgaben des § 18 StromNEV widersprechende Verbuchung der Kosten für die Bestellung von Netzreservekapazität als dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten aus vermiedenen Netzentgelten im Sinne des § 18 StromNEV der Höhe nach zu korrigieren und insoweit die für die Antragstellerin geltende Erlösobergrenze für die Jahre 2013 und 2015 anzupassen. Daran war sie - anders als das Beschwerdegericht angenommen hat - nicht durch die von ihr veröffentlichten Hinweise für Verteilernetzbetreiber zur Anpassung der Erlösobergrenzen gehindert.
Rz. 26
a) Nach § 18 StromNEV erhalten Betreiber von dezentralen Erzeugungsanlagen von dem Netzbetreiber, in dessen Netz sie einspeisen, ein Entgelt. Dieses Entgelt muss den gegenüber den vorgelagerten Netz- oder Umspannebenen durch die jeweilige Einspeisung vermiedenen Netzentgelten entsprechen, die nach Maßgabe des § 120 EnWG ermittelt werden.
Rz. 27
aa) Zweck der Regelung ist es, dem Betreiber einer dezentralen Erzeugungsanlage die Vorteile zukommen zu lassen, die der Netzbetreiber infolge der dezentralen Einspeisung durch Vermeidung von Entgelten für die Nutzung vorgelagerter Netze erzielt (BGH, Beschluss vom 20. Juni 2017 - EnVR 40/16, RdE 2017, 543 Rn. 20 - Heizkraftwerk Würzburg GmbH). Nach der Begründung des Verordnungsentwurfs zu § 18 StromNEV verursacht die dezentrale Einspeisung elektrischer Energie unmittelbar eine Reduzierung der Entnahme aus der vorgelagerten Netz- oder Umspannebene. Dies habe kurzfristig zur Folge, dass aus Sicht des Netzbetreibers, in dessen Netz- oder Umspannebene dezentral eingespeist werde, der von ihm zu tragende Anteil der Kosten des vorgelagerten Netzes sinke, der von den übrigen entnehmenden Netzkunden zu tragende Anteil hingegen steige. Mittel- bis langfristig könne die dezentrale Einspeisung tendenziell zu einer Reduzierung der erforderlichen Netzausbaumaßnahmen in den vorgelagerten Netzebenen und damit zu geringeren Gesamtnetzkosten führen. Zur Abgeltung dieses Beitrags zur Netzkostenverminderung werde Betreibern von dezentral einspeisenden Erzeugungsanlagen ein Entgelt gezahlt (vgl. BR-Drucks. 245/05, S. 39; BGH, Beschluss vom 14. November 2017 - EnVR 41/16, RdE 2018, 123 Rn. 23 f. - Netzreservekapazität).
Rz. 28
bb) Die an die dezentralen Erzeugungsanlagen zu zahlenden Entgelte berechnen sich nach § 18 Abs. 2 StromNEV. Maßgeblich sind die tatsächliche Vermeidungsarbeit in Kilowattstunden, die tatsächliche Vermeidungsleistung in Kilowatt und die Netzentgelte der vorgelagerten Netz- oder Umspannebene nach Maßgabe des § 120 Abs. 2 bis 6 EnWG, wobei die Vermeidungsarbeit die Differenz zwischen der durch Letztverbraucher, Weiterverteiler und nachgelagerte Netz- oder Umspannebene entnommenen elektrischen Energie in Kilowattstunden und der aus der vorgelagerten Netz- oder Umspannebene entnommenen elektrischen Energie in Kilowattstunden ist. Die Vermeidungsleistung ist die Differenz zwischen der zeitgleichen Jahreshöchstlast aller Entnahmen aus der Netz- oder Umspannebene und der maximalen Bezugslast dieses Jahres aus der vorgelagerten Netz- oder Umspannebene in Kilowatt.
Rz. 29
cc) Bestellt der Netzbetreiber - wie hier - beim Betreiber des vorgelagerten Netzes Netzreservekapazität, federt er damit Höchstspitzen bei dem Bezug aus dem vorgelagerten Netz ab. Die Bestellung hat zur Folge, dass hohe Leistungswerte, die sich beim vorübergehenden Ausfall einer dezentralen Erzeugungsanlage einstellen, für die Zwecke der Berechnung der Entgelte für die Inanspruchnahme des vorgelagerten Netzes gegenüber dem Betreiber des nachgelagerten Netzes nicht berücksichtigt werden, sofern die Ausfallzeit einen bestimmten Höchstwert pro Jahr nicht übersteigt. Im Gegenzug hat der Besteller ein festes Entgelt zu zahlen. Dieses fällt zwar auch dann an, wenn die Reservekapazität nicht in Anspruch genommen wird. Typischerweise ist es aber geringer als das zusätzliche Entgelt, das anfiele, wenn die während der Ausfallzeiten anfallenden Leistungswerte entsprechend den allgemeinen Regeln berücksichtigt würden. Die Bestellung von Reservekapazität ermöglicht es dem Netzbetreiber mithin, sich gegen die Risiken eines vorübergehenden Ausfalls dezentraler Erzeugungsanlagen gegen Zahlung eines festen Betrags abzusichern (BGH, RdE 2018, 123 Rn. 27 - Netzreservekapazität).
Rz. 30
dd) Bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. November 2017 (RdE 2018, 123 - Netzreservekapazität) war umstritten, ob und wie eine gebuchte Netzreservekapazität bei der Berechnung der vermiedenen Netzentgelte zu berücksichtigen war. Einige Verteilernetzbetreiber ließen - so wie hier die Antragstellerin - bei der Berechnung des Entgelts für die dezentrale Einspeisung nach § 18 StromNEV die (physikalischen) Leistungswerte, die während der Inanspruchnahme von Reservekapazität anfielen (d.h. besonders hohe Leistungswerte) unberücksichtigt und legten stattdessen den geringeren (kaufmännischen) Maximalwert zugrunde. Das führte aufgrund der in § 18 Abs. 2 StromNEV vorgesehenen Berechnungsmethode zu höheren Entgelten. Die Bundesnetzagentur vertrat bis 2017 ausweislich der von ihr veröffentlichten Hinweise für Verteilernetzbetreiber zur Anpassung der Erlösobergrenze die Auffassung, dass diese Berechnungsweise mit § 18 StromNEV unvereinbar sei. Für die Berechnung der Entgelte seien die tatsächlichen physikalischen Leistungswerte zugrunde zu legen. Gleichwohl dürften Verteilernetzbetreiber zur Vermeidung unbilliger Härten bis Ende 2015 die an die dezentralen Erzeugeranlagen zu zahlenden Entgelte unter Ansatz der niedrigeren kaufmännischen Leistungswerte ermitteln. Wer die Kosten für die Bestellung von Netzreservekapazität zu tragen hat und wie sie vom Verteilernetzbetreiber zu verbuchen sind, wurde in den Hinweisen der Bundesnetzagentur nicht erörtert.
Rz. 31
ee) Der Bundesgerichtshof ist mit Verkündung des genannten Urteils der Auffassung der Bundesnetzagentur entgegengetreten und hat entschieden, dass nach Sinn und Zweck des § 18 StromNEV die Leistungswerte, die bei der Berechnung des Entgelts für die Nutzung des vorgelagerten Netzes aufgrund der Bestellung von Netzreservekapazität zur Absicherung gegen den Ausfall dezentraler Erzeugungsanlagen unberücksichtigt bleiben, auch bei der Ermittlung der maximalen Bezugslast im Sinne von § 18 Abs. 2 Satz 4 StromNEV außer Acht zu lassen sind (BGH, RdE 2018, 123 Rn. 22 - Netzreservekapazität).
