Leitsatz (amtlich)
Nimmt der Antragsteller seinen Nachprüfungsantrag vor der Vergabekammer zurück, findet eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners oder des Beigeladenen im Verfahren vor der Vergabekammer nicht statt.
Normenkette
GWB § 128 Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 27.07.2005; Aktenzeichen VII-Verg 20/05) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde gegen den Gebührenbeschluss der 1. Vergabekammer des Bundes v. 22.11.2004 wird auf Kosten der Beigeladenen zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin beteiligte sich als Bieterin an einer Ausschreibung der Antragsgegnerin. Da diese beabsichtigte, den Auftrag an einen anderen Bieter zu erteilen, hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag gestellt. Die Vergabekammer hat die Beigeladene am Nachprüfungsverfahren beteiligt. Nachdem die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag wieder zurückgenommen hatte, hat die Vergabekammer das Nachprüfungsverfahren eingestellt, dessen Kosten (Gebühren und Auslagen) der Antragstellerin auferlegt und ferner dahin erkannt, dass die Verfahrensbeteiligten die ihnen entstandenen Auslagen jeweils selbst zu tragen haben.
Hiergegen wendet sich die Beigeladene mit der sofortigen Beschwerde und dem Antrag, unter Abänderung des Beschlusses der Vergabekammer zu beschließen, dass die Antragstellerin ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Kosten zu erstatten habe.
Die Antragstellerin tritt diesem Begehren entgegen.
Das angerufene OLG hat die Sache dem BGH zur Entscheidung vorgelegt.
II. 1. Die Divergenzvorlage ist zulässig.
Im Streitfall ist die Frage entscheidungserheblich, ob ein Antragsteller nach Zurücknahme seines Nachprüfungsantrags die Auslagen anderer Verfahrensbeteiligter, die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig waren, zu tragen hat. Diese Frage wird u.a. bejaht von dem OLG Naumburg (OLG Naumburg v. 4.1.2005 - 1 Verg 19/04, OLGReport Naumburg 2005, 535), weil die Rücknahme eines Nachprüfungsantrags aus kostenrechtlicher Sicht einem Unterliegen gleichstehe. Das vorlegende OLG möchte die Frage hingegen verneinen, weil ein Unterliegen i.S.d. § 128 Abs. 4 S. 2 GWB eine den Nachprüfungsantrag ablehnende Sachentscheidung der Vergabekammer voraussetze.
2. Die sofortige Beschwerde ist statthaft, obwohl mit ihr lediglich eine von der Vergabekammer getroffene Kostenentscheidung angefochten wird. Nach § 116 Abs. 1 S. 1 GWB findet die sofortige Beschwerde "gegen Entscheidungen der Vergabekammer" statt. Eine Vorschrift, die reine Kostenentscheidungen hiervon ausnimmt, enthält das Gesetz nicht.
3. Die auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Beigeladenen ist unbegründet.
a) Nach § 128 Abs. 4 S. 2 GWB hat ein Antragsteller einem Beigeladenen die für dessen Rechtsverteidigung im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt. Ein Unterliegen ist - wie das vorlegende OLG zutreffend erkannt hat - nur gegeben, wenn die Vergabekammer eine Entscheidung getroffen hat, die das sachliche Begehren des Antragstellers ganz oder teilweise als unzulässig oder unbegründet zurückweist. Das Erfordernis einer zurückweisenden Entscheidung steht in Einklang mit anderen Verfahrensgesetzen. So wird für den Bereich der Zivilprozessordnung von niemandem bezweifelt, dass die §§ 91, 92 ZPO, die ebenfalls ein Unterliegen voraussetzen, den Fall der Klagerücknahme nicht erfassen und zu Gunsten einer Partei nur eingreifen, wenn die angerufene Instanz eine den Gegner beschwerende Entscheidung getroffen hat. Die Regelung in Abs. 1 von § 80 VwVfG, auf den in § 128 Abs. 4 S. 3 GWB verwiesen wird, war bereits zum Zeitpunkt der Schaffung des das Vergaberecht regelnden Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dahin zu verstehen, dass eine Auslagenerstattung nur in Betracht kommt, wenn eine (dort: behördliche) Entscheidung über die beanstandete Maßnahme ergangen ist (BVerwG v. 18.4.1996 - 4 C 6/95, BVerwGE 101, 64; vgl. auch: BGH, Beschl. v. 9.12.2003 - X ZB 14/03, MDR 2004, 829 = BGHReport 2004, 782 = NZBau 2004, 285, m.w.N.). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit § 128 Abs. 4 S. 2 GWB eine hiervon abweichende Regelung hat schaffen wollen, die auch eingreift, wenn und soweit das mit dem Nachprüfungsantrag verfolgte Rechtsschutzziel aus einem anderen Grund als einer zurückweisenden Entscheidung nicht erreicht wird.