Rz. 32
Zudem hat er entschieden, dass bei der Berechnung des Entgelts nach § 18 StromNEV neben dem Kostenvorteil, der dem Erzeuger dezentraler Erzeugungsanlagen zugutekommen muss, auch dem Umstand Rechnung zu tragen ist, dass der Netzbetreiber für bestellte Reservekapazität ein Entgelt zu zahlen hat. Daher sind die nach § 18 Abs. 2 StromNEV anhand der Vermeidungsarbeit, der Vermeidungsleistung und der Netzentgelte der vorgelagerten Ebene ermittelten vermiedenen Kosten um die Beträge zu verringern, die für die Buchung der Netzreservekapazität anfallen. Nur der um diese Kostenposition verminderte Differenzbetrag stellt das vermiedene Netzentgelt im Sinne von § 18 Abs. 1 StromNEV dar (BGH, RdE 2018, 123 Rn. 29 bis 31 - Netzreservekapazität). Daraus folgt, dass die Kosten für die Bestellung der Netzreservekapazität vom Betreiber der dezentralen Erzeugungsanlage und nicht von den Netzkunden zu tragen sind. Auf diese Weise soll eine Benachteiligung der Nutzer des Verteilernetzes verhindert werden, die daraus entstünde, dass dem Einspeiser nur die finanziellen Vorteile der Bestellung von Netzreservekapazität zugutekommen würden, die dafür anfallenden Kosten indes auf alle Netznutzer verteilt würden (BGH, RdE 2018, 123 Rn. 34 f. - Netzreservekapazität).
Rz. 33
ff) Die Antragstellerin hat in den hier maßgeblichen Zeiträumen die nach § 18 StromNEV an die Betreiber der an ihr Netz angeschlossenen dezentralen Erzeugungsanlagen zu zahlende Vergütung - ungeachtet der anderslautenden Hinweise der Bundesnetzagentur - in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berechnet und dabei nicht die höheren physikalischen Leistungswerte, sondern die niedrigeren kaufmännischen Werte zugrunde gelegt. Sie hat allerdings in Widerspruch zu den vorstehenden Grundsätzen bei der Berechnung der vermiedenen Netzentgelte die Kosten für die Bestellung von Netzreservekapazität nicht abgezogen. Sie hat zudem bei der dem Netzbetreiber obliegenden jährlichen Anpassung der Erlösobergrenze nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ARegV zum einen diese Kosten als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile der erforderlichen Inanspruchnahme vorgelagerter Netze nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ARegV angesetzt und zudem die ungekürzten, an die Anlagenbetreiber gezahlten Beträge als vermiedene Netzentgelte und damit als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 ARegV zu Lasten der Netzkunden verbucht.
Rz. 34
b) Rechtsfehlerhaft hat das Beschwerdegericht für die Jahre 2014 und 2015 der Bundesnetzagentur die Befugnis zur Überprüfung der von der Antragstellerin in Ansatz gebrachten vermiedenen Netzentgelte mit der Begründung abgesprochen, die unverbindlichen Hinweise der Bundesnetzagentur könnten die ihr verordnungsrechtlich nach § 5 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 ARegV zugesprochene Prüfungskompetenz beschränken.
Rz. 35
aa) Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist die Bundesnetzagentur zwar auch im Verfahren zur Genehmigung der Salden des Regulierungskontos im Ausgangspunkt befugt, die Anpassungen der Netzbetreiber auf ihre materielle Richtigkeit zu überprüfen. Diese Kontrolle soll aber auf die Frage beschränkt sein, ob die Anpassungen den Kostenansatz der von der Bundesnetzagentur festgelegten Erlösobergrenze richtig fortschreiben und ob mit der Anpassung die von ihr verlautbarten Vorgaben richtig umgesetzt würden. Zu solchen Vorgaben seien auch die veröffentlichten Hinweise der zuständigen Beschlusskammer für Verteilernetzbetreiber zur Anpassung der Erlösobergrenze zu zählen. Die Bundesnetzagentur sei daher auch nicht ermächtigt, auf eine erst zum Genehmigungszeitpunkt bekannt gewordene Rechtsprechung oder auf neue Erkenntnisse abzustellen. Vielmehr sei eine Änderung in solchen Fällen nur nach den Voraussetzungen der § 29 Abs. 2 EnWG, §§ 48, 49 VwVfG möglich.
Rz. 36
bb) Damit misst das Beschwerdegericht den Hinweisen der Beschlusskammer eine diesen weder durch das Gesetz noch durch die Anreizregulierungsverordnung zugewiesene Rechtsqualität bei. Bei diesen Hinweisen handelt es sich um informelle Verlautbarungen der zuständigen Beschlusskammer, in denen sie ihre Rechtsauffassung zu bestimmten Fragen der Anpassungen der Erlösobergrenze äußert und ihre Verwaltungspraxis erläutert. Eine den Regelungsgehalt des § 18 StromNEV abändernde oder die Befugnisse der Bundesnetzagentur nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ARegV beschränkende Regelungswirkung kommt solchen Veröffentlichungen - ebenso wie dies für Leitfäden der Bundesnetzagentur anerkannt ist - nicht zu (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2018 - EnVR 12/17, RdE 2018, 531 Rn. 26; BVerwG, NVwZ-RR 2017, 385 Rn. 25). Das räumt auch die Rechtsbeschwerdeerwiderung ein. Von der Festlegungskompetenz nach § 32 Abs. 1 Nr. 1, 2 ARegV hat die Bundesnetzagentur mit den Hinweisen ersichtlich keinen Gebrauch machen wollen. Ebenso wenig hat sie damit eine Festlegung nach § 30 Abs. 2 Nr. 7 StromNEV zur sachgerechten Ermittlung der Entgelte für dezentrale Einspeisung im Sinne des § 18 StromNEV getroffen. Ob derartige Hinweise in Form eines schlicht-hoheitlichen Handelns aus Gründen der Gleichbehandlung und des Vertrauensschutzes eine Selbstbindung der Bundesnetzagentur begründen können, ist eine davon zu unterscheidende Frage (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2018 - EnVR 12/17, RdE 2018, 531 Rn. 26).
Rz. 37
cc) Angesichts dessen hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft angenommen, die Bundesnetzagentur habe mit dem angefochtenen Beschluss bereits deshalb ihre Kompetenz nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ARegV überschritten, weil die Antragstellerin die Buchungskosten für Netzreservekapazität entsprechend den von der Beschlusskammer veröffentlichten Hinweise berücksichtigt und ihre diesbezüglichen Kostenpositionen nach § 4 Abs. 3 ARegV angepasst hätte. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob den Hinweisen entnommen werden musste, dass nach Auffassung der Bundesnetzagentur die Kosten für die Buchung von Netzreservekapazität von den Netznutzern und nicht von den Betreibern dezentraler Erzeugungsanlagen zu tragen seien.
Rz. 38
dd) Der Entscheidung der Bundesnetzagentur konnte, anders als das Beschwerdegericht angenommen hat, auch keine Bestandskraft der von der Antragstellerin gemäß § 4 Abs. 3 ARegV vorgenommenen Anpassungen der Erlösobergrenze im Hinblick auf die hier maßgeblichen dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteile entgegenstehen. Eine Anpassung der Erlösobergrenze, die ein in der Rechtsform des Privatrechts handelnder Netzbetreiber vornimmt, ist kein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG, der in Bestandskraft erwachsen könnte. Vielmehr unterliegt sie einer Prüfung durch die Regulierungsbehörde nach Maßgabe des § 5 Abs. 3 ARegV. Inhaltliche Grenzen können der Überprüfung darüber hinaus durch eine in Bestandskraft erwachsene Festlegung der kalenderjährlichen Erlösobergrenze nach § 4 Abs. 2 Satz 1 ARegV gezogen werden. Zu den dort enthaltenen Regelungen darf sich die Regulierungsbehörde bei der Genehmigung des Regulierungskontosaldos nicht in Widerspruch setzen.
Rz. 39
4. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts kann danach keinen Bestand haben, soweit es den Beschluss der Bundesnetzagentur für die Jahre 2014 und 2015 aufgehoben hat. Die Entscheidung erweist sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig.
Rz. 40
Die Bundesnetzagentur war weder nach §§ 4, 5 ARegV (dazu a) noch aufgrund der ursprünglichen Festlegung zur Bestimmung der kalenderjährlichen Erlösobergrenzen für die zweite Regulierungsperiode daran gehindert, bei dem Abgleich der Plan- und Istkosten gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 ARegV die von der Antragstellerin angesetzten Kosten für vermiedene Netzentgelte im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 ARegV zu kürzen (dazu b). Dem stehen auch Gründe des Vertrauensschutzes nicht entgegen (dazu c).
Rz. 41
a) Die Antragstellerin hat bei der Anpassung der Erlösobergrenzen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ARegV die Kostenposition für vermiedene Netzentgelte gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 ARegV in Verbindung mit § 18 StromNEV unzutreffend berechnet. Eine solche, den gesetzlichen Vorgaben nicht entsprechende Entgeltberechnung kann die Bundesnetzagentur bei der Genehmigung des Regulierungskontosaldos korrigieren.
Rz. 42
Zwar dient das Regulierungskonto im Hinblick auf die Buchung dauerhaft nicht beeinflussbarer Kostenanteile in erster Linie dem Abgleich zwischen den vom Netzbetreiber nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ARegV angesetzten Plankosten und den nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ARegV für die Bestimmung des Saldos maßgeblichen, im Kalenderjahr tatsächlich angefallenen Kosten. Jedoch ist die Genehmigung nicht auf die Nachprüfung beschränkt, ob der Netzbetreiber die Differenz zwischen diesen beiden Werten rechnerisch zutreffend ermittelt hat. Vielmehr kann die Regulierungsbehörde auch überprüfen, ob die jeweiligen Kosten überhaupt, und wenn ja, ob sie auch in der konkret geltend gemachten Höhe tatsächlich angefallen sind. In diesem Zusammenhang muss sie auch kontrollieren, ob der Netzbetreiber die von ihm für die Zwecke der Ermittlung des Saldos des Regulierungskontos angesetzten Kosten entsprechend den gesetzlichen oder verordnungsrechtlichen Vorgaben zutreffend berechnet hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich die Regulierungsbehörde mit einer solchen Entscheidung in Widerspruch zu dem in Bestandskraft erwachsenen Bescheid nach § 4 Abs. 2 Satz 1 ARegV zur Festlegung der kalenderjährlichen Erlösobergrenzen und den dort enthaltenen Regelungen setzt.
Rz. 43
aa) Für dieses Verständnis spricht zunächst der Wortlaut der in § 5 Abs. 3 Satz 1 ARegV in Bezug genommenen Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 ARegV. Danach sind für die Bildung der Differenz zwischen Plan- und Istkosten die im Kalenderjahr tatsächlich entstandenen (Ist-)Kosten nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 ARegV anzusetzen. Diese Formulierung macht deutlich, dass entstandene Kosten in Bezug auf vermiedene Netzentgelte nicht in jeglicher Höhe, sondern nur insoweit zu berücksichtigen sind, als sie den Vorgaben des durch § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 ARegV in Bezug genommenen § 18 StromNEV entsprechen. Mithin hat der Netzbetreiber bei der ihm obliegenden Ermittlung des Saldos die in dieser Vorschrift geregelte Methode zur Berechnung der vermiedenen Netzentgelte zu beachten. Wie sich aus der dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt (oben Rn. 28 ff.), hat ein Betreiber dezentraler Erzeugungsanlagen nach § 18 StromNEV nur Anspruch auf ein um die Kosten für Netzreservekapazität vermindertes Entgelt. Nur in dieser Höhe darf auch der Netzbetreiber die an die Betreiber der dezentralen Erzeugungsanlagen gezahlten Beträge als dauerhaft unbeeinflussbare Kostenanteile sowohl bei der Anpassung der Erlösobergrenze nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ARegV als auch bei der Ermittlung der Differenz zwischen Plan- und Istkosten ansetzen, weil es sich nur insoweit um vermiedene Netzentgelte im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 ARegV handelt. Anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint, ist eine derartige materiell-rechtliche Vorgabe der Stromnetzentgeltverordnung vom Prüfungsprogramm des § 5 Abs. 3 ARegV nach dem Wortlaut der Vorschrift ausdrücklich umfasst.
Rz. 44
Soweit der Verordnungsgeber in § 5 Abs. 1 Satz 1 ARegV von "zulässigen" und "erzielbaren" Erlösen spricht, ergibt sich daraus ebenfalls kein Anhaltspunkt dafür, dass die genannten Vorgaben für die Berechnung vermiedener Netzentgelte nach § 18 StromNEV bei der Genehmigung des Regulierungskontosaldos unberücksichtigt bleiben müssen. § 5 Abs. 1 Satz 1 ARegV betrifft Abweichungen zwischen den geplanten und den tatsächlich bezogenen Energiemengen, die aufgrund von Prognoseunsicherheiten über zukünftigen Energieverbrauch entstehen. Vermiedene Netzentgelte nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 ARegV unterliegen hingegen dem Abgleich zwischen Plan- und Istkosten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ARegV. Ungeachtet dessen verweist auch der Begriff der zulässigen Erlöse auf die Notwendigkeit, diese Erlöse in Übereinstimmung mit der Stromnetzentgeltverordnung zu bestimmen und diese Vorgaben insoweit auch beim Abgleich zwischen Plan- und Istkosten zu berücksichtigen.
Rz. 45
bb) Dieses Verständnis stimmt auch mit der verordnungsrechtlichen Systematik überein. Das Ausgangsniveau für die Bestimmung der kalenderjährlichen Erlösobergrenzen wird vor Beginn der Regulierungsperiode auf Grundlage der nach § 6 Abs. 1 ARegV durchzuführenden Kostenprüfung unter Berücksichtigung der vom Netzbetreiber dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteile im Sinne des § 11 Abs. 2 ARegV von der Regulierungsbehörde nach § 4 Abs. 2 Satz 1 ARegV festgelegt. Dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile werden als durchlaufende Posten über die Netzentgelte auf die Netznutzer gewälzt.
Rz. 46
Die Erlösobergrenzen berechnen sich allerdings auf Grundlage der bei den Netzbetreibern im Basisjahr angefallenen Kosten einschließlich der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteile, so dass es sich bei den nach § 4 Abs. 2 Satz 1 ARegV für jedes Jahr der Regulierungsperiode bestimmten Beträgen nur um Planwerte handelt. Die erstmalige Bestimmung der kalenderjährlichen Erlösobergrenzen hat daher nur vorläufigen Charakter, indem sie die Basis für die Anpassungen bildet, die im Hinblick auf die im Zeitverlauf auftretenden Veränderungen erforderlich werden (oben Rn. 19).