b) § 128 Abs. 3 S. 1 GWB rechtfertigt entgegen der Meinung der Beigeladenen kein anderes Verständnis von § 128 Abs. 4 S. 2 GWB. Auch das in § 128 Abs. 3 S. 1 GWB vorausgesetzte Unterliegen eines Beteiligten kann nur gegeben sein, wenn die Vergabekammer im Nachprüfungsverfahren eine Entscheidung über den Antrag getroffen hat. Wird das Nachprüfungsverfahren auf andere Weise beendet, beantwortet sich die Frage, wer die Kosten für Amtshandlungen der Vergabekammer (Gebühren und Auslagen) zu tragen hat, nach § 128 Abs. 1 S. 2 GWB. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 des dort in Bezug genommenen Verwaltungskostengesetzes trifft in diesen Fällen den Antragsteller insoweit die Kostenlast, weil er durch Stellung des Nachprüfungsantrags das Verfahren in Gang gesetzt hat. Das hat der Senat bereits für den Fall ausgesprochen, dass das Nachprüfungsverfahren sich in der Hauptsache erledigt hat (BGH, Beschl. v. 9.12.2003 - X ZB 14/03, MDR 2004, 829 = BGHReport 2004, 782 = NZBau 2004, 285), es gilt gleichermaßen aber auch dann, wenn und soweit der Nachprüfungsantrag zurückgenommen worden ist.
c) Für den Streitfall folgt aus Vorstehendem, dass das Gesetz eine Erstattung von Auslagen, welche die Beigeladene im Verfahren vor der Vergabekammer gehabt hat, nicht vorsieht, weil dieses Verfahren nicht durch eine der Beigeladenen günstige Entscheidung der Vergabekammer über den Nachprüfungsantrag, sondern durch dessen Rücknahme und Einstellung des Nachprüfungsverfahrens geendet hat.
d) In einem solchen Fall ist auch keine entsprechende Anwendung anderer Kostenvorschriften, etwa von § 155 Abs. 2 VwGO oder § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO geboten, wonach im Falle der Antragsrücknahme der Antragsteller verpflichtet ist, die Kosten zu tragen, zu denen nach § 162 Abs. 1 VwGO bzw. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO auch die dem Gegner für die entsprechende Rechtsverteidigung erwachsenen Kosten gehören. Aus § 128 Abs. 3 S. 2 und S. 3 GWB ist zu ersehen, dass der Gesetzgeber den Fall der Beendigung des Nachprüfungsverfahrens durch Rücknahme des Nachprüfungsantrags oder dessen anderweitige Erledigung gesehen hat. Gleichwohl hat er nur eine Regelung über die Höhe der in diesen Fällen zu entrichtenden Gebühr nach § 128 Abs. 2 GWB getroffen. Unter diesen Umständen kann eine planwidrige Regelungslücke, die für die Heranziehung der Grundsätze über die Analogie notwendig wäre, nicht darin gesehen werden, dass für das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer anders als für das verwaltungsgerichtliche und das zivilgerichtliche Streitverfahren eine Kostenerstattung auch im Falle der Antragsrücknahme nicht vorgesehen ist. Ergänzend wird auf die Ausführungen des Senats im Beschluss v. 9.12.2003 (BGH, Beschl. v. 9.12.2003 - X ZB 14/03, MDR 2004, 829 = BGHReport 2004, 782 = NZBau 2004, 285) verwiesen.
III. Die das Verfahren der sofortigen Beschwerde betreffende Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO in entsprechender Anwendung (BGH v. 19.12.2000 - X ZB 14/00, BGHZ 146, 202 [216 f.] = MDR 2001, 524 = MDR 2001, 767 = BGHReport 2001, 560 m. Anm. Reidt).
Fundstellen
RVGreport 2006, 155 |
Vergabe-News 2006, 9 |