Rz. 47
Das entspricht Sinn und Zweck des § 4 ARegV. Die dort als zentraler Bestandteil des Anreizregulierungssystems vorgesehenen Regelungen über jährliche Anpassungen zielen darauf ab, die für die Dauer der Regulierungsperiode festgelegte Erlösobergrenze hinreichend flexibel für Änderungen innerhalb der Regulierungsperiode zu halten (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 ARegV). Soweit nach § 4 Abs. 3 bis 5 ARegV erhebliche Änderungen eintreten, erfolgt unter den dort normierten Voraussetzungen eine Anpassung der Erlösobergrenze. Um dem Ziel einer flexiblen Erlösobergrenze gerecht zu werden, muss eine nach § 4 Abs. 3 bis 5 ARegV erhebliche Veränderung zu einer Anpassung führen; aus kontinuierlich eintretenden Veränderungen folgt in der Regel eine kontinuierliche Anpassung. Nur dies ermöglicht die in diesem Bereich erstrebte Verknüpfung der Erlösobergrenze mit den tatsächlichen Veränderungen (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2020 - EnVR 122/18, RdE 2020, 419 Rn. 12 - Anpassung der Erlösobergrenze).
Rz. 48
Die tatsächlichen Veränderungen betreffen bei der in Streit stehenden Kostenposition den Umfang der im maßgeblichen Kalenderjahr tatsächlich an die Betreiber dezentraler Erzeugungsanlagen gezahlten vermiedenen Netzentgelte. Dieser hängt nach § 18 StromNEV von der bezogenen und der abgegebenen Energiemenge, der maximalen Bezugslast aus der vorgelagerten Netzebene unter Berücksichtigung der bestellten Netzreservekapazität, der Jahreshöchstlast aller Entnahmen aus dem Netz, der Netzentgelte der vorgelagerten Netzebene sowie der Kosten für die gebuchte Netzreservekapazität ab. Nur bei zutreffendem Ansatz dieser Positionen handelt es sich um dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 ARegV (oben Rn. 31 f.).
Rz. 49
Insofern besteht allerdings keine Gewähr dafür, dass der Netzbetreiber nur die tatsächlich angefallenen Kosten und diese auch nur - soweit wie hier beschränkt - in der gesetzlich zulässigen Höhe in Ansatz bringt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass auch Kostenpositionen, die im Basisjahr noch nicht angefallen sind, als dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten nach § 4 Abs. 3 ARegV vom Netzbetreiber nachgetragen werden können und sodann auch bei der Entscheidung nach § 5 Abs. 3 ARegV - selbstverständlich - einer Überprüfung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach unterliegen.
Rz. 50
Daraus folgt, dass jedenfalls im Hinblick auf vermiedene Netzentgelte mit der Festlegung der kalenderjährlichen Erlösobergrenze nach § 4 Abs. 2 Satz 1 ARegV zwar eine bestimmte Kostenposition dem Grunde nach als dauerhaft nicht beeinflussbarer Kostenanteil anerkannt wird. Das kann durch die Genehmigungsentscheidung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ARegV über das Regulierungskonto nicht mehr geändert werden. Der Änderung durch die Regulierungsbehörde unterworfen sind jedoch die jeweiligen Beträge in ihrer konkreten Höhe in Abhängigkeit der besonderen Gegebenheiten des jeweiligen Kalenderjahrs.
Rz. 51
cc) Auch Sinn und Zweck der Genehmigungspflicht nach § 5 Abs. 3, § 4 Abs. 4 ARegV sprechen für eine solche Prüfungsbefugnis. Das Regulierungskonto stellt zum einen sicher, dass ungeplante Differenzen zwischen den tatsächlichen Erlösen und den durch die Netzentgeltbildung prognostizierten Erlösen sich weder zu Lasten noch zu Gunsten des Netzbetreibers auswirken (BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2019 - EnVR 12/18, RdE 2020, 182 Rn. 31 - Veröffentlichung von Daten II). Zum anderen wollte der Verordnungsgeber mit der Genehmigung nach § 5 Abs. 3 ARegV etwaigen Missbrauchspotentialen begegnen (Beschluss des Bundesrates vom 21. September 2007, BR-Drucks. 417/07 [Beschluss], S. 2; BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2023 - EnVR 59/21, RdE 2024, 191 Rn. 15 - Kommunalrabatt). Diese Genehmigungspflicht soll insoweit sicherstellen, dass tatsächliche Kosten, die im Vergleich zu den (angepassten) Plankosten geringer ausfallen, bei der Entgeltbildung berücksichtigt und somit die Kostenersparnis des Netzbetreibers an den Netznutzer weitergegeben werden. Damit in Einklang steht das Bedürfnis der Regulierungsbehörde, im Interesse der Netznutzer gesetzlich oder verordnungsrechtlich näher definierte Kostenpositionen daraufhin zu kontrollieren, ob diese in Einklang mit diesen Vorgaben berechnet worden sind. Das gilt - worauf die Bundesnetzagentur im angefochtenen Bescheid hingewiesen hat - in besonderem Maße, wenn die Kosten Zahlungen an Dritte widerspiegeln und die Dritten ebenso wie der Netzbetreiber Teil eines vertikal integrierten Konzernverbunds sind.
Rz. 52
Vor diesem Hintergrund hat der Netzbetreiber der Regulierungsbehörde mit dem Antrag auf Genehmigung des Regulierungskontosaldos nach § 5 Abs. 4 ARegV die der Anpassung zugrundeliegenden Daten zur Verfügung zu stellen. Damit sollen Bewegungen auf dem Regulierungskonto für die genehmigende Regulierungsbehörde transparent, mithin nachvollziehbar, dargestellt werden (BR-Drucks. 296/16, S. 32). Die vom Verordnungsgeber als erforderlich erachtete Transparenz belegt, dass die Bewegungen auf dem Regulierungskonto, mithin auch die ihnen zugrundeliegenden Anpassungen der Erlösobergrenzen nach § 4 Abs. 2 Satz 2 ARegV sowie die Ermittlung des Saldos der Prüfung durch die Regulierungsbehörde unterliegen. Dass die Netzbetreiber nach § 28 Satz 1 Nr. 1 ARegV darüber hinaus verpflichtet sind, der Bundesnetzagentur die Anpassungen der Erlösobergrenze nach § 4 Abs. 3 ARegV sowie die ihnen zugrunde liegenden Änderungen einzelner dauerhaft nicht beeinflussbarerer Kostenanteile mitzuteilen, spricht nicht gegen eine Prüfungskompetenz der Regulierungsbehörde, sondern soll gewährleisten, dass diese über vom Netzbetreiber vorgenommene Änderungen laufend und nicht erst beim Antrag auf Genehmigung des Regulierungskontosaldos nach § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1a ARegV informiert ist und gegebenenfalls Aufsichtsmaßnahmen nach § 65 EnWG ergreifen kann. Der Umstand, dass die Regulierungsbehörde vorliegend von einem etwaigen Aufgreifermessen keinen Gebrauch gemacht hat, beschränkt ihre nach § 5 Abs. 3 ARegV bestehenden Befugnisse nicht.
Rz. 53
dd) Danach liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Verordnungsgeber die regulierungsbehördliche Kontrolle der tatsächlich an die Betreiber dezentraler Erzeugungsanlagen gezahlten Entgelte aufgeben wollte, indem er sowohl die jährliche Anpassung der Erlösobergrenze im Hinblick auf veränderte dauerhaft nicht beeinflussbare Kosten- und Erlösanteile als auch die Führung des Regulierungskontos zum Abgleich zwischen den entsprechenden Plan- und Istkosten in die alleinige Verantwortung der Netzbetreiber gelegt hat. Diese haben die jährlichen Anpassungen der Erlösobergrenze ebenso wie die Ermittlung der Regulierungskontosaldos - selbstverständlich - nach Maßgabe der gesetzlichen oder verordnungsrechtlichen Vorschriften vorzunehmen. Das erfordert eine entsprechende Prüfungskompetenz der Regulierungsbehörde.
Rz. 54
ee) Auch § 21a Abs. 3 Satz 3 EnWG in der bis zum 29. Dezember 2023 geltenden Fassung (aF) steht einer Befugnis der Bundesnetzagentur nach § 5 Abs. 3 ARegV, vermiedene Netzentgelte im Hinblick auf ihre Übereinstimmung mit § 18 StromNEV zu überprüfen, im Grundsatz nicht entgegen.
Rz. 55
§ 21a Abs. 3 Satz 3 EnWG aF sah vor, dass die Vorgaben für Erlösobergrenzen während einer Regulierungsperiode unverändert bleiben, sofern nicht Änderungen staatlich veranlasster Mehrbelastungen auf Grund von Abgaben oder der Abnahme- und Vergütungspflichten nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz und dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz oder anderer, nicht vom Netzbetreiber zu vertretender Umstände eintreten.
Rz. 56
Diese Bestimmung enthält einen Rahmen für den Verordnungsgeber; sie soll Vertrauen bei den Unternehmen schaffen, dass mit zusätzlichen Anstrengungen zur Kostensenkung tatsächlich höhere Gewinne während der Regulierungsperiode erzielt werden können (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2020 - EnVR 122/18, RdE 2020, 419 Rn. 15 - Anpassung der Erlösobergrenze). Die Vorschrift stellt insoweit auch klar, dass vom Netzbetreiber nicht beeinflussbare Umstände, insbesondere Mengenentwicklungen oder sonstige nicht beeinflussbare Kostenentwicklungen, sich nicht erlösmindernd zu seinen Lasten auswirken sollen (Meinzenbach in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Aufl., § 21a EnWG Rn. 67 f.). Insoweit gebietet sie auch die Möglichkeit einer Anpassung der vor Beginn der Regulierungsperiode festgelegten kalenderjährlichen Erlösobergrenzen (s.o. Rn. 19 ff.). Das schließt einen notwendigerweise rückwirkenden Abgleich zwischen Plan- und Istkosten über das Regulierungskonto nicht aus, weil Grundlage für die Berechnung der dem Netzbetreiber zustehenden Erlöse im Ergebnis nur die tatsächliche Kostensituation, nicht aber die auf Prognosen des Netzbetreibers beruhenden Planansätze sein müssen. Sofern Anpassungen von Planansätzen - wie hier - ohne Zeitverzug wirksam werden, entfaltet der spätere Abgleich über das Regulierungskonto notwendigerweise Rückwirkung. Ebenfalls nicht ausgeschlossen ist damit eine Überprüfung der Höhe der vom Netzbetreiber angesetzten Kosten für vermiedene Netzentgelte am Maßstab der - im Grundsatz für den Netzbetreiber erkennbaren - Vorgaben des § 18 Abs. 1 StromNEV. Dem von § 21a Abs. 3 Satz 3 EnWG aF geschaffenen Regelungsrahmen steht insoweit auch nicht entgegen, dass die Bundesnetzagentur bei der Genehmigung des Regulierungskontosaldos daran gehindert wäre, wie das Beschwerdegericht angenommen hat, Rechtsänderungen und Rechtskenntnisse zu verwerten, die erst zum Genehmigungszeitpunkt vorliegen, nach allgemeinen Regeln zu berücksichtigen. Eine Pflicht zur Anerkennung von durch den Netzbetreiber fortgeschriebenen Kostenpositionen, die der Netzbetreiber in rechtswidriger Höhe nach § 4 Abs. 3 ARegV angepasst hat, ergibt sich aus § 21a Abs. 3 Satz 3 EnWG aF nicht.
Rz. 57
§ 21a Abs. 3 Satz 3 EnWG aF schließt es nicht aus, dass die Bundesnetzagentur zum einen prüfen muss, ob die Bestandskraft des Festlegungsbescheids nach § 4 Abs. 2 Satz 1 ARegV einer Korrektur der vom Netzbetreiber fortgeschriebenen Kostenpositionen entgegensteht und inwiefern erst nachträglich zu Tage tretende und für den Netzbetreiber nicht erkennbare Rechtsentwicklungen nach allgemeinen Regeln unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes auch auf zurückliegende Sachverhalte anzuwenden sind (dazu unten 69 ff.). Ist die ursprünglich vorgegebene Erlösobergrenze eine flexible dynamische Größe (Meinzenbach in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, § 21a EnWG Rn. 67), die ständigen Veränderungen über die Dauer der Regulierungsperiode unterworfen ist, die zum Teil nur rückwirkend über das Regulierungskonto mit den tatsächlichen Gegebenheiten des maßgeblichen Kalenderjahrs abgeglichen werden, so rechtfertigt sich daraus auch eine Befugnis des Verordnungsgebers, notwendigerweise rückwirkende Genehmigungsentscheidungen unter Beachtung der allgemeinen, ohnehin geltenden Grundsätze des Vertrauensschutzes vorzusehen, ohne dass die Regulierungsbehörde zugleich in jedem Fall verpflichtet wäre, den ursprünglichen, auf den Plankosten basierenden Festlegungsbescheid nach den Regeln der §§ 48, 49 VwVfG aufheben zu müssen.
Rz. 58
ff) Schließlich steht auch das Gebot, die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde zu gewährleisten (oben Rn. 16), einer besonders restriktiven Auslegung ihrer Prüfungskompetenzen entgegen. Insoweit ist zu beachten, dass Art. 37 Abs. 10 der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie) einer rückwirkenden Anpassung der Erlösobergrenze nicht entgegensteht. Die Bestimmung zeigt im Gegenteil, dass der Richtliniengeber rückwirkende Anpassungen für zulässig hält (BGH, Beschluss vom 11. Februar 2020 - EnVR 122/18, RdE 2020, 419 Rn. 16 f. - Anpassung der Erlösobergrenze).
Rz. 59
b) Die Bundesnetzagentur war vorliegend auch nicht durch die Bestandskraft der ursprünglichen Festlegung zur Bestimmung der kalenderjährlichen Erlösobergrenzen an einer Korrektur des Saldos im Hinblick auf die geltend gemachten vermiedenen Netzentgelte gemäß § 5 Abs. 3, 1 in Verbindung mit § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 ARegV gehindert.
Rz. 60
aa) Das Beschwerdegericht ist zwar davon ausgegangen, dass in einer Festlegung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 ARegV ein Kostenansatz im Sinne einer Methode für die Berechnung bestimmter Kostenarten vorgegeben sein kann und diese Vorgabe die Bundesnetzagentur wegen der Bestandskraft des Festlegungsbescheids bei der Genehmigungsentscheidung nach § 5 Abs. 3 ARegV binde, sofern der Netzbetreiber die Erlösobergrenze in Übereinstimmung mit dieser Methode anpasse.
Rz. 61
bb) Die Antragstellerin hat im Basisjahr für die zweite Regulierungsperiode aber keine Netzreservekapazität gebucht. Der Festlegungsbescheid konnte daher - anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint - keine Regelung zu der Frage enthalten, wie die Kosten für die Buchung von Netzreservekapazität im Zusammenhang mit den vermiedenen Netzentgelten und den Kosten für die erforderliche Inanspruchnahme gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 4, 8 ARegV bei der Anpassung der Erlösobergrenzen durch die Antragstellerin zu verbuchen sind. Aus dem Umstand, dass die Bundesnetzagentur im Zuge der Kostenprüfung bei der Kostenposition der vermiedenen Netzentgelte nach § 11 Abs. 2 Nr. 8 ARegV keine Abzugsposition für die Kosten von Netzreservekapazität vorgesehen hat, der sie den Wert null hätte zuweisen müssen, kann eine positive Regelung zur Berechnungsmethode nicht abgeleitet werden.
Rz. 62
cc) Soweit die Bundesnetzagentur auch die Plankosten für die Buchung von Netzreservekapazität bei den zulässigen Erlösen vollständig gekürzt hat, kann dahinstehen, ob sie sich damit in Widerspruch zu der in Bestandskraft erwachsenen Regelung der Festlegung gesetzt hat. Jedenfalls hat sich das nicht erheblich ausgewirkt, weil die Bundesnetzagentur den Saldo des Regulierungskontos im Hinblick auf die dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteile nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, 8 ARegV nur einmal um den tatsächlich angefallenen Betrag in Höhe von 27.166.684 € gekürzt hat und damit auch nur dieser Betrag als Abschlag auf die nachfolgenden Erlösobergrenzen verteilt, mithin nicht auf die Netzkunden abgewälzt werden kann. Durch die Korrektur ist auch sichergestellt, dass die Kostenposition für die Netzbetreiber in jedem Fall - wie bislang - ein durchlaufender Posten ist und sie sich nicht zu seinen Lasten erlösmindernd auswirkt. Gegenteiliges hat das Beschwerdegericht nicht festgestellt und macht auch die Antragstellerin nicht geltend. Die Bundesnetzagentur hat im angefochtenen Beschluss auch deutlich gemacht, dass die Kosten für die Buchung von Netzreservekapazität nicht von der Antragstellerin, sondern im Ergebnis von den Betreibern der dezentralen Erzeugungsanlagen zu tragen sind.
Rz. 63
Dass die Antragstellerin aufgrund des langen zeitlichen Abstands, der zwischen den regulierungsrechtlichen Sachverhalten der Jahre 2013 bis 2015 und der Genehmigungsentscheidung nach § 5 Abs. 3 ARegV liegt, möglicherweise aus zivilrechtlichen Gründen gehindert ist, nach den Vorgaben des § 18 StromNEV zu viel gezahlte Entgeltanteile von den Betreibern dezentraler Erzeugungsanlagen zurückzuverlangen, kann die regulierungsrechtliche Beurteilung im Grundsatz nicht beeinflussen. Derartige Gesichtspunkte sind nach allgemeinen Regeln nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes zu beurteilen.
Rz. 64
c) Der Entscheidung der Bundesnetzagentur stehen - was der Senat auf Grundlage der getroffenen Feststellungen selbst entscheiden kann - auch nicht die Grundsätze des Vertrauensschutzes entgegen, wie es das Beschwerdegericht im Hinblick auf die Korrektur der von der Antragstellerin angesetzten Beträge für die Jahre 2016 und 2017 im Ergebnis zutreffend angenommen hat. Durchgreifende Anhaltspunkte, nach denen das Vertrauen der Antragstellerin schutzwürdig gewesen wäre, zeigt die Rechtsbeschwerdeerwiderung nicht auf, solche sind auch nicht ersichtlich (dazu unten Rn. 74 ff.).
Rz. 65
III. Die zulässige Anschlussrechtsbeschwerde der Antragstellerin hat im Ergebnis keinen Erfolg.
Rz. 66
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Bundesnetzagentur habe die von der Antragstellerin angepassten dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteile für vermiedene Netzentgelte nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 ARegV für die Jahre 2016 und 2017 um die Kosten für die Buchung kürzen dürfen, weil die Antragstellerin trotz der eindeutigen Hinweise der Bundesnetzagentur und nach Ablauf der Übergangsfrist die vermiedenen Netzentgelte in Widerspruch zu der verlautbarten Rechtsauffassung der Bundesnetzagentur unter Ansatz des kaufmännisch berechneten Lastflusses ermittelt und die Erlösobergrenzen entsprechend angepasst habe.
Rz. 67
Die beanstandete Regulierungspraxis begegne auch keinen vertrauensschutzrechtlichen Bedenken. Ein schutzwürdiges Vertrauen könne nicht entstehen, wenn eine Rechtsposition in der Kenntnis erworben werde, dass ihr Erwerb der vorgegebenen Verwaltungspraxis widerspreche. Die Bundesnetzagentur habe in ihren Hinweisen für Verteilernetzbetreiber ausdrücklich geregelt, dass die maximale Bezugslast aus dem vorgelagerten Netz dem tatsächlichen Lastfluss entspreche und die Buchung von Netzreservekapazität die Vermeidungsleistung nicht erhöhe. Da sich die Antragstellerin an diese Verwaltungspraxis nicht gehalten habe, fehle es an einem schutzwürdigen Vertrauen auf den Bestand ihrer Rechtsposition. Sie habe damit rechnen müssen, dass die Bundesnetzagentur bei der Genehmigung des Regulierungskontosaldos die Einhaltung der Verwaltungsvorgaben überprüfen und die vorgenommenen Anpassungen korrigieren werde. Es sei unschädlich, dass der Bundesnetzagentur die entsprechenden, nach § 28 ARegV übermittelten Daten vorgelegen hätten, weil die angepasste Erlösobergrenze im Hinblick auf die streitige Anpassung jedenfalls insoweit offen gewesen sei und noch bei der Genehmigungsentscheidung nach § 5 Abs. 3 ARegV hätte berücksichtigt werden können.
Rz. 68
2. Diese Begründung rechtfertigt nicht die Zurückweisung der Beschwerde der Antragstellerin. Das Beschwerdegericht hat den Hinweisen der Bundesnetzagentur eine Wirkung beigemessen, die ihnen nicht zukommt (oben Rn. 36). Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, war die Bundesnetzagentur jedoch aus anderen Gründen befugt, die in Rede stehenden, von der Antragstellerin vorgenommenen Anpassungen der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteile einer Prüfung im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit § 18 StromNEV zu unterziehen (oben Rn. 41 ff.).
Rz. 69
3. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts erweist sich aber aus anderen Gründen als richtig. Das Beschwerdegericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Bundesnetzagentur mit den angefochtenen Beschlüssen die angesetzten Kosten für vermiedene Netzentgelte kürzen durfte (oben Rn. 41 ff.). Dem steht, wie das Beschwerdegericht ebenfalls im Ergebnis zutreffend angenommen hat, ein von der Antragstellerin geltend gemachter Vertrauensschutz nicht entgegen; insbesondere durfte die Bundesnetzagentur die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Berechnung der vermiedenen Netzentgelte berücksichtigen, auch wenn diese erst nach der von der Antragstellerin vorgenommenen Anpassung der Erlösobergrenze ergangen war. Durchgreifende Rechtsfehler zeigt die Anschlussrechtsbeschwerde insoweit nicht auf.
Rz. 70
a) Die Änderung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung entfaltet nicht nur Wirkungen für die Zukunft, sondern auch für früher begründete, noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehungen (BGH, Urteil vom 12. Januar 2023 - I ZR 49/22, WRP 2023, 709 Rn. 40 - Unterwerfung durch PDF). Nichts anderes gilt für Fälle, in denen durch höchstrichterliche Rechtsprechung einer Rechtsauffassung der Regulierungsbehörde entgegengetreten und eine sich daraus ergebende Folgefrage, die bislang kein Gegenstand der Regulierungspraxis gewesen ist, erstmals durch die höchstrichterliche Rechtsprechung aufgeworfen und zugleich beantwortet wird.
Rz. 71
b) Zwar setzt die Systematik der §§ 4, 5 ARegV voraus, dass die Genehmigung des Regulierungskontosaldos in zurückliegende Sachverhalte eigreift und insoweit zwangsläufig Rückwirkung entfalten muss. Den Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes und der Anreizregulierungsverordnung sind indes keine Vorgaben darüber zu entnehmen, ob eine erst nach Anpassung der Erlösobergrenze durch den Netzbetreiber nach § 4 Abs. 3 ARegV zu Tage getretene Rechtsentwicklung zu berücksichtigen ist.
Rz. 72
In diesen Fällen muss die Bundesnetzagentur, wie sie zutreffend erkannt hat, unter Beachtung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes nach allgemeinen Regeln abwägen, ob die Anwendung des § 18 Abs. 2 StromNEV unter Berücksichtigung der späteren Rechtsprechung auch für die hier maßgeblichen Jahre angemessen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2020 - EnVR 122/18, RdE 2020, 941 Rn. 11, 19 bis 23 - Anpassung der Erlösobergrenze; zur rückwirkenden Änderung einer Festlegung wegen geänderter Rechtsprechung s.a. Beschluss vom 23. März 2021 - EnVR 74/19, juris Rn. 23 f. - Individuelles Netzentgelt V; s.a. BGH, WRP 2023, 709 Rn. 40 - Unterwerfung durch PDF). Bei der danach zu treffenden Abwägung ist insbesondere zu beachten, dass die materielle Gerechtigkeit einen dem Grundsatz der Rechtssicherheit mindestens ebenbürtigen Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips verkörpert (BGH, WRP 2023, 709 Rn. 40 - Unterwerfung durch PDF). Das gilt in besonderem Maße für die energiewirtschaftliche Regulierung, die weitgehend davon geprägt ist, dass die der Regulierung unterworfenen Unternehmen Vermögensdispositionen treffen, deren Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit sich in vielen Fällen erst mit erheblichem Zeitverzug erkennen lässt. Das trifft auch auf die hier in Rede stehende Genehmigung und Auflösung des Saldos des Regulierungskontos zu, die sich auf weit zurückliegende Jahre erstreckt.
Rz. 73
c) Die von der Bundesnetzagentur vorgenommene Abwägung hat das Beschwerdegericht ohne Rechtsfehler unbeanstandet gelassen. Eine unechte Rückwirkung begegnet hier keinen Bedenken im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz.
Rz. 74
aa) Die Genehmigungsentscheidung entfaltet keine unzulässige echte Rückwirkung (Art. 20 Abs. 3 GG; vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, NVwZ 2016, 300 Rn. 56; vom 25. März 2021 - 2 BvL 1/11, BVerfGE 157, 177 Rn. 51), weil entgegen der in anderem Zusammenhang geäußerten Auffassung des Beschwerdegerichts bei der Genehmigung des Saldos des Regulierungskontos für die Jahre 2016 und 2017 nicht nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingegriffen wird (BGH, Beschluss vom 4. Mai 2021 - EnVR 14/20, RdE 2021, 414 Rn. 27 - Erweiterungsfaktor III, mit Verweis auf BVerfG, NVwZ 2016, 300 Rn. 41; BVerwG, Urteil vom 19. November 2015 - 2 C 48/13, NVwZ-RR 2016, 467 Rn. 25).
Rz. 75
Nach § 5 ARegV in der bis zum 16. September 2016 geltenden Fassung war der Saldo des Regulierungskontos erst am Ende der Regulierungsperiode für sämtliche Jahre aufzulösen. Das hat der Reformverordnungsgeber der Anreizregulierungsverordnung grundlegend geändert und eine jährliche Genehmigung des Saldos vorgesehen. Nach der Übergangsregelung des § 34 Abs. 4 ARegV konnten Netzbetreiber den Antrag gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1a in Verbindung mit § 5 ARegV auf Genehmigung der Anpassung erstmals zum 30. Juni 2017 stellen, wobei die erste Auflösung des Regulierungskontos alle noch offenen Kalenderjahre umfasst und der Saldo annuitätisch über drei Kalenderjahre durch Zu- und Abschläge auf die Erlösobergrenze verteilt.
Rz. 76
bb) Eine unechte Rückwirkung, die nicht grundsätzlich unzulässig ist (BVerfG, Beschlüsse vom 7. Juli 2010 - 2 BvL 14/02, BVerfGE 127, 1 Rn. 57 - Rückwirkung im Steuerrecht; vom 2. Mai 2012 - 2 BvL 5/10, BVerfGE 131, 20 Rn. 73 - Ruhegehaltssatz; Urteil vom 10. April 2018 - 1 BvR 1236/11, BVerfGE 148, 217 Rn. 136 - Gewerbesteuerpflicht Mitunternehmeranteilsveräußerung; Beschluss vom 25. März 2021 - 2 BvL 1/11, BVerfGE 157, 177 Rn. 53), begegnet hier keinen Bedenken.
Rz. 77
(1) Die Gewährung vollständigen Schutzes zugunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde die Regulierungsbehörde, die nach § 1 EnWG durch Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs für eine unter anderem möglichst sichere und preisgünstige Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität zu sorgen hat, ebenso wie den auf das Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen über Gebühr einschränken und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung sowie des Verwaltungshandelns einerseits und der Notwendigkeit zu deren Änderung im Hinblick auf einen Wandel andererseits zulasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt daher die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 2021 - 2 BvL 1/11, BVerfGE 157, 177 Rn. 53). Nichts anderes gilt für die allgemeine Erwartung eines Netzbetreibers, sein bislang unbeanstandet gebliebenes Verhalten werde auch zukünftig von der Regulierungsbehörde gebilligt. Andererseits muss aber, soweit ein Regulierungshandeln aufgrund einer später ergangenen Rechtsprechung Rechtsfolgen an bereits ins Werk gesetzte Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz hinreichend Rechnung getragen werden, ein etwaiges schutzwürdiges Vertrauen mit den Interessen sämtlicher der von der Regulierungsentscheidung Betroffenen abgewogen und dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden (vgl. zur Änderung der Anreizregulierungsverordnung durch den Verordnungsgeber BGH, Beschluss vom 4. Mai 2021 - EnVR 14/20, RdE 2021, 414 Rn. 27 bis 33 - Erweiterungsfaktor III, mit Verweis auf BVerfGE 127, 1 Rn. 57; 131, 20 Rn. 73; BVerfG, Beschluss vom 25. März 2021 - 2 BvL 1/11, BVerfGE 157, 177 Rn. 54).
Rz. 78
Das Vertrauen in eine bestehende Rechtslage ist vor diesem Hintergrund nicht schutzwürdig, wenn der Antragsteller nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge zurückbezogen wird, mit dieser Regelung rechnen musste (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2018 - EnVR 29/16, RdE 2018, 485 Rn. 29 mwN; Urteil vom 14. Dezember 2021 - XIII ZR 1/21, ZNER 2022, 385 Rn. 47 - Sanktion bei Meldepflichtverstoß; Beschluss vom 5. Dezember 2023 - EnVR 59/21, RdE 2024, 191 Rn. 41 - Kommunalrabatt). Zudem kann ein Vertrauen darauf, dass mit einer Änderung einer bestimmten Verwaltungspraxis nicht zu rechnen ist, nur bei einem eindeutigen Verwaltungshandeln entstehen (vgl. BFH, Beschluss vom 13. März 2013 - V B 133/11, BFH/NV 2013, 933 Rn. 4) und wenn die Verwaltungspraxis zudem rechtmäßig ist (BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 - 3 C 49/02, BVerwGE 118, 379 [juris Rn. 12 f.]; BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2023 - EnVR 59/21, RdE 2024, 191 Rn. 38 - Kommunalrabatt).
Rz. 79
(2) Diesen Maßstäben hat das Beschwerdegericht im Ergebnis hinreichend Rechnung getragen. Durchgreifende Gesichtspunkte, nach denen das Vertrauen der Antragstellerin schutzwürdig gewesen wäre, zeigt die Anschlussrechtsbeschwerde nicht auf. Solche sind auch nicht ersichtlich.
Rz. 80
(a) Soweit die Anschlussrechtsbeschwerde geltend macht, es hätten keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Kosten für die Buchung von Netzreservekapazität von den Betreibern dezentraler Erzeugungsanlagen zu tragen gewesen seien, dringt sie damit nicht durch. Zwar trifft es zu, dass insoweit keine Verwaltungspraxis bestand und sich die Hinweise der Bundesnetzagentur für Verteilernetzbetreiber allein mit der Frage beschäftigten, wie die Vermeidungsleistung zu berechnen ist, und nicht erörterten, wer im Ergebnis die Kosten für die Bestellung von Netzreservekapazität zu tragen hat. Allerdings rechtfertigt das kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand einer Rechtsauffassung, die die Antragstellerin ihrem Handeln zugrunde gelegt hat.
Rz. 81
(aa) Im Zeitpunkt der Anpassung der Erlösobergrenze durch die Antragstellerin lag keine - erst recht keine eindeutige - Verwaltungspraxis vor, nach der die Kosten für die Buchung von Netzreservekapazität im Ergebnis von den Netzkunden zu tragen sind.
Rz. 82
Die Verwaltungspraxis der Bundesnetzagentur war, da sie die Frage, wer die Buchungskosten zu tragen hat, weder in dem maßgeblichen Festlegungsbescheid geregelt noch in ihren Hinweisen erörtert hat, nicht eindeutig und - wie sich jedenfalls später herausgestellt hat - im Hinblick auf die Berechnung der Vermeidungsleistung auch nicht rechtmäßig. Die Hinweise der Bundesnetzagentur für Verteilernetzbetreiber beschränkten sich auf die Frage, ob die vermiedenen Netzentgelte mit oder ohne Berücksichtigung von Netzreservekapazität zu berechnen sind und wie sich diese Frage auf die Höhe der Vermeidungsleistung im Sinne des § 18 StromNEV auswirkt. Angesichts dieser Hinweise war für die Antragstellerin zumindest erkennbar, dass diese Frage offen (vgl. Lange/Weise, IR 2014, 146) und höchstrichterlich nicht geklärt war. Daran anknüpfend war auch die Praxis der Netzbetreiber im Hinblick auf die Verbuchung der Kosten uneinheitlich. Zahlreiche Netzbetreiber haben, wie die Bundesnetzagentur im angefochtenen Bescheid ausführt und was von der Antragstellerin nicht in Abrede gestellt wird, die Kosten der Bestellung von Netzreservekapazität den dezentralen Einspeisern in Rechnung gestellt, während einzelne Netzbetreiber sie auf die Netzkunden abgewälzt haben. Es bestand insofern keine hinreichende tatsächliche Grundlage für ein schutzwürdiges Vertrauen der Antragstellerin darauf, dass bei der Berechnung der vermiedenen Netzentgelte gemäß § 18 StromNEV die Netzreservekapazitätskosten nicht in Abzug zu bringen sind und damit im Ergebnis die Netzkunden diese Kosten zu tragen hätten.
Rz. 83
(bb) Eine von ihrem Verständnis abweichende Auslegung des § 18 Abs. 2 StromNEV musste die Antragstellerin insbesondere auch deshalb in Betracht ziehen, weil sie die vermiedenen Netzentgelte in anderer Weise, nämlich in Widerspruch zu der von der Bundesnetzagentur verlautbarten Rechtsauffassung berechnet hatte. Bei dieser Berechnungsweise konnten die Betreiber dezentraler Erzeugungsanlagen die Vorteile der Bestellung von Netzreservekapazität in vollem Umfang und - wie sich herausgestellt hat - auch zurecht für sich vereinnahmen. Dann lag es aber zumindest nicht fern und musste die Antragstellerin mit der Möglichkeit rechnen, dass derjenige, der die Vorteile der Netzreservekapazität in Anspruch nimmt, auch die Kosten für deren Buchung zu tragen hat, wie es in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs später anerkannt worden ist.
Rz. 84
Angesichts dieser Unsicherheiten hätte die Antragstellerin - ebenso wie andere Netzbetreiber - ein Missbrauchsverfahren einleiten können, um im Verhältnis zum Anlagenbetreiber zu klären, in welcher Höhe der Anspruch aus § 18 Abs. 2 StromNEV besteht. Dass sie diese Möglichkeit nicht genutzt hat und möglicherweise im Rechtsverhältnis zu den Anlagenbetreibern keine Vorsorge dafür getroffen hat, etwaig zu viel gezahlte vermiedene Netzentgelte zurückzufordern, stellt sich angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung dieser Kostenposition als ein der Antragstellerin anzulastendes Versäumnis dar. Auf die Frage, ob die Bundesnetzagentur nach eigenem Bekunden davon ausgegangen war, dass die Netzbetreiber stets die Buchungskosten zu tragen hätten, kommt es danach nicht an.
Rz. 85
(b) Soweit das Beschwerdegericht in anderem Zusammenhang angenommen hat, den Hinweisen der Bundesnetzagentur habe die Antragstellerin mittelbar entnehmen müssen, die Bundesnetzagentur sei davon ausgegangen, dass die Buchungskosten für Netzreservekapazität von den Netzkunden zu tragen seien, konnte das ebenfalls keinen hinreichenden Vertrauenstatbestand begründen. Denn die Hinweise der Bundesnetzagentur beruhten auf der - unzutreffenden - Annahme, dass bei der Berechnung der Vermeidungsleistung nach § 18 Abs. 2 Satz 1 StromNEV die Buchung von Netzreservekapazität nicht zu berücksichtigen ist und die Betreiber der dezentralen Erzeugungsanlagen die Vorteile der Buchung daher nicht in Anspruch nehmen können. Eine solche Annahme hat die Antragstellerin ihrem eigenen Handeln aber nicht zugrunde gelegt.
Rz. 86
(c) Die Gestaltung der Erhebungsbögen der Bundesnetzagentur für die Mitteilungen nach § 28 Satz 1 Nr. 1 ARegV über die Anpassung der Erlösobergrenzen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Ohne eine Verwaltungspraxis, die das regulierungsrechtliche Problem einer Prüfung unterzieht, konnten die Erhebungsbögen allein keine tragfähige Grundlage für das Vertrauen auf die Billigung einer bestimmten Rechtsauffassung und der darauf beruhenden unternehmerischen Entscheidung bilden (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2023 - EnVR 59/21, RdE 2024, 191 Rn. 38 - Kommunalrabatt).
Rz. 87
(d) Erfolglos bleibt auch der Einwand, die Bundesnetzagentur hätte in den Zeiten, in denen sie das Regulierungskonto geführt habe, auf Grundlage der ihr vorliegenden Daten prüfen müssen, ob die Antragstellerin bei den vermiedenen Netzentgelten die Kosten für die Buchung von Netzreservekapazität in Abzug gebracht hatte, und ihr zudem jährlich den Kontostand mitteilen müssen. Das verkennt, dass der Bundesnetzagentur nach § 5 Abs. 4 Satz 1 ARegV in der bis zum 16. September 2016 geltenden Fassung die Prüfung der Regulierungskontosalden im letzten Jahr der Regulierungsperiode für die letzten fünf Jahre oblag, entsprechende Zwischenmitteilungen verordnungsrechtlich nicht vorgesehen waren und diese angesichts des in § 5 Abs. 4 ARegV aF vorgesehenen Prüfungszeitpunkts allenfalls informatorischen Charakter gehabt hätten. Vor diesem Hintergrund kann aus einer fehlenden Übermittlung von Zwischensalden weder eine Billigung des Handelns der Antragstellerin durch die Bundesnetzagentur noch ein Vertrauenstatbestand abgeleitet werden.
Rz. 88
IV. Danach ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben, soweit das Beschwerdegericht den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 17. Dezember 2019 aufgehoben hat und diese zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts verpflichtet hat. Die Beschwerden der Antragstellerin sind damit insgesamt zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 90 Satz 2 EnWG.
Kirchhoff Roloff Tolkmitt
Holzinger Kochendörfer
Fundstellen
Dokument-Index HI16638250 |